Rhetorik der Rede - Thomas Grießbach - E-Book

Rhetorik der Rede E-Book

Thomas Grießbach

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Dieser Band gibt einen systematischen Überblick über alle Aspekte der Rederhetorik (Redevorbereitung, Zielgruppenanalyse etc.). Jeder Bereich ist wissenschaftlich fundiert und enthält viele Übungsanleitungen sowie online Redebeispiele zur Analyse und Sensibilisierung. Das Buch richtet sich an Personen, die das Themenfeld Rederhetorik in diversen beruflichen bzw. schulischen oder universitären Kontexten lehren. Es kann aber auch zum Selbststudium genutzt werden. utb+: Zusätzlich zum Buch erhalten Leser:innen Arbeitsblätter sowie Videodateien. Das Filmmaterial hilft, die Wirkung von Äußerungen bewusster wahrzunehmen, den Blick für die rhetorische Oberflächen- und Tiefenstruktur zu schärfen und ein präzises Feedback zu geben. Die Arbeitsblätter können für die Kursgestaltung verwendet werden.

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Seitenzahl: 308

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utb 6029

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Prof. Dr. Thomas Grießbach, Sprecherzieher (DGSS), lehrt Rhetorik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und ist Rhetoriktrainer und Berater.

Dr. Annette Lepschy, Sprecherzieherin (DGSS) und Linguistin, lehrt Rede- und Gesprächsrhetorik an der Universität Münster und ist Rhetoriktrainerin.

Thomas Grießbach / Annette Lepschy

Rhetorik der Rede

Ein Lehr- und Arbeitsbuch

2., überarbeitete Auflage

DOI: https://www.doi.org/10.36198/9783838560298

© 2023 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

Internet: www.narr.de

eMail: [email protected]

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

utb-Nr. 6029

ISBN 978-3-8252-6029-3 (Print)

ISBN 978-3-8463-6029-3 (ePub)

Unseren Lehrern

†Elmar Bartsch

†Hellmut Geißner

†Rudolf Rösener

in dankbarer Erinnerung gewidmet

Vorwort

Das vorliegende Buch wäre nicht entstanden, hätten wir nicht Lehrende gehabt, die uns nicht nur rhetorische und sprechkünstlerische Inhalte vermittelt haben, sondern die uns vielmehr durch ihre Persönlichkeit, ihre fachliche Kompetenz und ihre je eigene Herzlichkeit wesentlich geprägt haben. Insoweit können wir mit Überzeugung sagen, dass unsere Lehrer Elmar Bartsch, Hellmut Geißner und Rudolf Rösener ein Fundament gelegt haben, auf dem wir dankbar weiterbauen dürfen. Faszinierend wirkten auf uns ihre Klarheit im Denken und ihre Fähigkeit, präzise Stellung zu beziehen. Inhaltlich und persönlich waren sie uns ein prägendes Vorbild, da sie ihre Lehre und rhetorische Praxis in Beziehung sowohl zur Antiken Rhetorik als auch zu Sozialwissenschaft und Philosophie gesetzt haben. Unser Anliegen ist es, die spezifischen rhetorischen und sprecherzieherischen Ansätze dieser einmaligen Persönlichkeiten in diesem Lehrbuch zu vereinen, ohne ihre Eigenarten überdecken zu wollen.

Dieses Buch bietet eine systematische Darstellung des Lehr-Lern-Feldes ‚Rederhetorik‘, die es (angehenden) Lehrenden aus den Bereichen Sprecherziehung, Rhetorik und Schule ermöglicht, rederhetorische Inhalte auf dem Hintergrund einer reflektierten Didaktik und Methodik zu vermitteln. Begleitend zum Buch gibt es eine Lehrfilmsammlung. Zugrunde liegen diesem Lehrbuch die Erfahrungen von zwei Jahrzehnten rederhetorischer Vermittlungspraxis in den Bereichen Hochschule, Schule, Wirtschaft und Verwaltung.

Im Sommer 2013 wurde der Grundstein für die Konzeption dieses Buches in Fenigli (Italien) im Rahmen eines Kooperationsseminares mit Studierenden aus Stuttgart und Münster und Kolleginnen und Kollegen aus Essen und Berlin gelegt. Ihnen gilt unser besonderer Dank für die Vorbereitung und die Ideen, das Ausprobieren, gemeinsame Entwickeln, Streiten und Mitgestalten: Dirk Prawdzik (Folkwang Universität der Künste, Essen); Margret Wübbolt (Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch, Berlin); Sebastian Fuchs (ehemals Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch, Berlin); den Studierenden der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung (DGSS) des Centrums für Rhetorik, Universität Münster: Thomas Pries, Thiemo Epping, Daniela Eschkotte, Paula Berdrow, Steffi Morenz, Inga Rottinghaus, Marie Becker-Hardt, Michael Holz; den Studierenden des Studiengangs Sprechkunst und Sprecherziehung der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Stuttgart: Aylin Bergemann, Christoph Walesch, Henrike Eichhorn, Juliane Tenzinger, Lena Försch, Markus Feuß, Melanie Hanselmann, Regina Spindler.

Für die Vorbereitung und Mitarbeit an den Video-Lehrfilmen danken wir den Stuttgarter Studierenden: Christoph Walesch, Lena Försch, Melanie Hanselmann, Juliane Tenzinger, Valerie Unser, Lena Conrads, Delia Olivi, Roya Aßbichler und den Münsteraner Studierenden: Daniela Twilfer, Benedikt Kaiser, Thiemo Epping.

Für das geduldige und konstruktive Korrekturlesen danken wir Sr. Daniela Meyer SDS, P. Michael M. Dillmann OP, Lena Försch, Paul Haase, Melanie Hanselmann, Daniela Twilfer und Christoph Walesch. Anna Fankhauser danken wir für das sorgfältige Layout und die Erstellung der Verlagsfassung. Für die konzentrierte Arbeit am ‚Set‘ und die Erstellung des Films danken wir Oliver Berg. Den Kapuzinern in Münster danken wir, dass sie uns einen Raum für die Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt haben.

Thomas Grießbach und Annette Lepschy

Vorwort

zur zweiten, überarbeiteten Auflage

Die positive Resonanz auf unser Lehr- und Arbeitsbuch „Rhetorik der Rede“ hat uns motiviert, eine zweite, leicht überarbeitete Fassung herauszugeben.

Dankbar sind wir vor allem den vielen Kolleginnen und Kollegen, die mit diesem Buch gearbeitet und uns wertvolle Rückmeldungen zu einzelnen Kapiteln gegeben haben. Aus diesem Grund haben wir gewisse Veränderungen durchgeführt, einige Passagen gestrichen und manche Passagen noch einmal präzisiert. Dennoch sind wir der Grundkonzeption des Buches treu geblieben.

Die Filmaufnahmen, die ehemals auf einer DVD separat beigefügt waren, sind nun, ebenso wie die Arbeitsblätter, auf digitale Weise abzurufen.* In diesem Zusammenhang sind wir den ehemaligen Studierenden dankbar, dass wir die Filmaufnahmen auch auf diese Weise weiterhin veröffentlichen dürfen.

Ein ganz besonderer Dank geht an P. Adam Rokosz OP, der für das Layout verantwortlich war und dem es gelungen ist, den Inhalten dieses Buches eine übersichtliche, ansprechende und klar strukturierte Form zu verleihen, sowie Gabriela Berg für das unermüdliche und sorgfältige Korrekturlesen.

Berlin/Münster, im April 2023

Thomas Grießbach und Annette Lepschy

*https://www.utb.de/doi/abs/10.36198/9783838560298

Inhaltsverzeichnis

1Einleitung

1.1Aufbau des Buches

1.2Aufbau der Kapitel

1.2.1Inhaltliche Hinführung

1.2.2Didaktisch-methodische Hinweise

1.2.3Übungsteil

1.2.4Transfer

1.2.5Vertiefende Hinweise

1.2.6‚basic – advanced – experienced‘

1.3Exploration der Lern- und Lehrvoraussetzungen

1.4Definition ‚Rede‘ und Globalziel der Rederhetorik

1.5Selbstverständnis: Kooperation versus Manipulation

1.6Rhetorische Kompetenz

2Didaktische Perspektive auf den Lehrgegenstand ‚Rede‘

2.1Die Rede als ‚kommunizierte Zeichen‘

2.2Die Rede als ‚kommunizierter Text‘

2.3Oberflächen- und Tiefenstruktur als systematisches Beschreibungsinventar

2.4Rhetorische Oberflächen- und Tiefenstruktur im Überblick

3Sprechsituation als Basis rhetorischen Redehandelns

3.1Exploration und Analyse

3.2Situativ angemessenes Sprechen

3.3Übungsteil

4Rhetorische Oberflächenstruktur

4.1Optik

4.1.1Körperhaltung

4.1.2Atmung und Intention

4.1.3Blickkontakt und Hörerbezug

4.1.4Mimik und Gestik

4.2Akustik

4.2.1Sprechfluss, Tempo und Artikulation

4.2.2Lautstärke/Dynamik/Melodieführung

4.3Sprache

4.3.1Zielgruppenbezogenes Sprachniveau (Einfachheit)

4.3.2Prägnanz

4.3.3Struktur

4.3.4Anschaulichkeit

4.3.4.1Anschaulichkeit durch Wortsprache

4.3.4.2Anschaulichkeit durch Visualisierung

5Rhetorische Tiefenstruktur

5.1Inhaltliche Durchdringung (Logos)

5.2Hörerorientierung (Pathos)

5.3Glaubwürdigkeit (Ethos)

5.4Rhetorische Tiefenstruktur im Überblick

6Gesellschaftsrede

6.1Tiefenstrukturelle Merkmale und Besonderheiten

6.1.1Didaktisch-methodische Besonderheiten der Gesellschaftsrede (Topoi)

6.1.1.1Topoi aus der Person

6.1.1.2Topoi aus der Sache

6.2Basic (personenbezogene Gesellschaftsrede)

6.2.1Didaktisch-methodische Hinweise

6.2.2Übungsteil

6.3Advanced (sachbezogene Gesellschaftsrede)

6.3.1Didaktisch-methodische Hinweise

6.3.2Übungsteil

6.4Experienced (Metaphern, Bilder)

6.4.1Didaktisch-methodische Hinweise

6.4.2Übungsteil

7Informationsrede

7.1Tiefenstrukturelle Merkmale und Besonderheiten

7.1.1Berichtend-darstellende Informationsrede

7.1.2Vermittelnd-instruktive Informationsrede

7.1.3Didaktisch-methodische Besonderheiten der Informationsrede

7.1.4Strukturmodelle der Informationsrede im Überblick

7.2Basic (berichtend-darstellende Informationsrede)

7.2.1Didaktisch-methodische Hinweise

7.2.2Übungsteil

7.3Advanced (vermittelnd-instruktive Informationsrede)

7.3.1Didaktisch-methodische Hinweise

7.3.2Übungsteil

7.4Experienced (Concept Map)

7.4.1Didaktisch-methodische Hinweise

7.4.2Übungsteil

8Überzeugungsrede

8.1Tiefenstrukturelle Merkmale und Besonderheiten

8.1.1Überzeugung – Die rednerzentrierte Überzeugungsrede

8.1.2Überzeugen – Die hörerzentrierte Überzeugungsrede

8.1.3Didaktisch-methodische Besonderheiten der Überzeugungsrede

8.1.4Strukturmodelle der Überzeugungsrede im Überblick

8.2Basic (rednerzentriert-handlungsorientierte Überzeugungsrede)

8.2.1Didaktisch-methodische Hinweise

8.2.2Übungsteil

8.2.3Transfer

8.3Advanced (hörerzentriert-handlungsorientierte Überzeugungsrede)

8.3.1Didaktisch-methodische Hinweise

8.3.2Übungsteil I

8.3.3Übungsteil II

8.3.4Vertiefungsübungen zu den Arbeitsschritten „Motivation der Hörer“ und „Lösungsversuche der Hörer“

8.3.5Varianten und Erweiterungen

8.3.6Baustein-Varianten/Erweiterungen

8.3.7Argumentative Struktur-Varianten/Erweiterungen

8.4Experienced (erkenntnisorientierte Überzeugungsrede)

8.4.1Didaktisch-methodische Hinweise

8.4.2Übungsteil

9Feedback

9.1Wertung versus Wirkung

9.2Aspekte des Feedbacks

9.2.1Beschreibung des Sachverhalts

9.2.2Die Wirkung auf mich

9.2.3Wunsch an dich / Vorschlag

9.2.4Wunsch versus Handlungsalternativen

9.2.5Videofeedback

9.2.6Bewertung rhetorischer Leistungen

10Arbeiten mit dem Filmmaterial []

11Arbeitsblätter []

12Seminarkonzepte

Literaturverzeichnis

1

Einleitung

„Reden kann man nur durch reden.”

CICERO

Ob Lehrende im Bereich der Sprecherziehung, Lehrer, Trainer, Atem-, Sprech- und Stimmlehrer, wer ein Rederhetorik-Seminar durchführen möchte, sucht in der Regel in der vielfältig angebotenen Literatur nach Kurskonzepten, einzelnen Übungen und Hinweisen zur didaktischmethodischen Gestaltung solcher Seminare. Das Buch richtet sich deshalb primär an Personen, die Rhetorik in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Feldern lehren und unterrichten. Es stellt ein Lehr-Lern-Programm vor, das es Lehrenden ermöglicht, in überschaubaren Schritten die notwendigen rhetorischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln und durch angemessene Übungen anzuleiten.

Das Buch ermöglicht einen systematischen Überblick über alle Bereiche, die im Rahmen rederhetorischer Seminare von Bedeutung sind. Dies umfasst sowohl notwendige fachwissenschaftliche als auch didaktisch-methodische Aspekte. Das vorliegende Lehr- und Arbeitsbuch ist sprechwissenschaftlich fundiert, das bedeutet: Lehr-Praxis ist immer fachlich begründete Praxis. Mit der didaktischen Perspektive auf den Gegenstand ‚Rede‘ ist im Sinne eines axiomatischen Theorie-Praxis-Verständnisses gemeint, diesen im Hinblick auf seine Lehr- und Lernbarkeit zu reflektieren (vgl. LEPSCHY 1995, 40 ff.). Die notwendigen theoretisch-analytischen Kategorien zur Beschreibung des Gegenstands dienen ausschließlich dazu, daraus didaktisch-methodische Konsequenzen zu generieren. Die methodischen Aspekte umfassen sämtliche Übungs- und Erarbeitungsanteile, die zum Erwerb rederhetorischer Kompetenz sinnvoll und notwendig sind. Die hier vorgestellten Methoden und Übungen sind dabei gleichzeitig als Anregung zur Entwicklung eigener Übungen und Methoden zu verstehen.

1.1Aufbau des Buches

Zunächst wird das Selbstverständnis des Lehrenden im Hinblick auf seine Rolle, seine pädagogisch-ethische Grundhaltung und die Lehr- und Lernvoraussetzungen der Lernenden thematisiert und reflektiert. Darüber hinaus werden hier Gegenstand und Globalziel einer sprechwissenschaftlichen Rederhetorik definiert.

Im anschließenden Kapitel 2 wird der zu vermittelnde Lehr-Lern-Gegenstand ‚Rede‘ unter einer didaktischen Perspektive näher bestimmt. Im Mittelpunkt der folgenden Kapitel steht übergreifend die zentrale Frage der Lernenden: Was kann ich tun, um eine überzeugende situationsangemessene Rede/Präsentation zu halten? Deshalb beschäftigt sich das Kapitel 3 zunächst mit der Sprechsituation als Basis rhetorischen Redehandelns. Da eine Rede nicht allein eine intellektuelle Leistung ist, sondern die ganze Person beansprucht, werden in Kapitel 4 zunächst die relevanten Aspekte der Oberflächenstruktur (optisch, akustisch, sprachlich) vorgestellt und erarbeitet.

Die Oberflächenstruktur wird dann in den Kapiteln 5 bis 8 um die rhetorische Tiefenstruktur (Logos, Ethos, Pathos) erweitert. Die Reihenfolge der erläuterten Redegattungen von der Gesellschaftsrede (Kapitel 6) über die Informationsrede (Kapitel 7) zur Überzeugungsrede (Kapitel 8) hat sich vor allem aus Gründen des Zeitaufwandes und der unterschiedlichen Komplexität der Redegattungen in der Praxis bewährt.

Zentrale Aspekte des Feedbacks für den rederhetorischen Lehr-Lern-Prozess werden im Kapitel 9 besprochen. Die Einsatzmöglichkeiten des Filmmaterials* [] werden im Kapitel 10 erläutert. Das Kapitel 11 enthält zahlreiche Arbeitsblätter [] für die Seminarpraxis. Im Kapitel 12 werden exemplarisch verschiedene Seminarkonzepte vorgestellt. Im Kapitel 13 findet sich das Literaturverzeichnis.

1.2Aufbau der Kapitel

Die Kapitel für die Lehrpraxis (ab Kapitel 3) sind in der Regel folgendermaßen aufgebaut:

•Inhaltliche Hinführung

•Didaktisch-methodische Hinweise

•Übungsteil

•Transfer

•Vertiefende Hinweise

1.2.1Inhaltliche Hinführung

Mit der inhaltlichen Hinführung werden die jeweiligen thematischen Teilaspekte theoretisch erläutert, damit wird die Relevanz für den Lernenden aufgezeigt. Diese thematische Hinführung ist dezidiert ausgerichtet auf die rhetorische Praxis. Es wird keine Theorie um der Theorie willen erläutert, sondern alle theoretischen Ausführungen unterliegen der Fragestellung: Inwieweit hilft die Theorie, die Praxis zu erklären und zu verbessern? Gleichzeitig kann diese thematische Hinführung vom Lehrenden im Seminar auch z. B. für einführende Trainerinputs genutzt werden, um damit rederhetorische Übungen einzuleiten bzw. zu erklären und zu begründen.

Zu jeder Lehr-Lern-Einheit gibt es Hinweise auf Beispiele aus dem Filmmaterial. Dieses Material kann z. B. zu Beginn einer jeweiligen Einheit als Einstieg in die Thematik und zur Sensibilisierung der Teilnehmer für bestimmte rederhetorische Aspekte eingesetzt werden. Weitere Einsatzmöglichkeiten für das Filmmaterial, z. B. als Grundlage zur Erarbeitung des Feedbacks, finden sich in Kapitel 10.

1.2.2Didaktisch-methodische Hinweise

Die didaktisch-methodischen Hinweise erläutern, welche Aspekte für den Lehr-Lern-Prozess besonders relevant sind. Hier finden sich auch Hinweise zur Anleitung der Übungen.

1.2.3Übungsteil

Daran anschließend folgt der Übungsteil, mit dem die jeweiligen rhetorischen Teilaspekte erarbeitet werden können. Zum Teil erscheinen die Übungen sehr kleinschrittig. Dieser bewusst ‚kleinteilige‘ methodische Zugang zu den Bereichen der rhetorischen Oberflächen- und Tiefenstruktur kann natürlich auch – vor allem im Bereich der Oberflächenstruktur – in entsprechenden Übungen zusammengefasst werden. Dies ist vor allem davon abhängig, wie viel Zeit zur Verfügung steht.

1.2.4Transfer

An den Übungsteil kann sich, dort wo es sinnvoll und notwendig erscheint, ein Transfer-Teil anschließen. Hier werden Übungen vorgestellt, mit denen die erarbeiteten Inhalte noch einmal in einen größeren rhetorischen Kontext gestellt oder auf spezielle berufliche Redesituationen angewendet werden.

1.2.5Vertiefende Hinweise

Hier werden weiterführende Hinweise gegeben, um ein Thema oder einen Aspekt durch ergänzende Theorien, Modelle oder Übungen zu vertiefen.

1.2.6‚basic – advanced – experienced‘

Für die Redegattungen in den Kapiteln 6 bis 8 wird eine zusätzliche Differenzierung in ‚basic‘, ‚advanced‘ und ‚experienced‘ vorgenommen. Eine solche Differenzierung ist sinnvoll, da die Tiefenstruktur nicht in allen Seminarkontexten mit der gleichen Tiefenschärfe bearbeitet werden kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gruppen zu groß sind, die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht oder die Bedürfnisse und Lernvoraussetzungen der Gruppe unterschiedlich sind.

basicDie hier vorgestellten Aspekte und Übungen bilden die Grundlage zum Erwerb rhetorischer Kompetenz.

advancedDiese Aspekte und Übungen vertiefen bzw. ergänzen die basic-Übungen, sind aber abhängig von der Gruppengröße, vom zur Verfügung stehenden Zeitkontingent und/oder den Bedürfnissen bzw. dem Lernniveau der Teilnehmer.

experiencedIn dieser Stufe werden einerseits spezielle Methoden zur Erarbeitung von Redeinhalten, andererseits weitere Redevarianten vorgestellt. Diese Stufe orientiert sich vorrangig an speziellen Situationsanforderungen. Zu beachten ist bei den Übungen dieser Stufe der verhältnismäßig hohe Zeitaufwand.

1.3Exploration der Lern- und Lehrvoraussetzungen

Wer sprechwissenschaftlich fundierte Rederhetorik-Seminare durchführt, für den ist – vor jeder rederhetorischen Seminarpraxis – die Exploration eine unabdingbare Voraussetzung zur Planung eines Seminars oder Coachings. Exploration bedeutet, sich im Vorfeld mit der Zielgruppe und deren Voraussetzungen, den Rahmenbedingungen (u. a. zeitlicher Rahmen, Gruppengröße) und dem Erwartungshorizont des Auftraggebers bzw. der Teilnehmenden zu beschäftigen.

Dabei kann die Exploration eine inhaltliche Schwerpunktsetzung ergeben, die dazu führen kann, einzelne Inhalte und Übungen auszulassen, zu verkürzen oder intensiver zu bearbeiten. So können die Erarbeitungsstufen ‚basic – advanced – experienced‘ als aufeinander aufbauende Stufen verstanden werden, die jedoch nicht zwangsläufig vollständig durchlaufen werden müssen und häufig auch nicht können.

Da es sowohl homogene als auch heterogene Teilnehmergruppen in Seminaren gibt, die jeweils unterschiedliche berufliche Redeanforderungen, Wissens- und Kompetenzvoraussetzungen haben, wird der Lehrende immer eine teilnehmerorientierte Auswahl treffen müssen.

BEISPIELEMitarbeiter, die sicherer im freien Reden werden möchten; Nachwuchsführungskräfte, die Präsentationen halten; Mitarbeiter, die in Ausschüssen Sachverhalte darstellen; Studierende, die sich auf das Lehramt vorbereiten; Vorstände von Vereinen, Unternehmen; Doktoranden, die sich auf ihr Kolloquium vorbereiten.

Der Umfang des in diesem Lehr- und Arbeitsbuch vorgestellten Rhetorik-Programms nimmt – würde man sämtliche Inhalte und Übungen komplett in Theorie und Praxis durchlaufen – mehrere Wochen in Anspruch. Dies ist in der Realität nur ausgesprochen selten zu realisieren. In der Regel umfassen rederhetorische Seminare ein bis fünf Tage (jeweils sechs Zeitstunden). Dabei spiegeln die Seminarausschreibungen bereits wider, welche Schwerpunkte in den jeweiligen Seminaren gesetzt werden.

BEISPIELEEinführung in die Rederhetorik; Einführung in das freie Sprechen vor Gruppen; Überzeugen und argumentieren in Ausschüssen und Versammlungen; Sicher und souverän die eigene Meinung vertreten; Wissenschaftliche Fachvorträge vorbereiten und präsentieren; Verständlich informieren und erklären; Visualisierung in der Präsentation; Theorie und Praxis der Rederhetorik; Grundkurs Rhetorik für Bachelorstudierende; Aufbaukurs Rhetorik für Masterstudierende; Juristische Sachverhalte verständlich erklären.

Bei allen denkbaren Kombinationen aus Seminarthema, Zielgruppe, Gruppengröße und Zeitkontingent besteht für den Lehrenden die didaktisch-methodische Anforderung und Herausforderung, ein adäquates und realistisch durchführbares Lehr-Lern-Programm zusammenzustellen. Wenn z. B. für ein Seminarthema „Einführung in das freie Sprechen vor Gruppen“ nur ein Tag (mit 8 Unterrichtsstunden) zur Verfügung steht, werden möglicherweise nur die jeweiligen basic-Stufen der verschiedenen Redegattungen bearbeitet werden können. Je nach Gruppengröße wird man hier auch nur exemplarische Vorträge hören können. Zur Veranschaulichung werden im Kapitel 12 einige Seminarkonzepte für verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgestellt.

Trotz solcher Modifikationen bietet die Struktur des Buches bei der Planung eines Seminars eine Orientierungshilfe, auch dann, wenn bestimmte Lehr-Lern-Einheiten isoliert herausgegriffen werden sollten. Die jederzeitige Zuordnung von Inhalten und Übungen zu den einzelnen Aspekten der Oberflächen- und Tiefenstruktur schafft Orientierung und Klarheit und verhilft dazu, sich nicht in Details zu verfangen. So wird sichergestellt, dass der jeweils vermittelte Inhalt immer im Gesamtkontext der Rederhetorik verortet werden kann.

1.4Definition ‚Rede‘ und Globalziel der Rederhetorik

In Abgrenzung zum Gespräch verstehen wir unter ‚Rede‘ eine unterschiedlich komplex strukturierte, thematisch und konzeptionell zusammenhängende sprachliche und sprecherische Einheit, mit der ein Sprecher/Redner eine kommunikative Wirkungsabsicht in Bezug auf einen oder mehrere Hörer verfolgt. In der Rede bilden Redner, Gegenstand und Hörer ein unauflösbares Beziehungsgeflecht:

„Es basiert nämlich die Rede auf dreierlei: dem Redner, dem Gegenstand, über den er redet, sowie jemandem, zu dem er redet und seine Absicht zielt auf diesen – ich meine den Zuhörer.“ (ARISTOTELES 1989, 20 f., 1358b)

Die Wirkungsabsichten betreffen die Einstellungsveränderung, den Erkenntnis- bzw. Wissenszuwachs, die emotionale Betroffenheit und die Handlungsauslösung. Damit bewegt sich die Rede immer im Spannungsfeld von ‚emotio‘ und ‚ratio‘, von Gefühl und Verstand.

Die ‚Rede‘ wird von der Kommunikationsform ‚Gespräch‘ unterschieden. Betont wird jedoch ihr ausdrücklich dialogischer Charakter. Die Dialogizität von Rede wird dort relevant, sichtbar und hörbar, wo der Redner die Hörerschaft sowohl in seiner Redevorbereitung durch Perspektivenübernahme einbezieht als auch im aktuellen Redevollzug konkret anspricht.

Daraus ergibt sich das rederhetorische Globalziel: Der Redner erlangt die Fähigkeit, seine Inhalte so zu kommunizieren,

•dass der Hörer sie identifiziert und akzeptiert

•und sie bei ihm zu einer emotionalen Betroffenheit, einem Erkenntniszuwachs, einer Einstellungsveränderung bzw. Handlungsauslösung führen können.

1.5Selbstverständnis: Kooperation versus Manipulation

Rhetorik, wie sie in diesem Lehrbuch verstanden wird, setzt sich bewusst von manipulativen Techniken ab und setzt den Fokus auf das antike Ideal des ‚vir bonus‘, des guten Menschen, der sich aufgrund seiner Bildung nicht nur bestimmter Techniken bedient, sondern sie auch ethisch vertreten kann. Aus diesem Grund steht die Glaubwürdigkeit des Redners im Vordergrund aller zu vermittelnden Inhalte.

Die Vermittlung rhetorischer Inhalte und Kompetenzen orientiert sich am aristotelischen Rednerideal, das drei zentrale Aspekte der Überzeugung umfasst (vgl. ausführlich auch GIL 2013, 15 ff.; MEYER 2007):

LogosDer Redner bedarf der Fähigkeit, seine Überzeugung argumentativ schlüssig und sachlich darzustellen und zu beweisen.

PathosDer Redner bedarf der Fähigkeit, sich nicht nur in die Verstandeswelt, sondern auch in die Gefühlswelt der Hörer versetzen zu können.

EthosDem Redner wird abverlangt, glaubwürdig zu sein und sich tugendhaft und wohlwollend zu verhalten.

Reden lernen bedeutet daher auch, die eigene Persönlichkeit weiterzubilden und zu entwickeln. Dieses Anliegen ist eng verbunden mit dem, was seit der Antike mit tugendhaftem Handeln in Beziehung gesetzt wurde. Tugendhaftes Handeln zielt letztendlich darauf, glücklich zu sein, und dies ist zu erreichen, wenn der Mensch in all seinem Tun versucht, gut zu handeln (vgl. PIEPER 2006, 1 ff.). Die Verwirklichung des Guten ist nicht abstrakt, sondern lässt sich am Umgang mit dem anderen Menschen messen. Der mit der Tugend der Klugheit verbundene Anspruch, gut zu sein, steht daher stets in Beziehung zur Tugend der Gerechtigkeit, die den anderen Menschen und das Gemeinwohl in den Blick nimmt. Insoweit liegt der ethische Anspruch der Rhetorik darin, gut zu sein, gerecht zu handeln und bei allen Bestrebungen besonnen zu bleiben.

Für den Redner bedeutet dies, stets in Beziehung zur Hörerschaft zu stehen und kooperativ zu handeln (vgl. BARTSCH 1990, 37 ff.). Der Begriff ‚Kooperation‘ meint in diesem Zusammenhang, den anderen in seiner Andersartigkeit nicht nur wahrzunehmen, sondern ihn ernst zu nehmen und ihn im eigenen Redehandeln stets als konstitutive Bezugsgröße und Maßstab mitzudenken. Wer einen anderen Menschen überzeugen (kooperativ) und nicht überreden (manipulativ) möchte, bedarf der Fähigkeit, den anderen so zu verstehen, dass dieser sich verstanden fühlt. Dies fällt besonders dann schwer, wenn Sichtweisen dargelegt werden, die zur persönlichen Überzeugung im Widerspruch stehen.

„Beim Überreden wird das Bezugssystem des Hörers kurzgeschlossen, meist mit emotionalem Überdruck und der Suggestion … er wird zum Handeln im Reflex gebracht; zum Handeln mit Reflexion dagegen im Zusammenwirken seiner kognitiven (Verstand), emotionalen (Gefühl) und voluntativen (Wille) Kräfte beim Überzeugen.“ (GEISSNER 1969, 54 f.)

Reden mit der Absicht zu überzeugen bedeutet also, den Hörer ernst zu nehmen, indem seine „Urteilsfähigkeit die entscheidende Instanz für logisches und/oder praktisches Schließen“ erhalten bleibt (vgl. GEISSNER 1988, 154). Dagegen entmündigt die Überredungsrede den Hörer, indem der Redner dem Hörer die Denk- und Urteilsfähigkeit abspricht (vgl. ebd.). Aus diesem Grund wird innerhalb dieses Lehrbuches immer wieder der Begriff des Perspektivenwechsels verwendet. Beim Perspektivenwechsel geht es im Sinne Watzlawicks darum, den anderen nicht abzuqualifizieren, weil er anders denkt und fühlt, sondern die Perspektive als Wirklichkeitssicht des Gegenübers wahrzunehmen, sich in sie hineinzuversetzen, sie anzuerkennen, sich aber auch kritisch mit ihr auseinanderzusetzen (vgl. u. a. WATZLAWICK 2017, 144).

Dort, wo ein Mensch sich verstanden und ernst genommen fühlt, kann Vertrauen entstehen. ‚Den Menschen dort abholen, wo er steht‘ ist das Eine, das Andere ist, ihn zum ‚Weitergehen‘ mit dem Redner zu motivieren. Das aber ist in der Regel nur möglich, wenn eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Redner und Hörer besteht. Insoweit verzichtet dieses Lehrbuch auf jegliche taktische bzw. manipulative Rhetorik, weil die Erfahrung zeigt: Der Überzeugende besteht – der Überredende vergeht.

1.6Rhetorische Kompetenz

Rhetorische Kompetenz bedeutet, die eigene Überzeugung in der Öffentlichkeit glaubwürdig und situationsangemessen darzulegen. Sie umfasst deshalb zwei Aspekte: einerseits die Fähigkeit zur Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Haltung und Einstellung zum Thema, zur Hörerschaft und zur Situation; andererseits sprachliche, sprecherische, konzeptionelle Fertigkeiten, die notwendig sind, um Kommunikationsabsichten ausdrücken zu können.

Der Lern- und Entwicklungsprozess in Bezug auf die Reflexion und Auseinandersetzung mit eigenen inneren Haltungen zum Thema und zur Hörerschaft bedeutet, dass rhetorische Ausbildung immer auch Entwicklung von rhetorischem Denken erfordert. Rhetorisches Denken heißt kritisches Auseinandersetzen mit der Welt, mit gesellschaftlichen Prozessen, Problemen und Anforderungen, die in der Rede thematisiert werden. Rhetorische Kompetenz ist somit die Grundlage für ein gelungenes Miteinander in Rede und Gespräch, wo immer es gilt, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen oder Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Immer wieder ist es notwendig, die eigenen Positionen neu zu überdenken, zu prüfen und gegebenenfalls auch zu verändern, um so dem Ideal, in allen Situationen klug zu handeln, gerecht zu werden.

Der ideale Redner ist somit kein Produkt aus der Retorte, sondern eine eigenständige Persönlichkeit, die ihre Überzeugung in der Auseinandersetzung mit anderen stets kritisch reflektiert. Natürlich benötigt der Redner gleich dem Maler oder Tänzer eine grundlegende Begabung, die jedoch nicht der Abschluss, sondern der Beginn eines rhetorischen Prozesses ist, der lebenslang weiterentwickelt und -entfaltet werden kann.

Der Lern- und Entwicklungsprozess in Bezug auf die ‚handwerklichen‘ rhetorischen Fertigkeiten lässt sich analog zum Tanzunterricht veranschaulichen: Der Tanzlehrer hat die Aufgabe, den Lernenden die Komplexität des Tanzes in didaktisch aufbereiteten Schritten beizubringen. Insoweit richtet sich das vorliegende Lehrbuch an den ‚rhetorischen Tanzlehrer‘. Dabei erscheinen den Tanzschülern die vom Lehrer vorgestellten Tanzschritte nach dem Motto ‚vorwärts – vorwärts – Seite – schließen‘ zunächst einmal sehr technisch. Individualität scheint zu Beginn nicht vorzukommen. Doch je länger sie sich mit den Grundschritten auseinandersetzen, desto fähiger werden sie, sich von den Bewegungsmustern zu lösen. Ähnlich steht es um die Vermittlung rhetorischer Kompetenzen: Je länger und intensiver ein Lernender rhetorisch voranschreitet, umso mehr treten die Strukturen in den Hintergrund und die individuelle rhetorische Kompetenz gelangt in den Vordergrund.

*https://www.utb.de/doi/abs/10.36198/9783838560298

2

Didaktische Perspektive auf den Lehrgegenstand ‚Rede‘

„Ehe man beginnt, bedarf es der Überlegung.”

SALLUST

Um die Komplexität einer Rede und gleichzeitig auch das Globalziel der Rederhetorik didaktisch-methodisch aufzubereiten und damit lehr- und lernbar zu machen, bedarf es

•der Beschreibung und Durchdringung des Lehr-Lern-Gegenstands ‚Rede‘,

•einer Systematik von Lehr-Lern-Einheiten, die sich aus dem Gegenstand ergeben,

•Methoden und Übungen, die zur Aneignung und Erarbeitung rederhetorischer Lernziele und Kompetenzen führen.

REDE ist eine unterschiedlich komplex strukturierte, thematisch und konzeptionell zusammenhängende sprachliche und sprecherische Einheit, mit der ein Sprecher/Redner eine kommunikative Wirkungsabsicht in Bezug auf einen oder mehrere Hörer verfolgt.

Aus dieser Rede-Definition ergeben sich vier zentrale Aspekte:

•sprecherische

•sprachliche

•strukturell-konzeptionelle

•thematische

Die didaktisch-methodische Vermittlung dieser Aspekte macht in der Praxis ein unterschiedliches Vorgehen notwendig. So kann beispielsweise die Erarbeitung des Hörerbezugs sowohl die sprecherische als auch die thematische Seite der Rede betreffen.

Zur Differenzierung von Teillernzielen bedarf es deshalb einer Systematik, die es möglich macht, die Rede sowohl mikrostrukturell als auch makrostrukturell zu betrachten. Dieser Differenzierung liegt die Annahme zugrunde, dass die Komplexität einer Rede immer auf zwei Ebenen (der mikrostrukturellen und der makrostrukturellen) vom Sprecher gestaltet und vom Hörer erfasst wird. Ein Redner äußert sich in einer bestimmten Sprache und mit bestimmten sprecherischen Mitteln, über die sich bereits ein Teil der Redeinformation erschließen lässt. Dies wird als zeitliches Nacheinander, also linear, wahrgenommen. Gleichzeitig erschließt sich aber der Gesamtsinn der Rede nur als Einheit. Eine Rede ist immer eine Verknüpfung von Informations- und/oder Argumentationseinheiten, die auf eine bestimmte Hörerschaft ausgerichtet ist. Die Inhalte einer Rede sind kognitiv und emotional komplex verbunden, sodass dies aufseiten des Hörers einen komplexen Verstehens- und Entschlüsselungsprozess notwendig macht, damit er die Kommunikationsabsicht des Redners identifizieren und verstehen kann.

Benötigt werden demnach eine Betrachtungsweise und ein Analyseinventar, die es ermöglichen, sowohl die mikrostrukturellen Einheiten als auch komplexe Verknüpfungsstrukturen der Rede zu erfassen, um daraus Lehr-Lern-Einheiten generieren zu können.

Deshalb wird im Folgenden die Rede auf der mikrostrukturellen Ebene als ‚kommunizierte Zeichen‘, auf der makrostrukturellen Ebene als ‚kommunizierter Text‘ betrachtet. Grundlage für diese Unterscheidung sind sowohl zeichentheoretische als auch textlinguistische Überlegungen, die aber nur insoweit erläutert werden, wie sie für den rhetorischen Kontext von Bedeutung sind.

2.1Die Rede als ‚kommunizierte Zeichen‘

„Jede Rede besteht aus dem, was bezeichnet wird, und aus dem, was bezeichnet.“ QUINTILIAN

Aus dieser antiken ‚zeichentheoretischen‘ Betrachtung einer Rede lassen sich zur Beschreibung und Analyse folgende Fragestellungen ableiten:

Pragmatische PerspektiveWelche Zeichen verwendet ein Redner in verschiedenen Sprechsituationen, um seine Kommunikationsabsichten zu realisieren? Aus rederhetorischer Perspektive ist hier z. B. bedeutsam, inwieweit die Wortwahl die Verständlichkeit einer Rede unterstützt oder behindert.

Grammatisch-syntaktische PerspektiveWie sind die Zeichen im Satz bzw. in einer Sprecheräußerung organisiert? Hier spielen z. B. Aspekte eine Rolle wie die Verwendung von Füllwörtern oder Floskeln, die den Redefluss unterbrechen und zur Ablenkung der Zuhörer führen können, aber auch die Satzlänge oder Satzkonstruktion, die ein Verstehen erschweren.

Semantische PerspektiveWelche Bedeutung haben die Zeichen bzw. wie können sie interpretiert werden? Hier wird aus rhetorischer Perspektive z. B. zu fragen sein, ob die Rede verständlich ist, ob sie den Zuhörer erreicht oder inhaltsleer bleibt.

Wird die Rede zunächst als ‚kommunizierte Zeichen‘ betrachtet, ist es notwendig, sich dieses ‚Zeichenkonstrukt‘ als Konglomerat sämtlicher sprecherischer und sprachlicher Formen in Bezug auf die Zeichenqualität und -funktionalität hin näher anzuschauen. In der Rede werden sowohl ikonische, symbolische als auch indexikalische Zeichen verwendet (vgl. zum Folgenden auch LINKE/NUSSBAUMER/PORTMANN 2004, 19 ff.).

Ikonische ZeichenHier handelt es sich um Zeichen, die eine bildhafte Ähnlichkeit zum bezeichneten Gegenstand oder Sachverhalt aufweisen. Die Ähnlichkeiten können optischer Natur sein, aber auch lautmalerisch (Onomatopoetika: „miau, muh …“) vorhanden sein. Sie spielen in der Rede z. B. dort eine Rolle, wo begleitende Visualisierungen eingesetzt werden (vgl. Kapitel 4.3.4.2). Aber auch in der Körpersprache existieren ikonische Zeichen, wie z. B. gestisches Zeigen (Beispiel: „So ist eine Wendeltreppe gebaut.“).

Symbolische ZeichenDies sind Zeichen, in denen die Bedeutung bzw. Zuschreibung zu einem Gegenstand oder Sachverhalt konventionell festgelegt ist. Hierzu gehört der überwiegende Teil der Wortsprache einer Rede. Der Zusammenhang zwischen Zeichen und Bedeutung ist willkürlich. Der Gegenstand ‚Tisch‘ wird mit dem Symbol ‚Tisch‘ bezeichnet. Um das Symbol zu verstehen, muss jedoch die konventionelle Festlegung bekannt sein. Dieser Aspekt wird z. B. dort interessant, wo fachsprachliche Begriffe in der Rede verwendet werden, deren konventionell festgelegte Bedeutung den Hörern nicht bekannt ist (vgl. Kapitel 4.3.4.1). Ein klassisches Beispiel aus der Verwaltungssprache ist hier der Begriff ‚Rechtsbehelfsbelehrung‘, der ‚übersetzt‘ bedeutet: „Ihre Rechte als Bürger“. Im Bereich der Visualisierung spielen symbolische Zeichen dort eine Rolle, wo innere Strukturen und Zusammenhänge mittels symbolischer Zeichen (z. B. Pfeile, Kreuze) vom Redner aufgezeigt werden. Auch ihre Bedeutung wird vom Redner situativ festgelegt (vgl. Kapitel 4.3.4.2).

Indexikalische ZeichenDarunter sind solche Zeichen zu verstehen, bei denen von etwas sinnlich Wahrnehmbarem auf einen Grund geschlossen wird. Jemand sieht Rauch (Folge) und schließt daraus, dass dort ein Feuer (Grund) brennen muss. Aus dem Wahrnehmen der Folge werden Rückschlüsse auf den in der Regel nicht unmittelbar erkennbaren Grund gezogen. Bei indexikalischen Zeichen handelt es sich um eine ‚Kann-Beziehung‘. Da ein indexikalisches Zeichen seinen Zeichencharakter erst durch die Zuschreibung bzw. Interpretation bekommt, kann die ‚Richtigkeitsbreite‘ der Interpretation unterschiedlich stark ausgeprägt sein: Eine Person weint und es wird daraus geschlossen, dass sie unglücklich ist. Sie könnte aber auch vor Glück weinen. Aus diesem Grund werden indexikalische Zeichen auch als Symptome (Indices) bezeichnet, da sie verweisenden bzw. hinweisenden Charakter haben und die Erschließung ihrer Bedeutung immer einer Interpretation gleichkommt.

Die Differenzierung in ikonische, symbolische und indexikalische Zeichen hat für rhetorische Lehr-Lern-Kontexte Auswirkungen: Während sowohl ikonische als auch symbolische Zeichen im Sinne der intendierten Kommunikationsabsicht bewusst verändert werden können (z. B. andere Wortwahl in der Rede, weniger komplexe Satzstruktur, veränderte Bildsprache usw.), ist dies im Bereich der indexikalischen Zeichen nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Dies gilt vor allem für alle körperlichen Ausdrucksphänomene, die beim Redner wahrnehmbar werden. Im Unterschied zur verbalen Sprache ist der körperliche Ausdruck nur in einem sehr kleinen Umfang ikonisch bzw. symbolisch. Seine Zeichen haben überwiegend keine festgelegte konventionelle Bedeutung wie symbolische Zeichen der Wortsprache, sondern sie können lediglich auf etwas hinweisen, wobei der Interpretationsspielraum hier sehr groß sein kann. Um es am Beispiel ‚sich an der Nase reiben‘ zu verdeutlichen: Dieses indexikalische Zeichen hat keine konventionell festgelegte Bedeutung, sondern es kann auf vielerlei verweisen: Heuschnupfen, Juckreiz, Unsicherheit des Redners, aber es bleibt in jedem Fall eine vage und unsichere Interpretation.

Insofern wird im Folgenden für alle sprecherischen und sprachlichen Phänomene, die indexikalischen Charakter besitzen, denen also keine eindeutige Bedeutung zugeschrieben werden kann, der Begriff ‚Körperausdruck‘ verwendet. Nur diejenigen körperlichen Phänomene, deren Bedeutung eindeutig definiert ist – vergleichbar der Wortsprache – werden als Körpersprache bezeichnet (vgl. HEILMANN 2009, 19 ff.).

Aus der Differenzierung ergeben sich folgende Konsequenzen für die rhetorische Lehrpraxis: Körperausdruck wird nicht gelehrt, sondern bewusst gemacht und entwickelt. Dies geschieht im Lehr-Lern-Kontext durch Aufmerksamkeitssteuerung und durch die konkrete Beschreibung und das Rückmelden von ausgelösten Wirkungen im Feedback (vgl. Kapitel 9). Wenn z. B. durch die Rückmeldung der Hörer im Feedback deutlich wird, dass bestimmte nonverbale Verhaltensweisen in der Rede beim Hörer zu Fehlinterpretationen geführt haben, wäre die sich daraus ergebende Schlussfolgerung: „Wenn du als Redner verhindern willst, dass du missverstanden wirst oder dein Redehandeln missinterpretiert wird, dann verändere dein Redehandeln so, dass es so zielführend wie möglich ist und du alles vermeidest, was zu Fehlinterpretationen führen könnte und vom Ziel ablenkt.“

Die Leitfragen für die Betrachtung der Rede als kommunizierte Zeichen lauten:

•Hat das, was ein Redner sprecherisch und sprachlich realisiert, eine kommunikative Funktion?

•Was fördert bzw. was behindert die kommunikativen Absichten des Redners?

•Was fördert bzw. was behindert das Verstehen der Rede aus sprecherischer bzw. sprachlicher Sicht?

•Welchen Interpretationsspielraum eröffnet der Redner dem Hörer durch die verwendeten Zeichen?

•Welche Fehlinterpretationen sind möglich und wodurch werden sie verursacht?

2.2Die Rede als ‚kommunizierter Text‘

Die makrostrukturelle Betrachtungsweise fokussiert die Rede als kommunizierten Text im Sinne einer zusammenhängenden Einheit von Sprecheräußerungen, die kognitiv und emotiv verknüpft sind. In ihr werden Inhalte und Emotionen kommuniziert, die – auf einen Hörer ausgerichtet – immer mit einem bestimmten Einwirkungswillen auf diesen verbunden sind. Die Bezeichnung ‚Text‘ wird im rederhetorischen Zusammenhang vor allem für die in der Situation sprechdenkend erzeugte Rede verwendet. Die Rede als kommunizierten Text zu betrachten, impliziert die Merkmale Kohäsion, Kohärenz, Funktionalität, Sortenhaftigkeit und Zielgruppenbezug (vgl. BUSCH/STENSCHKE 2008, 231 ff.).

Die rhetorische Perspektive ist keine ausschließlich deskriptive (wie z. B. die Textlinguistik), sondern als synthesierende Perspektive ist sie auf Veränderung ausgerichtet. Damit können die textkonstituierenden Merkmale der Rede gleichzeitig als Anforderungen an eine gelungene Rede formuliert werden:

KohäsionUm einer Rede folgen und sie verstehen zu können, bedarf es einer erkennbaren syntaktischen und semantischen Struktur. Die Art und Weise dieser syntaktischen und semantischen Verknüpfungen orientiert sich am Verstehens- und Wissenshorizont der Hörer.

KohärenzReden entfalten einen inhaltlich-thematischen Zusammenhang. Diese Entfaltung kann deskriptiv (beschreibend), explikativ (erklärend), argumentativ (begründend) und narrativ (erzählend) sein.

Funktion (Redeabsicht/Redeziel)Reden erfüllen kommunikative Funktionen.

Grundsätzliche Redefunktionen lassen sich bereits aus dem Organon-Modell von Karl Bühler ermitteln:

Abb.: BÜHLER 1982, 28

Im Organon-Modell werden folgende Sprachzeichenfunktionen beschrieben: In Bezug auf die Gegenstände hat die Sprache Darstellungsfunktion. Sie hat Appellfunktion, da sie auf ein Gegenüber ausgerichtet bzw. gerichtet ist, und sie hat Kundgabe-/Ausdrucksfunktion, da Sprache immer an den Sprecher bzw. Redner gebunden ist, der gleichzeitig auch etwas über sich aussagt, wenn er spricht. Anhand der Sprachzeichenfunktionen lassen sich folgende Grundfunktionen von Reden ableiten: Die Kommunikationsabsicht eines Redners kann darin bestehen zu informieren, zu überzeugen, seine Meinung kundzutun oder emotional zu bewegen.

SortenhaftigkeitJede Redegattung zeichnet sich durch eigene Anforderungen in Bezug auf Sprache (z. B. Verständlichkeit, Argumentation, Visualisierung usw.) und Struktur aus und verfolgt verschiedene kommunikative Ziele:

•in der Informationsrede: Wissens- und Erkenntniszuwachs;

•in der Überzeugungsrede: Handlungsauslösung / Initiierung von Veränderungsprozessen bzw. Einstellungsveränderung;

•in der Gesellschaftsrede: Stärkung und Stabilisierung von Beziehungen.

ZielgruppenorientierungDas bindende Merkmal für die bisher genannten Kriterien ist der Zielgruppenbezug. Redeabsichten und -ziele sind immer auf eine Zuhörerschaft ausgerichtet.

Aus der Betrachtung der Rede als kommunizierter Text ergeben sich folgende Leitfragen:

•Ist das Redeziel für den Hörer erkennbar?

•Entspricht der Aufbau / die Struktur der Rede der Redeabsicht und dem Hörerinteresse?

•Inwieweit berücksichtigt die Rede die Perspektive des Hörers?

•Sind die Inhalte, Informationen, Argumente so verknüpft, dass ein logischer Zusammenhang erkennbar ist?

•Was fördert bzw. was behindert die Realisierung der kommunikativen Absichten des Redners?

2.3Oberflächen- und Tiefenstruktur als systematisches Beschreibungsinventar

Die erläuterten Betrachtungsweisen (Rede als kommunizierte Zeichen/kommunizierter Text) münden in ein systematisches Beschreibungsinventar für Reden, das im Folgenden als Oberflächen- und Tiefenstruktur der Rede bezeichnet wird (vgl. BARTSCH 1991, 21 ff.).

OberflächenstrukturWenn Reden unter dem Aspekt ‚kommunizierter Zeichen‘ betrachtet werden, wird die Oberflächenstruktur der Rede fokussiert. Dazu gehören alle Zeichen, die optisch, akustisch und sprachlich wahrnehmbar sind. Die didaktisch-methodische Besonderheit der Oberflächenstruktur besteht darin, dass die optischen, akustischen und sprachlichen Aspekte der Rede in differenzierten, kleineren Lehr-Lern-Einheiten fokussiert werden können, zum Teil auch unabhängig von der Redesituation bzw. der Redesorte. So können sowohl optische als auch akustische Aspekte (z. B. Blickkontakt; Hörerbezug etc.) beispielsweise an Gedichten erarbeitet werden. Auch kann die Erarbeitung von Methoden zur Visualisierung in einer speziellen Lehr-Lern-Einheit erfolgen.

TiefenstrukturWenn Reden unter dem Aspekt ‚kommunizierter Text‘ betrachtet werden, wird die Tiefenstruktur der Rede fokussiert. Dazu gehören alle strukturell-konzeptionellen, thematischen und Einwirkungsaspekte, somit alles, was nur als komplexe Einheit verstanden werden kann. Die didaktisch-methodische Besonderheit der Tiefenstruktur besteht darin, dass diese Aspekte nur im Zusammenhang mit konkreten Redesituationen erarbeitet werden können. Redeziele, Redeinhalte, Perspektivenübernahme und Einwirkungswille stehen immer in Bezug zu einer konkret vorliegenden Anlass- oder Problemsituation. Eine differenzierte didaktisch-methodische Bearbeitung der Tiefenstruktur erfolgt deshalb in der jeweiligen Redegattung Gesellschaftsrede, Informationsrede und Überzeugungsrede.

2.4Rhetorische Oberflächen- und Tiefenstruktur im Überblick

Betrachtungsweise

Rede als kommunizierte Zeichen

Rede als kommunizierter Text

Rhetorische Oberflächenstruktur

Rhetorische Tiefenstruktur

Optik

•Körperhaltung

•Atmung und Intention

•Blickkontakt und Hörerbezug

•Mimik, Gestik

•Umgang mit Medien/Hilfsmitteln (z. B. Karteikarten, Flipchart, Laptop, Beamer)

Logos(Inhaltliche Durchdringung)

•Themenbezug / Inhaltliche Erfassung

•Zielklärung und Zielformulierung

•Problemdimensionierung

•Zielgruppenorientierte Materialsammlung

Akustik

•Sprechfluss/Tempo/Artikulation

•Lautstärke/Dynamik

•Melodieführung

Pathos(Hörerorientierung)

•Perspektivenübernahme

•Signale für Partnerbezug

Sprache

•Zielgruppenspezifisches Sprachniveau (Syntax, Wortwahl)

•Prägnanz

•Struktur

•Anschaulichkeit (Wortsprache, Visualisierung)

Ethos(Glaubwürdigkeit)

•Einwirkung auf den Hörer

•Authentizität

3

Sprechsituation als Basis rhetorischen Redehandelns

„Was und worüber du zu wem sprichst, das überlege dir reiflich.”

PLATON

3.1Exploration und Analyse

Inhaltliche HinführungReden sind immer in eine spezifische Sprechsituation eingebettet. Die Sprechsituation ist das Gefüge aus gesellschaftlichen, organisatorischen und individuellen Voraussetzungen und Bedingungen, innerhalb derer kommunikatives Handeln stattfindet.

BEISPIEL 1In einem Rhetorik-Seminar sitzt ein Lehrer, der auf der nächsten Lehrerkonferenz eine kurze Einführung zur Anschaffung digitaler Wandtafeln geben soll.

BEISPIEL 2Eine Verwaltungsmitarbeiterin des Tiefbauamtes soll in einer Bürgerversammlung die geplanten Kanalbauarbeiten und deren Auswirkungen auf das Wohngebiet erläutern.

Die zentrale Frage, die sowohl der Lehrer als auch die Verwaltungsmitarbeiterin zu beantworten hat, lautet: „Wie sieht die Situation aus, in der ich sprechen werde, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für meinen Vortrag?“ Ohne diese Analyse besteht die Gefahr, dass am Thema vorbeigeredet wird, das Publikum sich nicht eingebunden fühlt, der Vortrag zu lang oder zu kurz wird, die Zuhörer dem Vortrag nur schwer folgen können.

Ziel dieses Lernschrittes ist die Exploration und Analyse der Sprechsituation, um der inneren und äußeren Angemessenheit einer Rede gerecht zu werden (vgl. LEPSCHY/LEPSCHY 2011, 12 ff.).

Die Sprechsituation zu explorieren bedeutet, sie so genau wie möglich zu beschreiben und herauszuarbeiten, welche Konsequenzen sich daraus für die Konzeption und den Vortrag ergeben. Zur Exploration wird das folgende Sprechsituationsmodell eingesetzt.

Die Faktoren der Sprechsituation

Abb.: GEISSNER 1982, 38 und BARTSCH 2004, 43

Leitfragen zur Sprechsituationsanalyse

(vgl. GEISSNER 1982, 39)

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