Ronja - Odins Tochter - Christine Stutz - E-Book

Ronja - Odins Tochter E-Book

Christine Stutz

5,0

Beschreibung

Ronja ist die 21 jährige Tochter von Ulme, dem Häuptling einer Wikinger Siedlung. Als Neugeborene sollte sie Odin geopfert werden. Doch sie überlebt und das bringt ihr den Beinamen Odins Tochter ein. Die Menschen in der Siedlung meiden Ronja. Niemand will sich mit ihr abgeben. Nur Halver, der Mann, der ihr damals das Leben gerettet hat, hält zu ihr. Er ist ihr heimlicher Freund. Denn niemand darf wissen, dass sie sich treffen. Dann stirbt Ulme und lässt Ronja allein zurück. Gunther, ein brutaler Mann, wirbt um sie. Er will der neue Häuptling werden. Mutig stellt sich Halver Gunther in den Weg. Er hatte Ulme versprochen, sich um Ronja zu kümmern und sie zu beschützen. Halver gelingt es, Gunther zu besiegen. Er wird Häuptling und heiratet Ronja. Halver ist nur ihr Freund, mehr empfindet er nicht für Ronja, die ein Geheimnis hütet. Ihre große, heimliche Liebe zu dem Mann.

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Ronja - Odins Tochter

EpilogImpressum

Epilog

Ronja

Odins Tochter

Wikinger-Braut

Prolog

Halver schlich heimlich um das Haus. Mit seinen gerade mal 7 Jahren war er sehr wissbegierig. Irgendetwas ging im Haus des Häuptlings Ulme vor sich.

„Häuptling Ulme. Das Kind wurde geboren“ Die alte Hebamme grunzte wütend. „Es ist ein Mädchen. Ein Mädchen mit Feuerkopf“ sagte die Frau. Sie war mehr als enttäuscht, einem Mädchen auf die Welt geholfen zu haben. Das konnte Halver deutlich heraushören.

„Es ist dein erstes Kind. Und du weißt, was das bedeutet, Häuptling.“ Sagte der Älteste des Dorfes schwer. Ulme erhob sich und trat ins Zimmer, wo seine Frau und seine neugeborene Tochter lagen. Lange sah er auf das Kind herunter. Dann nickte er. Er nahm eine dicke Decke und wickelte das Kind ein. Dann nahm er seine Jacke und verließ mit dem Kind, das Haus.

Halver folgte dem großen Mann, den er so sehr bewunderte. Anders als seinen Vater, den er fürchtete. Ebenso fürchtete, wie seinen großen Bruder Gunther, der ihn zu jeder Tageszeit quälte. Gunther war nur zwei Jahre älter als der schmächtige Halver. Doch war Gunther fast doppelt so schwer und groß. Und seine Gewaltbereitschaft stand der, des Vaters, in nichts nach.

Ulme ging schwer in den Wald und weiter, tief hinein. Halver folgte dem Mann und erschrak, als Ulme das kleine Bündel nun liebevoll auf einer Lichtung niederlegte.

„Mein geliebtes Kind. Ich muss dich hierlassen. Ich werde dich den Göttern opfern, so wie es Brauch ist in unserer Gemeinde. In zwei Tagen werde ich wiederkommen, um zu sehen, wie die Götter entschieden haben.“ Sagte der Häuptling nun leise und küsste das Baby auf die Stirn. „Ich hoffe, die Götter sind uns gnädig. Ich habe mich so auf dich gefreut.“ Tränen liefen dem Mann über die Wange, die er schnell wegwischte, als Schritte zu hören waren.

„Die Götter werden dein Opfer annehmen. Du wirst sehen. Was willst du mit einem Mädchen? Dein nächstes Kind wird ein strammer Junge sein. So war es bei mir auch. Sieh dir Gunther an. Ich opferte meine erstgeborene Tochter und die Götter schenkten mir den stärksten Jungen des Dorfes.“ Sagte Halvers Vater stolz. Er war Ulme gefolgt.

Halver schluckte tief. Er war sehr verwundert! Er hatte eine große Schwester gehabt? Sein Vater hatte seine große Schwester geopfert? Das passte zu dem groben, herzlosen Mann, der sich sein Vater nannte! Halver schluckte tief. Und jetzt sollte das kleine Wesen dort auf dem Waldboden ebenfalls sterben? Was hatte das kleine Baby getan, dass es den Tod verdiente?

Die Männer entfernten sich, Ulme stockte im Gang, so als wollte er zurückkommen. Doch dann folgte er dem anderen Mann. Halver hörte die dröhnende Stimme seines Vaters noch lange. Vorsichtig kam der Junge aus seinem Versteck und hob das kleine Mädchen auf. Es fror. Halver öffnete seine Felljacke und schob das Bündel darunter. Er würde nicht zulassen, dass das Mädchen starb, starb wie seine Schwester, die er nie kennenlernen durfte. Er setzte sich unter einen Baum und sah auf das kleine Mädchen, das bereits jetzt einen feuerroten Haarflaum hatte, herunter. Er würde die zwei Tage auf das Kind aufpassen. Im Dorf würde ihn keiner vermissen. Halver versteckte sich oft vor der Brutalität seines großen Bruders, der ihn jeden Tag zusammenschlug, um ihn abzuhärten, wie Gunther es nannte. Doch Halver wusste, Gunther schlug aus lauter Lust an den Schmerzen anderer.

Das Kind begann zu weinen, es hatte Hunger. Halver kannte das von seiner Mutter, die fast jedes Jahr ein Kind zur Welt brachte. Kaum war sie aus der Stillzeit heraus, da wohnte Vater ihr in aller Brutalität bei und ließ erst von seiner Mutter ab, wenn sie wieder Leben unter dem Herzen trug. Seinen Vater interessierte es dann nie, welche Uhrzeit es war. Zu oft war Halver Zeuge des brutalen Aktes geworden. Ruhe hatte seine Mutter nur, wenn Vater auf Fahrt gewesen war.

Das Kind weinte nun lauter, es würde wilde Tiere anlocken. Halver versuchte es zu beruhigen, umsonst. Er seufzte. Er kannte das Gefühl von Hunger. Im Winter, wenn die Nahrung knapp war, war es nur Gunther, der immer genug zu essen bekam, die anderen mussten zusehen, wie ihr großer Bruder genüsslich seine Speisen verzerrte und ihnen anderen, oft lachend, die abgenagten Knochen zuwarf.

Plötzlich wurde Halver von zwei Wölfen umkreist. Die Tiere hatten das Kind gehört und waren nun auf Beute aus. Halver schluckte angsterfüllt. Sollte er ihnen das Kind überlassen und flüchten? Oder sollte er versuchen zu kämpfen? Doch da würde er keine Chance haben. Er war zu klein, zu schmächtig.

Unschlüssig überlegte er, als das kleinere Tier, die Wölfin näher kam und ihn vorsichtig anstupste. Halver schrak heftig zusammen. Ihre gelben Augen nahmen das kleine Bündel gefangen, das sich in seinen Armen rührte. Halver wagte nicht, sich zu rühren. Dann legte die Wölfin sich auf den Boden und hielt Halver ihre Milchleiste entgegen, der große Wolf knurrte gefährlich. Halver legte das Bündel auf den Boden zur Wölfin und sah mit ungläubigem Blick, wie das Tier dem Baby Nahrung gab. Die Wölfin zog das Mädchen näher zu sich und das Baby begann gierig zu trinken. Dann erhob sie sich wieder und schüttelte sich. „Ein Zeichen der Götter“ flüsterte Halver. Er war sich sicher. Der große Wolf musste Odin sein und der kleine seine Gefährtin Freya. Die Götter beschützten das Kind!

Halver nahm das Baby wieder an sich und schob es unter seine Jacke. Die Wölfe blieben auf der Lichtung. Der große, massige Wolf umstrich die Lichtung, markierte sie und knurrte, wenn sich etwas nähern wollte. Die Wölfin schmiegte sich an Halver, um ihn und das Baby zu wärmen.

Irgendwann schlief Halver ein. Sicher beschützt von den Wölfen, die die zwei Tage blieben, das Kind nährten und sie beide bewachten.

Kapitel

„Vaters Schiff ist auf dem Weg zu uns. In etwa zwei Stunden wird er hier sein“ Ich stand an der Klippe und hielt mir die Hand über die Augen, um die Sonne abzublenden. Dann beobachtete ich die Möwen, die weit hinaus aufs Meer flogen.

„Woher willst du das denn nun schon wieder wissen? Haben dir das deine Geister gesagt?“ Fragte eine amüsierte Stimme hinter mir. Ich wusste auch so, ohne mich umzudrehen, dass Halver hinter mir stehen geblieben war. Ich lächelte beruhigt. Ich wusste, Halver glaubte ebenso wenig an Geister, wie ich es tat. Leider waren wir beiden die einzigen damit in unserer kleinen Gemeinde. Sie alle fürchteten sich vor Hexen, Flüchen und Geistern. Am Meisten fürchteten sie den großen Geist des Waldes. Ich verzog amüsiert mein Gesicht. Welch dummes Volk.

„Schau, die Möwen“ sagte ich lächelnd. Es war das erste Mal heute, dass jemand mit mir sprach. Ich hob meine Hand und wies auf die Möwen, die nun, nur noch klein am Horizont zu sehen waren. „Sie fliegen aufs Meer. Sie wissen, dass sich dort ein Schiff nähert, wo sie sich ausruhen können. Sonst würden sie nie um diese Tageszeit, so weit hinaus fliegen.“ Erklärte ich geduldig. Halver kam nun näher und lachte. „Sie kommen doch bereits zurück, also kein Schiff!“ widersprach er mir. Doch ich schüttelte entschieden meinen Kopf. „Das sind nur die Jungtiere, die ihren Eltern folgen wollten. Ihnen fehlt noch die Kraft.“ Sagte ich und lächelte mild. „Du solltest die große Glocke läuten. Es nähert sich definitiv ein Schiff.“ Ich hob meine Hand und wies nun auf den Horizont. Ein kleiner Schatten erschien dort und wurde zusehends größer.

„Du bist mir wirklich unheimlich, Mädchen“ sagte Halver gutmütig. Er ging zur großen Glocke, die etwas abseits stand und läutete sie kräftig. Jetzt wusste jeder im Dorf, dass es Neuigkeiten gab. Halver läutete dreimal, das bedeutet, ein Schiff kam in unseren Hafen.

„Die Glocke. Eine gute Idee deines Vaters. So weiß jeder Bescheid“, sagte Halver. „Man kann sie bis zum Wald hören“ sagte er und wurde leicht rot. Ich wusste was er meinte. Die Glocke warnte ihn, wenn er sich mit anderen Frauen traf.

Er kam wieder zu mir und sah dem Schiff entgegen. Vorsichtig sah er sich um, dann legte er seine große, starke Hand auf meine Schulter. Sanft massierte er meine Schulter. Ich genoss es sichtlich. „Oder war es deine Idee? So wie alle anderen deines Vaters?“ fragte er leise und schmunzelte, als ich schwieg. Vater war der Häuptling unserer Gemeinde, die drei Dörfer umfasste. Vater war groß und stark, ein guter Mann. Er hatte meine Mutter geliebt und war stolz auf mich, seine kluge Tochter. Natürlich hatte er sich immer einen Sohn gewünscht. So wie jeder Wikinger!

Leider blieb Vater dies verwehrt. Ich blieb sein einziges Kind.

Söhne waren wertvoll, Töchter nur ein lästiges Übel. Nur für eine Sache gut. Den Mann zu bedienen und befriedigen. Ich hatte, als Neugeborenes, allerdings die zwei Schicksalstage überlebt. Eine Tatsache, die mir den Ruf einer Wald Hexe eingebracht hatte. Odins Tochter, so nannten mich die Dorfbewohner heimlich, wenn sie der Meinung waren, ich könne sie nicht hören.

Ich warf meinen roten Haarzopf in den Nacken und seufzte jetzt. „Ich werde dann mal gehen und Elenora vorwarnen. Wenn Gunther heimkommt, wird er ausgehungert sein.“ Sagte ich wütend. Halver nickte und ließ mich los. „Die arme Frau. Gunther wird sie wieder richtig rannehmen und er ist alles andere als rücksichtsvoll dabei“ stimmte er finster hinzu. Halver hasste Gunther, das wusste ich. Beide hatten sie damals, vor einem Jahr, um Elenora gefreit. Halver hatte Elenora geliebt, und sie ihn. Beide hatten sich oft im Wald getroffen und heftige Küsse ausgetauscht. Und kaum war Elenora alt genug gewesen, hatte Halver um ihre Hand angehalten.

Doch Gunther, größer und stärker, hatte sie von Elenoras Vater zugesprochen bekommen. Gunther galt als Nachfolger meines Vaters. Elenora wäre dann Oberfrau in unserer Gemeinde. Das hatte ihr Vater natürlich bedacht. Gunther war der stärkste Mann in unserem Dorf. Er war ebenso groß und breit, wie er brutal und dumm war. Wenn er die Gemeinde führen sollte, sah ich dunkle Zeiten auf uns zukommen.

„Er nimmt sie, egal ob sie bereit oder Willens ist! Er bohrt sich mit seiner Größe in sie, ohne dass sie bereit ist, ihn aufzunehmen. Elenora wird wieder reißen und wund sein. Ich werde ihr schon mal meine Paste anrühren.“ Antwortete ich bitter. Halver nickte grunzend. Er hatte Elenora geliebt, tat dies wahrscheinlich immer noch. Ein schmerzhafter Stich ging durch mein Herz. Es tat so furchtbar weh. Doch das durfte ich dem Mann neben mir nicht spüren lassen. Für Halver war ich nur eine kleine Freundin. Eine Freundin, die sonst keine Freunde hatte hier im Dorf. Die Frauen machten auf dem Dorfplatz einen großen Bogen um mich und tratschten heimlich über mich, wenn ich wieder mal, allein, in den Wald ging. Doch Nachts, wenn es dunkel wurde, kamen alle zu mir, um sich Medizin oder Ratschläge von mir zu holen. Vielen von ihnen hatte ich schon das Leben gerettet, wenn es einer Geburt Komplikationen gegeben hatte. Doch keine der Frauen würde mich in aller Öffentlichkeit ansprechen oder sich mit mir sehen lassen. Da war Halver der einzige. Halver sprach gern mit mir. Er hatte mir seinen Kummer über Elenora anvertraut. Er wusste, ich schwieg. Wir durften uns allerdings nicht öffentlich unterhalten, Halver war unverheiratet, ebenso wie ich. Für Halver war das kein Problem. Ich war jedoch schon 20 Jahre und damit weit über das Alter, indem die Mädchen unserer Gemeinde geheiratet wurden. Elenora war gerade mal 18 gewesen, als Gunther sie sich in sein Haus geholt hatte. Elenora war das schönste Mädchen im Dorf, es war also kein Wunder gewesen, dass die Männer um sie gebuhlt hatten. Um mich hatte keiner gefreit. Mit meiner Größe, meinen feuerroten Haaren und meiner fast knabenhaften Figur, war ich nicht wirklich attraktiv für unsere Männer. Aber es war mir auch sehr recht gewesen. Ich wollte keinen Mann, der mir vorschrieb, was ich zu denken und zu tun hatte. Ich wollte nicht das Bett mit einem Mann teilen müssen, der ich verachten würde. Wieder ging mein Blick zu Halver und ich unterdrückte ein Seufzen. Dann setzte ich ein Lächeln auf. „Du suchst in letzter Zeit oft meine Gesellschaft, Halver. Dir muss mächtig langweilig sein.“ Sagte ich nun. Halver lächelte und strich mir schnell über den Rücken, ein Schauer lief mir über den Körper. Das war nur eine freundschaftliche Geste, das wusste ich. Leider nur zu gut.

„Ich mag halt deine Gesellschaft“ sagte er jetzt. „Es sind wenigstens kluge Gespräche.“ Sagte er. Ich lächelte. Wir waren fast am Dorf. „Ich denke einfach, den verheirateten Frauen wird es langsam zu kalt, um in den Wald zu gehen. Und Pilze wachsen auch keine mehr.“ Antwortete ich. Ein stummer Schrei war in meiner Kehle, als Halver nun hochrot anlief.

Lauter Jubel war vom Dorf zu hören. Jetzt hatten sie also auch Vaters Schiff entdeckt, dachte ich schmunzelnd. Alle würden sich nun im Hafen einfinden.

„Ich muss ins Dorf. Beim Entladen helfen“ sagte Halver. Er strich mir liebevoll über die Schulter , zog an meinem Haarzopf und ging. Lächelnd sah ich ihm nach. Ich wusste, Halver war neugierig auf die Berichte der Männer, die von einer langen Fahrt wieder Heim kehrten. Er wäre zu gerne wieder mitgefahren. Doch die Runen- Würfel waren diesmal gegen ihn gewesen.

Vater hatte bestimmt, dass immer zehn Männer in den Dörfern blieben mussten, um sie zu beschützen. Das war meine Idee gewesen. Ich war 13 Jahre gewesen, als unser Dorf, ohne männlichen Schutz, angegriffen und geplündert worden war. Unsere alten Krieger waren der Überzahl machtlos entgegengetreten. Ich hatte mir die Kinder geschnappt und war mit ihnen in den Wald geflüchtet. Damit hatte ich vielen das Leben gerettet. Die Schreie der gefolterten und geschändeten Frauen waren bis zu unserem Versteck gedrungen. Daraufhin hatte Vater bestimmt, dass immer zehn junge, kräftige Männer im Dorf zu bleiben hatten. Diesmal hatte es Halver getroffen. Ich schmunzelte, ich hatte die Runen-Würfel so manipuliert, dass Halver hierbleiben musste. Aber das durfte mein Freund nie erfahren. Es reichte mir, mir Sorgen um Vater machen zu müssen. Ich wollte mir nicht auch noch Sorgen um Halver machen müssen. Ich würde es nicht überleben, wenn das Schiff ohne einen von ihnen Heim kam.

Ich wandte mich ebenfalls ab und ging den Weg zum Dorf zurück. Ich schritt durch das große, schwere Tor. Ebenfalls mein Vorschlag. Die Männer, die nicht mit auf Fahrt gingen, hatten auf Befehl von Vater eine hohe, dicke Mauer um unser Dorf gebaut. Ein riesiges Tor riegelte das Dorf von der Außenwelt ab. Vom Landweg aus, konnte uns nun niemand mehr spontan angreifen. Und auch im Hafen hatte ich Vater überall Fallen aufbauen lassen. Sollten feindselige Schiffe anlegen, würden sie mit einem einzigen Pfeil in Flammen aufgehen.

Alle Dorfbewohner bewunderten meinen Vater für seine Ideen und seine Neuerungen. Niemand, außer Halver, wusste, dass ich hinter all diesen Dingen steckte. Und das war gut so. Es durfte nie herauskommen, dass es eine Frau war, die dem Dorf mit ihren Erfindungen Schutz und den Wohlstand brachte. Es würde niemand verstehen. Eine Frau war in den Augen der Männer hier dumm und zu nichts zu gebrauchen. Eine Frau war nicht in der Lage, selbstständig zu denken.

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Das Schiff hatte gerade festgemacht, als ich am Hafen ankam. Vater stand, wie immer, groß und stark am Bug und winkte stolz. Graue Strähnen durchzogen sein schwarzes Haar und doch war er immer noch der stärkste Mann für mich. Ich liebte den Mann, der mich großgezogen hatte. Jetzt hatte er mich entdeckt und winkte noch etwas stärker. Ich hob meine Hand und winkte zurück.

Jetzt erschien Gunther am Bug. Er schlug Vater hart auf den Rücken. Mein Vater flog nach vorn und wäre fast vom Schiff gefallen, zwischen Steg und Bug. Er konnte sich gerade noch fangen. Gunther lachte, doch ich wusste. Es war pure Absicht gewesen! Gunther war nun 29 Jahre alt und wollte nicht länger darauf warten, meinen Vater abzulösen. Doch solange die Gemeinde Vater als ihren Häuptling anerkannte, war er machtlos. Gunther hatte es bereits dreimal versucht, Vater abwählen zu lassen, doch vergebens. Die Gemeinde wusste, seit Vater ging es ihr so gut wie nie. Deshalb akzeptierten die Menschen auch mich, die Wald Hexe, Odins Tochter. Das merkwürdige Mädchen. Das einzige Wesen, dass die zwei Tage überlebt hatte.

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„Es war wieder schlimm, Tochter“ sagte mein Vater. Er saß am Feuer und hielt mir seine Hand hin, die ich ergriff. Ich liebte meinen Vater. Was hatte ich ihn vermisst. Jetzt war ich nur noch glücklich.

Halver hatte sich zu uns gesellt. Heimlich war er in unser Haus gekommen, als es dunkel geworden war. Die anderen Männer saßen um diese Zeit im großen Gemeindehaus und ließen sich volllaufen. Viel Met und Geschichten, die sich irgendwann wiederholten. Halver hatte sich davongeschlichen, um meinen Vater zu sprechen. Ich holte Vaters Rasierzeug hervor und machte mich daran, Halvers zerzausten Bart zu schneiden. Das tat ich so oft Halver uns besuchte. Ich liebte es, seinen Bart in Form zu bringen. Halver ließ es gutmütig über sich ergehen.

„Wir waren drüben bei dem Inselvolk. Wir hielten Handel mit einem kleinen Dorf. Felle und Tran gegen Stoffe und Werkzeuge. Die Verhandlungen liefen gut. Der Dorfälteste war ein netter Mann, der uns Wein und Speisen anbot. Gunther und seine Freunde jedoch warteten nur auf eine gute Gelegenheit. Sie fielen über das friedliche Volk her. Sie plünderten und schändeten die Frauen, Mädchen. Sie töteten die Männer, die sich nicht wehren konnten gegen die Brutalität meiner Männer.“ Ulme schluckte tief. „So hatte ich das nicht geplant. Ich hoffte wirklich auf friedlichen Handel. Gunther entscheidet immer öfter über meinen Kopf hinweg. Keiner der Männer hört auf mich, wenn Gunther befiehlt! Fast täglich muss ich um mein Leben fürchten.“ Erzählte Vater. Er grinste, als er mir zusah. Ich flocht jetzt die Enden von Halvers Bart zu zwei Zöpfen. So war es hier im Dorf Brauch. Vater nickte zufrieden und reichte Halver einen Spiegel. „Du siehst wieder gut aus, Junge. Du wirst wieder reihenweise die Herzen brechen“ sagte Vater. Ich schloss schmerzerfüllt meine Augen, um die Tränen zurückzuhalten.

Dann erhob Vater sich. „Gunther hat das brutale Gemüt deines Vaters geerbt, Halver. Du kommst, Odin sei Dank, nach deiner Mutter. Sie war eine sanfte Frau. Ich würde mir nicht so große Sorgen um die Gemeinde machen, wenn du mein Nachfolger werden würdest“ sagte Ulme schwer. Wieder drückte er meine Hand. Ich wusste, Vater machte sich Sorgen um meine Zukunft. Wenn Gunther Häuptling wurde, erbte dieser mich. Ich würde dann seine Zweitfrau werden. Ich schüttelte mich angewidert. „Um mich mache dir keine Sorgen Vater“ sagte ich mild. „Mein Weg ist mir vorgegeben.“ Machte ich Vater Mut.

„Ich werde auf Ronja achten, Häuptling“ versprach nun auch Halver. „Ich werde sie schützen.“ Er verstummte, als ein leises Klopfen an der Tür zu hören war. Ich machte Halver ein Zeichen und der Mann versteckte sich in Vaters Zimmer, als ich vorsichtig die Tür öffnete. Ich wollte nicht, dass es zu Gerede kam. Der Tratsch im Dorf konnte tödlich sein.

Elenoras Mutter stand davor.

„Ronja, Ulmes Tochter, bitte, vergib mir die Störung. Aber Elenora braucht dringend deine Hilfe. Gunther kam heute Nachhause und ist brutal über sie hergefallen! Er war wütend, weil sie immer noch kein Kind trägt. Er hat gebrüllt, weil das Haus noch immer so dreckig und unordentlich ist. Elenora schafft es einfach nicht, aufzuräumen und zu putzen.“ Sagte die Mutter entschuldigend. „Er hat sie hart rangenommen und mit Schlägen zum Gehorsam gezwungen. Sie blutet zwischen den Beinen, es sieht schlimm aus.“ Sagte die Frau hastig. Ich griff mir meine Tasche, nickte Vater zu und folgte der Frau. Ich wusste, Gunther saß jetzt im Gemeindehaus und prahlte mit seinen Eroberungen. Ich hasste den Mann.

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Halver lehnte an der Wand, als ich GunthersHaus zwei Stunden später verließ. Er hatte Wache gehalten, um mich zu warnen, sollte sein brutaler Bruder auftauchen. „Schlimm?“ fragte er nur, als ich schwieg. Statt einer Antwort weinte ich leise. Halver reichte mir ein Tuch und ich wischte mir das Gesicht. „Elenora hat noch Glück gehabt. Sie ist nicht gerissen diesmal, aber er hat sie innerlich verletzt. Sie trug ein Kind, von dem sie aber nichts wusste. Es ging ihr ab, als Gunther sie vergewaltigte. Er hat sie wieder gestoßen und geschlagen, Elenora hatte keine Chance gegen ihn!“ erklärte ich bitter. „Jedes Mal, wenn Gunther auf Fahrt geht, betet Elenora zu Odin, dass das Schiff ohne ihn wiederkehrt. Doch jedes Mal werden ihre Gebete nicht erhört!“ fluchte ich leise. Halver schwieg betroffen. Auch ich schwieg. Gunther war vier Monate auf Fahrt gewesen. Das Kind, das Elenora verloren hatte, war erst wenige Wochen alt gewesen. Zu klein, um von Gunther gewesen zu sein. Ob Halver etwas damit zu tun gehabt hatte? Ich seufzte, es ging mich absolut nichts an. Also schwieg ich weiter.

Einige, betrunkene, Männer kamen nun aus dem Gemeindehaus. Unter ihnen Gunther. Halver verschwand in den Schatten. Es durfte uns niemand zusammen sehen, das Gerede wäre tödlich.