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Der erzgebirgische Bergbau, der sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, erlebt in seiner zweiten Hauptperiode (1450 – 1620) mit der Entdeckung zahlreicher neuer Lagerstätten eine besondere Ausprägung. Denn die Erschließung größerer Teufenbereiche zielt auch auf neue technische Lösungen auf den Gebieten Abbau, Förderung, Wasserhaltung, Markscheidewesen, Aufbereitung und Verhüttung. Hilfreich hierfür sind langjährige Erfahrungen, aber es gibt auch erste Ansätze für die Anwendung der Naturwissenschaften. Die vielschichtigen Prozesse lassen sich für das Erzgebirge besonders gut nachvollziehen und werden in der Publikation behandelt.
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Seitenzahl: 61
Aufbruch zu neuen Technologien im Berg- und Hüttenwesen des 16. Jahrhunderts Friedrich Naumann
veröffentlicht 2015 von E-Sights Publishing
E-Sights Publishing Dr. Jörg Naumann Altendorfer Straße 61 09113 Chemnitz Deutschland
Verlags-Website: E-SIGHTS PUBLISHING Verlags-Website zum Buch: E-SIGHTS PUBLISHING Fehlermeldungen bitte an [email protected] senden.
Herausgeber: E-SIGHTS PUBLISHING Umsetzung: Dr. Jörg Naumann Covergestaltung: Erika Jansen, jansen.lange GRAFIKdesign
Copyright © 2015 Friedrich Naumann Alle Rechte vorbehalten. Diese Publikation oder Teile der Publikation dürfen weder in irgendeiner Form noch mit irgendwelchen Mitteln, elektronisch oder mechanisch, einschließlich Fotokopieren, Aufnahmen oder Speicherung und Retrieval-System, ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder übertragen werden. ISBN: 978-3-945189-02-3
Vorbemerkungen
Geologie des Erzgebirges, mineralische und fossile Rohstoffe
„Berggeschrei“ und Bergreviere
Technologie des Bergbaus / Hüttenwesens
Suche und Erkundung
Gewinnung und Abbau
Strecken- und Schachtförderung
Wasserhaltung
Wetterführung
Aufbereitung
Verhüttung
Schlussbemerkungen
Quellen
Die Ursprünge des erzgebirgischen Bergbaus stehen in engem Zusammenhang mit der Mitte des 12. Jahrhunderts einsetzenden Besiedlung, für die Markgraf Otto die Gegend zwischen Freiberger Mulde und Striegis empfahl und wo man bei Christiansdorf auch die ersten spektakulären Erzfunde machte. Es versteht sich, dass dieser Anlass viele Legenden nährte; denn schriftliche Quellen zur Besiedlung der Region wie auch zur Gründung der Bergstadt Freiberg fehlen zur Gänze. Trotz allem scheint es durchaus legitim, im Jahre 2012 in Freiberg an die zurückliegenden 850 Jahre zu erinnern und damit auch Anfänge und Verlauf einer beeindruckenden Geschichte des erzgebirgischen Montanwesens in den Zirkel zu nehmen. Da sich Besiedlung und Aufschwung des Berg-und Hüttenwesens gegenseitig bedingten und die „sagenhaften“ Silbererzvorkommen zunächst als unerschöpflich galten, war Freiberg ein rascher Aufschwung beschieden, was den wettinischen Markgrafen von Meißen – wie Otto den Reichen (um 1115-1190) und Heinrich den Erlauchten (1215/16-1288) – auch zu einflussreicher Stellung im römisch-deutschen Kaiserreich verhalf. Dass diese Blütezeit bereits um 1380 ihr vorläufiges Ende fand, erklärt sich nicht nur durch die Erschöpfung der oberen Bereiche, sondern auch durch fehlendes Kapital, kriegerische Ereignisse, Stadtbrände sowie Epidemien. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts interessierten sich allerdings reiche Augsburger, Nürnberger und Leipziger Handelshäuser für günstige Kapitalanlagen, so dass ein erneuter Aufschwung nicht lange auf sich warten ließ. So rechtfertigte sich bald eine neue Welle der Suche und Erkundung, die sich jedoch nicht nur auf das Freiberger Revier beschränkte, sondern auch das Erzgebirge erfasste und durch die Entdeckung zahlreicher neuer Erzlagerstätten gekennzeichnet war.
In dieser zweiten Hauptperiode des erzgebirgischen Bergbaus erschloss man zunächst auch nur die oberflächennahen Erzvorkommen, musste jedoch in zunehmendem Maße in tieferliegende Bereiche vordringen. Die dabei entstehenden Probleme bei Abbau, Förderung, Bewetterung und Wasserhaltung erreichten bald solche Dimensionen, die nur durch neue Technogien zu bewältigen waren. Eine ebensolche Herausforderung bildete die Weiterverarbeitung des Roherzes, das nach der Aufbereitung in die Hütten gelangte und hier zu Fertigprodukten weiterverarbeitet wurde. Da weder einschlägige Fachliteratur noch Einrichtungen für fachliche oder technische Bildung existierten, spielte das über Jahrzehnte gesammelte und zwischen den Generationen weitergegebene Erfahrungswissen eine große Rolle.
Im Rahmen dieser innovativ geprägten Prozessvielfalt verfeinerten und festigten sich gleichermaßen erste natur- und technikwissenschaftliche Erkenntnisse wie auch solche zur Stoffumwandlung. Bezüglich der Herausbildung der Montanwissenschaften sind das späte 15. und das 16. Jahrhundert – also das späte Mittelalter und die Periode der Renaissance – insofern von großer Bedeutung, als in diesem Zeitraum nicht nur neue Technologien, sondern auch die darüber reflektierende Literatur ein beachtenswertes Niveau erreichten. Beides sollte deshalb in einem Atemzuge genannt werden, nicht außer Acht lassend, dass diese gewaltige Epoche wie kaum eine andere in die Entwicklung der produktiven Kräfte einzugreifen wusste. In gewohnter Schärfe nannte sie Friedrich Engels deshalb die größte progressive Umwälzung, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte, eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit.1
Mit Blick auf das Erzgebirge, den böhmischen Teil einbezogen, findet man derart herausragende Persönlichkeiten in allen Bereichen, wobei nicht nur Ulrich Rülein von Calw (1465–1523), Georgius Agricola (1494–1555), Adam Ries (1492–1559), Martin Planer (1510–1582), Lazarus Ercker (1528–1594), Markus Röhling (?–1581) zu nennen sind, sondern auch an das Heer jener gedacht werden sollte, die durch ihre geistigen Potenzen, ihr technisches und kaufmännisches Geschick oder ihre weltmännische Weitsicht in die wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung des Landes einzugreifen und diese nach Kräften zu befördern wussten. Nicht grundlos ermunterte der humanistisch gesinnte Pädagoge Petrus Plateanus die Leser von Agricolas montanistischem Erstlingswerk „Bermannus sive de re metallica dialogus“ aus dem Jahre 1530 mit den Worten: Da wir als Menschen mit einer gewissen Kraft der Vernunft, der Erkenntnis und des Wissens ausgestattet sind, wodurch wir uns vornehmlich vor den stummen Tieren auszeichnen, und wir zweitens nicht nur fähig sind zur Tugend und den verschiedenen Künsten und Wissenschaften, sondern drittens auch als Erfinder auftreten können, ist folgendes nötig: Wir müssen selbst in die schwierigsten Probleme der Natur eindringen, so eng der Zugang auch sein mag. Die Erkenntnisfähigkeit eines jeden besonders begabten Menschen muß innerhalb der Grenzen des, ach so kurzen, menschlichen Lebens ausgenutzt werden.2
Um den Zugang zur vielschichtigen Problematik zu erleichtern, sollen im Folgenden zunächst die natürlichen – letztendlich die Bergbautechnologie bedingenden – Gegebenheiten beschrieben werden, da diese zu Abbau, Förderung, Wasserhaltung, Markscheidewesen, Aufbereitung und Verhüttung in direkter Abhängigkeit stehen.
Geologie des Erzgebirges
Die obige Abbildung, ein „Höhendurchschnitt von Leipzig über Fichtel- und Keilberg nach der Eger und allgemeine Übersicht über die Gesteinsschichten“, entnommen einem alten Schulatlas, scheint zum Verständnis der Geologie des Erzgebirges hinreichend geeignet; denn sie verdeutlicht, dass an dessen geologischem Aufbau in erster Linie kristalline Gesteine des Grundgebirges beteiligt sind.3 Die Gesteinsgruppen, bestehend aus Gneisen, Glimmerschiefern und Phylliten mitsamt den ihnen eingelagerten kristallinen Grauwacken, Marmoren, Amphiboliten u.a. fasst man unter der Bezeichnung „kristalline Schiefer“ zusammen. Zudem gibt es Granite, Granitporphyre, Quarzporphyre und ähnliche, meist gangförmig auftretende Gesteine wie auch verschiedene Sedimente.
Die Entstehung des Gebirges umfasst einen relativ großen Zeitraum, der sich bis ins Proterozoikum zurückverfolgen lässt, also mehr als 500 Millionen Jahre beträgt. Die Granite sind allerdings wesentlich jünger und an die sogenannte Variscische Orogenese im mittleren Paläozoikum (Karbon bis Perm) gebunden. In diesem Zeitraum kam es auch zur Auffaltung des Gebirges, verbunden mit einer Vielzahl tektonischer Veränderungen, die letztendlich den aufsteigenden Erzlösungen Platz machten und so zur Entstehung von Erzlagerstätten führten. In späteren Perioden der Erdgeschichte (Trias bis Tertiär) setzte sich dieser Prozess fort, so dass man heute ältere und jüngere Erzgänge unterscheiden kann. Entsprechend unterschiedlich ist die Mineralisation: Älter sind die Metalle Blei, Zink, Silber, Kobalt, Nickel und Wismut, währenddessen die Wismut-Kobalt-Nickel-Uran-Formation zu den jüngeren Abfolgen gehört. Zu den genannten Elementen sind des weiteren Gold, Zinn, Eisen, Antimon und Wolfram zu zählen. Nicht alle fanden sich jedoch in solcher Menge angereichert, dass man von einer (bauwürdigen) Lagerstätte sprechen kann, also wirtschaftlichen Abbau garantieren. Die Jahrmillionen währenden Prozesse sind allerdings weitaus komplexer und differenzierter, als dies in dieser kurzen Skizze dargestellt werden kann.4 Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass auch Steine und Erden (Granit, Porphyr, Basalt, Schiefer, Kalk und Serpentinit sowie Sand, Kies, Ton und Lehm) zu den mineralischen Rohstoffen gehören; Stein- und Braunkohle sowie Torf hingegen sind fossile Rohstoffe, die hier keine Berücksichtigung finden sollen.