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Sentenza verschwunden, eine geheime Forschungsanlage und ein geplanter Putsch: Viel schlimmer kann es für die Crew der Ikarus nicht kommen? Mit der Annahme irrt sich die Mannschaft des Rettungskreuzers gewaltig! Ein Rettungsversuch ist gescheitert, das Räderwerk der Bürokratie ist schwer hinderlich, die Schlinge um den Hals von Sally McLennane zieht sich zu und niemand scheint helfen zu können. Wenn einem die Ereignisse aus den Händen gleiten, besinnt man sich auf gute Freunde und darauf, dass zumindest einer auf alles vorbereitet zu sein scheint, böse Überraschungen inklusive. Doch gerade in dieser Situation könnte das alles nicht mehr ausreichen …
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Seitenzahl: 141
Impressum
Prolog
Epilog
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Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …
Es gab Tage, da wollte man sich umdrehen und weiterschlafen, bis alles vorbei war oder zumindest erträglicher wurde. Die Decke über den Kopf, alles umhüllende Dunkelheit, angenehme Stille, die Gewissheit, dass nichts da draußen einen etwas angeht und man sich um nichts kümmern muss. Heute war so ein Tag. Doch Sonja DiMersi lag nicht in ihrem Bett und konnte den Wecker auch nicht an die Wand werfen.
Sie stand vor Sally McLennane, war erschüttert und sprachlos. Sie unterdrückte den in ihr aufsteigenden Fluchtreflex nicht nur deswegen, weil sie ohnehin keine Möglichkeit hatte fortzurennen, sondern vor allem, weil alles in ihr nach Erklärungen verlangte.
Sie musste wissen, was das zu bedeuten hatte. Sie wollte, dass alles gut war. Dass dies ein großer Irrtum oder eine geniale Geheimdienstaktion war, dass Roderick gleich durch die Tür kommen würde, gewinnend lächelnd, sie in die Arme schloss und sie gemeinsam zu dem Schluss kamen, es geschafft zu haben.
War es aber nicht.
Sally sah Sonja an und ihrem Gesicht war anzumerken, dass sie keine guten Nachrichten hatte. Das Lächeln war maliziös, fast herablassend bösartig, und die ganze Körperhaltung der Geheimdienstchefin wies darauf hin, dass sie Sonja als eine Feindin betrachtete oder in diesem Moment sogar eher als ein Opfer.
Das war nicht Sally. Ja, McLennane konnte bösartig werden, wenn ihr danach war, und hin und wieder war ihr auch danach. Das hier aber hatte definitiv eine andere Qualität.
»Überrascht, nicht wahr?«
Sonja nickte. »Sehr überrascht. Was hat das zu bedeuten? Sie sind die Vorsitzende? Sind Sie überhaupt Sally McLennane?«
»Das bin ich. Die Herrin von Dardarus. Und auch Sally, in gewisser Hinsicht jedenfalls. Willkommen auf Kataran, übrigens. Ich erinnere mich nicht, Sie eingeladen zu haben. Ihr Besuch kommt mir etwas ungelegen, aber, wie Sie sicher schon gemerkt haben, nicht ganz unerwartet.«
Geschwätz. Es blieb die zentrale Frage. Zeit, sie zu stellen.
»Wo ist Roderick?«
Sally hob die Augenbrauen. »Ja, genau. Wo ist Sentenza? Das wüsste ich auch gern. Ich weiß, dass Sie annehmen, er würde sich in meinem Gewahrsam befinden. Tatsächlich wäre dies auch mein Wunsch. Leider ist es aber ganz anders. Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte. Deswegen freue ich mich auch darüber, Ihrer habhaft zu sein, denn so kann ich ihn aus der Reserve locken.« Wieder dieses maliziöse Lächeln. »Sie haben sich sehr angestrengt, um Ihren Mann zu finden. Ich gehe mal davon aus, dass sich Sentenza umgekehrt ebenso engagieren wird, oder was meinen Sie? Ich freue mich schon darauf, Zeugin ihrer beider Begegnung zu werden. Das wird sicher unsere Herzen öffnen.«
Sonja war immer noch erfüllt von einem tiefen Unverständnis. Ja, natürlich, die Logik verstand sie. Eine gefangene Sonja war durchaus dazu geeignet, Roderick Sentenza zu Dummheiten zu veranlassen, kein Zweifel. Aber … was tat Sally da? Sie war immer eine etwas zwielichtige Persönlichkeit gewesen, selbst zu ihren besten Zeiten. Das hier ging viel weiter und es war letztlich, falls nicht noch eine wichtige Information die Sachlage änderte, schlicht Verrat. Sally war eine Verräterin und ihr war nicht einmal das geringste Schuldbewusstsein anzusehen.
Nun, das hatte Sonja im Grunde auch nicht erwartet. Außerdem gab es ja immer noch die Möglichkeit, dass sie es gar nicht war. Je länger sie dieser Frau zuhörte und zusah, desto wahrscheinlicher war diese Alternative. Das führte dazu, dass sie sich entspannte. Alles war gut. Alles war furchtbar, aber auch gut, wenn die echte Sally noch irgendwo die echte blieb.
»Weiß das Raumcorps von Ihrem Zweitjob?«
»Ich hoffe nicht. Es würde unsere Pläne nicht befördern.«
»Was sind Ihre Pläne?«
Die Sally schüttelte den Kopf. »Nein, nein, so funktioniert das nicht. Seien Sie einer Sache versichert: Es sind gute Pläne. Die besten Pläne. Mehr müssen Sie nicht wissen. Unnötige Erkenntnisse belasten nur. Sie haben nur noch eine Funktion: den Störfaktor Sentenza auszuschalten. Konzentrieren Sie sich darauf und wir sind alle sehr zufrieden, vor allem ich. Danach haben Sie noch eine weitere kleine Rolle zu spielen, die Ihnen sicher auch noch viel Freude machen wird.«
Sonja verzog das Gesicht.
»Ich werde Ihnen nicht helfen, egal was Sie vorhaben!«
Sonjas Worte klangen selbst in den eigenen Ohren schal und kraftlos, und so fühlte sie sich auch. Aber was sollte sie sonst sagen? Dass sie in diesem Moment orientierungslos war, beschrieb ihre Gefühle nicht ausreichend. Sie war fassungslos. Was war richtig und was war falsch? Und wem konnte sie trauen? Jeder Mut schien sie zu verlassen.
»Sie müssen gar nichts tun«, sagte Sally. »Sie müssen einfach nur da sein. Ein Lockvogel für den treu sorgenden Ehemann. Und danach …« Sie lächelte wieder kalt und wiederholte: »… müssen Sie einfach nur da sein.« Da lag erneut diese Verachtung in ihrer Stimme und das war ein Tonfall, den Sonja, bei aller Kritik, noch nie bei Sally gehört hatte. Ihre Sally war nicht emotionslos. Ihre Gefühlswelt war nicht durchweg erfreulich, aber auch für ihre Gegner hatte sie zwar keine positiven Gefühle übrig, doch niemals eines, das diese in solcher Form herabwürdigte.
Sonja runzelte die Stirn. Da stimmte etwas nicht. Von ihren Gefühlen geblendet, überrascht, ja, schockiert, hatte sie für einen Moment eine zentrale Fähigkeit unterdrückt, die ihr in vielen Situationen bereits geholfen hatte: ihre Beobachtungsgabe. Und jetzt, wo sie sich kurz die Zeit nahm, die Gestalt Sallys aufzunehmen und zu betrachten, fiel ihr das eine oder andere bewusst auf, was ihr bisher nur unbewusst klar geworden war.
Diese Sally hielt sich anders. Sie redete ein wenig anders, obgleich die Stimme die gleiche war. Sie sah auch in Nuancen anders aus: nicht ganz so verhärmt, nicht so durchgehend erschöpft, nicht das Produkt einer langen Zeit, vieler Jahre harter Entbehrungen, die vor allem psychischer Natur waren und sich im Gesicht der Direktorin abgezeichnet hatten wie Patina, die durch kein Make-up – zu dem Sally ohnehin nicht übermäßig neigte – noch durch gründliches Waschen oder einen Urlaub beseitigt werden konnten. Diese Sally wirkte frischer. Auf eine andere Weise energiereicher, gleichzeitig weniger abgeklärt, von einer inneren Anspannung, die …
Diese Sally, hatte sie nun wieder gedacht. Da war ihr Unterbewusstsein schneller gewesen, doch diesmal hatte Sonja aufgepasst. Diese Sally.
»Ich verstehe«, sagte sie leise und sah die Frau an, nicht mehr forschend, sondern klar blickend. »Sie sind nicht Sally McLennane, zumindest nicht diejenige, die ich kenne. Sie sind eine Kopie. Ein Klon? Ja, das liegt am nächsten. Sie sind nicht das Original.«
Die Frau nickte ihr anerkennend zu. »Klon greift ein wenig zu kurz. Woran haben Sie es gemerkt?«
Die Frage war nicht leichthin gestellt, sie enthielt echtes Interesse, das in Sonja sofort die Warnglocken auslöste. Sally – diese Sally – wollte das nicht einfach so wissen, sie hatte hier die einmalige Gelegenheit, ihren Auftritt zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie bei der nächsten Begegnung mit einer ihr eigentlich bekannten Person weniger leicht zu durchschauen war. Sonja schloss den Mund, presste die Lippen ein wenig aufeinander und signalisierte damit, dass sie die Frage nicht zu beantworten gedachte.
»Nun gut«, sagte die falsche Sally, offenbar doch ein wenig enttäuscht. »Vielleicht werden wir im Verlauf Ihres Aufenthaltes eine Methode finden, mit der wir Ihre Kooperation etwas verbessern können. Ich bin sogar recht zuversichtlich, was das angeht.«
Das war eine Drohung. Kein so stumpfes Schwert, wie Sonja es gern hätte. Dies war ein Medokonzern, der volle Arzneischränke aufwies. Sie wollte nicht wissen, was dort an neuen Entwicklungen auf eine unwillige Probandin wartete.
»Was geschieht nun mit mir?«
»Wie ich bereits angedeutet habe: erst einmal gar nichts. Wir lassen Sie völlig unbeschädigt.«
Sonja verzog das Gesicht. Unbeschädigt. Für Dardarus war sie nicht mehr als ein Gegenstand. Immerhin schien sie sich nicht in unmittelbarer Gefahr zu befinden. Man musste für die kleinen Gnaden dankbar sein. Und wenn sie ein Lockmittel für Roderick war, dann war das so. Man sollte ihren Gatten auch nicht unterschätzen. Auf jemanden musste sie ja hoffen.
Ein Wachmann trat an sie heran, Aufforderung genug. Sie erhob sich und ließ sich wegführen, ohne noch ein Wort mit der falschen Sally zu wechseln. Es dauerte nicht lang, dann fand sie sich in einer schmucklosen Zelle wieder, die nicht mehr zu bieten hatte als eine Toilette, eine Waschgelegenheit und eine Liege, ohne Decke oder Kissen. Vorher hatte sie einen einfachen Overall anziehen müssen, der kratzig auf ihrer Haut lag. Natürlich war sie gründlich durchsucht worden. Sonja waren alle Mittel aus der Hand genommen worden, um sich selbst zu befreien. Dann wurde sie sich selbst überlassen, ohne eine Auskunft, für wie lange.
Ihr Aufenthalt würde zweifelsohne nicht besonders komfortabel sein. Sie stand gewiss unter Beobachtung und Sonja befürchtete, dass das kaltweiße, indirekte Licht, das die Zelle erfüllte, auch zur Schlafenszeit nicht abgeschaltet werden würde.
Sie war hilflos, eine Situation, die sogleich an ihren Nerven zerrte. Sie setzte sich auf die Liege, schloss die Augen, merkte, wie das weiße Licht durch ihre Lider drang, und wusste, dass sie bis auf Weiteres keine Ruhe finden würde.
Es war alles ganz gründlich schiefgelaufen.
»Ich glaube ja, dass da einiges schiefgelaufen ist«, murmelte Anande, der mit Thorpa zusammen in der Messe der Ikarus saß und versuchte, Gefallen an einem Mittagessen zu finden. Anande war kein Feinschmecker, er aß, um zu funktionieren, und empfand keinen herausragenden Lustgewinn bei diesem Vorgang. Heute aber schien die normalerweise durchaus schmackhafte Zubereitung der Automatikküche besonders fad zu sein. Er stocherte lustlos darin herum, obgleich er ziemlichen Hunger gehabt hatte. Irgendwie war der ihm vergangen. »Wir sollten nicht mehr zu lange warten.«
»Es sind erst 48 Stunden vergangen, seit sie aufgebrochen sind«, belehrte ihn Thorpa, der über Nacht seine Wurzeln in Nährlösung gebadet hatte und sich deswegen ganz offensichtlich nicht nur ausgeruht, sondern auch gestärkt fühlte. »Darius wird sich melden, sobald er etwas hört.«
»Falls er etwas hört.«
»Wir greifen ein, wenn die verabredeten 72 Stunden verstrichen sind, ohne dass es einen Pieps gegeben hat«, erinnerte ihn der Pentakka.
»Ja, ja.« Anande legte die Gabel mit einer Geste der Ergebenheit zur Seite. »Ich hasse diese Art von Untätigkeit. Wir müssen doch irgendwas unternehmen können? Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger bin ich von diesen Alleingängen überzeugt. Wir handeln am besten als Team, also hätten wir es auch diesmal tun sollen.«
»Deine Einwände kommen etwas spät. Und es war ja offenbar unser ruhmreicher Captain, der auf dieser Welt mit dieser Praxis begonnen hat.«
»Ja, ich weiß.« Anande schüttelte den Kopf. »Als ob Sonja überhaupt auf mich gehört hätte. Wenn es um Rod geht, denkt sie manchmal nicht logisch.«
»Wir haben in der Vergangenheit öfters mal nicht logisch gedacht, Jovian. Das schließt dich übrigens ein. Logik hilft immer nur ein kleines Stück weiter. Manchmal muss man eben tun, was zu tun ist.«
»Auf das Wie kommt es an!«
»Wenn die Optionen begrenzt sind, nicht einmal darauf.«
Anande hob die Augenbrauen. »Hast du Sun Tzu gefrühstückt oder bist du zu einem Philosophen geworden? Das sind Töne, die ich von dir gar nicht gewohnt bin.«
»Auch ich entwickle mich weiter«, gab Thorpa mit einem gespielt gekränkten Tonfall zurück. »Und vergiss nicht, dass ich zwar kein Philosoph, aber dafür Psychologe bin. Logik ist ein Bestandteil unser aller Existenz, aber wir sind weitaus öfter irrational denn rational, selbst wenn wir das nicht zugeben wollen. Philosophie beruht auf der Erkenntnis der Psyche. Jeder gute Psychologe ist auch ein Philosoph.«
Anande konnte dem nicht widersprechen. Es war schwierig, elaboriertem Bullshit etwas entgegenzusetzen. Er schaute auf seinen Teller. Seine Mahlzeit war in der Zwischenzeit nicht attraktiver geworden.
»Rational wäre, wenn ich das hier jetzt aufessen würde, denn ich habe Hunger. Irrational ist, wenn ich es wegwerfe, mir einen Schokopudding nehme und so tu, als hätte ich eine Belohnung verdient.«
»Du hast eine Belohnung verdient«, sagte Thorpa nach einem Moment.
»Ja? Wofür genau?«
»Für alles.«
»Das ist Blödsinn.«
Der Pentakka blieb unbeeindruckt. »Jovian, diese Sache mit Sandor Self hat eine alte Wunde geöffnet, du hast es selbst zugegeben. Wer du warst und wie du geworden bist, das ist ein wichtiges Thema für dich. Wir wissen beide, dass deine Vergangenheit an dir nagt. Und jeder Fehler, den du jetzt machst, jede falsche Einschätzung, jeder Patient, bei dem du nichts mehr tun kannst – der schmerzt dann doch einmal besonders stark und du hast daran zu knabbern.«
»Bekomme ich jetzt eine Psychoanalyse? Du hast mir als Philosoph besser gefallen.« Anandes Reaktion klang wahrscheinlich schärfer, als er sie gemeint hatte, doch Thorpa war ohnehin nicht beeindruckt. Er machte eine Geste mit den Zweigen, die Anande als zustimmend kannte.
»Ich bin Xenopsychologe und ein Pentakka. Du bist ziemlich xeno für mich.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das anhören möchte.«
»Ich will es mal kurz auf den Punkt bringen, um dein Unbehagen nicht über Gebühr zu provozieren«, fuhr Thorpa unbeirrt fort. Er wusste natürlich, dass Anande manchmal ein Grantler war; er nahm das nicht ernst. »Du bist ein grandioser Arzt. Du hast unzählige Leben gerettet. Du hast dein Leben dabei riskiert, mehr als einmal, und es war dir egal. Dir verdanken diese Crew, die Rettungsabteilung, das ganze verdammte Raumcorps sehr viel. Du hast deine Arbeit stets ohne Rücksicht auf Status, Herkunft und Charakter des Patienten gemacht. Du hast so gut wie nie geschwächelt, und wenn dann doch, immer nur kurz. Wenn du gerufen wurdest, warst du da. Was auch immer du für Sünden begangen hast, du hast sie mehrfach ausgeglichen, immer und immer wieder. Die Schuld ist abgetragen. Sie sollte dich nicht mehr bestimmen, deine Arbeit nicht, dein Leben nicht und nicht die Art, wie du mit anderen umgehst. Um es wirklich ganz prägnant zusammenzufassen …«
Thorpa erhob sich mit zweigeraschelnder Theatralik, ging zum Nahrungsautomaten und drückte einige Tasten. Sekunden später stellte er einen transparenten Becher vor Anande ab. Er war gefüllt mit Schokomousse und gekrönt mit Sahne, auf der Schokostreusel verteilt waren. Und mit einer weiteren theatralischen Geste, als ob er einen Orden überreichen würde, drückte der Pentakka dem Arzt einen Löffel in die Hand.
»Du hast dir den Schokopudding verdient, Jovian Anande«, sagte er feierlich. »Und zwar so viel, bis du platzt.«
Anande hielt den Löffel in seiner rechten Hand und man sah seinem Gesicht an, dass es darin arbeitete. Er seufzte ein wenig, als er Luft holte, den Blick unverwandt auf den Becher gerichtet, um ja nicht Thorpa ansehen zu müssen. Dann aber hob er seinen Kopf.
»Danke, Thorpa.«
»Das war ernst gemeint, keine Therapie.«
»Ich weiß. Danke.«
Anande nahm einen Löffel Mousse und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.
»Siehst du, es ist gar nicht so schwer«, sagte der Pentakka. »Und es ist alles für dich. Ich kann auf diese Weise keine Nährstoffe zu mir nehmen.«
»Nährstoffe?« Anande starrte auf den Becher. »Da sind keine drin, hoffe ich.«
Thorpa wollte möglicherweise antworten, aber er kam nicht dazu.
Ein Glockenton belehrte sie, dass die KI der Ikarus etwas gesehen oder gehört hatte und um Aufmerksamkeit bat. Beide Besatzungsmitglieder hoben den Kopf. Am Wandschirm der Messe erschien ein Bild der Außenansicht. Es zeigte ihren Abschnitt des Raumhafens. Und einen Besucher, einen relativ jungen Mann, der in einem schweren Mantel, mit Kapuze über dem Kopf, vor dem Schiff stand und offenbar um Einlass begehrte.
»Wer ist das?«, fragte Thorpa. »Er lässt uns nicht sein Gesicht sehen.«
»Dann öffnen wir auch nicht«, entschied Anande, der derzeit formal das Kommando über das Schiff hatte.
Als hätte der Besucher seine Worte gehört, hob er den Kopf und schlug die Kapuze zurück.
Anande betrachtete es für einen Moment, dann huschte Erkennen über seine Züge.
»Verdammt, das Gesicht kenne ich!«, entfuhr es Anande. »Wir haben doch nach dem Mann … das ist … Thorpa, die Schleuse öffnen!«
Der Pentakka kam der Aufforderung sofort nach und eilte dann dem Arzt hinterher, der dem Besucher entgegenrannte. Noch in der Schleusenkammer kam es zur Begegnung und der Kapuzenträger sah Anande erwartungsvoll, vielleicht auch mit einer Spur Angst im Blick entgegen.
»Dr. Sandor Self!«, platzte es aus Anande heraus. »Das sind Sie doch! Sie sind es wirklich! Aus welchem Loch kommen Sie gekrochen? Wissen Sie eigentlich, was für einen Wirbel … Ach, natürlich wissen Sie das.«