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Schanghai und zurück: Dies ist der Titel einer Auswahl der Gedichte von Paul Baldauf, die über einen langen Zeitraum entstanden sind. Lassen wir nun einige der Protagonisten aufmarschieren: Den Auftakt gibt ein Mann, der sich für einen "Esoteriker" hält: Wandelte er einst mit Nofretete? Doch wie kam er von da in die "Provinz"? Szenenwechsel: Stefan George steht auf der Matte und will das Vaterland geißeln. Nach dem Binger Dichterfürsten bietet sich ein Ausflug zu Goethe und Eckermann an. Goethe: Das ruft geradezu nach einem Auftritt von Schiller. Rilke berichtigt sich posthum und ein Dichter verspricht im Anblick von Heckenscheren, der Muse ab sofort treu zu bleiben. Hesse's Hermann gibt Einblick in seine Jugendnöte. Später wandelt er im Nebel und erzählt von unverhofften Segnungen der Gicht. Einst pilgerte er zu C. G. Jung: Dieser schwadroniert munter über Traumgesichte aus Grotten, bis es Sigmund Freud − nach dem Motto: Viel Freud, viel Leid − bei einer von Jung prophezeiten Explosion zu viel wird. Ein vermeintlicher Hofrat aus der Ming-Dynastie entpuppt sich als armseliger Garkoch und ein Philosophie-Student räumt gründlich mit Kant und Schopenhauer auf. Bei aller Erzählkunst von Safranski: Heidegger wird zugeklappt, während Dr. Steiner, mit okkult verwirrtem Sinn, die Stirn wie Aristoteles runzelt. Bodenständiger ist da ein Unternehmer aus der Pfalz, der in 30 Stunden Chinesisch lernen will und in Schanghai keine Heiterkeit erntet.
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Seitenzahl: 68
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Paul Baldauf
Schanghai und zurück
Gedichte
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Schanghai und zurück
Der Esoteriker
Im Jardin du Luxembourg, Paris
Feierabend
Auf eine Kassiererin
Auf eine Fotografie des Dichters Stefan George (1868–1933)
Der große Brecht
Johann Wolfgang von Goethe und sein treuer Sekretär Eckermann
Nachtgedanken von Friedrich von Schiller (1759–1805)
Rat an einen jungen Dichter in der Krise
Rainer Maria Rilke berichtigt sich
Hesses Hermann
Dichter in der Krise
In Memoriam Hermann Hesse Oder: Verwandlung ist alles
Nachtgedanken von Dr. Sigmund Freud (1856–1939)
Viel Freud, viel Leid Oder: Gedanken eines Psychoanalytikers alter Schule
Erster Arbeitstag im Leben eines Graphologen
Einst Hofrat?
Ein Studiosus der Philosophie Oder: Ich lese, also bin ich
Bei der Lektüre der Heidegger-Biographie von Jürgen Safranski
Sir Isaac Newton (1642–1726)
Also sprach Dr. Rudolf Steiner (1861–1925)
Devotionalienhandel in Lisieux Oder: Arme heilige Thérèse
Vorweihnachtssong eines Geschäftsführers Nach der beliebten Weise zu singen
Ein Mensch, der gern Gedichte liest
U-Bahn-Impressionen aus Stuttgart
Brillen-Hammer, Speyer am Rhein
Ein neues Passbild muss her!
Ab zur Kasse: Der Schnitt ist klasse!
Gedicht vom selbsternannten Dichter
Nachtgedanken am Kamin: Franz Beckenbauer
Osnabrück – und zurück
Der Herr vom Ordnungsamt
Szenen aus dem öffentlichen Dienst in der Schwabenmetropole
Herr S schreibt ein Gedicht
Gedanken eines ’Aniliners’ frühmorgens, im Zug zur Arbeit
Nachtgedanken: Flinten-Uschi am Kamin
Nachtgedanken: Bundespräsident Gauck am Kamin
Mensch Oskar oder: Lafontaine
Aus der Welt des CDU-Politikers Peter Hintze
Anmerkungen:
Über den Autor:
Impressum neobooks
Paul Baldauf
Gedichte
Auf meinen Scheitel
Stell‘ ich mir öfter kleine Pyramiden
Ich bin keineswegs eitel
Aber irgendwie fühl‘ ich mich dann so koptisch
Und schon rein optisch
Macht’s entschieden was her
Und ich – ich mag mich umso mehr
So eine Pyramide birgt geballte Energie
Ich lad‘ mich damit auf wie ’ne Batterie
Das gibt P o w e r
Manch einer fühlt ’nen Schauer
Drücke ich ihm die Hand:
Ich speise ihm Energie ein: Bis hoch zum Verstand
Meine Schwingung ist deutlich altägyptisch
Ich wirke zweifellos kryptisch
Vielleicht lebte ich irgendwann
Im alten Assuan
Oder war’s in Luxor?
Die Gegend kommt mir bekannt vor
Ich hab das im Gefühl:
Ich war einer im Menschengewühl
Zog mit zu Palästen
Zu rauschenden Festen
Ich schrieb Hieroglyphen
Die Gelehrte heute noch prüfen
Bezog eines König Ramses würdige Gehälter
Nur
warum
bin
ich
dann
heute
nur ein
kleiner
P r o v i n z a n g e s t e l l t e r ? ? ?
Ich las ein Buch und blickte auf, den Tauben
Bei ihrem Landeanflug zuzusehen
Ein Wind kam auf und spielte Baum-Entlauben
Da sah ich sie an einer Säule stehen
Als wär’ sie eben einem Bad entstiegen
Und Wasser perle ihr von jeder Hand
Als hülle sie, vom lang-im-Wasser-Liegen
Ganz tief gelöst, sich gleich in ein Gewand
Als sei sie gleichsam noch nicht angekommen:
Den einen Fuß, wie zaghaft aufgesetzt
Schien sie vom Baden mir noch wie benommen
Und ihre Haut schien warm und leicht benetzt
Als warte sie, dass man ein Handtuch reiche
So stand sie da, und ihr die weiche Haut
Ganz sacht abtrockne, sie mit Öl bestreiche
– Da schrie ein Kind…und Kinder schreien laut –
Mach dir nichts vor, sprach ich zu mir, das Buch
Weglegend: Ein Bad nimmt sie nur wenn es regnet
Sie flüstert niemand zu: Reich mir ein Tuch
Und wenn ihr ein verzückter Blick begegnet
Ihr ist es gleich: Lies, lass das Träumen sein:
Sie wartet nicht, dass man zu Diensten stehe
Ich seh’ zwar schlecht, doch so viel, dass ich sehe:
Die schöne Unbekannte ist aus Stein…
Vor Dienstschluss war’s, als mir der Schädel brummte
Und ich ein Feierabend-Motto summte
Flugs nahm die Tasse ich und schritt zum Becken
Und ließ das Wasser das TEEin ablecken,
Als mir, was sonst nur selten mir gelingt,
Etwas ganz Kleines in die Augen springt
Es ließ sich leicht als AMEISE bestimmen
Ich schloss den Hahn, damit sie nicht ins Schwimmen,
Damit sie in Gefahren nur nicht käme
Und ihr ein Wasserstrahl das Leben nähme
Was soll aus dir nur werden? dacht’ ich mir,
Du wundersam behendes kleines Tier,
Wenn ‘Herr Kollege‘ bald die Tasse spült
Und für die Gattung reichlich wenig fühlt
Ich bot ihr meines kleinen Fingers Kuppe,
Damit sie ihn als Rettungsring betrachte
Und sich auf ihr in Sicherheit verfrachte,
Doch sie lief fort, als wäre es ihr schnuppe,
So dass ich meinen Finger leicht verrückte
Und seine Kuppe gleichsam nach ihr bückte,
Doch wie ich ihn auch vorsichtig verschob,
Sie krabbelte, wich immer aus, sie stob
Davon, und sie durchlief das halbe Becken
Bald kommt, so dachte ich, um zu entflecken
Die Tasse vom TEEin der Herr Kollege...
So baute ich erneut ihr Finger-Stege,
Damit sie, sich zu retten, sie erklimme,
Damit im Wasser sie zu Tod nicht schwimme
So drehte ich den Finger nach den Seiten,
Ließ ihn, wie zufällig, zum Becken gleiten,
Doch da bei ihr dies keinen Anklang fand,
Versucht’ ich es mit meiner anderen Hand
Bald nahte sie und schien nun doch bereit
Nun sah man, dass das Krabbeln sie leicht schwächte
Ich hielt ganz still, ließ ihr zum Aufstieg Zeit,
Der sie in Sicherheit vorm Wasser brächte,
Damit ein Strahl sie nicht zu Tode schwemme
Und so mein Finger ihr die Ausflucht hemme
Noch zagte sie und hielt sich in der Nähe
Doch dann, als ob sie es nun doch einsähe,
Besann sie endlich sich und wurde weich
Ich barg sie sacht und sprach: ‘Warum nicht gleich?‘
Deines Jobs wohl überdrüssig,
Wirkt dein Auftritt nicht sehr schlüssig:
Deine Augen gucken dumpf
Aus den Höhlen, völlig stumpf
Von der trockenen Routine
Präsentierst du deine Miene
Der Winkel deines Munds: Verkürzt,
Als schmecktest du, was schlecht gewürzt
Du dauerst mich in deinem Los
Auf Bildern von Hochlandindios
Sah ich einmal arme Frauen
Genau wie du, so traurig schauen
Stünd’ es mir zu, ich gäb’ dir frei
Egal wie stark der Andrang sei
Was will mir dieses Bildnis sagen?
Der streng zurückgekämmte Schopf
Auf klassisch herb-markantem Kopf
Der fest im Griff von steifem Kragen
Die Stirn will alles dominieren
Die Nase wirkt als Zentrum mächtig
Die Oberlippe scheint da schmächtig
Dazu der Blick: Dies Fokussieren...
Das Ganze wirkt fast wie gemeißelt:
Der Dichterfürst in steifem Rock,
Darin verstaut halb die Krawatte
Als griff verbal er gleich zum Stock,
Als würd’ das Vaterland gegeißelt:
So steht der Binger auf der Matte
Der große Brecht, er hieß Berthold
Bis er dem kleinen h gegrollt
Blieb Bertold – doch, ich weiß nicht recht... −
Auch dies gefiel dem – wem nun? – schlecht:
Das old war ihm zutiefst zuwider
Blieb endlich Bert: Schlicht, kurz und bieder
Denk ich zurück, mein lieber Eckermann,
Wie ich in Weimar ungestüm begann...
Als Autor zwar berühmt und viel gelobt
Doch noch in keinem Amt so recht erprobt
Muss ich mich wundern und von Herzen schmunzeln
Ich seh’ noch Frau von Stein die Stirne runzeln...
Eckermann:
Verzeiht, Geheimer Rat, wenn ich bemerke
Sie gingen ganz gewiss gleich gut zu Werke
Und wenn mich mein bescheidener Sinn nicht trügt
So haben Sie sich rasch in alles eingefügt!
Goethe:
Mein lieber Eckermann, dem sei wie’s wolle
Bedenk er wohl: Ich kam von Frankfurts Scholle...
Und hab das reinste Hessisch nur gebabbelt
Bei Hofe selbst, hab ich’s gebrabbelt
Wie’s mir nur so von Mund zu Herzen floss
Bis es die Frau von Stein zutiefst verdross
Eckermann:
Seht es mir nach, wenn ich hier unterbreche:
Zwar scheint der Dialekt oft eine Schwäche
Doch bin ganz sicher ich: Aus I h r e m Mund
Tat sich selbst HESSISCHES als Wohllaut kund!
Goethe:
Mein teurer Eckermann, die Frau von Stein
Schien davon nicht ganz überzeugt zu sein:
‘Vergess er nicht: Er ist allhier bei Hofe!
So wie er spricht, verscheucht er jede Zofe
Bemüh er sich, die sch’s zu unterdrücken!
Man tuschelt schon und nicht nur hinterm Rücken‘
Goethe schüttelt den Kopf und schreitet sinnierend durch den Raum,
bis er sich entschlossen Eckermann zuwendet:
Wer will nur darben, wie Asketen leben?