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Wenn der Mensch, wenn Regierungen und Unternehmen aus Profitgründen das Leben an sich, in Form des Menschen, der Arten, der Ökosysteme, gefährden, wenn also das Leben missachtet und seine Erhaltung nicht mehr gewährleistet ist, dann ist die Gesellschaftsordnung, die dieses Verhalten zulässt, ebenso gefährdet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Veränderung, der Weiterentwicklung, des Weiterdenkens unserer Ordnung. Dabei ist die Motivation nicht, die gegenwärtige, auf Wirtschaft und Profit gründende Ordnung schlechtzumachen. Der Mensch war immer ein wirtschaftender Mensch. Es geht vielmehr um das Aufzeigen von Alternativen, neuen Ideen und Denkansätzen, die humanitär geprägt sind und einen Anfang für notwendige Veränderungen darstellen können. Es geht um Werte, auf denen diese Ideen gründen. Werte, die ein Fundament bilden können für die Entwicklung hin zu einer menschlicheren Kultur. Denn die Begrenzung der Kultur auf die Ökonomie allein führt zu einer Verarmung unseres Lebens. Menschsein bedeutet so viel mehr als das Streben nach finanziellem Gewinn.
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Menschliches Leben ist mehr als Ökonomie. Es ist von der Vielfalt der Möglichkeiten durchdrungen, die uns unser Gehirn, unsere körperliche Konstitution und die Natur, die uns umgibt und zu der wir gehören, kostenlos geben. Es ist ein Sein, in dem diese Möglichkeiten und die dem Menschen gegebenen Eigenschaften zur Entfaltung kommen. Ein Sein, das eine Kultur gestaltet. Ein Sein, das auf menschlichen Werten gründet.
Bestimmt die Ökonomie allein unser Handeln, verarmen wir körperlich und geistig. Wir schaffen eine einseitig geprägte Kultur, die unseren Fähigkeiten nicht gerecht wird. Das Leben verliert an Ästhetik und Schönheit. Die Orientierung auf den Profit verhindert Entdeckungen und Entwicklungen, deren Anreiz nicht der monetäre Erfolg ist. Das Sein entfernt sich vom Menschsein, weil gerade das, was das Menschsein ausmacht, überdeckt und verdrängt wird.
Mit diesem Text möchte ich nicht erklären, wie unsere politisch-wirtschaftliche Gesellschaft funktioniert, wie sie beeinflusst und gesteuert wird. Ich möchte auch nichts Verborgenes aufdecken oder entlarven noch mir anmaßen, Vorhersagen für die Zukunft zu treffen. Ich formuliere lediglich Gedanken, Ideen und Ansätze, die weitergedacht werden können, mit dem Ziel, unser Leben reicher zu machen. Reicher an menschenwürdiger Kultur. Denn Menschsein bedeutet so viel mehr als das Streben nach finanziellem Gewinn.
Prolog
Anreiz
Menschsein
Der Wert der Familie
Die Achtung vor der Natur
Die Freiheit der Bildung
Die Risikobereitschaft, der Mut, die Courage
Der Frieden und der Verzicht auf Gewalt
Die Muttersprache, die Dichtung
Kultur
Familie und Hormone
Natur und Irrtum
Dinge und Wachstum
Bildung und Stagnation
Macht und Leere
Gewalt und Frieden
Wolf und Viren
Anfang
Es gibt keine positiven Visionen für die Zukunft? Keine Narrative, die mögliche Wege aufzeigen und Orientierung schaffen können? Junge Menschen sehen die Zukunft schwarz und erwarten eher eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität? Wir können lediglich versuchen, den Status quo zu erhalten? Wer denkt so? Wer sagt das?
Sind es Buchautoren, Journalisten, Nobelpreisträger, Psychologen und Philosophen, Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft? Sind es die Menschen, die unsere gegenwärtige Gesellschaft aufgebaut, in ihr gelebt, von ihr profitiert haben und weiterhin profitieren? Was bringt sie zu dieser Einstellung? Warum fällt ihnen selbst nichts ein? Warum können sie keine eigene, neue Vision entwickeln?
Fällt ihnen nichts ein, weil sie ihre Ziele, ihre alte Vision, ihre Erwartung einer besseren Zukunft, die sie einst selbst hatten, bereits verwirklicht sehen? Die Vision einer Gesellschaft, die nach materiellem Wohlstand strebt und zum großen Teil in materiellem Wohlstand lebt. Einer Gesellschaft, in der dieser Wohlstand erreicht wird, weil der Markt für sämtliche Bedürfnisse des Menschen verantwortlich ist. In der die Ökonomie alle Lebensbereiche dominiert. Die Vision der globalen Ausbreitung und Etablierung dieses Prinzips und damit der Verbesserung der materiellen Lebensqualität von Milliarden Menschen weltweit.
Dafür haben diese Menschen gelebt. Das haben sie erreicht. Nun stehen sie da und wissen nicht weiter. Sie können sich keine andere oder bessere Zukunft vorstellen. Keine anderen Prinzipien der Weiterentwicklung, die zur Steigerung der Lebensqualität führen. Die Ursache dafür liegt möglicherweise in den Werten, die sie ihrem Leben zugrunde gelegt haben.
Es sind wirtschaftliche Werte wie Gewinnmaximierung, Konkurrenz oder die Freiheit des Kapitals, die heute als Voraussetzung für die Steigerung des materiellen Wohlstands gelten und etabliert sind. Doch was in der Vergangenheit durchaus nützlich und positiv war, führt heute zum Zerfall unserer Gesellschaft.
Dieser Zerfall ist nicht allein durch Entsolidarisierung und soziale Isolation gekennzeichnet, sondern auch durch eine Resignation, ausgelöst durch die Stagnation der Funktionsprinzipien unserer Gesellschaftsordnung. Die Prinzipien, die unserer Ordnung zugrunde liegen, funktionieren zwar zum Teil gut, vielleicht auch zu einem großen Teil, aber sie sind alt. Wir ruhen uns auf ihnen aus, weil es bequem ist und weil es schwer ist, von Bewährtem abzuweichen und neue Wege zu gehen.
So verwalten wir dieses alte Bewährte und laufen Gefahr, die Fähigkeit zur kreativen Weiterentwicklung, zur Bewegung und Veränderung zu verlieren. Bewegung ist jedoch eine Grundeigenschaft des Lebens. Es kann nicht stillstehen, ohne zu sterben. Wir vergessen, dem Neuen eine Chance zu geben.
Stattdessen produzieren wir nach immer gleichem Schema technische Neuerungen, die zu einem großen Teil allein davon getrieben sind, Profite zu machen. Diese Neuerungen können unser Leben erleichtern und auch verbessern. Das ist das Gute. Sie können jedoch auch unabsehbare Folgen haben, die zu einer Verschlechterung führen. Es ist unklar, welche Auswirkungen tausende von Satelliten in der Erdumlaufbahn auf das Klima haben könnten, warum Ressourcen verbraucht werden, um einzelnen Menschen den Flug ins All zu ermöglichen, ob Roboter, synthetische Biologie, Online-Bestellungen, die Kommunikation über soziale Netzwerke, Videoplattformen und virtuelle Metaversen unser Leben überhaupt und wenn ja auch nachhaltig verbessern.
Führen die technologischen Neuerungen zu einer Entwicklung hin zu einem menschlicheren Zusammenleben? Zu einem Zusammenleben, das unsere Gestaltungsmöglichkeiten ausschöpft? Oder sind sie nur Teil der Stagnation?
Wir erleben zwar die ständige und immer schneller werdende Neuentwicklung von Produkten, und es ist erstaunlich zu sehen, zu welchen Leistungen der menschliche Geist, getrieben durch den Willen zu finanziellem Erfolg, fähig ist. Und mit einiger Sicherheit ist es genau das, das profitgetriebene Produzieren, was die oben genannten Befürworter, die sich nichts Anderes vorstellen können, als gesellschaftlichen Fortschritt ansehen.
Doch wird nicht auch ihnen klar, dass die Endlosschleife aus technologischer Innovation, Produktion und monetärem Gewinn nicht mehr ausreicht, um einer Gesellschaft auf Dauer, über mehrere Generationen hinweg, einen Lebenssinn, eine Motivation, einen Halt zu geben?
Menschlicher Wohlstand bedeutet nicht allein, dass es uns materiell gut geht. Das Leben als vereinzelte Individuen, die ausschließlich auf das eigene Wohl bedacht sind, den Nachbarn als Konkurrenten sehen und versuchen, ihn zu übertrumpfen, ist ein armes Leben. Ein Leben, das primär aus Lohnarbeit besteht, für die der Konsum entschädigen soll, wird dem Menschen nicht gerecht. Menschlicher Wohlstand bedeutet, in einer Kultur zu leben, die die Vielseitigkeit unserer Fähigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigt und diese befriedigt bzw. zur Geltung kommen lässt.
Gegenwärtig besteht ein Konflikt zwischen den Anhängern der Werte der global expandierten ökonomischen Kultur und den sich herausbildenden und stärker werdenden sozioökologischen und humanitären Werten. Sind beide miteinander vereinbar? Wir stehen am Übergang.
Für diesen Übergang brauchen wir neue Ideen und Vorstellungskraft. Wir finden uns nicht mit der Aussage ab, dass es scheinbar keine positive Vision für die Zukunft gibt oder geben kann! Wir ziehen uns nicht zurück und warten darauf, dass es schlechter wird, weil es ja so gut ist, dass es nur noch schlechter werden kann. Dieses Denken ist unbegründet.
Ihnen, sehr geehrter menschlicher Leser, fallen ganz sicher nicht nur ein paar Lebensumstände ein, die Sie gern ändern oder verbessern würden, sondern wenn Sie etwas länger darüber nachdenken, fällt Ihnen eine ganze Liste ein. Aufgrund der Unterordnung unseres Lebens unter das monetäre Prinzip, die Herrschaft des Geldes, den Primat des Kapitals, sind gerade im zwischenmenschlichen Bereich, im Bereich der Kunst und Kultur und in der Natur unzählige Missstände entstanden.
Den Befürwortern und Profiteuren der gegenwärtigen Kultur – ich nenne sie ökonomische Kultur, wenngleich sie eher eine Unkultur ist, da sie dem Menschlichen im Menschen kaum genügt –, denen nichts Neues einfällt und die sehen, dass ihre Ideen verwirklicht sind, sich jedoch im gegenwärtig gegebenen Rahmen nicht weiterentwickeln können, jedenfalls nicht derart, dass das menschliche Leben sich verbessert, ist mit Sicherheit daran gelegen, neue Ideen zu entwickeln und zu unterstützen. Auch sie blicken mit Sorge auf die gesellschaftliche Stagnation und vielleicht auch auf die Folgen der globalen Ausbreitung ihrer Idee.
Es gibt also enormes Verbesserungspotential und die Motivation, trotzig zu sein und zu sagen: »Nein, wir machen eine Vision für eine bessere Zukunft! Trotz des noch vorherrschenden Main-streams!« Die Betonung liegt auf »machen«, denn damit sich etwas ändert, müssen wir etwas tun.
Der Mensch war und ist immer ein wirtschaftender Mensch. Er sorgt für seinen Nachwuchs, für Nahrung, Wasser, Behausung, für den Schutz vor dem Wetter, vor Naturgewalten, vor Feinden. Diese Dinge muss er erwirtschaften, das heißt, er muss sie, wenn er sie nicht hat, durch Arbeitsleistung schaffen oder durch Tausch oder Bezahlung erlangen. Sie sind für ihn lebensnotwendig. Hat er sie erwirtschaftet, ist sein Überleben gesichert. Er kann in der übrigen Zeit anderen Tätigkeiten nachgehen.
Als Student war ich frei. Meine Eltern zahlten mir einen geringen Betrag, der jedoch für Miete, Nahrung und einen PKW Trabant deluxe genügten. So konnte ich zu Vorlesungen gehen, durch die Stadt schlendern, Bücher lesen, Gedichte schreiben, Kabarett spielen und Beziehungen auf- und wieder abbauen. Materiell besaß ich kaum etwas und bis auf eine liebende und geliebte Partnerin fehlte mir nichts. Ich lebte wie ein Millionär ohne große materielle Ansprüche.
Dieses freie Leben war mit einiger Sicherheit von besonderer Bedeutung und hatte Einfluss auf meine persönliche Zukunft. Das Leben in relativer Freiheit ermöglicht es, in den Bereichen, die uns wirklich interessieren, Erfahrungen zu sammeln. Es ermöglicht sogar erst, dass wir herausfinden, was uns wirklich interessiert. Hat man diese Freiheit kennengelernt und verliert sie im Laufe des Lebens, strebt man danach, sie wieder zu erlangen. Jedenfalls war es bei mir so. Man kann sich selbstverständlich auch mit den Verhältnissen abfinden und seine Freiheit begrenzen bzw. begrenzen lassen.
Die Mehrzahl der heutigen Studenten hat nicht die Zeit und die Freiheit, sich auf die ganz eigenen Interessen zu konzentrieren. Karriereziele und das Streben nach hohem Verdienst bestimmen häufig die Wahl der Ausbildung. Aber gerade das Sichausprobieren, das Fehlermachen, das Beschäftigen mit verschiedenen Dingen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen Platz finden, an dem wir unseren Talenten entsprechend wirksam werden können, an dem wir zufrieden sind und etwas geben können.
Geben und die Außenwelt wahrnehmen können wir jedoch erst, wenn wir wissen, wer wir sind, wenn wir unsere Innenwelt kennen, wissen, was uns wichtig ist und was wir können. Gelingt uns das nicht, sind wir mitunter unser ganzes Leben mit uns selbst beschäftigt und kommen nicht weg vom Blick nach innen zum Blick nach außen.
Gerade als Student muss man sich die Zeit für seine Interessen nehmen! Unter allen Umständen! Ich wollte immer schreiben, Musik machen und malen. Das will ich heute noch. Mich interessierten aber auch die Naturwissenschaften, die Medizin, die Philosophie, die Germanistik und die Geschichte. Später kamen die Wirtschaft und die Politik hinzu. Wie sollte ich das mit dem Studium unter einen Hut bringen? Ich nahm mir die Freiheit und ging nicht nur zu Biologievorlesungen, dem Fach, für das ich an der Universität eingeschrieben war. Ich ging zu allen Vorlesungen, die mich ansprachen. Ob zu Platons Staatstheorien, zu Wilhelm Meisters Lehrjahren oder zu einer Vorlesung in Humangenetik, in der es vor allem um den medizinischen Umgang mit Geschlechtsdimorphismen ging, da dieses Thema das Spezialgebiet des lehrenden Professors war. Außerdem versuchte ich mich im Kabarett.
Meine Eltern machten das nicht sehr lange mit und strichen mir die Bezüge. Die Regelstudienzeit war überschritten. Also besorgte ich mir mehrere Jobs, um Zeit zu gewinnen und weiter studieren zu können. Die Jobs bestimmten zwar nicht mein Leben, da sie nicht den größten Teil meiner Zeit in Anspruch nahmen, und doch war ich drin im System und musste für die lebensnotwendigen Dinge selbst sorgen.
Was will ich mit diesem kurzen Exkurs in mein eigenes Leben sagen? Sind die lebensnotwendigen Dinge gesichert, können wir uns um uns kümmern, herausfinden wer wir sind, wie wir leben wollen, worum es in unserem Leben gehen könnte, um danach den Blick nach außen zu richten, uns in die Gesellschaft einzubringen.
Wir benötigen dafür Zeit, die wir uns, wenn sie uns nicht gegeben wird, unter allen Umständen erkämpfen müssen. Richten wir unsere Aufmerksamkeit allein auf monetäre Ziele, vernachlässigen unser Inneres, besteht die Gefahr, dass wir unsere Fähigkeiten nicht erkennen und sie somit nicht entwickeln und entfalten können.
Gehorchen wir allein dem Anreizsystem des Geldes, entfernen wir uns von uns selbst. Wir verlieren damit die Voraussetzung für das Erlangen von Selbstkenntnis, für das Wissen über unsere Talente und Fähigkeiten. Diese Selbstkenntnis ist jedoch essentiell, damit wir in der uns umgebenden Welt, unseren Interessen entsprechend, wirksam werden können.
Wir lernen aber diese Interessen gar nicht erst kennen, wenn wir von vornherein das von außen kommende und beständig propagierte Bestreben nach möglichst hohem Verdienst als Hauptinteresse annehmen und andere Interessen diesem Bestreben unterordnen. Das kann dazu führen, dass wir nicht weitersuchen und die Dinge nicht entdecken, die unsere Möglichkeiten, unsere Optionen stark erweitern würden.
Durch die gesellschaftliche Verbreitung der Fokussierung auf das Ziel, möglichst viel zu verdienen, entstehen immer mehr Menschen, die nur einseitig geprägte Fähigkeiten herausbilden. Sie stabilisieren und stärken das Anreizsystem, machen die Gesellschaft aber zugleich fragiler, weil eine einseitig ausgerichtete Kultur kaum anpassungsfähig und wesentlich anfälliger für unerwartete, nicht vorhersehbare Ereignisse und Veränderungen ist als eine Kultur, die auf vielfältigen Werten und Fähigkeiten beruht.
Natürlich können wir Jobs annehmen, allein um Geld zu verdienen und dort etwas leisten, so wie ich als Student und zahllose Mitmenschen. Jedoch sind die Leistungskraft und die Zufriedenheit wesentlich höher, wenn die Arbeit uns entspricht. Aber nicht nur wir sind dann zufriedener.
Eine Einseitigkeit der Interessen lässt unsere Kultur verarmen. Vielseitigkeit bereichert sie. Wenn wir also Tätigkeiten nachgehen, die uns wirklich entsprechen, hat das positive Auswirkungen auf unsere gesamte Gesellschaft.