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Rosmelda ist die ungeliebte Tochter Königs Casper. Ein jähzorniger, brutaler Mensch. Sie wächst mit Schlägern und Misshandlungen auf. Dann verlangt ihr Vater, sie solle den Sohn des Nachbarkönigs, Prinz Kalvin heiraten. Als sie sich weigert, schlägt er sie erneut. Gedemütigt stimmt Rosmelda zu. Doch auf der Reise dorthin, gelingt ihr die Flucht. Mit Hilfe des Schicksalsdrachen Turor. Der Drachen schenkt Rosmelda einen magischen Bogen. Solange sie den trägt, hält jeder Mensch sie für einen Knaben. Zusammen mit Turor erlebt Rosmelda viele Abenteuer. Sie trifft einen Mann, dem sie mehrmals das Leben rettet und sich in ihn verliebt. Dann findet sie heraus, das der Mann niemand andres ist, als Kalvin. Der Mann, den sie heiraten sollte! Doch Kalvin hält sie für einen Knaben. Er nimmt Rosmelda mit zu sich ins Schloss. Dort bleibt Rosmelda, unerkannt, als Knabe an der Seite von Kalvin. Doch ihr Vater gibt nicht auf. Tief gekränkt, dass Rosmelda ihm nicht gehorcht hat und geflohen ist, will er sie wieder einfangen lassen. Er will seine eigene Tochter öffentlich verbrennen lassen, um seinem Volk zu zeigen, dass sich ihm niemand widersetzen darf.
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Seitenzahl: 164
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Prolog
Der junge Mann hatte sofort Rosmeldas Aufmerksamkeit geweckt. Sie saß gelangweilt am Fenster ihres Turms und beobachtete ihn. Seine große, elegante, schöne Kleidung zeugte von edler Herkunft. Sein prächtiges Pferd schritt arrogant über die Zugbrücke der Burg. Fast mitleidig ging sein Blick über die armen, schmutzigen Menschen die verängstigt ihrer Arbeit nachgingen. Solche Männer sah man hier nur sehr selten. Sicher und selbstbewusst war er in den Hof der Burg geritten und war zum König geführt worden. Sich der später folgenden Strafe gewiss, war sie hinter ihm in den Thronsaal geschlichen.
Er hatte sich mit ihrem Vater eine heftige Auseinandersetzung geliefert. Versteckt, hinter einer halboffenen Tür, hatte sie das Gespräch neugierig belauscht. Wie mutig er war, wie offen und ehrlich er ihrem Vater entgegen trat. Noch nie hatte sie einen Mann erlebt, der es gewagt hatte, ihrem Vater zu widersprechen. Niemand widersprach König Casper, und kam mit dem Leben davon. Auch er wurde jetzt verhaftet. Neugierig schlich sie hinter den Wachen, die den Mann fortführten, her. Hätte man sie dabei entdeckt, hätte es eine harte Strafe gegeben, das wusste sie genau.
Der Mann wurde jetzt über den Hof geführt und in den Kerker gebracht. Wenige Augenblicke später konnte sie ihn laut aufschreien hören. Sie wusste, er wurde gefoltert. Unfähig ihm zu helfen, litt Rosmelda mit dem Mann, während sie sich die Ohren zuhielt. Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie in ihre Kammer rannte und sich aufs Bett warf. Der Mann tat ihr unendlich leid.
Er hatte doch kein Verbrechen begangen. Er hatte nur gewagt, ihrem Vater ehrlich, stark und mutig zu widersprechen. Aber das war das größte aller Verbrechen hier im Land. König Caspers Wort war hier im Königreich oberstes Gebot.
Warum wusste sie selbst nicht, aber als es Nacht wurde, schlich sie sich durch die langen dunklen Gänge zum Kerker. Sie wusste, wo der schwere Schlüssel zu den Zellen hing, schließlich war sie hier geboren und aufgewachsen, Oft genug war sie hier unten eingesperrt worden, wenn sie ungehorsam gewesen war. Sie kannte jeden Winkel, jede Kammer in diesem verhassten Ort. Leise öffnete sie die Zelle des Mannes und sah auf ihn herab. Seiner schönen, eleganten Kleider beraubt, lag er zusammengeschlagen, gefoltert und blutend auf dem kargen Boden und starrte das kleine Mädchen schmerzerfüllt an. „Wer bist du dummer Kerl, was willst du hier? Niemand widerspricht König Casper und kommt mit seinem Leben davon.“ Flüsterte Rosmelda leise. Ängstlich sah sie sich nach den Wachen um, die an der Wand gelehnt schliefen. Ihr Schnarchen drang durch den langen, dunklen Gang und hallte von den Wänden wieder.
„Ich bin…“ sagte der Mann, doch schnell legte Rosmelda ihm ihre Hände auf den Mund und wies auf die unruhigen Wachen. Er verstand. „Ich komme vom Nachbarland. Ich wollte mit König Casper sprechen und ihn bitten mit dem unheiligen Krieg aufzuhören. Euer und unser Volk leidet. Kein Bauer kann mehr sein Feld bestellen. Alle Ernte ist vernichtet. Wir alle leiden Hunger. Aber Casper ist uneinsichtig, hat mich verspottet und will mich im Morgengrauen hinrichten lassen. Dann soll meine Leiche zurück an König Leopold geschickt werden.“ Er flüsterte jetzt so leise er konnte und versuchte sich aufzurichten. Der Mann blutete heftig. Rosmelda schossen die Tränen in die Augen. Sie riss sich ihr Kleid entzwei und verband die vielen Wunden des Mannes so gut es ging. Dann wies sie ihn an, leise zu sein und führte ihn still durch das schier endlose Labyrinth an Gängen aus dem Kerker. Ohne ihre Hilfe, das wusste sie, hätte er sich hier hoffnungslos verlaufen. Sie musste den großen Mann stützen. Der Folterknecht war nicht gnädig gewesen mit dem dummen Kerl. Sein Gesicht geschunden und überall Wunden von Folterwerkzeug. Rosmelda stöhnte unter dem Gewicht des Mannes, während sie ihn durch die langen dunklen Gänge schleppte. Endlich betraten sie den Mondbeschienen Innenhof der alten Burg.
Am Pferdestall zog sie ihn in eine Nische und reichte ihn eine alte Hose und ein zerschlissenes Hemd. Schweigend sah sie zu, wie er sich schwerfällig ankleidete. Sie musste ein Lächeln unterdrücken, als sie ihn jetzt mit der edlen Erscheinung vom Vortag verglich. Nichts erinnerte mehr an den fast arrogant wirkenden Edelmann, der selbstsicher in die Burg geritten war. Ein Stück weiter, an einer Mauer, stand ein riesiges Pferd. „Das ist Salomon. Ein Goldschatz an Pferd., stark und treu. Mein einziger und bester Kamerad hier. Er wird dich sicher bis zu deinem Reich bringen. Er ist ein Sohn des Sagen umwogenden Pegasus. Kein anderes Pferd ist schneller als er. Tu mir einen Gefallen und lass ihn dann einfach laufen. Er wird dann zu mir zurückkehren. Versprich es mir. Bei deiner Ehre!“ Rosmelda sah ihn ernst an und hielt dem Mann die Hand hin.
„Wenn mich kein Drache oder Riese erwischt, werde ich Dank deiner Hilfe überleben. Komm mit mir, ich werde dich reich belohnen.“ Der Mann ergriff die Hand des Mädchens. Sie fühlte sich kalt und zittrig an. 13, 14 Jahre, älter konnte das Mädchen nicht sein. Der Mann spürte ihre Angst. Tränen standen jetzt in ihren wunderschönen grünen Augen als sie ihn in die Augen blickte.
„Nein, das geht nicht. Auch ich bin eine Gefangene des Königs. Aber mit mir wäre deine Flucht sinnlos. Deine Strafe dafür schlimmer als der Tod. Sehe zu dass du am Leben bleibst und sende mir mein Pferd zurück, das ist alles um das ich dich bitte, dummer Kerl.“ Immer noch hielt er ihre Hand fest.
Der Mann versuchte ein Lächeln. Schmerzhaft verzog sich sein Gesicht dabei. „Viel kann ich dir dann nicht geben, aber wenigstens das“ Er beugte sich herunter und küsste das Mädchen sanft auf die Lippen.
Rosmelda errötete heftig und strich sich verwundert über ihren Mund, dann öffnete sie eine versteckte Tür in der Mauer und führte das Pferd heraus. Sie sah zu, wie der verletzte Mann schwerfällig aufstieg und ohne sich umzublicken, davon ritt. Morgen würde es wieder Schläge hageln, weil sie sich ihr Kleid zerrissen hatte. Aber das war ihr egal. Daran war sie gewohnt.
Glücklich lächelnd sah sie dem dummen Kerl hinterher. Salomon galoppierte in die dunkle Nacht. Sicher und schnell brachte er seine Last in Sicherheit. Rosmelda hob den Kopf zum Himmel und betete, das ihm die Flucht gelingen würde. Dann schloss sie ihre Augen und verriegelte die versteckte Tür.
Sie wusste nicht warum oder weshalb, aber sie hatte dem fremden Mann das Leben gerettet.
1 Kapitel
Rosmelda nutzte die Gelegenheit.
Zulange hatte sie sich alles gefallen lassen. Doch jetzt reichte es ihr!
Sie rannte so schnell sie konnte durch den dunklen Wald, ohne sich umzublicken. Hinter sich hörte sie ihre Zofen, die Wachen und den Kutscher laut ihren Namen rufen. Ohne stehen zu bleiben, lief sie weiter in den unheimlichen Wald.
Sollte ihr brutaler Vater doch sehen, wie er diesen dummen Krieg beendete. Aber bitte schön- ohne sie.
Fast 10 Jahre war er fast nur im Feld gewesen, hatte sich zum Glück nur selten auf der Burg blicken lassen, jetzt kam er Heim und verlangte plötzlich, sie, seine Tochter, solle gefälligst den Sohn des benachbarten Königs heiraten. Dann hätte dieser dumme Krieg, der schon viel zu lange dauerte, und anfing ihn zu langweilen, endlich ein Ende. Natürlich hatte sie sich geweigert!
Nie würde sie sich einen Mann vorschreiben lassen, schon gar nicht irgend so einen verwöhnten, wahrscheinlich dummen, fetten Königssohn, von dem sie noch nie etwas gehört hatte.
Ihr Vater hatte sie gezwungen, hatte sie eingesperrt, geschlagen und hungern lassen. Als das alles nicht half hatte er ihr geliebtes Pferd an den erstbesten Händler verkauft. Ein grober ungeschliffener Mensch, der das Pferd, weil es nicht horchen wollte, noch auf dem Burghof mit einer Peitsche geschlagen hatte. Immer noch meinte sie das laute, schmerzerfüllte Wiehern ihres geliebten Pferdes hören. Endlich hatte Rosmelda sich geschlagen gegeben und der Hochzeit zugestimmt.
Sie kannte ihren zukünftigen Mann nicht, hatte nie etwas von ihm gehört. Er war der Sohn von König Leopold, hieß Kalvin und 28 Jahre alt. Soviel konnte die Zofe ihr berichten. Schließlich hatte Rosmelda es gewagt, den Thronsaal zu betreten und ihren Vater zu fragen. Der hatte sie daraufhin dreckig grinsend angesehen, gelacht und gesagt, sie solle froh sein, das es überhaupt noch einen Mann gab, der sie heiraten wolle. Schließlich sei sie schon 20 Jahre alt. Eine alte Jungfer. Andere Frauen in ihrem Alter hätten bereits Kinder. Dann hatte er sie verspottet und seinem Hund Zeichen gegeben. Unter dem Gelächter aller Männer hatte dieses riesige, zähnefletschende Monster sie aus dem Thronsaal gejagt. Ohne sich von jemand zu Abschieden war sie gestern Morgen in ihre Kutsche gestiegen. Ohne sich umzublicken, hatte sie die Burg und ihr Königreich hinter sich gelassen. Da ihr zukünftiger Mann sich strickt geweigert hatte, sie von Zuhause abzuholen und sie zu seinem Schloss zu begleiten, war sie nun ganz allein in ihr neues Leben unterwegs gewesen.
Auf dem Weg zu ihrem zukünftigen Mann wurde sie schwer bewacht, denn sie mussten durch einen tiefen dunklen Wald, von dem man behauptete, er sei voller, Fabelwesen, Drachen, Kobolde und Riesen. Auch sollte es hier vor dem Krieg Einhörner gegeben haben. Rosmelda blieb einen winzigen Augenblick stehen, um nach Atem zu ringen.
Ausgerechnet hier, mitten im Wald, war plötzlich ein Rad der Kutsche gebrochen. Sie hatte nach stundenlanger Fahrt endlich aussteigen dürfen, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Glücklich lief sie am Waldrand entlang. Dann, als ihre Zofen einen Augenblick unachtsam waren, hatte sie, ohne nachzudenken, die Flucht ergriffen. Egal was sie erwartete, egal was ihr passieren würde. Alles war besser, als erneut hinter Mauern gebracht zu werden. Eingesperrt von Menschen, die sie nicht kannte, und die sie wahrscheinlich, allein schon wegen ihrem Vater, hassen würden.
Immer tiefer lief sie in den Wald. Nur einfach fort von den Leuten ihres Vaters. Fort von der Burg und fort von ihrem verhassten zukünftigen Ehemann. Noch im Laufen riss sie sich das hinderliche Kleid vom Körper. Darunter trug sie ihr altes Wams, mit welchem sie bis zur Widerkehr ihres Vaters, immer durch die Grafschaft geritten war. Sie wischte sich eine Träne fort, als sie wieder an ihr geliebtes Pferd denken musste. Wo es sich wohl jetzt befand? Sie hoffte, es würde ihm gut gehen.
Weit entfernt hörte sie immer noch die Stimmen ihrer Zofen laut ihren Namen rufen. Sie musste unbedingt noch weiter, tiefer in den dunklen Wald. Äste, Brennnessel und dichtes Gestrüpp zerkratzten ihr Gesicht und ihre Arme, doch sie rannte, ohne weiter darauf zu achten bis zu einer kleinen Lichtung. Dort lehnte sie sich schwer atmend an einen Baumstamm.
„Nette kleine Flucht, Prinzessin“ Rosmelda sah sich erschrocken um. Plötzlich hatte sie jemand angesprochen. Die Stimme hatte lustig und amüsiert geklungen. Ängstlich blickte sie in alle Richtungen, konnte jedoch niemanden sehen. Sie ließ sich erschöpft weinend auf den Boden fallen. War ihre Flucht umsonst gewesen? Hatte man sie gefunden, und musste sie nun doch den ihr unbekannten Prinzen heiraten, der sie in sein Schloss sperren würde?
„Hier oben, Prinzessin“ die Stimme klang rau. Vorsichtig hob Rosmelda den Kopf und starrte in den Himmel. Das, was sie dort sah, war schier unglaublich. Rosmelda glaubte zu träumen. Ein riesiger Drache mit glänzenden Flügeln und wunderschönen Augen verdunkelte die Sonne. Jetzt kam er langsam, um sie nicht zu verjagen, näher. Sein Rauch, den er beim Sprechen ausstieß, kitzelte Rosmelda in der Nase. Trotz ihrer großen Angst musste sie lachen.
„Du siehst richtig. Ich bin ein Drache. Ein großer, schuppiger, grüner Drache. Aber darüber können wir später reden. Wenn du nicht warten willst, bis deine Leute dich gleich gefunden haben, solltest du auf meinen Rücken steigen.“ Der Drache landete vor Rosmelda. „Ich hasse Auseinandersetzungen jeglicher Art.“ Er schnaubte leise. „Nun was ist, deine Leute werden gleich hier sein“ sagte er wieder, als Rosmelda zögerte. „Beeil dich!“ Nervös trampelte er mit seinen Pfoten. Seine Augen sahen zum Wald herüber. Die Stimmen kamen immer näher.
„Ich muss verrückt geworden sein. Eindeutig bin ich verrückt“ Rosmelda setzte sich vorsichtig auf den Rücken des großen Drachens. Sie zitterte vor Angst.
„Weiter nach hinten, sonst kann ich meine Flügel nicht aufschlagen“ der Drache schüttelte sich etwas. Rosmelda rutschte weiter runter und hielt sich ängstlich an einer der großen Schuppen fest. „Ich hoffe nur, du leidest nicht unter Flugübelkeit.“ Grunzte der Drache. „Ich spreche aus Erfahrung, Mädchen.“
Mit einem mächtigen Flügelschlag erhob sich das Tier in die Luft. Schnell wurde die Erde unter ihnen kleiner und der Wald verschwand. Helles Sonnenlicht blendete sie. Erschrocken schrie Rosmelda auf. Dann beruhigte sie sich und sah ängstlich am Drachen vorbei nach unten. Dort , weit unter ihnen sah sie jetzt winzig klein, die kaputte Kutsche und die Leute ihres Vaters, die aufgeregt nach ihr suchten. Niemand sah in den Himmel. Niemand sah den großen Drachen dort, der mit Rosmelda fortflog.
2 Kapitel
„Deine Hochzeit ist geplatzt“ König Leopold sah seinen Sohn schief grinsend an. Seit nunmehr zwei Tagen warteten sie vergebens auf die Ankunft König Caspers Tochter. „ Ein Kurier brachte gerade Nachricht. Deine zukünftige Frau hat es vorgezogen, auf der Reise hierher, die Flucht zu ergreifen. Sie irrt momentan ganz allein, irgendwo durch unsere riesigen Wälder.“ Sagte er besorgt.
„So, ist sie mir also zuvor gekommen. Mein Rucksack ist auch schon gepackt. Ich wollte eigentlich auch gleich nach der Hochzeit flüchten. Nun, das hat sich ja nun erledigt. Meine Freiheit ist fürs Erste gerettet.“ Kalvin lachte leise. Sein Blick ging uninteressiert über das große Gemälde der Prinzessin, das achtlos an der Wand lehnte. „ Wird unser brutaler Nachbar seine ungehorsame Tochter wieder einfangen lassen?“ Kalvin setzte sich zu seinem Vater, stützte seinen Kopf auf und überlegte. Was für eine Frau musste die Tochter des Nachbarskönigs sein, wenn sie mitten in der Nacht einfach floh, ohne Ziel oder Hoffnung. In einen Wald, der bekannt war für Monster, Ungeheuer und Fabelwesen .
„Ja, und er hat eine hohe Belohnung ausgesetzt für ihre Ergreifung. Jeder Mann hier im Reich, der auch nur laufen kann, wird sie jagen, das arme Mädchen. Wie verzweifelt und verängstigt muss sie gewesen sein, um einfach zu flüchten.“ König Leopold seufzte.
Er sah zu seinen Sohn, der immer noch nachdenklich vor ihm saß. „Ach was Verängstigt! Weiß die junge Dame überhaupt, was sie mit ihrer Flucht angerichtet hat? Das mit unserer Hochzeit der lange Krieg beendet werden sollte? Darüber hat das edle Fräulein natürlich nicht nachgedacht. Sie denkt nur an sich. Garantiert ist sie furchtbar verwöhnt.“ Wieder ging Kalvins Blick zum Gemälde. Verächtlich überlegte er, ob die Frau wirklich so schön war, wie der Maler sie dort dargestellt hatte. Wahrscheinlich hatte der Maler das Bild liebevoll verschönt, überlegte er schmunzelnd.
„Allerdings habe ich Erkundigungen über Rosmelda eingeholt. Sie soll sehr klug sein, Haare auf den Zähnen haben, besser kämpfen und schießen können, als viele Krieger ihres Vaters. Wenn sie auf ihrem Pferd unterwegs war, konnte sie keiner einholen. Sie wird es ihren Verfolgern nicht leicht machen, davon bin ich überzeugt.“ König Leopold seufzte erneut leise. „Schade, ich hätte die junge Frau gerne kennengelernt. Sie soll ausnehmend nett und hilfsbereit sein. Ihr Volk vergöttert sie. Ganz anders, wie ihrem jähzornigen Vater. Wenn der Rosmelda in die Hände bekommt, wird er sie vor Wut totschlagen. Davon bin ich überzeugt. Das arme Mädchen. Eure Hochzeit hätte dem Mädchen ein wenig Ruhe und Freiheit gebracht.“ Sagte der König bitter.
„Nach deiner Beschreibung kann es sich ja nur um ein Mannsweib handeln. Eine Amazone, eine Kriegerin! Und mit so etwas wolltest du mich verheiraten? Na, danke vielmals, Vater.“ sagte Kalvin ironisch und erhob sich. „ Ich werde mich lieber etwas im Land umsehen und schauen, was das Volk von der geplatzten Hochzeit hält. Das Volk, sollte es die geflüchtete Prinzessin finden, soll sie gut behandeln, das werde ich verkünden lassen. Ich hoffe nur, der Krieg geht jetzt nicht wieder los. Er hat zulange gedauert und zu viel Opfer gefordert.“ Kalvin klopfte seinem Vater auf den Rücken und verließ den Thronsaal.
In seiner Kammer tauschte Kalvin seine elegante Kleidung gegen seine alte Jagdausstattung. Nachdenklich starrte er in den großen Spiegel an der Wand. Er schluckte schwer. Sein Blick fiel auf die vielen Narben auf seinem Körper. Unwillkürlich gingen seine Erinnerungen an die Nacht im Kerker Königs Caspers zurück. An die Folterungen und die unsäglichen Schmerzen. Was wohl aus dem kleinen Mädchen geworden war, das ihm zur Flucht verholfen hatte? Ob sie noch am Leben war? Sie musste nun auch fast erwachsen sein. Es war dunkel damals gewesen, viel hatte er von dem Kind nicht sehen können. Doch er hoffte, sie wiederzuerkennen, würden sie sich erneut begegnen. Er hatte sich damals nicht einmal bedanken können bei ihr. Oft genug war er versucht gewesen, sich erneut zur Burg des brutalen Königs zu begeben und das Mädchen zu suchen. Doch er wusste, noch einmal würde er nicht mit dem Leben davon kommen.
„Wo bringst du mich hin?“ Rosmelda sah unter sich den Wald lichter werden, es wurde kälter. Ein riesiger Berg tat sich vor ihnen auf. Jetzt flog der Drache darauf zu und landete vor einem Höhleneingang am Berghang. Sie konnte in der dunklen Höhle ein großes Nest sehen.
„Mein bescheidenes Heim. Prinzessin. Fühl dich wie Zuhause.“ Der Drachen grinste und spie Feuer dabei. Rosmelda konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. „Aufgeräumt habe ich noch nicht. Konnte ja nicht ahnen, dass uns das Schicksal schon heute zusammen führt.“ sagte der Drache dunkel.
„Schicksal? Was hat das Schicksal damit zu tun?“ Rosmelda hustete von dem vielen Rauch und kletterte über einige alte Knochen, Steinen und Holzreste in die Höhle hinein. Zweifelnd sah sie sich um. „Du willst mich doch wohl nicht als Abendbrot verspeisen, oder? Ich schmecke fürchterlich, bin nur Haut und Knochen.“ sagte sie besorgt.
Der Drache lachte nun laut. Aus seinen Nasenlöchern kam erneut grauer Rauch. „Verzeih, ich habe mich nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist Turor. Schicksalsdrache, wenn`s genehm ist.“ Er verbeugte sich so gut seine Größe es zuließ. Wieder lachte er laut auf. Es hallte von den Höhlenwänden zurück. Rosmelda hielt sich die Ohren zu. „Und ich verspeise keine Menschen. Meine Vorliebe sind Schweine. Leider sind sie nur schlecht zu bekommen. Die Menschen passen immer so gut auf ihre Viecher auf.“ Schimpfte der Drache beleidigt.
Jetzt musste Rosmelda grinsen. Der Drachen war ihr sympathisch. Er schien ziemlich gutmütig und friedliebend zu sein. „Was meinst du mit Schicksalsdrachen? Was hast du mit meinem Schicksal zu tun?“ Sie sah sich in der großen, dunklen Höhle um und entdeckte allerlei Hausrat. Alte Kleidung, Kochgeschirr und kaputtes Spielzeug türmte sich an einer der Wände. Bei einem sehr alten Bogen aus edlem Holz und liebevoll gearbeitet, blieb sie stehen und nahm das Stück in die Hand. Er lag gut und sicher in ihrem Arm. Sie spannte die Sehne, die dabei leise zu singen begann.
„ Gute Wahl . Der Bogen ist alt und hat auf dich gewartet, Prinzessin. Er gehörte einst der Jagdgöttin Diana. Er ist verzaubert, und solange du den Bogen bei dir trägst, wird dich ein jeder Mensch, für einen Knaben halten. Einzig wir Fabelwesen werden die Wahrheit sehen.“ Turor blies kleine Rauchwolken durch die Luft. „Vergiss das nie.“
Verwundert sah sie den Drachen an, doch dieser schüttelte nur seinen mächtigen Kopf. „Was ist das nun mit unserem Schicksal für eine Sache, Drachen?“ Wieder spannte sie den singenden Bogen. Wie er sich dehnte und sich ihrer Hand anpasste. Wie weich und doch stark er war. Rosmelda lächelte glücklich. Er schien wirklich wie für sie gemacht.
„Du fragst nach und lässt nicht locker, das gefällt mir, Prinzessin. Nun unser Schicksal ist verbunden, Mädchen. Seit deiner Geburt gehöre ich zu dir. Ich hatte damals, an jenem Tag, eine Vision. Ich sah dich durch den Wald laufen. Auf der Flucht vor deinem Vater und einer ungewollten Hochzeit. Seit dem Tag beobachte ich dich und half dir so manches Mal. Erinnerst du dich an den jungen Mann, dem du damals zur Flucht verholfen hattest? Nun, ich sorgte dafür, dass er sein Königreich sicher erreicht hat. Oder als du dich mal mit deinem Pferd im Wald verirrt hast? Ich führte dich Heim“ Der Drache grinste schief.
„Auch heute war ich es, der das Rad an deiner Kutsche zerbrach. Erst wenn dein Schicksal sich geklärt hat, wird sich meine weitere Zukunft offenbaren.“ Turor seufzte laut auf. „Seit deiner Geburt hatte ich keine weiteren Visionen mehr. Das heißt, ich muss bei dir bleiben, bis du deinen Weg bestimmt hast. Wo immer der uns auch hinführt. Aber wir Drachen werden bis zu 300 Jahre alt, also habe ich jede Menge Zeit, bis du dich entschieden hast.“ Turor kam jetzt in die Höhle und legte sich vor den Eingang. Er rollte sich zusammen und legte seinen mächtigen Kopf auf die Vorderpfoten. Schlagartig wurde es noch dunkler in der Höhle. „Du findest in dem Gerümpel bestimmt irgendwo eine Petroleumlampe. Solange ich im Eingang liege, kannst du sie anmachen, dann scheint kein Licht nach draußen. Ansonsten würdest du uns verraten. Auch, wenn die Höhle ziemlich weit oben liegt. Die gierigen Menschen oder diebischen Kobolde werden immer einen Weg hierher finden.“ Sagte der Drache grimmig.
„Entschuldige, aber mir ist kalt und ich habe Hunger“ Rosmelda rieb sich die kalten Arme. Ihr altes Wams wärmte sie wirklich nicht. Sie sah sich um und entdeckte im großen Gerümpel außer der Lampe auch noch eine alte, zerrissene Decke. Der Drache wies nun auf einen kleinen alten Tisch in der Ecke.