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Der Einfluss Sachsens auf das russische Montanwesen reicht bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts zurück, nachdem Peter der Große anlässlich seiner ersten Visite bei August dem Starken im Jahre 1698 um Hilfe ersucht hatte. Russland brauchte dringend Fachleute des Berg- und Hüttenwesens, um die zahlreichen Rohstoffquellen zu erschließen und lockte mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen. Zahlreiche Spezialisten wie auch Lehrer und Verwaltungsfachleute machten sich bald auf den Weg von Sachsen nach Russland. Der Beitrag beschreibt die Besonderheiten dieses Prozesses, dem zugleich ein umfangreicher Transfer von Wissen und Technologien folgte.
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Seitenzahl: 52
Sächsisches Montanwesen in Russland: Ein Transfer von Wissen und Technologien von Friedrich Naumann
veröffentlicht 2015 von E-Sights Publishing
E-Sights Publishing Dr. Jörg Naumann Altendorfer Straße 61 09113 Chemnitz Deutschland
Verlags-Website: E-Sights Publishing Verlags-Website zum Buch: E-Sights Publishing: Sächsisches Montanwesen in Russland: Ein Transfer von Wissen und Technologien Fehlermeldungen bitte an [email protected] senden.
Herausgeber: E-Sights Publishing Lektorat, Design, Umsetzung : Dr. Jörg Naumann
Copyright © 2015 Friedrich Naumann Alle Rechte vorbehalten. Diese Publikation oder Teile der Publikation dürfen weder in irgendeiner Form noch mit irgendwelchen Mitteln, elektronisch oder mechanisch, einschließlich Fotokopieren, Aufnahmen oder Speicherung und Retrieval-System, ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder übertragen werden. ISBN: 978-3-945189-00-9
Vorbemerkungen
Europäisierung und Import von Kunsterfarnen
Aufklärung und Aufbruch unter Zar Peter I.
Von den Besonderheiten kunstgerechten Bergbaus
Kunsterfarne
sächsische Bergleute auf dem Weg nach Russland
Russland im Berggeschrey
Montanistische Bildung mit sächsischer Hilfe
Leitung und Verwaltung des Bergbaus
Technologietransfer von Sachsen nach Russland
Lomonossows Aufstieg in die Wissenschaft
Nachhaltigkeit des Wissenschaftleraustauschs
Quellen
Gern nimmt die moderne Terminologie den Begriff Hightech zur Hand, um wissenschaftlich-technische Meisterleistungen zu deklarieren; deshalb scheint er uns bei Mikroprozessoren aus Silicon-Valley, künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher und Magnetschwebebahnen mehr als vertraut. Vollkommen andere Perspektiven ergeben sich allerdings bei einer Projektion in die Vergangenheit und unter Einbeziehung gesellschaftlicher Entwicklungsniveaus verschiedener Kulturen. Fortschrittszentren nannte man derartige Standorte am Beginn der naturhistorischen Evolution des Menschen, wenn sie sich von Umgebendem unterschieden und sich durchzusetzen vermochten. Neuartiges gelangte auf diese Weise zur Entfaltung, brachte schließlich Technik und Wissenschaft hervor und differenzierte die geographischen Räume. Beim Eintritt in die Neue Zeit zeigten sich die Konturen zunehmend klarer: Zunächst steht Deutschland an der Spitze Europas, sodann folgt Holland als kapitalistische Musternation des 17. Jahrhunderts, schließlich entscheidet sich England in der Mitte des 18.Jahrhunderts für die Maschine und wird durch Hightech zur Werkstatt der Welt.
Russland war zu Beginn der Neuzeit vom westlichen Einfluß noch weitestgehend isoliert und hat diesen nur mit Verzögerung erfahren. Die vorherrschende byzantinische Kultur und die russische Orthodoxie beförderten eher Mystisches und Wundergläubigkeit, gleichermaßen konservierte die jahrhundertlange Mongolenherrschaft die gesellschaftliche Isolation, unterdrückte Freiheit und Souveränität des Geistes. Die Hinwendung zum weltlichen Denken und zur rationalen, naturwissenschaftlichen Weltbetrachtung, im Morgenrot der Renaissance von vielen Ländern willkommen geheißen, hatte somit kaum eine Chance. Dauerhaft wollten sich die russischen Herrscher jedoch europäischem Einfluß nicht entziehen und öffneten ihr Land deshalb schrittweise für jene, die Ansehen und Macht zu befördern versprachen. Kompetente Fachleute aller Couleur waren deshalb gern gesehene Gäste, verfügten sie doch über den gewünschten Vorlauf hinsichtlich höherer Bildung oder gediegener handwerklicher Fertigkeiten
Für die Regierungszeit Ivan III. (1462-1509) lassen sich vereinzelt derartige Immigranten, aus Südeuropa, Griechenland und Italien zugereist, erstmals nachweisen. Die nachfolgenden Regenten gingen mit diesem Thema jedoch wesentlich großzügiger um und warben deshalb im Ausland über ihre Gesandten oder einflußreiche Kaufleute um dringend benötigte Ärzte, Kunsthandwerker, Geschützmeister, Artilleristen, Papiermacher, Buchdrucker, Glockengießer und Techniker aller Art. Zar Michail Fjodorowitsch Romanows (1596-1645) Vision richtete sich schließlich auf eine Europäisierung, was bedeutete, die Zusammenarbeit mit Westeuropa und damit auch die Gewinnung von Fachleuten erheblich zu intensivieren. Er leitete damit eine Entwicklung ein, die bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts einen ersten Höhepunkt erreichen sollte.
Unter diesem Vorzeichen gerieten auch Bergbau und Metallverarbeitung ins Blickfeld, zumal höfischer Prunk wie auch Landesverteidigung einen erheblichen Stellenwert besaßen und bislang fast nur mit Rohstoffimporten zu befriedigen waren. Es schien also an der Zeit, eigene Ressourcen zu erschließen und zwar mit im Berg- und Hüttenwesen Erfahrenen, die das breite Spektrum dieser keineswegs einfachen Technologie sicher zu beherrschen wußten. Solche gab es vor allem in Ländern mit traditionsreichem Bergbau, z. B. in Schweden, England und Böhmen, vor allem jedoch in Sachsen, das durch seinen scheinbar unermesslichen Reichtum an Silbererzen weltweit Beachtung fand. Hier hatte sich im Laufe der Jahrhunderte die bergbauliche Tätigkeit mit ihren mannigfaltigen Facetten, Anforderungen und Gefährdungen in hohem Maße differenziert sowie eine Vielzahl von spezifischen Berufen wie auch eine eigene Bergbaukultur hervorgebracht, die der Region noch heute ihr besonderes Gepräge verleiht. Der Zar bemühte sich deshalb am sächsischen Hofe um die erforderliche Unterstützung und dies in der Erwartung, ähnlich reiche Funde wie im Erzgebirge machen und damit das Fundament seiner Herrschaft festigen zu können.
In welchem Umfang dieses Begehren erfolgreich war, läßt sich heute nicht mehr genau nachweisen; denn Moskowien stand auch im Bewusstsein der eher bodenständigen Sachsen noch als ein weit entferntes exotisches Land, eine barbarische Provinz, die sich irgendwo am Rande der christlichen Welt verlor. Zudem gab es religiöse Animositäten: Protestanten und Katholiken befürchteten, möglicherweise von den Orthodoxen erdrückt zu werden. Die Bereitschaft, dahin zu gehen, dürfte deshalb vorerst nicht allzu groß gewesen sein. Vereinzelt tauchen jedoch Namen von sächsischen Bergleuten, Erzschmelzern, Glasmachern „und dergleichen kunsterfarnen“ an verschiedenen Orten des russischen Reiches auf; unklar bleibt jedoch, auf welchem Wege sie dahin gekommen sind.
Der Einsatz entsprechender Fachleute beschränkte sich zunächst nur auf den europäischen Teil dieses gigantischen Landes; denn Ural und Altai als höffige und vielversprechende Regionen waren noch kaum besiedelt. Als die ersten russischen Eroberer im 16. Jahrhundert nach Sibirien vorstießen, lebten hier weit über 100 Ethnien unterschiedlicher Größe, insgesamt ca. 200.000 Menschen. Im 17. Jahrhundert wurde die Besiedlung zu einem ersten Abschluß gebracht, und man errichtete zahlreiche Städte – zum Teil auch im Zusammenhang mit zufällig aufgefundenen Erzlagerstätten. Für die zugesiedelten Russen wie auch für die angestammten Tataren, finnougrischen, turk- und mongolsprachigen sowie paläosibirischen Völker bedeuteten Bergbau und Hüttenwesen allerdings vollkommenes Neuland, auf dem ohne fremde Hilfe nicht auszukommen war. Bescheidene Erfahrungen resultierten lediglich aus dem Betrieb von Bauernschmieden, wo Kupfer und Eisenerze in kleinen Handöfen geschmolzen wurden, um daraus einfache Gerätschaften für den individuellen Bedarf zu verfertigen. In ähnlich primitiver Weise versuchte man sich in der Gewinnung von sedimentären Seifenmineralen, z. B. Gold und Platin. Da diese Erzvorkommen fast ausschließlich in oberflächennahen Bereichen angetroffen wurden, gab es noch keinerlei Veranlassung, sich komplizierten Gewinnungstechnologien zuzuwenden. Außerdem fehlte für eine systematische Suche und Erkundung noch jedwede Voraussetzung, man meist also nur auf Zufallsfunde angewiesen.
Die 1699 von Benedikt Franz Johann Hermann veröffentlichten Schrift Statistische Schilderung von Russland und Petersburg