Rosen im Schnee - Ursula Koch - E-Book

Rosen im Schnee E-Book

Ursula Koch

3,8

Beschreibung

Katharina von Bora musste einen weiten Weg gehen, ehe sie Martin Luthers Frau wurde. Und das katholische Europa spottete über den Reformator, als er 1525 eine entlaufene Nonne heiratete. Das ein Mönch und eine Nonne sich in Liebe miteinander verbinden könnten, schien aller Welt so unmöglich, wie Rosen, die im Schnee blühen ...

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Ursula Koch

Rosen im Schnee

Katharina Luther, geborene von Bora –

Eine Frau wagt ihr Leben

15. Auflage 2011

1. Taschenbuchauflage

© 1995 Brunnen Verlag Gießenwww.brunnen-verlag.deUmschlagillustration: akg-images, BerlinUmschlaggestaltung: Ralf SimonSatz: Die Feder GmbH, WetzlarHerstellung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmISBN 978-3-7655-4126-1eISBN 978-3-7655-7115-2

Inhalt

Wittenberg, 20. Februar 1546

Nimbschen, 1509 – 1523

Torgau/Wittenberg, 1523 – 1528

Wittenberg, 15. Mai 1530

Wittenberg, 1534 – 1540

Zülsdorf, 1540 – 1541

Wittenberg, 1542 – 1546

Zwischen Wittenberg und Dessau, November 1546

Wittenberg, 1547 – 1552

Torgau, Dezember 1552

Daten und Fakten

Vorwort

Freunde und Feinde der Familie Luther haben uns viel Material hinterlassen. Jahrhundertelang sichteten und werteten die Forscher. Kaum ein anderes Leben aus der deutschen Vergangenheit ist so gründlich dokumentiert wie das Martin Luthers – und damit in weiten Teilen auch das seiner Frau. Und wenn wir weder auf die lobredenden Schwärmer noch auf die giftigen Zungen der Verleumder hören, sondern Briefe und Zeugnisse für sich sprechen lassen, dann erfahren wir von ganz normalen Konflikten, von Krankheiten, Ängsten, von Zweifel, Anfechtung und Tod. Wir hören grobe Schimpfwörter und bittere Ironie, aber auch zärtliche Worte, Scherz und Gesang. Nicht das „Ideal“ eines protestantischen Pfarrhauses, vor dessen Anspruch wir alle scheitern müßten, ersteht vor unseren Augen, sondern das Bild von Menschen, die in ihrem Alltag um Kraft und Geduld kämpften.

Ein Trostwort des Apostels für die ersten Gemeinden könnte über dem Leben der Katharina Lutherin, geborene von Bora, stehen – wie über jedem Christenleben:

„Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei

und nicht von uns.“

WITTENBERG, 20. FEBRUAR 1546

Erst der Habn – und dann ich: So war es immer. Während er draußen krähte, tappte ich durch den dunklen Flur in die Küche hinunter. Die anderen schliefen noch, alle: die Kinder, die Mägde, die Studenten, der Knecht – und er, der Mann, der neben mir lag. Ich hörte ihn schnarchen, nicht laut. Es war fast ein Schnurren, wie die Katze am Ofen. Er hörte den Hahn nicht. Er hörte auch nicht, wenn die Tür leise knarrte. Meist schlief er, bis der Tag durch die Scheiben dämmerte und das Lärmen der Kinder im Flur in seine Träume drang. Ja, er träumte oft, schlug um sich und brüllte manchmal wie ein Stier. Seine Träume rissen mich aus tiefem Schlaf. Ich schlief wie eine Tote und war lebendig, wenn ich erwachte. Ich beruhigte ihn und redete leise, während meine Hand über seine Brust strich, die sich hob und senkte unter der Last …

Aber gegen Morgen schlief er. Ich ließ kaltes Wasser über meine Arme laufen und wusch mir das Gesicht. Dann heizte ich den Herd und weckte die Mägde. Oft stand schon einer vor der Tür, wenn ich gerade die Milch auf das Feuer setzte; einer in Lumpen, das Gesicht voller Narben, und wir holten ihn herein, gaben ihm Suppe und ein Stück Brot. Und der Mann in der Kammer schlief noch, während die Kinder aufstanden und auf den Hof stürmten. Er schlief seinen unruhigen Schlaf.

Der Hahn kräht. Auch heute. Aber er ruft mich nicht aus dem Schlaf. Ich lag mit zerschlagenen Gliedern, als hätte ich Fieber. Schon lange vor dem Hahnenschrei bin ich aufgestanden, habe das Licht angezündet und sitze auf meinem Bett im flackernden Schein.

Wenn ich die Hand ausstrecke, fährt sie über kaltes, sauberes Tuch. Niemand stöhnt im Schlaf. Kein Laut, keine Wärme. So beginnt mein neuer Tag.

Was soll ich mit diesem Tag?

Schneewind pfeift durch die Ritzen. Nichts rührt sich im Kloster. Alles ist wie tot. Das Kloster. Die Stadt. Nur der Wind jagt durch die Straßen. So wie gestern, als der Bote kam.

Er kam früh. Kaum einer wird ihn gesehen haben. Er ging durchs Tor die Straße entlang im Wind und schlug an die Tür des Nachbarn. Dann kamen sie zu mir – drei gebeugte Männer.

Warum erschrak ich so sehr, als sie anklopften? Wie oft hatten wir frühe oder späte Gäste, Freunde oder Fremde, Adlige oder Bettler. Was für eine Ahnung erfaßte mich?

„Ich sorge, wenn du nicht aufhörst zu sorgen, es möchte uns zuletzt die Erde verschlingen …“, schrieb er doch noch gerade aus Eisleben. Wie hat er mich geschmäht mit meiner Sorge! Ich hätte kein Gottvertrauen … Wohl dem, der es hat, in einer Zeit, wo an allen Enden die Waffen geschmiedet werden und die Scheiterhaufen brennen. Mag ja sein, daß Gott es wohlmachen wird mit ihm, mit mir – wie er es wohlgemacht hat mit unserer Magdalene, unserem Kind, das er uns nahm. Aber ich bin nur eine arme Frau, die den Ratschluß des Herrn so schwer verstehen kann. Ich sorgte mich. „Was ändert’s?“ sagte er. Nichts. Nichts.

Ich weiß. Und doch hätte ich gern unserm himmlischen Vater noch ein Jährchen abgerungen mit meiner Sorge und meinem Gebet.

Mußte es denn jetzt schon sein? Er hatte doch noch so viel zu tun, der Herr Doktor. Alle Welt hat nach ihm geschrien. Hierher und dorthin mußte er reisen, um Streit zu schlichten und das Wort zu verkündigen. Mitten im Winter – und war doch schon ein alter Mann. Aber es ist dennoch zu früh, daß er gehen mußte. Für mich ist es zu früh. Der Wind pfeift ums Haus, pfeift durch alle Ritzen.

Die Freunde kamen und klopften. Das Haus hallte wider von den Schlägen. Wolf humpelte zur Tür.

Als ich sie sah und Philippus den schwarzen Kragen zurückschlug, da brauchte ich nicht mehr zu fragen. Ich starrte in seine flackernden Augen, auf seinen zuckenden Mund, auf seine Hände, die unruhig an seinem Mantel arbeiteten.

Keiner meiner Söhne war bei mir. Ich zog Margarete an mich, die einzige, die mir blieb in dem dunklen Haus. Ich tat so, als wollte ich sie beschützen, dabei brauchte ich Schutz. Ich wagte nicht, den Mund zu öffnen. Endlich fragte Wolf:

„Habt Ihr Nachricht aus Eisleben?“

„Ja.“

„Vom Doktor Martinus?“

Schweigen.

Da sprach ich es aus. Wieder einmal mußte ich es sein. Keiner hatte die Kraft, es zu sagen.

“Ist unserem Herrn etwas zugestoßen?“

Philippus nickte.

„Befindet er sich nicht wohl?“

Wieder Schweigen.

„Ist er tot?“

Seine Arme fallen herab. Der Unterkiefer klappt nach unten. Ich sehe ihn nicht mehr, höre nur das Schreien der Mägde. Wolf will mich stützen, Margarete schlingt ihre Arme um mich. Nur die Wände stehen fest wie immer. Und doch: Er ist tot. Der Herr Doktor Martin Luther ist tot.

Die Freunde bleiben bei mir, sitzen schweigend um den Tisch. Im Haus wird es still. Mittags bat ich sie dann zu gehen. Ich wollte allein sein und versuchte zu beten. Aber ich saß nur am Fenster und wartete, daß es Nacht wurde. Und auch in der Nacht fand ich keine Ruhe.

Ich war mit dem Boten unterwegs, brachte die Nachricht in Dörfer und Städte, trug sie von Herd zu Herd, in Hütten und Schlösser: Er ist tot. Die Feinde jubilieren. Die Freunde klagen. Und ich? Ich – seine Frau? Was soll ich nun tun? Wer bin ich? Was bleibt mir noch?

Steh auf, Käthe, würde er sagen. Steh auf und danke Gott, daß er mich erlöst hat. Geh an deine Arbeit, Käthe! Gott ist mit dir bei allem, was du tun wirst. Rühr dich, Doktorin! Spring herum, Saumärkterin! Es gibt noch Menschen, denen du befehlen kannst, Herr Käthe!

Seine Stimme – nie wieder? Das Bett neben mir – kalt, leer? Mir ist so bange, so … als sollte ich noch einmal … ins Kloster gehen …

NIMBSCHEN, 1509–1523

Das große dunkle, mit schwarzem Eisen beschlagene Tor öffnete sich langsam und nur einen Spalt. Das Mädchen, im bunten Rock und in einen langen Umhang gehüllt, stand und rührte sich nicht. Die Hand des Vaters drückte und schob, bis es, fast stürzend, dann doch den ersten Schritt tat, durch den Spalt huschte, während der Vater sich zwängen mußte. Aus dem Grau des vor ihnen liegenden Hofes kam eine weiße Gestalt auf sie zu.

Das Mädchen drehte sich um und stolperte gegen den Körper des Vaters. Es fühlte rauhen Stoff und das kalte Metall seines Gürtels.

„Herr von Bora?“

Mit einem Laut des Unwillens schob der Mann das Kind von sich, griff die kleine Hand und preßte sie zusammen. Er zog die Tochter hinter sich her über das vom Regen glänzende Pflaster. Die Schwester, die sie eingelassen hatte, verschwand in dem Haus, das zur Linken neben einem langgestreckten Bau nahe dem Eingang stand. Herr von Bora trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die schwere Luft lastete auf seinem Kopf, der vom Zechgelage der letzten Nacht brummte. Er hielt sich in der Nähe des Tores, das ihn wieder ins Freie führen würde. Nur ihn. Aber das Mädchen an seiner Hand zog – kaum merklich – in dieselbe Richtung.

Im leichten Frühlingsregen, wenige Tage nach Ostern, lag der äußere Hof des Klosters Marienthron wie blankgewaschen vor den Besuchern. Aus den Ställen hörte man das unruhige Scharren der Pferde. Die jungen Tiere strebten nach draußen. Aber ihre Wächter hielten die Türen verschlossen. Auch die Kühe waren noch im Stall. Man erwartete die Eisheiligen …

Im ehemals herrschaftlichen, durch die Jahrhunderte aber etwas heruntergekommenen Wohnhaus der Äbtissin waren die Türen fest verschlossen. Aus dem Chor der Kirche auf der anderen Seite des Hofes hörte man das Singen der Ordensfrauen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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