Sammelband: Traumjob in der Hölle & Meine beste Freundin ist eine Mumie - Tina Waldt - E-Book

Sammelband: Traumjob in der Hölle & Meine beste Freundin ist eine Mumie E-Book

Tina Waldt

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Beschreibung

Dieser Sammelband enthält die beiden Fantasyromane

Traumjob in der Hölle und

Meine beste Freundin ist eine Mumie

Traumjob in der Hölle

Flama, die Tochter des Teufels, liebt ihre Arbeit, besonders die Botengänge. Denn immer dann darf sie auf die Erde, um die bösen Menschen zu warnen, dass sie bald in die Hölle kommen.
Auch Benjamin gehört zu diesen Menschen. Zuerst denkt Flama, dass es Routine ist. Doch dieses Mal ist es anders. Denn Benjamin hat die Bank aus einem für ihn sehr wichtigen Grund überfallen. Flama versucht das Schicksal zu überlisten, um sein Leben zu retten. Ob ihr das gelingen wird?

Meine beste Freundin ist eine Mumie

Stella Nofretete Grün kann es nicht fassen, als sie erfährt, dass die ganze Familie demnächst nach Ägypten zieht. Als würde es nicht reichen, dass sie nach einer ägyptischen Königin benannt wurde, wollen ihre Eltern, die begeisterte Archäologen sind, auch noch das Grab dieser Königin finden. Stella fällt es schwer ihre Freunde und ihre Band, in der sie als Leadgitarristin spielt, zurückzulassen. Zugegeben findet sie es in Ägypten gar nicht so schrecklich, wie sie es anfangs vermutet hat. Erst recht wird es für sie spannend, als ihre Eltern ein Grab mit einer Mumie entdecken, deren Identität nicht geklärt werden kann. Während Stella einen Augenblick mit der Mumie alleine ist, erwacht diese zum Leben und behauptet eine Tochter von Königin Nofretete zu sein. Stella versucht ihr Bestes, damit sich die Prinzessin in der heutigen Zeit zurechtfindet. Doch das ist einfacher gesagt als getan…

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Tina Waldt

Sammelband: Traumjob in der Hölle & Meine beste Freundin ist eine Mumie

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Traumjob in der Hölle

Fantasyroman

 

 

Handlung

Flama, die Tochter des Teufels, liebt ihre Arbeit, besonders die Botengänge. Denn immer dann darf sie auf die Erde, um die bösen Menschen zu warnen, dass sie bald in die Hölle kommen.

Auch Benjamin gehört zu diesen Menschen. Zuerst denkt Flama, dass es Routine ist. Doch dieses Mal ist es anders. Denn Benjamin hat die Bank aus einem für ihn sehr wichtigen Grund überfallen. Flama versucht das Schicksal zu überlisten, um sein Leben zu retten. Ob ihr das gelingen wird?

Prolog

Engel sind gut und Teufel sind böse. Kennt ihr diesen Spruch auch? Denkt ihr genauso? Dann würde ich euch gerne meine Geschichte erzählen. Vielleicht ändert ihr ja anschließend eure Meinung. Ich habe so etwas noch nie vorher getan; ihr solltet deshalb bitte etwas Nachsicht mit mir haben. Ich werde euch von meinem Leben so berichten, wie ich auch normalerweise rede.

Wie ich heiße? Oh ja, wie unhöflich von mir. Ich heiße Flama.

Wie alt ich bin? Ist das nicht eigentlich egal? Ich bin sowieso unsterblich.

Aber wenn ihr es genau wissen wollt, vor achtzehn Jahren wurde ich geboren.

Ehrgeizig wie ich bin, bereite ich mich schon jetzt umfassend auf meine Abschlussprüfung vor, auch wenn diese erst in zwei Jahren stattfinden wird.

Dass ich die bestehe, daran habe ich überhaupt keinen Zweifel. Schließlich ist das mein Traumjob. Mein Traumjob in der Hölle.

Wie das zusammenpasst? Ganz einfach, ich arbeite in der Hölle, also wirklich in der Hölle. Mein Vater ist nämlich der Teufel höchstpersönlich und der Chef der Hölle.

Ich befinde mich noch in der Ausbildung, soll das „Geschäft“ meines Vaters aber eines Tages übernehmen.

Bis es soweit ist, muss ich die typischen Azubitätigkeiten erledigen. Ich koche meinem Vater einen starken Feuerkaffee und kümmere mich um die Aktenablage. Am interessantesten sind die Botengänge. Dafür darf ich auf die Erde. Ich warne die Menschen vor, dass sie bald in die Hölle kommen. Die meisten glauben mir zwar nicht, aber sie werden schon merken, dass ich sie nicht angeflunkert habe, sobald sie hier eintreffen.

Vielleicht werdet ihr euch jetzt fragen, warum ich genau darin einen Traumjob sehe.

Ganz einfach, sobald ich die Ausbildung beendet habe, stehen mir hier alle Türen offen.

Außerdem gilt auch in der Hölle: Lehrjahre sind keine Herrenjahre.

1.Kapitel

Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten. Das Lachen war einfach unerträglich. Ich hatte mal wieder einen Botengang und sollte einem Mann, der mehrere Banken überfallen hatte, mitteilen, dass er in einem Monat in die Hölle käme.

Er sah mich an, als müsste man mich dringend in eine Zwangsjacke stecken. Jedenfalls glaubte auch er mir nicht.

„So, ich bin also ein ganz böser Bube und deshalb sterbe ich bald“, grinste er.

„Nein, Sie sterben nicht, weil sie ein böser Mensch sind, sondern einfach weil es an der Zeit ist. Das Schicksal hat entschieden“, erwiderte ich.

„Das Schicksal?“ Der Mann lachte noch lauter. Tränen liefen ihm die Wangen herunter und er hielt sich den Bauch.

„Oh bitte, hör auf damit! Ich kann nicht mehr“, meinte er.

„In Ordnung. Ich werde jetzt gehen. Aber sagen Sie später nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt“, murmelte ich und drehte mich um.

„Eine Frage hätte ich noch“, gluckste der Mann.

Ich schaute ihn erneut an und nickte.

„Wie sterbe ich denn? Also, wenn ich fragen darf“, wollte er wissen.

Ich schüttelte den Kopf. „Das darf ich leider nicht verraten. Man darf dem Schicksal nicht ins Handwerk pfuschen.“

„Okay. Aber noch eine Frage.“

„Na gut, aber wirklich nur noch eine“, entgegnete ich.

„Also du bist die Tochter des Teufels? Wenn ich - nur mal angenommen - lieb wäre, dann würde mich ein Engel abholen?“

Unwissend zuckte ich mit den Schultern. „Diese Frage kann ich leider nicht beantworten. Mit den Engeln haben wir nichts am Hut. Was die da oben machen, geht uns nichts an. Ich weiß nicht, welche Methoden sie haben.“

Ich verabschiedete mich und ging.

Bald würde er unser Treffen wieder vergessen haben. Alle vergaßen es. Wenn sie schließlich in die Hölle kamen, beschwerten sie sich erst einmal. Dann konnten wir sagen, dass wir sie vorgewarnt hätten.

Dass wir die bösen Menschen vorher aufsuchen mussten, stand direkt im ersten Paragraphen unseres Höllengesetzes. Ja, so ganz ohne Bürokratie ging es auch in der Hölle nicht.

 

„Gut gemacht, Flama“, lobte mich mein Vater.

„Danke. Gibt es sonst noch etwas, das ich tun könnte?“, fragte ich.

„Bitte mach mir noch einen Feuerkaffee und dann reicht es für heute.“

Sofort kam ich seiner Bitte nach.

„Dankeschön, Flama“, bedankte sich mein Vater, der mit vollem Namen übrigens Cattivo Diable hieß, was so viel wie „Böser Teufel“ bedeutet.

 

Nach der Arbeit saß ich zuhause und kämmte mein feuerrotes Haar. Ich hatte es von meiner Mutter geerbt, während das Haar von meinem Vater so schwarz wie Pech war. Von ihm hatte ich aber die rabenschwarzen Augen.

Ich beschloss, mich mit Melody zu treffen. Melody war meine beste Freundin. Ihre haselnussbraunen Haare fielen ihr in sanften Wellen auf die Schultern. Ihre Augen waren grau wie eine Maus. Sie war mit neunzehn Jahren durch einen Autounfall gestorben. Warum sie nach ihrem Tod in die Hölle geschickt worden war, war mir unklar. Sie hatte einmal einen Kerl verprügelt. Aber das war Notwehr gewesen. Er hatte ihren kleinen Bruder geärgert, der schielte. Dem Himmel war das aber schon zu böse und so war sie zu uns gekommen. Ja, manchmal verstand ich nicht, was in den Köpfen dieser Engelswesen vorging.

2. Kapitel

Melody freute sich sehr mich zu sehen.

„Flama, endlich! Es war so langweilig ohne dich“, begrüßte sie mich.

Jeder hier hatte ein kleines Zimmer für sich, durfte sich in der Hölle allerdings frei bewegen.

„Tut mir leid. Ich hatte mal wieder einen Botengang“, erklärte ich.

„Schwierige Person?“, fragte Melody.

Ich nickte und erzählte ihr von meinem Arbeitstag.

Anschließend gingen wir ein wenig spazieren.

„Ich bin wirklich froh, dass du hier bist“, meinte ich.

Dann sah ich ihren Blick und entschuldigte mich sofort. „So war das nicht gemeint. Natürlich bin ich nicht glücklich, dass du gestorben bist. Ich meine nur, es gibt hier sonst niemanden in meinem Alter.“

Melody legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich weiß, wie du es gemeint hast. Ich vermisse nur Oliver.“

Oliver war ihr kleiner Bruder. Wenn dieser Typ, der ihn geärgert hatte, hier eines Tages in der Hölle auftauchte, würde ich ihm mal ordentlich die Meinung geigen.

„Hast du Lust, noch mit zu mir zu kommen? Meine Mutter hat bestimmt was Leckeres gekocht.“

„Gerne, ich habe einen Riesenhunger“, lachte Melody.

Ich hakte mich bei ihr unter und zusammen schlenderten wir zu mir nach Hause.

„Melody, schön, dass du da bist. Du isst doch bestimmt mit uns?“, fragte meine Mutter Aurelia.

Die Geschichte, wie meine Eltern sich gefunden hatten, hatte mir meine Mutter schon sehr oft erzählt. Trotzdem konnte ich sie nicht oft genug hören.

 

Aurelia war damals noch ein junges Erdenmädchen und Cattivo absolvierte gerade seine Ausbildung. Er hatte einen Botengang bei einem Nachbarn von Aurelia. Gerade wollte er zurück in die Hölle, als er sie sah – das schönste Mädchen, das ihm je begegnet war. Ihre langen, lockigen und feuerroten Haare wehten ihr ins Gesicht und sie versuchte sie zu bändigen. Ihre grünen Augen strahlten und um Cattivo war es sofort geschehen. Immer wieder schlich er auf die Erde und beobachtete sie. Eines Tages traute er sich endlich, sie anzusprechen. Aurelia war der junge Mann mit den rabenschwarzen Haaren und den gleichfarbigen Augen sympathisch. Er war so ganz anders als andere Männer, die sie kannte. Sie trafen sich oft und bald merkte Aurelia, dass sie sich in Cattivo verliebt hatte. Es gab nur ein Problem: Er war der zukünftige Herrscher der Hölle und Aurelia das liebste Geschöpf auf Erden. Der junge Teufel zog sich zurück. Seine Eltern merkten, wie unglücklich er war. Schließlich machte sein Vater eine Ausnahme: Cattivo durfte Aurelia heiraten und in die Hölle mitbringen. Das durften die Engel natürlich nie erfahren. Aurelia dachte Cattivo wäre verrückt, als er ihr erzählte, wer er wirklich war. Sie wand sich von ihm ab, konnte ihn aber nicht vergessen. Die beiden fanden wieder zueinander und als Aurelia zum ersten Mal die Hölle betrat, da wusste sie, dass er nicht gelogen hatte. Sie war jetzt unsterblich. Aurelia und Cattivo heirateten und einige Jahre später bekamen sie ein kleines Mädchen mit feuerrotem Haar. Sie nannten es Flama,  Flamme.

 

„Flama, morgen hast du wieder einen Botengang“, erzählte mein Vater.

„Schatz, das muss jetzt nicht beim Essen sein. Ihr könnt das morgen immer noch besprechen“, entschied meine Mutter.

„Ist schon in Ordnung, Mama“, meinte ich und wollte dann von Papa wissen, wen ich besuchen sollte.

„Sein Name ist Benjamin. Er ist zwanzig Jahre alt.“

„Was hat er denn verbrochen?“, fragte ich.

„Eine Bank überfallen“, antwortete mein Vater.

„Wie wird er denn sterben?“, mischte sich Melody ein.

„Ich denke, wir sollten das Thema wechseln“, erwiderte Mama.

Melody sah enttäuscht aus. Sie war manchmal schrecklich neugierig.

„Ich erzähle dir morgen alles“, flüsterte ich meiner besten Freundin zu, die mich freundlich anlächelte.

„Danke. Du bist die Beste“, wisperte sie mir zu.

Ich hatte schon einige Botengänge hinter mir. Es war inzwischen Routine für mich. Ich sah dem morgigen Tag also entspannt entgegen.

3. Kapitel

„Okay, Benjamin Wieser. Zwanzig Jahre alt. Bank überfallen. Wird vom Blitz erschlagen“, las ich laut vor.

„Kein schöner Tod“, bemerkte Lucy, eine nette Angestellte.

Ich stimmte ihr zu. „Ja, und dann wieder so jung, nur ein Jahr älter als Melody.“

„Aber dieser Benjamin scheint ja nicht ganz ohne zu sein. Mit zwanzig schon eine Bank überfallen“, murmelte sie.

„Das schon. Trotzdem ist es traurig, dass er so früh sterben muss“, erwiderte ich.

„Leider kannst du das nicht verhindern. Es ist Schicksal. Er würde auch so früh sterben, wenn er die Bank nicht überfallen hätte“, meinte Lucy.

Ich nickte. Sie hatte ja recht.

„Also dann, bis später“, verabschiedete ich mich.

Durch den Geheimgang gelangte ich zur Erdoberfläche. Wir brauchten keine Angst zu haben, dass sich jemand in die Hölle verirrte, der es nicht sollte oder dass ein Höllenbewohner fliehen konnte. Nur die Teufelsfamilien konnten diesen Gang benutzen. Für alle anderen war er schlicht unsichtbar. Künftige Bewohner erschienen automatisch in der Hölle.

Ich musste blinzeln. Die Sonne stand tief und blendete mich. Ich nahm den Zettel mit der Adresse von diesem Benjamin. Es war ganz in der Nähe. Das war ein Vorteil des Geheimgangs. Er spuckte einen dort aus, wo man auch wirklich hinwollte, sodass man keine weiten Strecken laufen musste.

Ich marschierte zu seiner Wohnung. Vor der Haustür strich ich mein grünes Kleid glatt. Ja, ihr habt ganz richtig gelesen. Mein Kleid war grün. Nur weil ich eine Teufelin war, hieß das nicht automatisch, dass ich nur schwarz und rot trug. Schließlich passte grün am besten zu meinen roten Haaren.

Ich drückte auf die Klingel und sofort hörte ich einen Hund bellen. Jetzt wurde ich doch etwas nervös. Okay, ich muss jetzt etwas gestehen: Vor Hunden hatte ich doch ein klein wenig Angst - Teufel hin oder her.

„Ruhig, Kleiner“, ertönte die Stimme eines jungen Typs - höchstwahrscheinlich Benjamin.

Gut, gut, wenigstens war es nur ein kleiner Hund.

Die Tür ging auf und vor mir stand eine getigerte Deutsche Dogge. So viel zu ‚Kleiner Hund‘.

Ich musste schlucken.

„Oh, hallo. Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte der Typ.

„Benjamin Wieser?“

„Ja, der bin ich.“

„Könnte ich kurz reinkommen?“, wollte ich wissen.

„Sollte ich dich kennen?“, stellte Benjamin als Gegenfrage.

„Noch nicht. Aber ich muss dringend mit dir sprechen. Es ist wirklich sehr wichtig“, betonte ich.

Er nickte. „Na gut, jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Komm rein! Ich bin ja echt gespannt, was du mir Wichtiges zu sagen hast.“

Nervös blickte ich auf den riesigen Hund.

„Äh, könntest du vielleicht…?“, begann ich.

„Oh, da hat wohl einer Angst? Okay, komm, Kleiner!“

„Du nennst eine Deutsche Dogge Kleiner?“, fragte ich ungläubig.

Benjamin grinste. „Ja, das ist sein Name. Ich fand das irgendwie witzig.“

„Ja, irre witzig“, meinte ich sarkastisch.

Nachdem der kleine Riesenhund endlich eingesperrt war, betrat ich die Wohnung.

Benjamin führte mich in ein kleines Wohnzimmer und ich ließ mich auf einem Sessel nieder.

„Möchtest du vielleicht etwas trinken?“

Ich nickte zustimmend. „Gerne, ein Glas Wasser.“

„Kommt sofort… Du weißt zwar meinen Namen. Deinen hast du mir aber noch nicht verraten“, warf er ein.

„Flama“, antwortete ich. „Flama Diable.“

„Flama Diablo?“, wiederholte er.

Lachend schüttelte ich den Kopf. „Flama Diable. Sag doch einfach Flama zu mir!“

„Okay, Flama. Ich bring dir dann mal ein Wasser.“

Er verschwand und kehrte mit zwei Gläsern Wasser zurück.

„Bitte.“ Er reichte mir ein Glas und nahm dann selbst einen Schluck.

„So, jetzt will ich aber endlich wissen, was du unbedingt loswerden musst.“

„Ja, also. Ich weiß, dass du eine Bank überfallen hast“, fing ich an zu erzählen.

Benjamin riss erschrocken die Augen weit auf. „Wie… Was… Woher?“

„Ich hab da so meine Quellen.“

Mein Gegenüber wurde blass.

4. Kapitel

„Was willst du für dein Schweigen haben?“, fragte mich Benjamin.

Ich lachte auf. „Ich will gar nichts.“

„Warum bist du dann hier?“ Er wurde richtig wütend.

„Ich bin nur eine Botin, die dir etwas ausrichten soll“, erwiderte ich.

„Und was?“, grummelte er.

„Ich muss dir mitteilen, dass du aufgrund deiner Tat in die Hölle musst.“

Jetzt musste Benjamin lachen. „Ja, klar. In die Hölle, weil ich ja so ein böser Mensch bin. Von welchem Irrenhaus bist du denn geflohen?“

„Ich mache keine Scherze. Ich bin die Tochter des Teufels.“

„Das wird ja immer schöner“, entgegnete er. „Die Tochter des Teufels. Dann bin ich Zeus und wenn du nicht sofort verschwindest, schick ich dir einen Blitz.“

Ich verschluckte mich an meinem Wasser. Von einem Blitz würde Benjamin getroffen werden – und sterben.

„Benjamin, du kannst mir glauben oder es lassen. Aber du wirst bald sterben und in die Hölle kommen. Ich bestimme so etwas nicht. Das ist Schicksal.“

„Benjamin?“, hörte ich plötzlich die Stimme eines jungen Mädchens.

„Ich bin sofort bei dir, Jenna“, rief Benjamin zurück.

Dann wand er sich wieder mir zu. „Wenn du jetzt bitte gehen würdest.“

„Benjamin, schnell!“ Wieder die Stimme des Mädchens, das wohl Jenna hieß.

Er stand auf und eilte aus dem Wohnzimmer. Ich folgte ihm zu einem Zimmer, in dem ein kleines Mädchen von vielleicht zehn Jahren im Bett lag.

Sie schien nicht gerade bester Gesundheit zu sein.

„Benjamin, wer ist das?“, fragte sie mit schwacher Stimme.

Benjamin drehte sich zu mir. „Du bist ja immer noch da.“

„Entschuldige.“ Danach sprach ich das Mädchen an. „Hallo, ich heiße Flama.“

„Ich bin Jenna, Benjamins Schwester. Flama, den Namen finde ich schön“, sagte Jenna.

Ich lächelte. „Dein Name ist aber auch sehr schön.“

„Geh jetzt!“, knurrte Benjamin.

„Nein, bitte. Flama soll hierbleiben“, bat Jenna.

„Ich bleibe gerne noch ein bisschen. Was fehlt dir denn, wenn ich fragen darf?“

„Sie ist schwer herzkrank und braucht dringend eine OP. Aber die ist ziemlich teuer. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht“, erklärte er.

„Ja, aber Ben hat Geld bekommen und jetzt kann er die OP bezahlen“, fügte Jenna glücklich hinzu.

Mir wurde so einiges klar. „Deshalb hast du die Bank überfallen“, flüsterte ich zu Benjamin, der nickend zustimmte.

„Ja, aber bitte sag das Jenna nicht! Sie soll sich nicht aufregen“, wisperte er zurück.

„Ich verstehe. Wo sind denn eure Eltern?“, wollte ich wissen.

„Sie sind beide bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen“, antwortete er leise.

Ich wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. „Das… das tut mir leid.“

„Spar dir dein Mitleid! Eben hast du noch behauptet, dass ich auch bald sterbe“, meinte Benjamin sauer.

Ich bekam ein ganz schlechtes Gewissen. „Ihr habt sonst keine anderen Verwandten, oder?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich kümmere mich so gut es geht um Jenna. Sie hat außer mir niemanden. Unsere Nachbarin Frau Kreis hilft mir zwar manchmal. Sie ist aber nicht mehr die Jüngste. Da wirst du sicher verstehen, dass ich es nicht lustig finde, wenn du mir so einen Schwachsinn erzählst, von wegen, dass ich bald sterbe.“

Ich konnte ihn nur zu gut verstehen. Traurig verabschiedete ich mich. Benjamin gehörte definitiv nicht in die Hölle. Schon gar nicht verdiente er es zu sterben - nicht so jung. Die Bank hatte er nur aus Liebe zu seiner kleinen Schwester überfallen.

Auf meinem Weg zurück zur Hölle war meine Stimmung betrübt. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, das Schicksal auszutricksen. Ich musste dringend mit Melody sprechen.

5. Kapitel

„Das ist ja mal verzwickt“, murmelte meine beste Freundin.

Ich stimmte ihr nickend zu. „Dieser Benjamin ist wirklich nett. Er kümmert sich um seine kleine Schwester. Wenn er stirbt, hat sie niemanden mehr.“

„Gibt es da denn keine Möglichkeit? Ihr könntet doch einfach sagen, dass ihr ihn hier nicht wollt“, meinte Melody.

Heftig schüttelte ich den Kopf. „Das geht nicht so einfach. Der Himmel kann abweisen, die Hölle nicht. Wir müssen jeden nehmen. Außerdem, was denkst du, was mit ihm passieren würde, wenn weder Himmel noch Hölle ihn wollen? Er würde sich in Nichts auflösen.“

„Hm“, überlegte sie. „Und was wäre, wenn er gar nicht stirbt?“

„Das geht nicht, Melody. Das ist so vom Schicksal festgelegt“, erwiderte ich.

„Blödes Schicksal. Wenn das Schicksal gerecht wäre, würde so manches nicht passieren. Kann man das Schicksal nicht irgendwie austricksen?“

„Ich weiß nicht. Glaube nicht. Was soll ich ihm sagen? Geh am 25. Juli nicht im Waldsee schwimmen!  Ein Gewitter wird dich überraschen und du wirst vom Blitz erschlagen. Ja, klar, das wird er mir auch mit Sicherheit glauben“, entgegnete ich sarkastisch.

Doch Melody schien das für eine gute Idee zu halten. „Moment mal. Wäre das denn möglich? Könntest du ihn an dem Tag an einen anderen Ort lotsen?“

„Theoretisch schon. Praktisch wurde das noch nie umgesetzt. Dem Schicksal pfuscht man nicht ins Handwerk.“

„Ach Flama, das ist doch überhaupt die Idee. Du verabredest dich mit Benjamin an dem Tag ins Kino. Und voilà, er überlebt. Die Sache ist geritzt“, sagte meine beste Freundin.

„Denkst du wirklich, er würde mit mir ins Kino gehen? Ich hab ihm erzählt, dass er bald sterben wird. Er muss mich doch für komplett irre halten“, erwiderte ich.

„Du hast einen Monat Zeit, dich mit ihm anzufreunden. Das wirst du doch wohl hinbekommen. Er ist bestimmt echt süß“, lachte Melody.

„Ist er nicht“, protestierte ich.

„Welche Augenfarbe hat er denn?“, wollte sie wissen.

„Grün“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.

„Schön, ich mag grüne Augen“, meinte sie.

„Dann triff du dich doch mit ihm!“, konterte ich.

„Würde ich gerne, wenn ich die Hölle verlassen könnte. Es bleibt dir wohl nichts anderes übrig. Wenn du ihn wirklich retten willst, musst du dich mit ihm anfreunden“, entschied Melody.

Zerknirscht stimmte ich zu. Es war wirklich die einzige Möglichkeit. Ich dachte an Jenna und was wäre, wenn Benjamin nicht mehr bei ihr wäre. Nein, das konnte ich nicht zulassen.

„Aber wie mache ich das wegen der Arbeit?“, fragte ich.

„Ich springe für dich ein. Sonst ist mir eh wieder langweilig. Vertrau mir. Es wird alles gut gehen.“

Hoffentlich hatte meine beste Freundin da recht.

 

„Bitte, Papa“, flehte ich.

„Flama, nein! Das geht nicht. Melody kann nicht einfach deine Aufgaben übernehmen“, erwiderte mein Vater.

Ich versuchte ihn gerade zu überreden, dass ich die nächsten Tage freibekam. Doch er lenkte einfach nicht ein. Sturer Teufel!

„Melody ist es immer so langweilig. Sie würde sich freuen, wenn sie auch mal Aufgaben zu erledigen hätte“, probierte ich es weiter.

„Wie stellst du dir das vor? Wer soll denn dann die Botengänge übernehmen? Du weißt ganz genau, dass es nur Mitgliedern der Teufelsfamilie möglich ist, zwischen Hölle und Erde zu reisen.“

Mist, an die Botengänge hatten wir gar nicht gedacht. Es stimmte. Melody durfte die Erde nicht wieder betreten. Folglich konnte sie auch nicht zu den Menschen, um sie wegen ihres baldigen Todes zu informieren. Da hatten wir wohl nicht zu Ende gedacht. Theoretisch hatte es so gut geklungen. Wenn ich in nächster Zeit keine Aufgaben in der Hölle zu erledigen hätte, könnte ich auf die Erde und mich mit Benjamin anfreunden. Falsch gedacht. Da hatte ich eine andere Idee.

„Könnte sie nicht trotzdem irgendwie aushelfen? Dann wäre ich auch nicht so alleine bei der Arbeit. Sie kann mir mit der Ablage helfen und die Botengänge erledige ich dann halt alleine“, schlug ich vor.

Mein Vater legte den Kopf schief. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er überlegte, mir nachzugeben.

„In Ordnung, Flama. Melody kann ab morgen aushelfen. Aber du wirst trotzdem nicht deine Pflichten vernachlässigen“, meinte er schließlich.

Ich bedankte mich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, was er gar nicht leiden konnte. Er war nun mal der Teufel!

 

„Du fängst morgen an. Allerdings soll ich auch arbeiten“, erzählte ich meiner besten Freundin.

„Okay, das ist doch mal was. Du schleichst dich dann einfach weg. Das fällt gar keinem auf“, entgegnete sie.

„Das kann ich nicht machen. Außerdem haben wir die Botengänge vergessen. Die kannst du nicht übernehmen“, sagte ich.

„Ja ja. Aber es sind ja nicht ständig Botengänge. Morgen wirst du gleich mal Benjamin besuchen. Ich decke dich. Also, keine Angst.“

„Was soll ich denn mit ihm reden? Er denkt, ich wäre bekloppt.“

Melody lachte. „Sag ihm einfach, dass ihr einen schlechten Start hattet. Du hast ihn in der Stadt gesehen und ihn so toll gefunden, aber du hast dich nicht getraut, ihn anzusprechen. Du wolltest alleine mit ihm reden und bist ihm deshalb auch nach Hause gefolgt.“

„Was? Wie ein Stalker?“, unterbrach ich sie entsetzt.

„Erzähl ihm einfach, dass du nur wissen wolltest, wo er wohnt, damit ihr mal in Ruhe reden könnt. Du kannst ihm auch sagen, dass du seine Adresse aus dem Telefonbuch hast. Was dir halt lieber ist“, plapperte sie munter weiter.

„Und warum hab ich ihm erzählt, dass er bald stirbt? Sollte das eine Anmache sein?“, murmelte ich.

„Ja, eine ziemlich schlechte. Du wolltest witzig und originell sein. Leider bist du keins von beiden“, fand Melody.

„Wie nett. Ich bin so froh, dass ich so eine tolle beste Freundin habe“, erwiderte ich sarkastisch.

„Reg dich nicht gleich auf! Es ist ja schon irre, was du ihm da erzählt hast.“

„Weil es der Wahrheit entspricht. Benjamin wird sterben, wenn ich ihn nicht daran hindere, am 25. Juli zum Waldsee zu fahren.“

„Du schaffst das! Entschuldige dich bei ihm, dass du so einen Quatsch geredet hast und lade ihn als Entschädigung auf ein Eis ein. Seine kleine Schwester auch, damit wirst du gleich punkten“, gab mir meine beste Freundin weiterhin Tipps.

„Okay, okay. Wagen wir es!“

6. Kapitel

„Moment, bist du nicht die Irre, die mir weiß machen will, dass ich bald sterbe?“

Ich wusste es. Benjamin hatte mich nicht vergessen.

„Ja, das… das war dumm von mir. Ich wollte dich bloß kennenlernen“, stotterte ich.

„Und du denkst, mit solchen Sprüchen schaffst du das?“, erwiderte er.

Ich senkte den Kopf und blickte zu Boden. Wir beide würden uns bestimmt nie anfreunden.

„Es tut mir leid. Ich hatte nicht nachgedacht. Ich wollte witzig und originell sein“, sagte ich.

„Der Schuss ist eindeutig nach hinten losgegangen. Du bist weder witzig noch originell“, teilte mir Benjamin mit.

„He, das hat meine beste Freundin Melody auch gesagt“, entgegnete ich.

„Da hat sie auch recht.“

„Können wir das Ganze nicht einfach vergessen? Ich weiß, wir hatten einen schlechten Start.“

Ich versuchte mich an Melodys Worte zu erinnern.

„Als Entschädigung lade ich dich auf ein Eis ein. Jenna muss natürlich mitkommen“, schlug ich vor.

„Ich soll mit dir ein Eis essen gehen? Du bist nicht normal.“

„Ja, warum denn nicht? Normal ist doch langweilig.“

Jetzt musste er schmunzeln.

„Na gut. Du hast gewonnen. Aber wenn Jenna nicht möchte, dann will ich auch nicht.“

Ich nickte. „Das klingt fair.“

 

„Ja, ich will unbedingt mit. Flama ist so lieb“, freute sich Jenna, als wir sie fragten, ob sie Lust hatte Eis essen zu gehen.

Erfreulicherweise schien es ihr heute deutlich besser als letztes Mal zu gehen.

„Du kennst sie doch gar nicht richtig“, erwiderte Benjamin.

„Ich kenne sie genug, um sie nett zu finden“, gab seine Schwester zurück.

Ich stand nur stumm daneben und beobachtete die beiden.

„Flama, du magst mich doch auch, oder?“, wollte Jenna wissen.

Ich nickte.

„Und den Benjamin magst du auch?“, hakte sie nach.

Darauf wusste ich keine Antwort.

„Können wir dann gehen?“, mischte sich Benjamin ein.

Wir schlenderten zu Benjamins Auto, einem schwarzen Kleinwagen, und stiegen ein.

„In welche Eisdiele fahren wir?“, fragte Jenna.

„Wo gibt es denn das beste Eis der Stadt?“, entgegnete ich.

„Im Fragola. Die haben weit und breit das beste Eis“, antwortete Benjamin.

„Dann fahren wir da hin“, entschied ich.

„In Ordnung.“

 

Benjamin hatte wirklich nicht übertrieben. Das Eis dort schmeckte superlecker. Okay, nicht, dass ich viele Vergleiche anstellen konnte. Ehrlich gesagt hatte ich bisher noch nie ein Eis gegessen. Meine Mutter und meine beste Freundin hatten mir nur immer davon vorgeschwärmt. Wir Teufel konnten zwar die Nahrung der Menschen vertragen, bevorzugten aber die warmen - um nicht zu sagen heißen - Speisen. Außerdem würde ein Eis bei uns sowieso schmelzen. Nichtsdestotrotz änderte das nichts daran, dass dieses Eis teuflisch gut schmeckte.

Die ganze Zeit redeten eigentlich nur Jenna und ich. Ab und zu brabbelte Benjamin ein paar Worte dazwischen. Mensch, wie sollte ich mich denn da mit ihm anfreunden?

„Wo fahrt ihr denn gerne in Urlaub hin?“, versuchte ich ihn in ein Gespräch zu wickeln.

„Wir fahren nicht oft in Urlaub. Wenn, dann aber ans Meer. Und du?“, erwiderte Benjamin.

„Oh, äh. Ich war noch nie im Urlaub. Aber ans Meer würde ich auch mal gerne“, meinte ich.

„Dann komm doch nächstes Mal mit uns!“, warf Jenna ein und erntete sofort einen bösen Blick von ihrem Bruder.

„Nein, vergiss es, Jenna! Wir fahren doch nicht mit einer Unbekannten in den Urlaub“, grummelte er.

„Dann müssen wir Flama eben besser kennenlernen. Ab sofort treffen wir uns jeden Tag.“

Benjamin sah alles andere als begeistert aus.

 

„Wo soll ich dich absetzen?“, wollte Benjamin wissen, als wir die Eisdiele verließen.

„Du brauchst dir keine Umstände zu machen. Ich steige bei dir aus und laufe den Rest nach Hause. Das ist nicht so weit“, antwortete ich.

„Das macht mir keine Umstände. Du hast uns ja außerdem das Eis spendiert. Ich fahre dich natürlich nach Hause“, erwiderte er.

„Äh, nein, wirklich nicht. Ich gehe lieber ein Stück spazieren.“

„Na schön, wie du willst“, murmelte er.

Nachdem er das Auto vor seiner Wohnung geparkt hatte, stieg ich aus und verabschiedete mich.

„Also, wir sehen uns doch morgen wieder, oder?“, fragte Jenna.

Ich schaute zu Benjamin. „Wenn dein Bruder nichts dagegen hat.“

„Okay, morgen um die gleiche Zeit“, meinte er schließlich.

Jenna klatschte begeistert in die Hände. „Hurra. Das wird toll. Wir fahren ins Freibad.“

„Es wird jetzt aber nicht zur Gewohnheit, dass wir uns treffen. So ganz traue ich dir immer noch nicht. Ich habe das Gefühl, du bist direkt aus der Klapse geflohen“, wand sich ihr Bruder an mich.

„Bin ich nicht. Ich bin nur neu in der Stadt und kenne hier noch niemanden. Du hast nett ausgesehen. Ich habe gedacht, wir könnten uns vielleicht anfreunden. Aber da habe ich wohl falsch gedacht“, gab ich zurück.

„Du brauchst jetzt gar nicht zickig zu werden, Flama. Ich habe doch gesagt, dass ich mit morgen einverstanden bin. Nur jeden Tag ist mir zu viel“, erwiderte Benjamin.

„In Ordnung. Also dann bis morgen.“

„Tschüss“, verabschiedete sich Jenna.

„Bis morgen. Jenna, du musst jetzt dringend deine Herztabletten nehmen“, sagte er.

 

Ich beeilte mich auf dem Nachhauseweg. Melody hatte mich schon zu lange gedeckt. Ich wollte nicht, dass sie von meinem Vater angeschrien wurde, wenn er mitbekam, dass ich verschwunden war.

„Melody, ich bin wieder da. Na, ist alles gut gegangen? Papa hat doch nichts mitbekommen?“, begrüßte ich meine beste Freundin gleich.

Sie verzog das Gesicht und deutete hinter mich.

Ich ahnte, was sie mir mitteilen wollte. Ganz zögerlich drehte ich mich um. Vor mir stand der Teufel persönlich.

„Was soll ich nicht mitbekommen?“, fauchte er.

Oh Mist, wir waren aufgeflogen.

7. Kapitel

Ich stand nur da und sagte kein Wort. Dafür zitterte ich wie Espenlaub, so als wäre es eiskalt. Dabei waren wir hier ja in der Hölle und nicht am Südpol, abgesehen davon, dass mir nie kalt war.

„Geht es dir wieder besser?“, fragte Melody plötzlich.

„J… ja“, stotterte ich.

Mein Vater sah verwirrt von meiner besten Freundin zu mir.

„Warum sollte es Flama besser gehen?“, hakte er nach.

„Ihr war furchtbar schlecht. Ich dachte, sie kippt uns noch aus den Latschen. Da habe ich sie etwas an die frische Luft geschickt“, log ihn Melody an.

„Auf die Erde? Ohne meine Erlaubnis?“, knurrte er.

„Sie hätten Flama sehen sollen. Die Arme war so grün wie Spinat. Da war keine Zeit, Ihnen noch Bescheid zu geben“, verteidigte sie sich.

„Flama ist eine Teufelin. Sie braucht keine frische Luft, damit es ihr besser geht. Du hättest ihr lediglich einen starken Feuerkaffee geben sollen“, ermahnte mein Vater.

„Entschuldigen Sie, Herr Diable. Wie Sie selbst wissen, bin ich kein Mitglied der Teufelsfamilie. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Als ich noch auf der Erde gelebt habe, bin ich immer an die frische Luft, wenn mir schwindlig war“, erwiderte Melody.

„In Ordnung. Nächstes Mal weißt du es besser. Sollte es Flama nochmal schlecht gehen, rufst du mich bitte sofort“, sagte mein Vater.

Meine beste Freundin nickte zustimmend. „Das werde ich.“

 

„Und wirst du Benjamin morgen wiedersehen?“, wollte Melody später wissen.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Also, wir haben uns für morgen nochmal verabredet. Aber ich glaube, ich sollte nicht gehen“, antwortete ich.

„Warum denn nicht?“, unterbrach sie mich.

„Äh, hast du die Szene eben vergessen? Mein Vater ist komplett ausgetickt. Er hätte mir fast den Kopf abgerissen“, argumentierte ich.

„Flama, jetzt sei mal nicht so melodramatisch! Du brauchst gar nicht so zu übertreiben. So schlimm war es jetzt doch auch nicht“, meinte Melody.

„Wie hast du dir das vorgestellt? Du kannst ja schlecht morgen wieder behaupten, dass es mir nicht gut ging und ich auf die Erde musste.“

„Was habt ihr beiden da zu bereden?“ Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich meine Mutter auf.

Meine beste Freundin und ich drehten uns erschrocken um.

Meine Mutter trug jedoch ein Lachen im Gesicht. „Hey, ich war auch mal jung – und dein Vater übrigens auch. Du hast vergessen, dass er sich selbst als junger Teufel auf die Erde geschlichen hat. Also, wie heißt der Junge, den du triffst?“

Mensch, ihr konnte man schlecht etwas vormachen. Sie kannte mich einfach zu gut.

„Benjamin. Und es gibt einen triftigen Grund, warum ich ihn treffe“, erklärte ich.

„Und der wäre?“, fragte meine Mutter freundlich.

Melody und ich erzählten ihr die ganze Situation. Hin und wieder nickte sie kommentarlos. Nachdem sie alles wusste, stand sie wieder auf.

„Keine Angst, ihr beiden. Ich werde Cattivo morgen ablenken. Er wird gar keine Zeit haben, sich über dich Gedanken zu machen“, flüsterte sie schließlich.

Freudestrahlend fiel ich meiner Mutter um den Hals. Sie war einfach die Beste.

 

Am nächsten Tag traf ich überpünktlich bei Benjamin und Jenna ein.

Während Jenna sich richtig freute, mich zu sehen, sah ihr Bruder alles andere als begeistert aus. Kleiner, die riesige Deutsche Dogge, begrüßte mich schwanzwedelnd. (Worüber ich einfach nicht hinwegkomme: Eine Deutsche Dogge, die Kleiner heißt.)

Benjamin schaute auf die Uhr. „Du bist fünf Minuten zu früh“, grummelte er.

„Ich dachte, Unpünktlichkeit wäre unhöflich“, erwiderte ich.

„Das stimmt“, fand Jenna. „Ich bin froh, dass du schon da bist. Rate mal, was wir heute machen!“

„Schwimmen gehen?“

Sie lachte. „Fast. Wir gehen mit Kleiner spazieren. Aber wir können gerne am See im Stadtpark vorbeischauen. Der ist echt ein Traum.“

Mir wurde mulmig zumute. Spazieren gehen – mit Kleiner?

Benjamin bemerkte meinen verängstigten Blick. „Du hast doch nicht etwa Angst vor Hunden, Tochter des Teufels?“

„Warum nennst du Flama so? Sie ist doch kein Teufel“, mischte sich Jenna ein.

Ihr Bruder grinste. „Das ist nur so ein kleiner Insiderwitz zwischen Flama und mir.“

Ich nickte. „Genau. Du brauchst dir also keine Gedanken zu machen. Ich bin kein Teufel oder sehe ich etwa wie einer aus?“

Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein, einen Teufel stelle ich mir ganz anders vor. Vielleicht bist du ja ein Gestaltwandler.“

„Ein was?“ Ich hatte absolut  keine Ahnung, wovon sie da sprach. Gestaltwandler? Nie gehört!

„Das ist jemand, der seine Gestalt verändern kann und sich in jedes beliebige Wesen verwandeln kann“, erklärte mir Jenna.

„Sie liest einfach gerne Fantasybücher. Ich wette mit dir, wenn du ihr sagen würdest, dass du die Tochter des Teufels bist und in der Hölle wohnst, würde sie dir das sofort glauben“, fügte ihr Bruder hinzu.

„Ich lese auch gerne Fantasy. Ich liebe dieses Abtauchen in eine andere Welt. Dadurch vergisst man seine Alltagssorgen“, versuchte ich bei Jenna zu punkten.

„Ja, das sehe ich genauso. Dann denke ich mal eine Zeitlang nicht an meine Krankheit.“

Ihr Blick wurde traurig. Sie sollte nicht an ihre Krankheit denken.

„Welches Fantasywesen magst du denn am liebsten?“, fragte ich deshalb schnell.

„Engel“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.

„Das glaube ich jetzt nicht. Engel? Diese kleinen Flatterwesen, die den ganzen Tag nur auf ihrer Wolke sitzen?“, erwiderte ich.

Engel hatte ich einige Male getroffen. Auf weiteren Kontakt konnte ich gerne verzichten. Sie hielten sich für die Tollsten, nur weil sie zu den angeblich Guten gehörten. Wir Teufel dagegen waren die Bösen.

„Magst du auch Geschichten über Teufel?“, hakte ich nach.

„Nein, die sind immer so böse.“

Da habt ihr´s.

8. Kapitel

„Lasst uns jetzt gehen! Sonst wird es zu spät“, kommandierte Benjamin.

Er nahm Kleiner an die Leine und marschierte los. Jenna und ich folgten ihm.

„Ist das auch nicht zu anstrengend für dich, Jenna?“, fragte ich besorgt.

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Bewegung tut mir gut. Der Arzt hat nur gemeint, ich soll es nicht übertreiben. Also die nächste Marathon-Gewinnerin werde ich nicht sein.“

„Einen Marathon könnte ich auch nicht laufen. Dafür habe ich keine Ausdauer“, sagte ich.

Ja, es war unfair. Wir Teufel hatten keine besonderen Superkräfte. Wir konnten weder fliegen wie Engel, noch durch Wände gehen wie Geister oder die Gestalt verändern wie diese Gestaltwandler, von denen sie mir erzählt hatte. Wir waren nur unsterblich und konnten zwischen Hölle und Erde umherwandern. Uh, wie aufregend!

„Na, hoffentlich packst du den Weg bis zum See“, mischte sich Benjamin ein.

„Hör nicht auf den alten Stinkstiefel! Er ist nur sauer, weil er nicht bei Ariane landen konnte“, erwiderte Jenna.

Sofort erntete sie einen giftigen Blick von ihrem Bruder.

Als er sich wieder umgedreht hatte, flüsterte ich zu Jenna: „Wer ist denn Ariane?“

„Ein Mädchen, auf das Ben steht. Sie arbeitet bei Dr. Zucker, bei dem ich wegen meines Herzens in Behandlung bin. Seit Monaten schmachtet er sie schon aus der Ferne an. Er hat sich aber nie getraut sie anzusprechen. Dann plötzlich will er es doch. Aber da war ein anderer schneller gewesen.“

„Hört auf zu tuscheln!“, knurrte Ben und seine Schwester und ich mussten grinsen.

„Jenna, ich warne dich! Du wirst Flama nichts von Ariane erzählen“, redete er wütend weiter.

„Ich verspreche dir. Ab jetzt werde ich kein Wort mehr über sie sagen“, entgegnete sie.

Krampfhaft versuchte ich mir ein Lachen zu verkneifen. Ja, sie brauchte mir wirklich nicht mehr zu erklären, wer Ariane war. Ich wusste es ja bereits. Eins ließ mir jedoch einfach keine Ruhe.

„Du Jenna. Warum magst du denn keine Teufel? Nur, weil sie in Büchern immer als die Bösen dargestellt werden?“, wisperte ich.

„Teufel sind nun mal böse und Engel lieb. Das weiß doch jedes Kind“, meinte sie.

„Was wäre, wenn dir mal ein Teufel begegnen würde und der richtig nett wäre? Würdest du dann deine Meinung ändern?“

„Wie sollte ich denn einen Teufel kennenlernen? Die wohnen doch in der Hölle.“

„Das stimmt. Aber sie können auch auf die Erde kommen.“

Jenna lachte. „Na hoffentlich trauen sie sich nicht nach Willental.“

„Was glaubst du wie Teufel aussehen?“, wollte ich von ihr wissen.

„Wie man sich halt so Teufel vorstellt: Rote Haut, zwei Hörner auf dem Kopf, spitze Ohren, hässliche Fratze. Ihr Schwanz hat am Ende eine Spitze und sie schleppen immer einen Dreizack mit sich“, erzählte sie.

„So sehen sie mit Sicherheit nicht aus. Du darfst den Büchern nicht alles glauben. Wie gesagt, es sind ja Fantasybücher. Sie entspringen also der Fantasie des Autors“, verteidigte ich die Teufel, zu denen ich ja auch gehörte. „In Wahrheit sind Teufel nett. Okay, die Engel würden dir ja was anderes weiß machen wollen. Du musst dir uns… äh, ich meine, die Teufel wie normale Menschen vorstellen.“

Sie sah mich verwirrt an und fing dann an lauthals zu lachen.

„Flama, du glaubst doch nicht wirklich an Teufel und Engel und diese ganzen anderen Wesen?“

Oh verdammt. Ich hatte mich da richtig reingesteigert. Aber es ging hier schließlich um meine Familie. Wir hatten wirklich keine rote Haut und keine Hörner. Oh, und einen Schwanz hatten wir schon gar nicht. Naja, das mit der hässlichen Fratze war relativ. Jeder empfindet Schönheit ja anders. Obwohl, so hässlich war ich jetzt trotz recht großer Nase auch wieder nicht. Es war noch niemand schreiend vor mir weggerannt und ich hatte schon viele Menschen getroffen.

Ich konnte nur hoffen, dass mich Jenna jetzt nicht auch noch für komplett irre hielt und keinen weiteren Kontakt mehr zu mir wollte. Dann konnte ich meinen schönen Plan Benjamin zu retten vergessen.

Natürlich musste dieser nun auch seinen Senf dazugeben.

„Ach, Jenna. Flama glaubt nicht nur an Teufel. Sie hält sich auch noch für einen. Für die Tochter des Teufels, um genau zu sein.“

Toll, das war es dann. Damit war ich mit Sicherheit bei Jenna unten durch. Ich würde sie wohl nie wiedersehen. Benjamin dagegen würde ich in nicht einmal einem Monat in der Hölle begegnen. Ich freute mich jetzt schon auf sein Gesicht. Mensch, würde der blöd glotzen.

9. Kapitel

Jenna hatte wirklich nicht übertrieben. Der See im Stadtpark war märchenhaft schön. Benjamin löste die Leine von Kleiner, der sofort ins Wasser sprang.

„Euer Hund ist ja eine richtige Wasserratte“, bemerkte ich.

„Ja, das ist er. Kleiner hat mal Mama gehört. Sie hat Deutsche Doggen über alles geliebt. Ich weiß noch, wie sie Papa so lange gequengelt hat, bis er nachgegeben hat und ihr Kleiner gekauft hat. Er wollte immer eine Vogelspinne haben, aber Mama hatte Angst vor Spinnen“, erzählte Jenna.

„Vor Vogelspinnen habe ich keine Angst“, meinte ich.

Das waren sogar meine Lieblingstiere.

„Vor was hast du denn Angst?“, wollte sie wissen.

„Vor Engeln“, mischte sich Benjamin ein und grinste.

Genervt verdrehte ich die Augen. Er musste aber auch wirklich zu allem seinen Senf dazugeben.

„Ich habe Angst vor … vor… großen Hunden“, gab ich zu.

„Also auch vor Kleiner?“, fragte Jenna.

Zustimmend nickte ich. „Ja, euer Kleiner ist ein ziemlich großer Hund.“

„Aber er ist der liebste Hund der Welt. Er hat sogar die Begleithundeprüfung bestanden – als Bester. Da haben die ganzen Border Collie- und Schäferhundbesitzer vielleicht blöd geschaut. Dabei kann man jedem Hund Gehorsam beibringen – und das ganz ohne Strafen“, berichtete sie.

„Das glaube ich dir ja. Ich sage ja auch nicht, dass Kleiner böse ist. Er ist einfach nur riesig“, erwiderte ich.

Benjamin pfiff und sofort stürmte Kleiner auf uns zu. Statt sich direkt am Ufer zu schütteln, wartete der Hund, bis er bei uns war.

„Ihh!“, kreischte ich.

„Wasserscheu ist sie auch noch“, kommentierte Ben die Situation.

„Bin ich nicht. Ich war nur … überrascht“, verteidigte ich mich.

„Ach ja, Wasser löscht Feuer. Das mögt ihr Teufel ja dann nicht.“

Er konnte es nicht lassen. Ständig zog er mich mit der Teufelsgeschichte auf.

„Hör auf Flama zu ärgern!“, sagte Jenna.

Dankend lächelte ich sie an. Sie war wirklich ein freundliches Mädchen. Ich hoffte nur, dass sie schnell operiert werden würde, damit sie wieder gesund werden konnte. Ich hatte mich entschieden, bei meinem Entschluss zu bleiben, Benjamin das Leben zu retten. Das tat ich nicht für ihn, sondern allein für seine Schwester.

„Was habt ihr denn für Hobbys?“, fragte ich.

„Ich spiele Klavier“, antwortete Jenna.

„Sehr schön. Ich höre gerne Klavier“, meinte ich.

Von Ben kam keinerlei Reaktion. Also hakte ich nach.

„Und du?“

„Was denn?“, brummelte er.

Hatte er mir etwa nicht zugehört?

„Was hast du für Hobbys?“

„Parkour“, erwiderte er schließlich.

„Parkuhr? Was soll das denn für ein Hobby sein?“

„PARKOUR“, wiederholte er leicht genervt.

„Ach so ja, Parkour, klar“, murmelte ich.

„Kennst du nicht, stimmt´s?“

Benjamin sah mir jetzt direkt in die Augen.

Ich winkte ab, konnte seinem Blick aber nicht standhalten. „Doch, doch klar, habe ich schon gemacht.“

„Du bist auch ein Traceur?“, wollte Jenna wissen.

„Weibliche nennt man Traceuse“, berichtigte ihr Bruder sie. „Das müsste Flama ja wissen, wenn sie Parkour macht.“

Ich lächelte zerknirscht. „Klar wusste ich das. Ich finde es nur besserwisserisch, deine Schwester zu korrigieren. Ich wusste ja genau, was sie meinte.“

Okay, ich hatte überhaupt keine Ahnung, was Parkour war oder ein Traceur beziehungsweise eine Traceuse. Ich stellte mir was mit parkenden Traktoren vor, so vom Namen her. Ja, gut, ich war nicht gerade ein Ass in Französisch, denn dass die Sprache Französisch war, konnte ich mir denken.

Ich bin eine Botin und soll dir ausrichten, dass du aufgrund deiner Taten in die Hölle kommst. Das war so ziemlich der einzige Satz, den ich auf Französisch konnte. Genau diesen Satz konnte ich sogar auf vielen Sprachen aufsagen.

„Dann kannst du Jenna sicher erklären, was genau Parkour ist“, fand Benjamin und grinste mich an.

Oh nein, er wusste genau, dass ich keinen Plan davon hatte.

„Äh, ja, hm“, stotterte ich nur. „Jenna weiß ja wohl, was Parkour ist. Sie ist ja nicht dumm.“

Im Gegensatz zu mir, beendete ich den Satz in Gedanken.

„Beim Parkour überwindet man Hindernisse so schnell und effizient, wie man es kann. Dabei  nutzt man nur die Kraft und Fähigkeit seines Körpers“, erzählte Jenna.

Ich klatschte begeistert in die Hände. „Super erklärt. Das hätte ich nicht besser gemacht.“

Ich konnte nur hoffen, dass es stimmte, was sie da geredet hatte. Es klang aber eigentlich ganz gut.

„Na gut, Flama, dann hast du bestimmt nichts gegen einen kleinen Run?“, fragte Benjamin.

HILFE!

„Nein, gar kein Problem. Aber soll Jenna so lange hier alleine warten? Sie kann doch bestimmt nicht mitlaufen“, versuchte ich mich herauszureden.

„Du hast Angst“, stellte er fest.

Da hatte er so was von recht. Allerdings würde ich das niemals zugeben.

„Verschieben wir es doch auf ein andermal. Ich muss jetzt sowieso nach Hause“, sagte ich.

„In Ordnung. Aber du brauchst nicht zu denken, dass ich unseren Run vergessen werde. Morgen hat Jenna erst einmal eine Untersuchung. Da geht es also nicht. Wie wäre es mit übermorgen?“

Ob zwei Tage Training wohl reichen würden, um aus mir einen Parkourprofi zu machen?

„Prima“, meinte ich nur, während meine Handflächen schwitzig wurden. Okay, schwitzig nur im übertragenen Sinne, da wir Teufel nicht schwitzen konnten.

„Wann ist eigentlich Jennas OP?“, wollte ich wissen.

„Am 26. Juli geht unser Flug und die OP ist dann am 28.“, entgegnete Benjamin.

Ich schnappte erschrocken nach Luft. Wenn ich Bens Tod nicht verhindern konnte, würde ich Jenna vermutlich auch nicht retten können. Laut Schicksal sollte er ja am 25. Juli sterben. Das konnte ich unter keinen Umständen zulassen.

10. Kapitel

Meine Mutter war wirklich klasse. Sie hatte meinen Vater die ganze Zeit abgelenkt. Er hatte nicht bemerkt, dass ich so lange auf der Erde gewesen war. Jetzt saßen wir alle gemütlich beim Essen.

„Die nächsten Tage werden stressig für dich“, erzählte Papa. „Morgen hast du einen Botengang, übermorgen sogar drei.“

„Übermorgen drei?“, wiederholte ich ungläubig.

Das durfte nicht wahr sein. Wann sollte ich mich denn dann mit Benjamin und Jenna treffen?

„Ja, ich weiß, so viele an einem Tag hattest du noch nie. Es sind drei Freunde, die mit ihrem Auto verunglücken. Sie wohnen in Südeuropa.“

Ich schluckte. Auch Melody war bei einem Autounfall gestorben.

„Alle drei sind böse?“, hakte ich nach.

Meine Mutter wollte uns zuerst erneut hindern, dieses Thema beim Abendessen weiter zu verfolgen, stockte dann aber mitten im Satz.

„Ja, sind sie. Sie gehören zu einer Erpresserbande“, berichtete der Teufel weiter.

„Wohnen sie zusammen?“, fragte ich.

Dann konnte ich das gleich alles auf einmal erledigen.

„Nein, aber sie wohnen nicht weit voneinander entfernt. Es dürfte also kein Problem für dich sein. Oh, Melody scheint sich übrigens gut zu machen. Lucy lobt sie in höchsten Tönen. Vielleicht adoptiere ich deine beste Freundin.“

„Adoptieren? Ist das denn möglich?“

Mein Vater lachte. „Natürlich.“

„Und dann gehört sie zur Teufelsfamilie und kann auch Botengänge erledigen?“, wollte ich wissen.

Er nickte. „Kann sie.“

„Dann adoptiere sie doch!“, meinte ich. Das wäre einfach nur toll. Dann hätte ich eine Schwester und Melody könnte ihren Bruder besuchen. Obwohl, vielleicht war das keine gute Idee. Wie würde Oliver wohl reagieren, wenn seine tote Schwester plötzlich auftauchen und ihm erzählen würde, dass sie jetzt in der Hölle lebte? Nein, das sollten wir lieber lassen.

„Flama, so einfach ist das nicht! Außerdem habe ich das nur so gesagt. Das heißt jetzt nicht, dass ich das auch vorhabe.“

„Schade eigentlich. Ich hatte mich schon so gefreut“, fand ich.

„Melody! Komm endlich! “, rief ich und öffnete hastig die Tür. Meine beste Freundin hatte es sich auf ihrem Bett mit einem Buch bequem gemacht. Sie las gerne, bevorzugt Bücher aus dem New Adult Genre. Ich selber nahm auch ab und zu mal einen Schmöker in die Hand, dann jedoch nur über Science-Fiction oder Fantasy.

Science-Fiction, weil ich mich außerdem sehr für Wissenschaft und Technik interessierte und es aufregend fand, welche Ideen manche Autoren für die Zukunft hatten. Fantasy, weil ich es wirklich mochte, für einen Moment den Alltag zu vergessen. Außerdem war ich neugierig, was über Teufel, Dämonen und Engel geschrieben wurde. Dabei las ich allerdings nicht jede Art von Fantasy. Nein, High Fantasy war nun wirklich nichts für mich. Das war mir dann doch zu viel des Guten. Ich mochte Urban und All Age Fantasy.

„Flama, was ist denn?“, wollte Melody wissen.

Das hatte ich total vergessen. Warum war ich nochmal zu ihr gegangen? Ich war so in Gedanken wegen den Büchern gewesen, dass ich nicht mehr wusste, was ich eigentlich von meiner besten Freundin wollte.

„Äh, äh“, stammelte ich nur.

„Ist es wegen Ben und Parkour?“, hakte Melody nach.

Das war es! Heftig nickte ich mit dem Kopf.

„Melody, du bist meine letzte Rettung. Bitte! Du musst mir dringend Parkour beibringen. Leg dein Buch weg! Mach das Jazz-Gedudel aus und hilf mir!“

„In Ordnung. Weil du es bist.“ Sie klappte ihr Buch zu und stellte auch endlich die Musik ab. Melody war wahrscheinlich der größte Jazz-Fan, während ich... Nein, halt! Ich schweife schon wieder ab. Später mehr dazu!

„Prima!“ Ich klatschte in die Hände.

„Melody! Hab Erbarmen mit mir!“, keuchte ich. Ich war vollkommen aus der Puste. Parkour war alles andere als ein Spaziergang. Wer machte so etwas freiwillig?

„Flama, streng dich mehr an!“, entgegnete Melody.

Sie war wirklich streng mit mir. Seit einer gefühlten Ewigkeit scheuchte sie mich schon über Hindernisse.

„Ich kann nicht mehr. Ich brauche eine Pause.“

Teufel schwitzten nicht. Aber wenn es so wäre, dann wären gerade die Niagarafälle meinen Rücken heruntergelaufen, so fertig war ich.

„Wie willst du es schaffen, Ben zu überzeugen, dass du Parkour kannst?“, meinte Melody.

„Ich schaffe das sowieso nicht in zwei Tagen“, erwiderte ich.

„Bei deinem Talent auch nicht in hundert Jahren!“

Eine tolle Freundin hatte ich da.

Erschöpft setzte ich mich auf einen Felsen, den ich vorhin noch bezwingen musste.

„Ich brauche jetzt erst einmal einen Kaffee. Oh, und eine Pizza Diavolo wäre nicht schlecht. Bitte höllisch scharf!“

„Okay, du bekommst deinen Kaffee. Was hast du jetzt wegen Ben vor? Sagst du ihm, dass du kein Parkour kannst?“, fragte Melody.

Unentschlossen zuckte ich mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Ich will mich mit Ben anfreunden. Das geht doch am ehesten, wenn ich die gleichen Interessen wie er habe. Aber da gibt es nun mal ein riesiges Problem. Ich werde Parkour niemals hinbekommen. Wenn ich Knochen hätte, hätte ich mir schon sämtliche gebrochen“, erzählte ich.

„Das ist es!“ Meine beste Freundin sprang auf.

„Was?“

„Ich mache dir einen Verband um den Arm. Du hast dich beim Training verletzt.“

„Meinst du das klappt?“, hakte ich unsicher nach.

Melody nickte. „Mit Sicherheit!“

„Und was mache ich dann?“

Sie lachte. „Mensch, Flama! Such dir ein Thema aus, über das ihr reden könnt. Erzähl ihm von deinen Lieblingsfilmen, Lieblingsbüchern und deiner Lieblingsmusik.“

11. Kapitel

Ich traf zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort ein. Die Botengänge hatte ich im Eiltempo erledigt. Ich hatte die drei nur kurz aufgesucht (zum Glück waren sie zusammen gewesen), ihnen mitgeteilt, dass sie bald in die Hölle kämen und war schnell verschwunden, bevor sie reagieren konnten.

Geheimgang sei Dank. So war ich mal eben schnell von Südeuropa nach Willental gereist.

Ben war bereits dabei sich aufzuwärmen.

„Hallo Benjamin“, begrüßte ich ihn.

„Hey Flama. Na bereit für einen kleinen Run?“, fragte er.

Ich hob meinen verbundenen Arm nach oben.

„Mensch, tut mir leid. Ich habe meinen Arm verstaucht“, log ich.

„Oh nein! Wie ist das denn passiert?“, erkundigte sich Jenna besorgt.

„Faule Ausrede“, murrte Ben und erntete dafür einen giftigen Blick von seiner Schwester.

„Sei nicht immer so gemein zu Flama! Die Arme ist verletzt. Als ob sie sich einfach so ihren Arm verbinden würde“, erwiderte sie.

„Klar, um nicht am Run teilnehmen zu müssen“, meinte er.

„Nein, ich bin wirklich verletzt“, verteidigte ich mich, obwohl ich ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte. „Wir können den Run natürlich irgendwann nachholen.“

„Irgendwann im Sinne von niemals?“, unterbrach mich Ben.

Ich schüttelte den Kopf. Er konnte seine Sticheleien einfach nicht lassen.

„Ich meine damit zu einem späteren Zeitpunkt, wenn mein Arm wieder gesund ist. Wir können ja heute etwas anderes machen. Was schaust du denn gerne für Filme?“

„Horror“, antwortete er.

Nervös schluckte ich. „Horror?“

„Ja, das müsste dir als Teufel doch bestimmt auch gefallen.“

Ah, ich hasste es, wie er das Wort Teufel betonte.

„Klar“, entgegnete ich. „Ich liebe Horrorfilme.“

HILFE! Ich konnte doch überhaupt kein Blut sehen. Ja okay, etwas peinlich als Tochter des Teufels. Aber da konnte ich einfach nichts dafür.

„Dann sollten wir mal einen Horrorfilm zusammen schauen.“

Zerknirscht lächelte ich. „Immer doch. Äh, welche Bücher liest du denn gerne. Auch Horror, oder vielleicht Science-Fiction?“

„Ich hasse Bücher“, erklärte Ben.

Ich verstand ihn nicht. Wie konnte man denn Bücher hassen? Also schnell Themawechsel.

„Hörst du gerne Musik? Vielleicht Techno?“, wollte ich wissen.

„Was? Techno doch nicht. Das ist doch totaler Schrott. Ich höre Heavy Metal.“

„Stellt sich die Frage, wer Schrott von uns hört.“

„Wie war das?“, hakte Benjamin nach.

Mist. Das hatte ich eben tatsächlich laut gesagt.

„Ich habe gesagt: Was ein Zufall. Ich liebe Heavy Metal.“

„Moment. Du hast was?“ Melody sah mich geschockt an.

„Jetzt tu doch nicht so, als hätte ich etwas Schlimmes verbrochen“, meinte ich.

„Du verstellst dich komplett, nur um diesem Benjamin zu gefallen“, erwiderte sie.

„Falls du es vergessen hast. Ich soll schließlich sein Leben retten. Da fällt es leichter, wenn ich die gleichen Interessen wie er habe“, argumentierte ich.

„Deshalb musst du jetzt einen Horrorfilm mit ihm schauen?“

Ich nickte zustimmend. „Ja, und auf ein Heavy Metal Konzert.“

Melody konnte nicht anders und grinste. „Na, dann viel Spaß.“

Ja, da hatte ich mir ja was Schönes eingebrockt. Ben schien absolut begeistert zu sein, dass ich angeblich auch gerne Horrorfilme mochte und zudem auch noch den gleichen Musikgeschmack hatte. Also würden wir am kommenden Wochenende einen Filmemarathon machen. Eine Woche später war dann das Heavy Metal Konzert. Zum Glück war ich ja schon tot (also so in der Art). Ich wusste nämlich nicht, wie ich diese beiden Sachen überleben sollte.

„Flama, komm mal sofort her!“

Erschrocken sprang ich auf. Oh nein, mein Vater schien richtig sauer zu sein. Ob er wohl doch gemerkt hatte, dass ich mich auf die Erde geschlichen hatte? Sofort rannte ich aus meinem Zimmer. Dort stand mein Vater mit einem Mädchen, das etwa in meinem Alter war. Es hatte kurze, braune Haare und grüne Augen – wie Ben. Hilfe! Invasion der Grünäugigen. Die waren in der Hölle häufig vertreten. Das war aber bestimmt nur Zufall.

„Wer ist das denn?“, fragte ich.

Das Mädchen lachte und hielt mir die Hand hin.

„Halli hallo. Ich bin Athena.“

Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie.

Daraufhin umarmte sie mich einfach. „Wir werden bestimmt gute Freundinnen.“

Das war mir eindeutig zu viel Nähe. Ich hasste Umarmungen. Ruckartig ließ mich Athena los.

„Uh, du bist ganz schön heiß“, sagte sie.

Mein Vater und Melody sahen sie seltsam an.

„Äh, nicht so. Ich meine wegen der Körpertemperatur. Du glühst ja.“

12. Kapitel

„Was macht sie eigentlich hier?“, fragte ich.

Ich konnte mich beim besten Willen nicht an eine Athena erinnern, die ich hatte warnen sollen. Mist. Mist. Mist. Ich hatte das doch hoffentlich nicht vergessen. Mein Vater würde mich umbringen, also wenn das möglich wäre. Aber halt nein. Es konnte gar nicht sein. Ich war überzeugt, dass ich keinen Botengang vergessen hatte.

„Das würde ich auch gerne wissen. Wir wissen nichts von einer Athena, die heute eintreffen soll“, meinte mein Vater.

„Oh, äh ja. Das ist auch wirklich etwas kompliziert. Ich sollte eigentlich in den Himmel. Also ich war dort auch einige Zeit. Das war mal vielleicht langweilig. Da oben gibt es ganz schön viele Regeln und an die muss sich auch noch jeder halten. Es gibt kein Hintertürchen. Naja, jetzt bin ich hier. Die Engel haben mich aus dem Himmel geworfen“, erklärte Athena.

„Ich kann mir auch denken warum“, flüsterte ich zu Melody. „Sie hat den Engelchen zu viel gequasselt.“

„Vielleicht war das auch ein Grund“, sagte Athena.

Teufel, hatte dieses Mädchen gute Ohren. Das sollte eigentlich nur meine beste Freundin hören.

„Aber ich denke, der Hauptgrund war der, dass ich was mit Rahmiel angefangen hatte. Da waren die da oben ganz schön ausgeflippt“, erzählte sie weiter.

„Wer ist denn Rahmiel?“, hakte Melody nach.

„Oh, nur der Sohn des höchsten Custos“, erwiderte ich.

„Und der höchste Custos ist wer oder was?“

„Der höchste Engelswächter. Der Chef im Himmel sozusagen.“

„Oh, und sieht dieser Rahmiel gut aus?“, wollte meine beste Freundin von Athena wissen.

Das war ja mal wieder typisch Melody. Ihre erste Frage war immer, ob der Typ gut aussah.

„Klar sieht er gut aus. Außerdem war ich doch noch etwas sauer auf Raphael“, antwortete Athena.

„Ist Raphael auch ein Engel?“

„Nein, ich meine damit Raphael, meinen menschlichen Freund. Er hat mich … verraten.“

„Moment mal. Wir sollten überlegen, wo Athena vorübergehend untergebracht wird“, mischte sich mein Vater ein und sah mich eindringlich an.

Oh nein, das würde er nicht…

„Flama, Athena wird erst einmal in deinem Zimmer wohnen.“

Na toll, er würde doch…

„He, könnte nicht Melody bei mir einziehen? Sie ist doch meine beste Freundin“, schlug ich vor.

„Halt! Flama, bei aller Liebe. Das halte ich für keine gute Idee“, meinte Melody.

Was? Hatte das gerade wirklich meine beste Freundin gesagt? Sie schien meinen irritierten Blick zu bemerken und legte ihre Hand auf meine Schulter.

„Flama, das ist nicht böse gemeint. Aber ich weiß, dass du deine Musik in deinem Zimmer gerne laut und stundenlang hörst. Das halte ich einfach nicht aus. Und seien wir mal ehrlich. Du würdest auch nicht gerne Jazz hören“, sprach sie weiter.

„Oh doch, würde ich. Das würde ich sehr gerne“, warf ich sofort ein.

Melody zog misstrauisch ihre Augenbraue nach oben und musterte mich. Ich konnte ihrem Blick nicht länger standhalten.

„Okay, okay. Vielleicht hast du recht. Aber vielleicht mag Athena meine Musik ja auch nicht“, entgegnete ich. „Vielleicht bekommt sie einen Schock davon.“

„Wenn ich etwas dazu sagen darf… Ich habe meine Schwester und ihren Freund mal zusammen auf dem Teppich erwischt. Glaub mir, Flama! Mich kann nichts mehr schocken“, redete Athena, meine neue Mitbewohnerin.

13. Kapitel

„So, neue Mitbewohnerin. Wir sollten uns etwas besser kennenlernen. Ich möchte ja wissen, mit wem ich zusammen wohne“, sagte Athena und ließ sich auf der Schlafcouch nieder, die ihr in der nächsten Zeit als Ersatzbett dienen sollte.

„Es ist sowieso nur vorübergehend. Sobald wir das mit deiner Unterkunft geklärt haben, bist du hier weg“, erwiderte ich.

„Deshalb können wir uns doch trotzdem erzählen, was wir gerne mögen. Eins würde ich ja unbedingt gerne wissen.“

„Was denn?“

„Seid ihr hier auch so streng? Ich meine, im Himmel ist alles ausschließlich weiß. Ich durfte nichts Farbiges tragen und dabei mag ich doch Farben, besonders orange“, plauderte sie.

„Orange ist deine Lieblingsfarbe?“, hakte ich ungläubig nach.

Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der diese Farbe wirklich mochte.

Athena nickte strahlend. „Ja, und deine?“

„Pink“, antwortete ich.

„Pink?“, wiederholte sie und lachte. Es war ein unerträgliches Lachen, so als hätte sich eine Hyäne mit einem bremsenden Auto gekreuzt.

„Wenn du ein Problem damit hast, da ist die Tür“, meinte ich.

Sie hob beschwichtigend ihre Hände.

„Entschuldige. Ich konnte nicht anders. Ich hätte eher rot oder schwarz erwartet.“

„Ist es aber nicht. Um zu deiner ersten Frage zurückzukommen: Du kannst hier tragen was du willst.“

Ich hoffte, dass die Fragestunde damit beendet war. Ich wollte zu Melody und mit ihr etwas unternehmen. Doch Athena schien eine der hartnäckigen Sorte zu sein.

„Was isst du am liebsten? Ich könnte für Ratatouille sterben“, redete sie weiter.

„Pizza Diavolo“, entgegnete ich.

„Uh, das passt ja. Hast du auch Lieblingsfilme?“

„Ja, Science-Fiction und Fantasy.“

„Ich mag ja Liebeskomödien. Aber wir können gerne mal Science-Fiction oder Fantasy anschauen. Was liest du gerne für Bücher?“

Genervt rollte ich die Augen. „Das Gleiche wie bei Filmen.“

Athena grinste. „Bei Büchern bin ich so ziemlich für alles offen. Welche Musik hörst du denn gerne? Kennst du das Duo Fleur?“

„Nein, wer soll das denn sein? Ich höre Techno.“

„Ach, das meinte Melody mit nicht auszuhalten.“

Wütend sah ich sie an.

„He, ich hab doch gar nichts gesagt. Als deine Freundin akzeptiere ich dich so wie du bist. Ich finde das witzig. Wir haben überhaupt nichts gemeinsam. Okay, abgesehen davon, dass wir beide in der Hölle wohnen“, quasselte sie.

„Ich habe schon eine beste Freundin“, erwiderte ich, jetzt richtig genervt.

„Mensch, bist du aber zickig. Ich will ja nicht deine beste Freundin werden, nur eine Freundin. Hast du Lieblingstiere?“

Mir reichte es. Ich stellte meine Anlage auf volle Lautstärke und drückte auf Play. DJ Thunder Hell, den ich am allerliebsten hörte, dröhnte aus den Boxen. Ich fragte mich, wann sie endlich das Weite suchte. Aber da konnte ich wohl lange warten. Athena hatte es sich auf der Couch bequem gemacht.

„Ich habe dir doch gesagt, dass mich nichts mehr schocken kann“, schrie sie gegen die Musik an.

14. Kapitel

„Danke. Das ist wirklich nett von Ihnen, dass ich zum Essen bleiben darf“, sagte Athena.

„Das macht uns doch keine Umstände. Du bist jederzeit bei uns willkommen“, erwiderte meine Mutter.

„Aurelia kocht sowieso immer mehr als genug“, fügte mein Vater hinzu.

„Das duftet ja köstlich. Im Himmel gab es jeden Tag das gleiche Essen. Oh, und es wurde ohne Unterbrechung Harfe gespielt. Du konntest dich dem gar nicht entziehen. Irgendwann konntest du nicht mehr klar denken. Ich glaube ja, dass das eine Art Gehirnwäsche ist, damit die Bewohner nicht aufmüpfig werden und ihren Verstand gebrauchen. Dann würden sie nämlich merken, dass es da oben gar nicht so ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint“, erzählte Athena.

Unglaublich, dieses Mädchen redete wie ein Wasserfall. Konnte sie denn nicht mal für fünf Minuten ihren Mund halten? Meine Eltern und sogar meine beste Freundin schienen dagegen begeistert zu sein.

„Echt? Wie meinst du das? Das klingt interessant“, mischte sich Melody ein. „Heißt das, dass die Engel gar nicht so brav sind?“

„Ja, es ist alles schön und gut, so lange du dich brav anpasst. Aber wehe, du bist nicht so, wie sie dich gerne hätten, dann gibt es da aber ein Donnerwetter. Also immer wenn Gewitter ist, bekommt gerade irgendjemand Ärger. Und wenn man in ihren Augen etwas ganz Schlimmes anstellt, wird man sogar aus dem Himmel geworfen“, erklärte Athena.

„Ach, du meinst das mit diesem Rahmel oder wie der heißt“, lachte Melody.

Die neueste Höllenbewohnerin nickte zustimmend. „Genau das. Aber er heißt Rahmiel.“

„Rahmiel? Der Sohn von Gabriel?“, fragte meine Mutter.

„Ja, dieser Rahmiel. Athena hat nämlich was mit ihm angefangen. Sie wurden erwischt und deshalb ist sie jetzt hier“, gab ich meinen Senf dazu.

„He, wir haben uns jedenfalls nicht auf dem Teppich gewälzt wie meine Schwester“, versuchte sich Athena zu verteidigen.

„Okay. Lasst es euch schmecken. Ich hoffe, du magst Ungarisches Gulasch“, wechselte meine Mutter schnell das Thema.

„Immer wenn’s interessant wird“, flüsterte meine beste Freundin.

„Das steht dir wirklich super“, meinte Athena, als ich die meeresblaue Bluse und meinen neuen Jeansrock für den Filmeabend mit Ben angezogen hatte.

„Hm, ja“, murmelte ich nur.

„Weißt du, was ich erstaunlich finde?“, fragte sie.

„Nein.“

„Soll ich es dir sagen?“

„Nein.“

„Na gut. Also, ich habe mir die Hölle und Teufel immer ganz anders vorgestellt. Aber ich muss sagen, es ist hier ziemlich normal. Das Essen, die Kleidung, euer Aussehen.“

Bla, bla, bla. Ich stellte mein Gehör auf Durchzug.

„Ich nerve dich doch nicht schon wieder?“, wollte Athena plötzlich wissen.

Doch und wie. Schön, dass sie es selbst merkte.

Ich schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht.“

Da kam Melody herein. „Hallo, ihr beiden. Habt ihr euch schon angefreundet? Flama, du siehst klasse aus.“

„Danke. Ich gehe dann mal los. Was machst du denn heute, Melody?“ entgegnete ich.

Heute war mein freier Tag. Dann konnte ich auf die Erde, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. So lange ich niemanden erzählte, wer ich wirklich war, durfte ich mich unter die Menschen mischen. Nur künftige Höllenbewohner weihte ich ein. Normalerweise blieb ich in der Hölle und unternahm etwas mit Melody. Meistens gingen wir ins Kino oder in die Disco. Ja, so etwas hatten wir auch hier unten. Die Bewohner brauchten schließlich Unterhaltung.

„Athena und ich gehen nachher in die Disco“, antwortete meine beste Freundin.

„Was?“ Ich dachte, ich hätte mich verhört.

„Melody und ich werden tanzen gehen. Das war mein Vorschlag. Ich dachte mir, dass sie sich sonst langweilt und ich kenne hier ja sonst niemanden. Ich habe auch einen Tipp für dich, Flama. Wenn du mal eine Disco in Willental für dich und deinen Freund suchst, empfehle ich euch das Tazzo. Da ist schon meine Schwester immer hingegangen und ich übrigens auch“, plapperte Athena.

„Ben ist nicht mein Freund“, stellte ich klar.

„Was nicht ist, kann ja noch werden“, fand sie.

Ich schnappte meine Jacke.

„Ich gehe jetzt. Viel Spaß euch beiden.“

15. Kapitel

„Oh, hallo Flama, komm doch herein!“, begrüßte Benjamin mich.

„Hallo Ben“, lächelte ich.

„Flama!“, hörte ich plötzlich Jennas aufgeregte Stimme.

Sie rannte auf mich zu und umarmte mich stürmisch. Obwohl ich das eigentlich gar nicht mochte, erwiderte ich die Umarmung. Und ich musste zugeben, dass es irgendwie auch ein schönes Gefühl war.

„Jenna, schön dich zu sehen. Geht’s dir gut?“, fragte ich.

„Ja, mir geht’s sehr gut. Ich freue mich, dass du da bist“, antwortete sie.

„Du gehst aber nachher ins Bett. Die Filme, die wir schauen, sind nichts für dich“, meinte Ben.

„Du hast mir aber versprochen, dass ich Flama ein Stück auf dem Klavier vorspielen darf“, protestierte Jenna. „Außerdem habe ich Ferien.“

„Ich habe gesagt, nur, wenn sie möchte“, entgegnete ihr Bruder.

Beide sahen mich an.

„Jenna, das würde ich wirklich gerne“, sagte ich ehrlich.

Ich hatte die Kleine richtig ins Herz geschlossen. Ich bewunderte sie, dass sie trotz ihrer Krankheit voller Lebensfreude war. Überhaupt schien es ihr in letzter Zeit gut zu gehen. Ich fragte mich, ob es daran lag, dass die OP bald anstand. Jenna nahm mich an der Hand und zog mich in die Wohnung.

Im Wohnzimmer lag Kleiner und schlief. Ich hoffte, dass er durch das Klavier spielen nicht aufwachte. Ja, okay, die Dogge war wirklich ein lieber Hund. Trotzdem hatte ich noch ein klein wenig Angst. Jenna setzte sich an das Klavier und begann ein klassisches Stück zu spielen.

„Jenna, das klingt wunderschön. Hast du das selbst komponiert?“, lobte ich sie aufrichtig.

Sie kicherte. „Nein, das ist von Maus.“

„Wie lange spielst du denn schon?“, fragte ich. „Du kannst wirklich sehr gut spielen.“

Bens kleine Schwester wurde rot. Es war ihr wohl unangenehm, wenn ihr jemand ein Kompliment machte.

„Ich spiele seit ich sieben bin.“

„Ach, Flama, ich sehe dein Verband ist weg. Deinem Arm scheint es ja wieder besser zu gehen“, mischte sich Ben ein.

Verwirrt schaute ich ihn an. Wovon redete er? Warum sollte es meinem Arm besser gehen? Oh nein! Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte eine Verletzung vorgetäuscht und war dadurch dem Run entgangen.

„Ach so, äh ja, das. Ja, meinem Arm g…g…geht’s wieder besser“, stotterte ich.

Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Warum war ich so blöd gewesen? Warum hatte ich das vergessen? Ich hoffte, dass er mir die Lüge abnahm. Er … und Jenna auch.

16. Kapitel

„Komm mit, Flama. Ich würde dir gerne mein Zimmer zeigen“, sagte Jenna und strahlte übers ganze Gesicht.

„Jenna, bitte! Ich denke, du hast Flama schon genug genervt“, mischte sich Ben ein.

Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig.

„Wenn das so ist.“ Sie drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen.

„Jenna, das stimmt doch nicht. Du nervst nicht, hast mich noch nie genervt und wirst mich nie nerven“, meinte ich und funkelte ihren Bruder wütend ein. Wie konnte er nur so einen Quatsch behaupten?

Jenna schaute mich an und lächelte.

„Wirklich nicht?“, hakte sie nach.

„Jenna, das meine ich genauso wie ich es gesagt habe“, erwiderte ich.

Ich reichte ihr meine Hand, die sie zaghaft ergriff und mich dann in ihr Zimmer führte. Beim ersten Treffen war ich bereits dort gewesen. Ich hatte mich aber nicht richtig umsehen können.

In ihrem Zimmer hingen lauter Poster von Planeten und dem Sonnensystem.

„Du interessierst dich für Astronomie?“, fragte ich.

Sie nickte zustimmend. „Ich finde den Weltraum faszinierend.“

„Ich auch. Ich interessiere mich auch allgemein für Wissenschaft und Technik“, erzählte ich.

„Das finde ich toll“, entgegnete Jenna.

Ich sah mir ihr Bücherregal an. Dort standen neben Astronomielektüre vor allem historische Schmöker und einige Fantasybücher.

„Ich mag das Mittelalter. Ich liebe alte Schlösser und Burgen“, schwärmte sie.

„Ich war noch nie auf einem Schloss oder einer Burg“, seufzte ich.

„Wirklich? Dann hast du aber etwas verpasst. Hier ganz in der Nähe gibt es die Sternburg. Die musst du unbedingt mal gesehen haben“, redete Jenna voller Begeisterung.

„Das klingt gut. Da komme ich gerne mit“, lachte ich.

Es freute mich, wenn es ihr gut ging und vielleicht gefiel mir das mit den Burgen und Schlössern. Womöglich war es ja eine meiner latenten Vorlieben.

„Das schmeckt köstlich. Du musst mir unbedingt das Rezept verraten.“

Genießerisch schloss ich die Augen. Ich musste es nicht vorspielen. Es schmeckte wirklich superlecker.

„Es ist einfaches Chili con carne. Okay, ich mache noch immer Zucchini rein. Das ist nicht üblich, aber Jenna liebt es so. Das Rezept habe ich von meiner Mutter. Sie hat gerne gekocht und immer zu viel“, erzählte Benjamin.

Ich musste grinsen. „Genau wie meine Mutter. Sie muss es immer übertreiben und kocht für die doppelte Anzahl von Gästen. Aber sie ist großartig. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde.“

Plötzlich senkte ich den Blick. Hoffentlich hatte ich nichts Falsches gesagt. Ihre Mutter war tot und meine lebte noch. Doch zum Glück schienen sie nicht sauer zu sein. Nach dem Essen gab Ben Jenna ihre Herztabletten. Daraufhin verabschiedete sie sich.