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Eine Stadt, die in Trümmern liegt. Eine Liebe, die Hoffnung schenkt. Eine Vergangenheit, die alles überschattet. Dresden ist vollkommen zerstört. Die junge Lotte gehört zu den Frauen, die die Stadt mit bloßen Händen wieder aufbauen. So sehr sich Lotte nach einem Neuanfang sehnt, so verzweifelt ist sie auf der Suche nach ihrem Geliebten. Als sie eines Abends einen jungen Mann vor dem Tod bewahrt, kehrt ihre Zuversicht zurück: Jakob weckt in ihr Gefühle, die sie verloren geglaubt hatte. Doch das Schicksal greift auch nach dieser Liebe, und erst Jahrzehnte später wird Lottes Enkelin Hannah die Wahrheit über ihre tragische Familiengeschichte erfahren...
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Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
JULIE HEILAND hat Journalistik studiert und eine Schauspielausbildung absolviert. Seit mehreren Jahren lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Süddeutschland. Vor einiger Zeit hat sie sich in die Schönheit Dresdens verliebt und besucht das Elbflorenz, so oft sie kann. Bei Ullstein sind von ihr bereits die Romanbiografie Diana. Königin der Herzen sowie die erfolgreiche zweiteilige Saga Die Freundinnen vom Strandbad erschienen.
1947. Dresden liegt in Trümmern. Die Menschen schwanken zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Lebensmittel sind knapp, es gibt kaum bewohnbare Häuser. Die junge Lotte gehört zu den Frauen, die die Stadt mit bloßen Händen wieder aufbauen. Seit Jahren ist sie untröstlich auf der Suche nach ihrem Geliebten, von dem sie nicht weiß, ob er noch lebt. Als sie eines Abends einen jungen Mann vor dem Tod bewahrt, kehrt ihr Lebensmut zurück: Jakob weckt in ihr Gefühle, die sie verloren geglaubt hatte. Doch das Schicksal greift auch nach dieser Liebe... Fast fünfzig Jahre später hilft Lottes Enkelin Hannah, die Frauenkirche wieder aufzubauen. Dabei stößt sie auf ein unbekanntes Foto ihrer Großmutter und deren dramatische Liebesgeschichte. Endlich erfährt sie mehr über die Vergangenheit ihrer Familie, über die ihre eigene Mutter Marlene ein Tuch des Schweigens deckt. Vor dem Hintergrund der Zerstörung und des Wiederaufbaus der Frauenkirche entfaltet sich in Julie Heilands Roman eine tragische Familiensaga rund um drei starke Frauen aus drei Generationen.
Julie Heiland
Roman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Paperback
© der deutschsprachigen Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024
Umschlaggestaltung: www.buerosued.deUmschlagabbildung: (c) akg-images, (c) Natasza Fiedotjew / Trevillion Images, (c) www.buerosued.de(c) heike ulrich fotoworkKarte Innenteil: © Peter Palm
Autorenfoto: © heike ulrich fotowork
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ISBN 978-3-8437-3168-3
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Karte Dresden 1939
Prolog
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Nachwort
Danksagung
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Karte Dresden 1939
1939
»Wenn du mich so ansiehst, kann ich mich nicht konzentrieren«, sagte Leo.
Sie spitzte verschmitzt die Lippen. Genau das hatte sie beabsichtigt. Dabei war es für sie, die erst vor ein paar Tagen siebzehn geworden war, noch eine neue, schwindelerregende Erfahrung, einem Mann derart hemmungslos und ohne jede Verlegenheit in die Augen zu sehen. »Ich liege hier jetzt auch lange genug herum und versuche, mich so wenig wie möglich zu bewegen.«
Sie lag auf den makellos weißen, frisch geplätteten Laken von Leos Himmelbett, eine Hand über den Kopf gelegt, und trug nichts bis auf ein roséfarbenes Unterteil und feine Strümpfe. Es überraschte sie, wie mutig sie war, so freizügig hatte sie sich ihm noch nie gezeigt, aber bei ihm fühlte sie sich nicht nackt.
Leo hatte sie gefragt, ob er sie zeichnen dürfe. »Ich habe Angst, dass ich dich bald nicht mehr sehen oder auch nur ein Wort mit dir wechseln darf.« Sein Blick war über ihr Gesicht gewandert, als würde er sich jedes kleine Detail einprägen wollen: die vollen Lippen, ihre Alabasterhaut und die hellblauen Augen, die im Kontrast zu ihrem dunkelbraunen Haar mit den rötlichen Strähnen darin standen.»Wenn das der Fall ist, werde ich Dresden verlassen, und dann möchte ich wenigstens ein Bild von dir bei mir haben. Eines, durch dessen Anblick mir in kalten Nächten warm ums Herz wird.«
Für gewöhnlich lag ein schiefes Lächeln auf seinen Lippen, das sie jedes Mal ein wenig aus dem Gleichgewicht brachte. Doch nun war er so ernst, dass Gänsehaut ihre Unterarme überzog.
»Glaubst du wirklich, dass es so weit kommt?«
»Ja, das tue ich. Die Liste der Verbote ist inzwischen ziemlich lang. Wir Juden dürfen nicht mehr in allen Berufen arbeiten, dürfen nicht mehr ins Theater, ins Kino oder Museum gehen oder dürfen uns nur auf gekennzeichnete Parkbänke setzen, die meist vermüllt sind.« Er nahm ihre Hand und strich mit dem Daumen zärtlich über ihre Knöchel. »Und es ist uns verboten, einen Menschen zu heiraten, der nicht jüdisch ist, egal wie sehr wir diesen Menschen lieben. Von Tag zu Tag kommen mehr Verbote hinzu, die allein den Zweck verfolgen, uns immer weiter aus der Gesellschaft auszuschließen.«
Leo saß auf einem Stuhl neben dem Bett und konzentrierte sich wieder auf die Zeichnung. Eine Locke fiel ihm ins Gesicht, als er zu ihr aufsah, so lange, bis sie leicht errötete. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte. Eigentlich studierte Leo Musik und arbeitete nebenbei als Violinist an der Semperoper, aber er war künstlerisch in vielerlei Hinsicht begabt. Und er probierte gerne Neues aus.
»Genug gezeichnet«, sagte sie, richtete sich auf und nahm ihm den Skizzenblock aus der Hand. »Zeig mal her.«
Sie betrachtete die junge Frau, die sie mit wachem Blick von dem Blatt aus ansah. Sie hatte etwas Nymphenhaftes an sich, wirkte so selbstbewusst, so sinnlich. So schön. War das wirklich sie? Für gewöhnlich versuchte sie, so wenig wie möglich aufzufallen, aber Leo hatte sie trotzdem wahrgenommen. Damals, als sie sich letzten Sommer in das Café am Neumarkt gesetzt und einen Krug mit erfrischendem Rhabarbersaft sowie ein Stück Eierschecke bestellt hatte, nur um seiner Interpretation des beschwingten Allegro Aperto von Mozart zu lauschen. Er hatte vor der Frauenkirche gestanden, vor ihm eine Mütze mit ein paar Münzen darin. Die Luft hatte vor Hitze an diesem Tag geflirrt. Es war nicht nur eine Melodie gewesen, die sie gehört hatte, es waren Gefühle gewesen, die in sie hineinströmten und ihre Seele aufwühlten wie Wind die See. Sie war so ergriffen gewesen, dass sie völlig die Zeit vergessen hatte. Später, als sie gezahlt hatte und nach Hause aufgebrochen war, hatte er sie eingeholt und einfach nur angelächelt und nicht geahnt, dass sie gerade von einem Erdbeben erschüttert worden war. Das war der Beginn von etwas gewesen, was sie bis heute nicht verstand, weil es so schön und echt war und damit so anders als das meiste, was sie bisher in ihrem Leben erfahren hatte.
Schwer zu sagen, was ihr an Leo am besten gefiel. Vielleicht sein helles Lachen, das sie unter hundert anderen erkannt hätte. Oder seine blauen Ozeanaugen, die von fernen Ländern und Abenteuern erzählten. Seine honigbraunen Haare, in denen die Sonne ein paar strohblonde Strähnen hervorgezaubert hatte und die sich an den Spitzen eindrehten. Seine feinen Gesichtszüge, wie von einem Künstler entworfen. Seine wilde, unvorhersehbare Art, die ihre Haut prickeln ließ, wenn er ihre Hand nahm und sagte: »Lust auf ein kleines Abenteuer?«
Einfach alles an ihm gefiel ihr. Sein Anblick erfüllte sie mit einem Gefühl, als würde sie ein paar Zentimeter über dem Boden schweben. Sie selbst war jemand, der still und leise aus dem Schatten heraus beobachtete. Jemand, der eher zusah, wie die Zeit langsam vorbeizog, anstatt mit beiden Händen nach dem Leben zu greifen und es zu schütteln in der Hoffnung, dass neue, überraschende und abenteuerliche Möglichkeiten herausfielen. Für jemanden wie sie war jemand wie Leo, der so elektrisierend war, ein Ereignis, geradezu ein Einschlag. Leo überflutete sie mit seinem Licht und brachte Seiten an ihr zum Vorschein, von denen sie nichts geahnt hatte.
Endlich legte er den Kohlestift beiseite und wischte seine Hände an einem Tuch ab. Trotzdem hinterließ er einen schwachen schwarzen Fingerabdruck auf dem weißen Laken, als er zu ihr kletterte.
Sie legte den Skizzenblock auf seinem Nachttisch ab, fuhr mit dem Zeigefinger über seine Unterlippe, bewunderte die feinen Rillen, die glatte, gebräunte Haut seines Oberkörpers. Auch er war kaum bekleidet, trug nichts bis auf eine hellbraune Stoffhose. Er hatte etwas von einer griechischen Statue, ein junger Adonis, so schön, dass es fast schon wehtat. Sie konnte einfach nicht aufhören, ihn zu küssen. Er schmeckte leicht nach dem Schokoladeneis, das sie ihm aus der Konditorei Rumpelmayer mitgebracht hatte. Sie fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis sie sich nicht mehr beherrschen konnte und sich auch das letzte Stück Stoff vom Körper streifte.
Leo löste sich von ihr, jedoch nur, um ihren Hals zu küssen und sanft an der zarten Haut zu saugen. Er tastete sich weiter vor, über ihre Schlüsselbeine zu ihrem Busen hinab. Er ließ seine Zunge um ihre Brustwarze kreisen, womit er ihr ein wohliges Stöhnen entlockte, und als er sanft hineinbiss, brachte er sie fast um den Verstand.
»Leo …«, hauchte sie, als seine Lippen tiefer wanderten, und vergrub ihre Hände in seinen Locken.
Seine Augen hatten sich verdunkelt, als er zu ihr aufsah. »Soll ich aufhören?«, fragte er provozierend, weil er natürlich genau wusste, dass sie nicht wollte, dass er sich bremste.
»Ich befürchte, ich muss los«, sagte sie und biss sich auf die Unterlippe, als er mit der Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels fuhr. »Dann kannst du dich noch mit deinen anderen Verehrerinnen treffen.«
Sie genoss die Schwere, als er sich auf sie legte. »Du weißt, dass du die Einzige bist.«
Ja, das wusste sie. Und es wollte ihr einfach nicht in den Kopf gehen, was er an ihr so besonders fand.
»Tante Viktoria steinigt mich, wenn ich zu spät komme«, sagte sie und bewegte sich unter ihm, damit er sich von ihr rollte. »Heute Abend ist doch der Ball.«
Seit Wochen plante ihre Tante den Sommerball, der im Hotel Elbflorenz stattfinden würde. Das Hotel war seit mehreren Generationen im Besitz der Familie. Die Einladungen zum Sommerball waren mindestens so heiß begehrt wie die köstlichen Stollen auf dem Dresdner Striezelmarkt. Es war nämlich kein Geheimnis, dass nicht nur angesehene Künstler oder wohlhabende Unternehmer eingeladen wurden, sondern auch einflussreiche Politiker, weshalb vor allem junge, ledige Frauen ihre Seele dafür verkauft hätten, eine der hochwertigen champagnerfarbenen Einladungskarten im Briefkasten zu finden.
»Und du musst dort wirklich hin?«
Fünf Minuten sind schon noch drin, dachte sie und legte den Kopf auf seinen Schoß. Sie war süchtig danach, ihn zu küssen, aber sie genoss es auch, einfach so mit ihm dazuliegen, zu reden und sich Geheimnisse und Gedanken anzuvertrauen, über die man sonst mit niemandem sprechen konnte. Und vielleicht war das der Zauber ihrer Beziehung, auch wenn sie das, was sie mit ihm hatte, nicht so nennen würde. Noch nicht. Er war ihr bester Freund und so etwas wie ihr Liebhaber, auch wenn sie noch nicht mit ihm geschlafen hatte.
»Natürlich muss ich dorthin«, sagte sie und seufzte. »Immerhin ist es der Ball, mit dem meine Tante mich in die feine Gesellschaft einführen möchte.«
Einladung zum Sommerball hatte auf den Einladungskarten, die ihre Tante Viktoria verschickt hatte, gestanden. Verkupplungsball hätte es jedoch besser getroffen, denn neuerdings schien ihre Tante alles daranzusetzen, sie unter die Haube zu bringen. Und das ahnte auch Leo.
»Sie will dich mit einem reichen Schnösel oder einem Nazioffizier zusammenbringen, das ist der wahre Grund des Balls.«
Sie war eine »richtige Frau« geworden, wie ihre Tante vor einer Woche verzückt gesagt hatte, als Lotte in der kleinen Boutique in der Wilsdruffer Straße ein Kleid anprobiert hatte. Ihr selbst war auch nicht entgangen, dass sich dann und wann ein paar junge Männer nach ihr umdrehten. Aber sie wollte sich lieber auf ihre Ausbildung in der privaten Schule für Sekretärinnen in der Prager Straße konzentrieren, damit ihr Onkel und ihre Tante zufrieden mit ihr waren.
»Selbst wenn meine Tante vorhaben sollte, mich zu verkuppeln, so wird ihr das vermutlich nicht gelingen. Tatsächlich muss ich dankbar sein, wenn sich ein Mann für mich interessiert. Du weißt, was die Leute am Neumarkt über mich sagen. Dass ich eine Waise bin, die Tochter der verstorbenen roten Unruhestifterin. Sie sagen, es sei eine überaus große Geste der Gutmütigkeit gewesen, dass meine Tante und mein Onkel sich bereit erklärt hätten, mich aufzunehmen.«
»Es schert mich nicht, was die Leute sagen.«
»Du findest mich also liebenswert?«, wagte sie zu fragen.
»Ich finde dich sogar sehr liebenswert.« Er küsste sie auf die Nasenspitze.
»Ich finde dich auch sehr liebenswert«, gestand sie leise und lächelte unsicher. Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt, sich durch derartige Eingeständnisse so weit aus dem Fenster zu lehnen, aber es war auch aufregend. Erhebend. »Und diese reichen Schnösel interessieren mich nicht. Du bist der Einzige, der mich interessiert.«
»Aber ich bin heute Abend nicht eingeladen, und das, obwohl dein Onkel früher mit meinem Vater befreundet war und sich sogar mal Geld von ihm geliehen hat.«
Lotte erinnerte sich daran. Das war während der Finanzkrise gewesen. Damals war sie sieben Jahre alt gewesen und hatte sich noch nicht für Jungs interessiert. Damals hatte auch noch ihre Mutter gelebt, ihr Vater war bereits an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung verstorben gewesen.
»Und deine Tante ist auch gerne mit meiner Mutter in den Palmenhof der Konditorei Rumpelmayer gegangen.«
»Ich weiß …«, sagte sie beschwichtigend.
»Und dann waren wir auf einmal im Hotel nicht mehr willkommen, und es macht mich verrückt, dass diese Männer dich umgarnen und dir das Blaue vom Himmel versprechen.«
»Vielleicht lasse ich mich ja gar nicht umgarnen, sondern lasse sie alle auflaufen?«
Damit entlockte sie ihm ein kleines Lächeln.
»Was würden dein Onkel und deine Tante tun, wenn ich heute Abend auch auftauchen und dich offiziell umwerben würde?«
Sie schmunzelte. Die Vorstellung war ziemlich romantisch, gleichzeitig jagte sie ihr Angst ein. Es konnte ihm nicht ernst sein.
»Wie soll es mit uns weitergehen?«, fragte er auf einmal. In seinem Blick lag so viel Verzweiflung, dass es ihr kurz den Atem verschlug.
»Ich weiß es nicht, aber irgendeine Lösung werden wir finden.«
Auf einmal richtete er sich auf und nahm seine zarte Goldkette ab, um sie ihr um den Hals zu hängen. »Die schenke ich dir.«
»Um dein Revier zu markieren?«, neckte sie ihn.
In seinem Blick lag sanfter Tadel. »Nein, sondern damit ich wenigstens ein bisschen das Gefühl habe, heute Abend bei dir zu sein.«
»Danke.« Sie küsste ihn und betrachtete dann den filigranen Anhänger, einen kleinen Halbmond, weil er die Nacht so sehr liebte.
Gelegentlich staunte sie darüber, worauf sie sich mit Leo eingelassen hatte. Aber die meiste Zeit gelang es ihr, ihre Ängste in weite Ferne zu schieben. Vor zwei Wochen hatten sie sich das erste Mal ihre Liebe gestanden, aber im Nachhinein war sie sich nicht ganz sicher, ob sie es nur getan hatte, weil es so aufregend gewesen war. Es fiel ihr generell schwer zu beschreiben, wie sie sich fühlte. Im Nachhinein hatte es sie eine schlaflose Nacht gekostet, in der sich ihr die Frage aufgedrängt hatte, ob sie nicht zu impulsiv gewesen war. Sie wusste nicht, ob sie Leo wirklich liebte. Sie wusste nur, dass sie ihre Gefühle für ihn als viel zu spannend, schmeichelnd, aber vor allem auch tröstlich empfand, um ihnen zu widerstehen. Verliebt zu sein und es laut zu sagen, zu hören, dass man geliebt wurde, das war wie eine Befreiung.
»Wie spät ist es?«, fragte sie.
»Viertel vor fünf.«
»O Gott, schon so spät?« Sie hatten ja völlig die Zeit vergessen!
Sie schwang die Beine vom Bett und sammelte eilig ihre Kleidung vom Boden auf, ehe sie einen Blick in den Spiegel warf. Ihr Haar war eine Katastrophe. Sie zog eine Nadel heraus und versuchte, eine Strähne, die sich gelöst hatte, damit festzustecken. Plötzlich hielt sie inne. Was war das für ein violetter Fleck an ihrem Hals? Kurz hoffte sie, dass es Kohle war, aber als sie mit Spucke daran rieb, verschwand der Fleck nicht. Sie fuhr herum. »Was ist das?«
»Ups.« Leo machte ein zerknirschtes Gesicht. »Tut mir sehr leid. Ich kann aber nichts dafür, wenn du so unwiderstehlich bist.«
Sie wollte wirklich böse mit ihm sein, aber sie konnte nicht, nicht, wenn er sie so ansah. Während sie in ihr Kleid schlüpfte, dachte sie, dass hoffentlich niemand heute Abend den verräterischen Fleck an ihrem Hals bemerken würde.
Als sie gehen wollte, hielt Leo sie noch einmal fest. »Versprich mir, dass alles gut wird.«
Kurz zögerte sie. »Ich verspreche es dir«, sagte sie dann und verdrängte das Gefühl, das sie seit ein paar Tagen mit sich herumtrug. Genau genommen seit ihr Onkel das erste Mal davon gesprochen hatte, dass vielleicht bald, bei seinem nächsten Besuch in Dresden, der Führer höchstpersönlich im Hotel Elbflorenz residieren würde. Seit ihre Tante begonnen hatte, sie manchmal argwöhnisch zu betrachten, als würde sie etwas ahnen und versuchen, Lottes Gedanken zu lesen. Seit Leo ihr gesagt hatte, dass er sie liebte.
Es war das Gefühl, dass Unheil heraufziehen würde.
1993
Die Welt besteht nicht aus Atomen, sie besteht aus Geschichten.
Den Spruch hatte sie so ähnlich vor ein paar Wochen in einem Roman gelesen, und er war ihr im Gedächtnis geblieben, weil sie sich genau das schon ein paarmal selbst gedacht hatte. Nur weniger poetisch formuliert. Wenn sie durch die Gassen Dresdens wanderte und die Hand dabei über die rauen, kalten Gemäuer gleiten ließ, dann fragte sie sich häufig, welche Geschichten die Gebäude wohl erzählen würden, könnten sie sprechen. Geschichten von Liebesbeziehungen, die eingegangen worden und wieder zerbrochen waren, von Erfolgen und Unglück, von Geburten und Tod.
Mit all den unterschiedlichen Geschichten, die diese Welt zu bieten hatte, verhielt es sich in ihrer Vorstellung in etwa so wie mit den Jahresringen eines Baumes: Ganz außen waren die größten Kreise, die prägenden Ereignisse, die jeder kannte, die ganze Sachbücher füllten und über die teuer produzierte Filme erzählten. Angefangen bei den Kreuzzügen im Mittelalter und den Hexenverbrennungen der Neuzeit über Napoleons Kriege und die Französische Revolution bis hin zur Industrialisierung, zum Ersten Weltkrieg, Hitlers Terrorherrschaft und schließlich der Zeit der deutschen Teilung sowie dem Mauerfall.
Die nächstkleineren Ringe beschrieben die Geschichten einer Stadt oder einer Region. Nicht unbedingt weltbedeutend, aber dennoch relevant für die Menschen, die dort lebten. Während ihrer Studienzeit hatte sie als Stadtbilderklärerin gearbeitet, um sich ein bisschen was dazuzuverdienen. Heute würde man sich vielleicht wieder trauen, Stadtführerin zu sagen. Jedenfalls kannte und liebte sie Dresden wie eine Freundin, mit der sie aufgewachsen war. Bei den Touren durch die Stadt hatte sie den Touristen von August dem Starken erzählt und natürlich auch von dem Faschingsdienstag im Jahr 1945, an dem amerikanische und englische Fliegerbomber diese einzigartige Kulturstadt dem Erdboden gleichgemacht hatten. Oder sie hatte mit einem gewissen Stolz berichtet, dass die Semperoper, die sie als kleines Mädchen noch als Ruine gesehen hatte, dank der Hartnäckigkeit von Dresdner Bürgern wiederaufgebaut worden war.
Die nächsten Ringe, die kleinen, das waren die Alltagsgeschichten. Dazu zählten Ereignisse, wie dass vor zwei Wochen das moderne amerikanische Diner am Altmarkt wieder hatte schließen müssen, weil die Dresdner für Pancakes und Burger noch nicht bereit waren, sondern handbemalte Wandfliesen und Eierschecke bevorzugten.
Und dann gab es noch den Punkt in der Mitte dieser Jahresringe, und das waren die Menschen. Das war der Mann mit dem Toupet, der jeden Morgen in der Bäckerei, in der sie sich ein Rosinenbrötchen zum Frühstück holte, die Zeitung las. Sie achtete stets darauf, ein paar Worte mit ihm zu wechseln, weil seine traurigen Augen ihr das Gefühl gaben, dass er einsam war. Das war die alte Dame mit dem lila gefärbten Haar, die jeden Morgen mit ihrem Dackel am Neumarkt ein paar Schritte ging, selbst im Sommer einen Pelzmantel trug und wie ein Weihnachtsbaum mit Schmuck behängt war. Das war sie selbst, eine seit heute fünfundzwanzig Jahre junge Frau, deren Leben an diesem Morgen von einer Sekunde auf die andere zerbrochen war.
Wäre das hier ein normaler Tag, dann würde sie vielleicht daran zurückdenken, wie ihre Mutter ihr am Käthe-Kollwitz-Ufer das Fahrradfahren beigebracht oder wie sie auf der Brühlschen Terrasse das erste Mal mit einem Jungen Händchen gehalten hatte, der sie am nächsten Tag in der Schule ignoriert hatte. Aber an diesem Morgen war alles mit ihm verbunden. Malte. An der Augustusbrücke hatte er ihr, als das mit ihnen noch ganz frisch gewesen war, den schönsten Kuss geschenkt, den sie je bekommen hatte. Er hatte sie zum Essen ausgeführt, und obwohl es schon spät gewesen war, hatten sie beschlossen, zu Fuß zu ihr nach Hause zu laufen. Auf halber Strecke hatte es angefangen, wie aus Eimern zu schütten. Auf einmal war er stehen geblieben und hatte sie geküsst, und vergessen war der strömende Regen, der aus ihrem offenen Haar in ihren Nacken tropfte, und es hatte nur noch ihn und sie und das Gefühl gegeben, dass ein großartiges Leben vor ihnen lag.
Sie drückte die aktuelle Ausgabe der Dresdner Neuesten Nachrichten fest an ihre Brust, während sie auf dem Weg zur Arbeit war. Ihre Hände waren von der Zeitungstinte schwarz. Ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, als wäre sie an einem Unfall beteiligt gewesen und würde noch immer unter Schock stehen.
Eigentlich hatte der Morgen so schön begonnen, wie ein Junitag nur beginnen konnte. Wieder und wieder spulte sich die Erinnerung vor ihrem inneren Auge ab. Sie sah, wie Sonnenlicht durch den Spalt ihrer Vorhänge fiel und sie wachkitzelte. Malte lag neben ihr. Wie war sie nur vernarrt in diesen Mann, in seine langen Wimpern, an den Spitzen hell. In seine markanten Augenbrauen. Das leichte Kratzen seines Dreitagebarts, wenn er sie küsste. Sein braunes Haar war von hellblonden Strähnen durchzogen, die von seinem letzten Italienurlaub erzählten. Allein sein Anblick erregte sie.
Seine schönen Lippen hoben sich zu einem Lächeln. »Du beobachtest mich mal wieder im Schlaf.«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Wer weiß, wann ich dich wiedersehe.«
Er hob die Lider, und die Wucht seiner Augen traf sie. Zwei wunderschöne eisblaue Augen, deren Anblick bewirkte, dass jede Kellnerin, jede Verkäuferin ihn mit besonderer Aufmerksamkeit behandelte.
Malte warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die er auf dem Nachttisch abgelegt hatte. »Ich muss los, meine Schöne.«
Meine Schöne. Sie hatte nie verstanden, warum er ausgerechnet diesen Kosenamen für sie ausgesucht hatte. Vielleicht, weil er doch nicht so kreativ war, wie sie anfangs gedacht hatte, und ihm einfach nichts Besseres eingefallen war. Sie war nicht unattraktiv, hatte weibliche Kurven an den richtigen Stellen und unkompliziertes rotbraunes Haar. Aber im klassischen Sinne schön war sie nicht. Ihre Mutter hatte mal gesagt, ihr Gesicht würde aufheitern, und sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Ihre Mutter hatte nämlich auch mal gesagt, ihre Klamotten vermittelten den Eindruck, als würde sie nachts heimlich in den Containern der Kleidersammlung wühlen. Sie zog sich nun mal gerne bunt und lebendig an, früher war es ja nicht gerne gesehen gewesen, wenn man sich zu individuell, zu auffällig gekleidet hatte.
Sie rollte sich auf ihn, noch immer nackt, und genoss es viel zu sehr, seine warme Haut auf ihrer zu spüren. »Ein paar Minuten noch.« Sie hasste es, ihn anbetteln zu müssen, das wirkte so bedürftig, aber er ließ ihr keine andere Wahl.
»Du weißt, wie gern ich bleiben würde. Aber ich bin schon spät dran.« Sein Tonfall war sanft, aber bestimmt.
Sie sah ihm dabei zu, wie er seine Kleidung vom Boden auflas, eine Spur, die vom Wohnzimmer zum Bett führte. Heißhungrig waren sie übereinander hergefallen. Die Soljanka, die sie für ihn zubereitet hatte und die für ihre Verhältnisse erstaunlich schmackhaft gewesen war, stand unangerührt auf dem Herd.
»Du hast heute noch ein Konzert?«
»Ja.« Er mied ihren Blick. Warum hatte sie es da nicht schon geahnt?
Sie hatten sich vor etwa einem Dreivierteljahr in der Semperoper kennengelernt. Sie liebte klassische Musik, die einzige Musik, die ihrer Meinung nach wirklich Geschichten erzählte. Sie hatte ein Jahresabo der Semperoper, ungewöhnlich genug für eine damals noch Vierundzwanzigjährige, aber für ihre Mutter eine willkommene Geschenkidee, da sie sonst nicht gewusst hätte, was sie ihrer Tochter schenken sollte.
Eines späten Abends, als die Vorführung vorbei gewesen und sie nach draußen an die frische Luft getreten war, sprach er sie an. Sie war die Letzte, die das Gebäude verließ, weil sie noch eine Weile auf dem samtroten Polstersessel verharrt und die Musik auf sich hatte nachwirken lassen. Als sie nach draußen trat, zitterte sie leicht. Zum Teil, weil der Sommer sich dem Ende neigte und die Luft abgekühlt war, sie jedoch nur ein leichtes, leuchtend gelbes Kleid mit einem Petticoat unter dem Rock trug. Zum Teil aber auch, weil sie von Vivaldi so berührt war. Dazu der Mond über ihr, voll und so klar, dass sie sogar meinte, ein paar Kerben darin entdecken zu können. Eine perfekte Nacht.
Erst nahm sie den Zigarettenrauch wahr, der an ihr vorbeizog. Dann hörte sie eine Männerstimme fragen: »Hat Ihnen die Aufführung gefallen?«
Sie wandte sich um und sah die dunkle Silhouette eines Mannes an einer der Säulen lehnen. Es war der Dirigent. Er war jünger, als sie erwartet hätte.
»Mehr als das«, hauchte sie, plötzlich leicht nervös.
»Sie sind oft hier. Sie haben sogar einen Stammplatz.«
Das war ihm aufgefallen? Er schien die Frage in ihrem Gesicht zu lesen, denn er sagte: »Wie sollten Sie mir entgehen, in diesem Kleid?«
Dieser Blick. Diese Augen. Ihr war noch nie ein Mann begegnet, von dem so viel Anziehungskraft ausging. Ihr Körper wurde von einem wohligen Schauer ergriffen, der nichts mehr mit der Kühle der Luft zu tun hatte.
Sie verloren sich in einem Gespräch über klassische Musik. Anfangs fürchtete sie, sich zu blamieren, indem sie etwas Dummes sagte. Aber diese Angst fiel schnell von ihr ab, weil er jedes ihrer Worte aufzusaugen schien, als wäre ihre Meinung wirklich wertvoll.
»Darf ich Sie auf einen Drink einladen?«, fragte er sie schließlich.
Später brachte er sie noch nach Hause. Als sie vor der Eingangstür des Mietshauses in der Altstadt standen, in dem ihre Wohnung unter dem Dach lag, sah er sie lange an.
»Hannah …« Er sprach ihren Namen aus, als wäre sie ihm ein Rätsel.
Als er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr klemmte, war es ihr, als würde Starkstrom durch sie hindurchfließen. Das war der Moment, in dem etwas in ihr weich wurde wie Kerzenwachs, das in der Flamme schmolz. Sie schluckte, ihr Mund öffnete sich, aber sie brachte kein Wort hervor. Sie wusste, wenn er ihr irgendwie zu verstehen gab, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn, dann wäre es um sie geschehen.
»Ich würde dich gerne küssen«, sagte er, und sie sank gegen ihn, ohne auch nur im Geringsten die Kontrolle über ihren Körper zu haben. Irgendwie schafften sie es die vier Stockwerke hinauf, wobei sie sich kaum voneinander lösten. Schon waren sie in ihrem Bett, und sie erlebte etwas, von dem sie dachte, es existiere nur in Filmen oder Romanen. Von diesem Tag an glaubte sie daran, dass es Seelenverwandte gab.
Als Malte an diesem Morgen im Bad verschwunden war, hatte sie ihr Nachthemd übergezogen, vor dem Spiegel ein bisschen daran herumgezupft und sich über sich selbst geärgert, dass sie es nicht schon längst aussortiert und durch ein seidenes Negligé ersetzt hatte. Vielleicht wäre es ihr dann gelungen, ihn dazu zu bewegen, etwas länger bei ihr im Bett zu bleiben.
So verführerisch und selbstbewusst wie Whitney Houston in Bodyguard lehnte sie sich gegen den Türrahmen im Bad, aber er war zu sehr mit seinem eigenen Spiegelbild beschäftigt. Sie mochte den Anblick, wenn er sich über ihrem babyblauen Waschbecken unter der Dachschräge wusch, sein Gesicht mit dem Handtuch trocken rubbelte, und stellte sich vor, er würde hier wohnen. Jedes Mal verspürte sie bei dieser Vorstellung eine Art Druck im Bauch, weil sie insgeheim wusste, dass er nicht wirklich in diese leicht chaotischen vier Wände passte, so wie der beige Trenchcoat, den sie vor ein paar Wochen in einem Anflug von vermeintlichem Stilbewusstsein gekauft hatte in der Vorstellung, in ihm erwachsener auszusehen. Er hing noch immer an der Garderobe im Flur und wirkte, als hätte ihn eine Freundin mal vergessen. Auch wenn sie trotz ihrer inzwischen mehrere Monate alten Beziehung noch nie bei Malte zu Hause gewesen war, wusste sie aus seinen Erzählungen, dass er in einer großen, neuen Wohnung mit atemberaubendem Blick über die Elbe lebte. Ihre Zweizimmerwohnung bezeichnete er als ihr »kleines Nest«. Sie war sich nie sicher, ob er das abfällig meinte. Selbst wenn, sie mochte das Schlaraffenland eines Sofas mit den vielen bunten Kissen darauf, die Lichterketten, Kerzen und das liebevoll zusammengewürfelte Mobiliar, das sie von Flohmärkten und Gebrauchtwarenläden hatte. Dass er sie nie zu sich nach Hause einlud, wunderte sie nicht weiter. Es passte zu der geheimnisvollen Aura, die ihn umgab. Und sie wollte sich auch nicht selbst bei ihm einladen. Dabei wäre sie nur zu gerne durch seine Wohnung geschlendert, hätte erfahren, ob er wirklich so ordentlich war, wie es den Anschein hatte, welche Bücher in seinen Regalen standen oder womit er seinen Kühlschrank füllte. All die kleinen Details eben.
Sie war so dumm …
Maltes Wildlederschuhe waren wie immer makellos, und die Uhr an seinem Handgelenk hatte bestimmt ein Vermögen gekostet. Er war ein Mann im besten Alter, zehn Jahre reifer als Hannah, das Einzige, was ihr einen winzigen Vorteil verschaffte. Denn die teuren Cremes, die er verwendete, wenn er hin und wieder nach einem Konzert in einer anderen Stadt bei ihr übernachtete und aus seinem kleinen Hartschalenkoffer eine prall gefüllte Kulturtasche hervorholte, ließen darauf schließen, dass er ein Problem mit dem Älterwerden hatte.
»Aber ich dachte …«, setzte sie an.
»Was dachtest du?«
Dass sie den Abend gemeinsam verbringen würden, er sie vielleicht sogar zum Essen ausführte, immerhin hatte sie heute Geburtstag. Aber das sagte sie ihm nicht. Sie hatte gehofft, dass er sich das gemerkt hatte. Darauf hinweisen wollte sie ihn nicht, denn er fühlte sich leicht unter Druck gesetzt.
Viel zu schnell war er aufbruchsbereit. Er nahm sein Jackett aus englischem Tweed vom Kleiderständer neben der Tür, schwang sich seinen karierten Schal von Burberry einmal locker um den Hals und griff in seine Tasche, um seine Autoschlüssel rauszuziehen. »Wir sehen uns.«
Wir sehen uns. Wie oft er das gesagt hatte. Er hielt sich meistens vage, und obwohl ihr Zuverlässigkeit eigentlich wichtig war, fand sie diese niemals greifbare Art an ihm attraktiv. Er war die Taube auf dem Dach. Und sie der Spatz in seiner Hand. Sie ließ es sich gefallen, wenn sie sich nur einmal in der Woche sahen, manchmal sogar länger nicht. Wenn sie mit ihm zusammen war, dann vergaß sie, wie sehr sie unter den ungeklärten Verhältnissen litt, wie unsicher sie sich dadurch fühlte. Als sie ihn einmal gefragt hatte, warum er denn nicht mal ihre Freunde kennenlernen wolle, hatte er gesagt: »Alles mit der Zeit, meine Schöne.«
Und dann dieser Morgen.
Als sie zur Arbeit aufgebrochen war, war die Welt noch schön gewesen. Der Morgentau glänzte auf den Pflastersteinen. Das Sonnenlicht fühlte sich wie ein sanftes Streicheln auf ihren Wangen an. Die Besitzerin des ersten richtigen Souvenirladens der Stadt drehte das Türschild auf Geöffnet und schob eine Auslage mit Postkarten und Büchern über Dresden auf den Gehweg. Sie sah eine Frau, die sich mit ihren hohen Schuhen auf den Pflastersteinen abmühte und hinter sich ein weinendes Kind herzog, hatte Mitleid mit den beiden und fühlte sich der Frau gleichzeitig überlegen, denn sie selbst war erfüllt von dieser speziellen Leichtigkeit, die man nur nach verdammt gutem Sex hatte. Das Rosinenbrötchen, das sie sich gekauft hatte, war noch warm und wunderbar weich, sie liebte ihre Arbeit, hatte ein Dach über dem Kopf, einen vollen Kühlschrank, und außerdem hatte sie Geburtstag und war auch noch mit dem tollsten Mann der Welt zusammen.
Doch dann zog der Kiosk am Ende der Gasse seinen Rollladen hoch, und mehrere Versionen von Malte starrten sie an. Auf der ersten Seite der Dresdner Neuesten Nachrichten war ein großes Foto von ihm abgedruckt. Dresdner Stardirigent ganz privat!, titelte die Zeitung. Neben ihm eine wunderschöne Frau in einem stilvollen Abendkleid, davor ein bezauberndes kleines Mädchen, das ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Der Bissen vom Rosinenbrötchen schien in ihrem Mund immer größer zu werden, sodass sie schon befürchtete, an ihm zu ersticken. Unmöglich, ihn runterzuschlucken, weshalb sie ihn in die Tüte spuckte. Die Welt hielt inne, sie bekam nichts mehr mit, war wie unter Schock. Erst als der Kiosk-Verkäufer sie fragte, ob sie die Zeitung kaufen wolle, kam sie wieder zu sich. Vielleicht war alles nur ein Irrtum. Sie legte zwei Mark auf den Tresen und schlug die erste Seite auf. Glücklich verheiratet seit vier Jahren.
So furchtbar dumm …
Er hatte sie nach Strich und Faden belogen, und sie hatte nichts gemerkt.
Wie ein Scheinwerfer ließ die Sonne die Dächer Dresdens erstrahlen, als wollte sie damit sagen: »Seht, wie wunderschön diese Stadt ist!« Obwohl es schon jetzt, an diesem noch jungen Junimorgen, vielversprechend warm war, fror sie und zog ihre Jeansjacke enger um sich. Sie knüllte die Papiertüte mit dem Rosinenbrötchen darin zusammen, verfehlte den Mülleimer jedoch. Genau so fühlte sie sich. Zusammengeknüllt und weggeworfen.
Reiß dich zusammen, sagte sie sich, als sie sich zwischen den auf dem Neumarkt parkenden Autos hindurchschlängelte. Nicht, dass ihre Kollegen ihr etwas anmerkten und Fragen stellten. Was sollte sie dann sagen? Malte hatte sie darum gebeten, ihre Beziehung vorerst geheim zu halten, und sie hatte diesem Wunsch entsprochen. Sie hatte sich an das kleine Wörtchen »vorerst« geklammert, hatte sich eingeredet, dass er einfach nur ein vorsichtiger Mann sei, was verständlich war, immerhin stand er ja auch in der Öffentlichkeit. Sie hatte sich für ihn Rechtfertigungen überlegt. Dafür könnte sie sich selbst ohrfeigen.
Auf einmal tauchte wie aus dem Nichts ein junger Kerl auf und lief ihr direkt vor die Füße.
Sie spürte etwas Kaltes an ihrem Dekolleté und sah auf ihre mit kleinen bunten Herzen bestickte Bluse hinab, eines ihrer Lieblingsstücke, das sie nur an besonderen Tagen aus dem Kleiderschrank holte. Ein dicker roter Marmeladenfleck sog sich in den Baumwollstoff. Ein bisschen so, als würde ihr Herz bluten. Dann sah sie den Kerl an, dessen Augen ganz groß geworden waren, als wären sie gefüllt mit Entschuldigungen, die ihm durch den Kopf stoben wie ein wilder Bienenschwarm. Er hielt die Hälfte eines Marmeladen-Hörnchens in der Hand, wobei sich die Marmelade nun mehr auf ihrer Bluse befand als im Hörnchen.
Der Tag entwickelte sich zu einer Wundertüte an Katastrophen.
»I’m so, so sorry!«, entschuldigte er sich.
Ein Tourist. Na toll. Ihr Englisch war nicht besonders gut. Dafür war ihr Russisch einwandfrei. Ein Relikt der DDR-Zeit.
Inzwischen hatte er ein Taschentuch aus seinem Lederrucksack gezogen, das er ihr unbeholfen hinhielt. »I’m really sorry. Vielleicht gibt es eine Toilette in der Nähe?«, sagte er in erstaunlich gutem Deutsch. »Wir könnten versuchen …«
»Schon in Ordnung«, unterbrach sie ihn, nahm das Taschentuch und ließ ihn einfach stehen. Im Gehen versuchte sie, die Erdbeermarmelade fortzuwischen, aber sie machte den Fleck nur noch schlimmer.
Eine Minute später erreichte sie ihren Arbeitsplatz: einen ursprünglich etwa vierzehn Meter hohen Trümmerberg, der letzte große in der Stadt.
Allein zwei Ruinenteile, die seitlich des Berges aufragten und tapfer seit fast fünfzig Jahren Wind und Wetter trotzten, erinnerten daran, welches Monument einst hier am Dresdner Neumarkt gestanden hatte: die Frauenkirche. Nach dem fatalen Bombenangriff hatte sie sich schwer verwundet noch fast zwei Tage lang auf den Beinen gehalten. Die Überlebenden Dresdens glaubten schon an ein Wunder, doch dann drang Feuer in die Kirche ein und zersetzte sie von innen heraus, bis ihre Kraft sie verlassen hatte und sie in sich zusammengestürzt war. Nun glich sie einem schlafenden Riesen. Die Wildrose, einst von Dresdnern zum Schutz der Trümmer ihrer geliebten Kirche gepflanzt, hatte sich im Lauf der Jahre hier und da wie eine Decke über der Ruine ausgebreitet.
Hannah erklomm den Berg, der noch immer stolze zwölf Meter hoch war, und wich einem großen Busch Unkraut aus, das üppig zwischen den Trümmerteilen spross. Nach wie vor fühlte sie sich ganz tapsig, wie auf einem schwankenden Schiff. Nicht unbedingt die beste Voraussetzung, um zwischen Steinen herumzuklettern. Eigentlich musste man hoch konzentriert sein, wenn man nicht falsch auftreten, stolpern oder auf einem Stein abrutschen wollte.
Sie kam etwas zu spät, ihr Kollege bereitete bereits den Fundort vor. Sie hob das rot-weiß gestreifte Absperrband an, bückte sich darunter hindurch und gesellte sich zu Torsten.
»Morgen.« Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeansjacke.
»Guten Morgen!« Er deutete auf den roten Fleck auf ihrer Bluse. »Hat dein Frühstück sich gewehrt?«
»Ach, nicht mein Tag heute …« Das war wohl die Untertreibung des Jahres. »Was haben wir hier?«
Im Gegensatz zu ihr war Torsten das blühende Leben. Er war gerade dabei, die nummerierten Klappkarten aus dottergelber Plaste an den Fundstücken zu verteilen. »Einen eindeutigen Fall würde ich sagen.«
»Spuren? Hinweise?«
Spaßeshalber redeten sie manchmal wie Kommissare, die einen Kriminalfall zu lösen hatten. Wenn man so wollte, waren sie wirklich so etwas Ähnliches, auch wenn es bei ihnen natürlich keine Leichen oder Tatwaffen gab, sondern Trümmerteile. Aber sie gingen auf Spurensuche und untersuchten mit nahezu kriminologischer Genauigkeit Stein für Stein, um seine exakte ursprüngliche Position zu rekonstruieren. Im Lauf der nächsten Monate und Jahre würden sie die Trümmer wieder zusammenfügen. Man konnte also auch sagen, dass sie ein gigantisches Puzzle lösten, damit irgendwann aus diesem riesigen Haufen die Frauenkirche wie ein Phönix aus der Asche auferstanden sein würde.
Jedes Trümmerstück wurde nummeriert und fotografiert und mit einem der beiden Drehkräne auf den Boden hinabbefördert, wo es erneut untersucht, fotografiert und dokumentiert wurde. Schließlich landete es in einem großen Regallager am Neumarkt, gegenüber auf der anderen Straßenseite, oder, wenn es kein bedeutendes Stück war, am Käthe-Kollwitz-Ufer.
Es war für sie ein unvorstellbares Glück, Teil der etwa dreißigköpfigen Arbeitsgruppe sein zu dürfen. Vor allem ihre Mutter war stolz gewesen, als Hannah ihr erzählt hatte, dass sie dem Wiederaufbau der Frauenkirche zugeteilt worden war. Um die erste richtige Anstellung ihrer Tochter zu feiern, hatte sie sogar eine Cocktailparty geschmissen, obwohl Hannah Partys eigentlich nicht leiden konnte. Sie bevorzugte kleine, intime Runden mit ihren Freunden in Kneipen. Sie hielt es ohnehin mehr für ein Missverständnis oder ein Versehen, dass man ihr, die gerade erst ihr Architekturstudium abgeschlossen hatte, die Chance gab, am Wiederaufbau eines solch bedeutenden Gebäudes mitzuarbeiten. Aber ihr Vorgesetzter im Landesamt für Denkmalpflege hatte ihr aufmunternd auf die Schultern geklopft. »Du bist noch formbar, genau so jemanden brauchen wir für diese Arbeit.« Und so wurde ihr die Ehre zuteil, Torsten, ihren Mentor, wenn man so wollte, bei sämtlichen denkmalpflegerischen sowie archäologischen Aufgaben zu unterstützen und von ihm zu lernen.
Sie trat näher, um einen Blick auf das zu werfen, was Torsten in den Trümmern entdeckt hatte. »Heiliger Bimbam!« Zwischen zwei großen Trümmerstücken ragte eine Metallecke hervor. »Sag bloß, das ist das Turmkreuz?«
Torsten richtete sich auf und schob mit dem Zeigefinger seine Brille nach oben. »Exakt. Dein Geburtstagsgeschenk.«
Es rührte sie, dass er sich gemerkt hatte, wann sie Geburtstag hatte.
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke. Aber ich muss wohl eher dir gratulieren, weil du das gute Stück gefunden hast.«
»Ach …« Er winkte ab. »Ich bin fast drübergestolpert.«
Torsten begann, Notizen auf dem Aufzeichnungsbogen zu machen. »Hoffen wir, dass die Journalisten fleißig darüber berichten und das Projekt wieder größere Aufmerksamkeit bekommt. Wir könnten ein paar mehr Spendengelder gut gebrauchen. Jedenfalls können wir uns unsere Frühstückspause vorerst abschminken.«
»Das ist wohl so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Es war ein bedeutender Moment, als die schweren Brocken beiseite geschafft und das Turmkreuz mithilfe des Krans geborgen wurde. Die lokale sowie die Berliner Presse war vor Ort, aber leider hatten die Dresdner Neuesten Nachrichten nicht Nicole geschickt, ihre beste Freundin, sondern einen spießigen Kollegen mit Hornbrille. Die Reporter filmten und fotografierten, und zahlreiche Touristen tummelten sich an dem hohen Metallzaun, dessen Füße in einem unbeweglichen Betonfundament steckten. Nicht ohne Grund. Es war schon vorgekommen, dass Leute den Zaun aufgeschoben hatten, um »besser sehen zu können«. Ein paar vollkommen Verrückte hatten sich sogar Anfang der Fünfziger über einen seitlichen offenen Zugang, den das Militär kurz nach der Bombennacht gesprengt hatte, um wertvolles Material zu sichern, Zutritt zu den Katakomben verschafft und die Toten in der Grabkammer geschändet. Auch wenn sie oft dieselben Fragen beantwortete, mochte Hannah es, mit den Touristen ein paar Worte zu wechseln und ihnen die bewegende Geschichte der Kirche nahezubringen.
Tosender Beifall brach unter den Zuschauern aus, als das Turmkreuz sicher am Grund ankam und auf einen gepolsterten Anhänger geladen wurde.
Ein junger Mann mit Rucksack, in die Jahre gekommener Jeansjacke und Kamera um den Hals war besonders dreist, bückte sich unter der Schranke hindurch, hielt auf den Trümmerberg zu und knipste ein Foto. An Tagen wie diesen wünschte Hannah sich, man müsste sich ausweisen, um die Baustelle betreten zu können. Dann würden Verrückte wie dieser Kerl gar nicht erst aufs Gelände kommen.
»He, Sie da!«, rief sie, wartete einen Gabelstapler ab und lief auf den Eindringling zu.
Er blieb stehen, sah sie an und deutete auf sich.
Jetzt erst erkannte sie ihn. »Du schon wieder.« Es war der junge Engländer oder Amerikaner, der in sie hineingelaufen war. So langsam hatte sie das Gefühl, irgendeinen Schicksalsgott gegen sich aufgebracht zu haben. Sie war noch immer wütend auf ihn, auch wenn ihr natürlich klar war, dass er ihre Bluse ja nicht mit Absicht ruiniert hatte.
»Hast du das da gelesen?« Sie deutete auf das rote Schild, das am Zaun befestigt war. Betreten der Baustelle verboten.
»Ja, aber …«
»Nichts aber. Vorschrift ist Vorschrift.«
»Ich bin Harry. Harry Almond.« Er streckte ihr die Hand hin, die sie ignorierte.
»Harry«, sagte sie eindringlich und lotste ihn zur Schranke zurück. »Es gibt gute Gründe für diesen Zaun. Dürfte jeder auf dem Berg herumtollen, dann würde sich ständig jemand verletzen. Bedeutende archäologische Trümmer würden noch mehr zerstört werden, oder im schlimmsten Fall würde jemand eine Fliegerbombe nicht erkennen und uns alle in die Luft jagen.« Sie schloss das Tor vor seiner Nase. »Ich wünsche dir noch eine gute Zeit in Dresden.«
Sie wurde von einem älteren Herrn mit Hut abgelenkt, der seinen Hund Gassi führte. Unter seinem Arm klemmte die tagesaktuelle Zeitung. Sofort war es wieder zurück, dieses noch unbestimmte Gefühl, als wäre sie im freien Fall. Eine Mischung aus Ungläubigkeit, tiefer Enttäuschung und Wut, die jedoch überdeckt wurde von der absurden Hoffnung, dass alles einfach nur ein riesiges Missverständnis war. Ein Recherchefehler des Journalisten, der den Artikel geschrieben hatte.
Ihre Nasenspitze kribbelte verdächtig, wie immer, wenn sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Sie zog sich einen kurzen Moment in die Umkleiden im Container zurück, um durchzuatmen und ihre Wangen am Waschbecken mit Wasser zu kühlen.
Als sie wieder hinaustrat, winkte Torsten sie zu sich. Er war nicht allein. Neben ihm stand der Kerl, den sie vorhin des Geländes verwiesen hatte. »Hannah, komm mal her! Dieser junge Mann hier hat extra den langen Weg aus unserer Partnerstadt Coventry auf sich genommen, um die Arbeit unserer Steinmetze ehrenamtlich zu unterstützen und auch sonst auf der Baustelle auszuhelfen.«
Dieser junge Mann hier grinste sie provozierend an. »Wonderful morning. Meinen Namen kennst du ja schon.«
Es gab diese Tage, da sollte es gesetzlich erlaubt sein, zum Wohle aller von der Arbeit nach Hause zu gehen und sich im Bett zu verkriechen, dachte sie. Sie meinte sich zu erinnern, dass Torsten vor einer Woche mal was erwähnt hatte, aber das war früh am Morgen gewesen, noch bevor sie ihre erste Tasse Kaffee getrunken hatte, und ohne Koffein funktionierte sie nicht richtig.
»Ach, ihr seid euch schon begegnet? Umso besser!« Torsten legte eine Hand auf ihre Schulter. »Kannst du ihn herumführen und ihm die Abläufe erklären? Das wäre super. Danke!« Ohne ihre Antwort abzuwarten, machte Torsten sich mit Plänen von der Baustelle unter dem Arm zu den wartenden Journalisten auf.
Sie eilte ihm nach. »Hat er denn überhaupt eine Ausbildung?«, fragte sie leise, damit Harry sie nicht hören konnte.
»Ja, er arbeitet in England als Steinmetz.«
Hannah blickte zu Harry, der ein Foto von dem Choranbau knipste, der von der Zerstörung verschont geblieben war. Mit seinem vom Wind zerzausten Haar, den vielen Armbändern, der alten Jeansjacke und dem mit bunten Blumen bedruckten Hemd darunter sah er nicht gerade aus wie ein typischer Steinmetz oder einer der anderen Arbeiter auf der Baustelle. Vielmehr wirkte er wie jemand, der in einem VW-Bus schlief und am Lagerfeuer Gitarre spielte.
»Und du weißt, wir sind aktuell nicht nur mit unserem Zeitplan etwas im Verzug und brauchen daher jeden Mann«, fuhr Torsten fort, »sondern wir müssen auch Geld sparen. Und jetzt entschuldige mich, das Turmkreuz wartet.«
Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans und ging langsam zu dem Engländer zurück. »Tut mir leid wegen vorhin. Ich dachte, du wärst ein aufdringlicher Tourist.«
Er grinste. »Als Wiedergutmachung kannst du mich ja jetzt herumführen.«
»Also: Lange Zeit sah es nicht danach aus, als würde die Frauenkirche wiederaufgebaut werden«, erklärte sie Harry. »Erst nach der Wende hat sich eine Bürgerinitiative dafür eingesetzt. Mit der Schrift Ruf aus Dresden wurde weltweit um Hilfe für den Wiederaufbau der Kirche als europäisches Haus des Friedens gebeten. Die Spendenbereitschaft war enorm.« Sie pustete sich eine Strähne ihres fransigen Ponys aus dem Gesicht. »Das, was wir hier tun, ist ein archäologischer Wiederaufbau. Das heißt …«
» … man legt großen Wert darauf, die Frauenkirche so authentisch wie möglich wiederaufzubauen«, vollendete er den Satz für sie. »Jeder Stein, den man wiederverwenden kann, soll auch an die Stelle, an der er einst war.«
Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ja. Genau so ist es.«
»Ich kenne mich aus. Außerdem habe ich mich informiert, bevor ich hergekommen bin.«
»Gut.« Sie nickte anerkennend. »Und wie kommt es, dass du so gut Deutsch sprichst?«
»Meine Mutter ist Deutsche. Sie ist in Westberlin aufgewachsen, hat dort meinen Vater kennengelernt, sich unsterblich in ihn verliebt und ist mit ihm nach England gegangen, als sein Urlaub zu Ende war.«
»Wow. Das muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein.«
Harry schwieg. Sie winkte Gerhard, der mit Blaumann und Helm an ihnen vorbeilief. Er war einer der Arbeiter, die ursprünglich vom Bergbau kamen und dafür verantwortlich waren, die Trümmer zu bergen.
Sie deutete auf die weißen zweigeschossigen Container. »Darin sind die Baustellenbüros, die Baudirektion, die Ingenieurgemeinschaften und die beteiligten Ausführungsunternehmen untergebracht. Außerdem ist dort hinten noch ein Pavillon als Ausstellungsraum mit Informationsmaterial über die Frauenkirche.«
Nachdem sie ihm gezeigt hatte, wo er sich umziehen und frisch machen konnte, führte sie ihn durch das Regallager auf der gegenüberliegenden Seite der Landhausstraße und zeigte ihm dann das Aufnahmezelt, in das die Fundstücke nach der Bergung zur weiteren Dokumentation kamen.
Während sie die Trümmer wie eine Bergziege erklomm, musste Harry die Arme ausbreiten, um besser die Balance zu halten. Inzwischen ging es auf die Mittagszeit zu, und die Sonne prallte von oben auf sie herab. Es dauerte nicht lange, und ihr Arbeitshemd klebte an ihrem Rücken. An Tagen wie heute beneidete sie ihre männlichen Kollegen, die einfach ihre Hemden auszogen und oben ohne arbeiteten.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. »Das Gelände ist in Quadrate eingeteilt, damit wir die Übersicht behalten, wo wir gerade arbeiten. Und dort …«
Sie verstummte, als sie bemerkte, dass Harry stehen geblieben war. Er schirmte mit einer Hand das Sonnenlicht ab und ließ den Blick schweifen über die Dächer der Altstadt, die bunten Autos sowie die Menschen auf dem Parkplatz. Überall ragten Baukräne in die Höhe.
»Das alles ist ziemlich beeindruckend. Du bist ein Gluckspilz.«
Sie schmunzelte über seine Aussprache und erinnerte sich daran, wie gern sie diese Stadt eigentlich hatte, nur heute gefiel sie ihr nicht besonders, denn heute war in ihren Augen alles trist und grau und abweisend.
»Komm, lass uns wieder runtergehen.«
Der Presserummel kochte erneut hoch, als ein silberner VW auf dem Gelände hielt. Makellose schwarze Pumps mit Absätzen der Höhe »schick und gerade noch bequem« wurden auf dem staubigen Boden positioniert. Zwei nackte Füße tauchten aus der Fahrerseite auf, schlüpften in die Schuhe, und schließlich stieg eine Frau mittleren Alters aus dem Wagen, begrüßte mit charmantem Lächeln die Journalisten und steuerte auf den sensationellen Fund zu. Ihr rotbraunes Haar war ordentlich hochgesteckt, das dunkelblaue Nadelstreifenkostüm betonte ihre zierliche Taille. Der Rock war lang genug, um angemessen, und kurz genug, um sexy zu sein.
»Wer ist das?«, fragte Harry.
»Das ist Marlene Spatz, aufstrebender Stern am Politikhimmel Dresdens.«
»Sie wirkt irgendwie … Ich weiß nicht … makellos. Aber auf sympathische Weise.«
»Ja …« Diese Beschreibung war eigentlich recht treffend. »Deshalb stehen ihre Chancen auch gut, die nächste Bürgermeisterin zu werden.« Inzwischen saßen sie auf einem der Trümmersteine. Als Harry aus seinem Rucksack eine in Butterbrotpapier geschlagene Stulle hervorholte, fiel ihr ein, dass sie vorhin das Rosinenbrötchen weggeworfen hatte. Er bemerkte ihren hungrigen Blick auf das Brot und teilte es in zwei Hälften, von denen er ihr eine reichte.
»Danke«, sagte sie gerührt, biss in das dick mit Schinken belegte Brot und hielt eine Hand darunter, damit die Essiggurke nicht auf den Boden fiel.
Als sie wieder aufsah, kam Marlene Spatz direkt auf sie zu. »Hier versteckst du dich.«
Hannah kaute. Schluckte. »Hallo, Mama. Ich verstecke mich nicht, jeder kann mich sehen.«
»Lass dich drücken.«
Sie erhob sich und ließ sich von ihrer Mutter in eine feste Umarmung schließen, wohl darauf bedacht, das Schinkenbrot möglichst weit von ihrem Kostüm wegzuhalten.
»Jetzt ist meine Kleine schon fünfundzwanzig Jahre alt! Wo ist nur all die Zeit hin?«
Marlene sah Harry an, als könnte er ihr diese Frage beantworten, schüttelte ihm die Hand und wechselte ein paar Worte mit ihm. Sie war eine dieser glücklichen Frauen, die im Alter noch attraktiver wurden. Das lag vermutlich an ihrem Erfolg als Politikerin, den sie erst seit ein paar Jahren genoss, genau genommen seit der Wende. In der Honecker-Ära hatte sie auf so etwas wie der schwarzen Liste gestanden, war überwacht und mehrmals zu langen, strapazierenden Verhören vorgeladen worden. Einmal hatte man sie sogar für zwei Nächte ins Gefängnis gesperrt. Nun aber war ihre Zeit gekommen, und sie war zu dieser strahlenden, starken und unabhängigen Frau geworden, die gute Chancen hatte, bald in dieser Stadt wirklich etwas bewegen zu können, so wie sie es sich immer erhofft hatte.
»Haben die Journalisten ordentliche Fragen gestellt?«, fragte Hannah.
»Ach, um mich geht es doch heute gar nicht, ich habe sie nur begrüßt. Wobei ich mich über ein Foto mit meiner hübschen Tochter in der Zeitung schon freuen würde. Komm, bitte …«
Nicht heute. Nicht in diesem schmutzigen Arbeitshemd, der ausgebeulten Jeans, den Bergarbeiterschuhen und dem vor Schweiß glänzenden Gesicht. Allein die Vorstellung, dass Malte morgen die Zeitung aufschlug und ein solches Foto von ihr sah, ließ das Schinkenbrot in ihrem Magen einmal kreisen. Abgesehen davon hatte sie auch nie als »die Tochter der Politikerin« in der Öffentlichkeit stehen wollen.
»So, wie du aussiehst, mache ich bestimmt kein Foto mit dir.«
Ihre Mutter lachte. »Dann gebe ich mich geschlagen. Übrigens habe ich für nächste Woche Donnerstag ein paar Leute eingeladen, eine kleine Runde. Ich würde mich freuen, wenn du auch kommst.«
»Muss das sein?« Marlenes kleine Runden waren nie klein, und die Gäste waren anstrengende Politiker, einflussreiche Firmeninhaber oder berühmte Dresdner.
»Mir zuliebe. Bitte.« Eigentlich war ihre Mutter zu alt und zu selbstbewusst für einen Schmollmund, aber erstaunlicherweise wirkte er bei ihr trotzdem nie albern.
»Na gut, von mir aus.«
»Sehr schön! Übrigens habe ich zu deinem Geburtstag dein Abonnement in der Semperoper verlängert. Du bist doch aktuell hin und weg von diesem Dirigenten. Wie heißt er noch?«
Hannah fühlte sich, als würde sich eine eiskalte Faust um ihr Herz schließen. »Malte Schumann.«
»Genau der! Komm doch heute Abend bei mir vorbei, dann stoßen wir auf deinen Geburtstag an! Ich muss jetzt wieder ins Büro. Die Arbeit ruft. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Harry.«
»Die Freude ist ganz meinerseits, Ms Spatz.« Harry kniff die Augen leicht zusammen, als er Hannah ansah, weil die intensive Sonne ihn blendete. »Happy birthday.«
»Danke.«
»Ihr seid euch nicht grade ähnlich«, sagte er, als ihre Mutter außer Hörweite war.
»Nein. Kein bisschen.«
Ihre Mutter war willensstark, selbstbewusst, schlagfertig, attraktiv.
»Dann kommst du eher nach deinem Vater?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Den kenne ich nicht, hat sich kurz nach meiner Geburt aus dem Staub gemacht. In den Westen rüber.« Sie schob sich den letzten Bissen in den Mund, wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab und stand auf. »Komm, an die Arbeit. Torsten meinte vorhin, wir sollen das Archivmaterial durchsehen. Ein Journalist hat angefragt, ob wir ihm alte Bilder der Frauenkirche mit dem Turmkreuz zukommen lassen können.«
Sie setzten sich in den Aufenthaltsraum im Container und breiteten die Ordner mit in Klarsichtfolien gehüllten Fotos der ehemaligen Frauenkirche auf dem Tisch aus. Als Hannah die Bilder durchsah, merkte sie einmal mehr, wie sehr sie danach lechzte, das Gebäude wieder in voller Pracht erstrahlen zu sehen. Sie selbst war mit dem Anblick der Ruine aufgewachsen, die als Mahnmal gegen den Krieg gedient hatte, aber nun leider auch ernüchternd war. Sie konnte es kaum erwarten, irgendwann die barocke Schönheit mit der imposanten Rundkuppel und den Malereien in hübschen Pastelltönen betreten und auf der fast siebzig Meter hohen Aussichtsplattform den einzigartigen Blick über die Dächer der Stadt und die Elbe genießen zu können. Sie hatte gehört, dass die Sicht bei guter Wetterlage bis in die Dresdner Heide im Norden, bis zum Elbsandsteingebirge im Osten, dem Erzgebirge im Süden oder bis nach Meißen im Westen gereicht hatte.
»Schon eine besondere Kirche«, sagte Harry, als er ein Foto des einstigen Gotteshauses betrachtete.
»Nicht wahr? Die Kirche konnte von allen Seiten über sieben Portale betreten werden. Der Baumeister, George Bähr, wollte ein offenes Haus erschaffen, einen Ort des Sich-Versammelns, eine Art gebautes Zusammengehörigkeitsgefühl.«
Es hatten sich auch ein paar Fotos in den Ordner geschlichen, die nichts mit der Frauenkirche zu tun hatten. Sie zeigten andere Ruinen der Nachkriegszeit, darunter den Zwinger und die Semperoper.
Auf einem der Fotos war eine Gruppe von Frauen zu sehen, die den Altmarkt beräumten und Ziegel auf einen großen Holzkarren luden, vor den zwei Pferde gespannt waren. Das nächste Bild war von weiter weg aufgenommen. Das musste die Ruine der Kreuzkirche sein, was Hannah nur daran erkannte, dass dahinter der Rathausturm in die Höhe ragte. Eine Dreierkette an Güterloren zum Transport von Schutt stand auf den Gleisen im Vordergrund des Fotos. Daneben führte eine Holztreppe den Trümmerberg hinauf. Es schien kalt zu sein, denn die Menschen waren allesamt mit dicken Mänteln und Mützen bekleidet, die Frauen trugen Kopftücher.
Erneut blätterte sie um – und hielt in der Bewegung inne. Das Foto, das sie nun betrachtete, traf sie bis ins Mark. Es war eines dieser Bilder, die höchstwahrscheinlich in die Geschichte eingegangen wären und selbst Generationen später berührt hätten, wären sie an die Öffentlichkeit gelangt. So wie das berühmte Foto, das am Times Square direkt nach Kriegsende aufgenommen worden war und auf dem die Menschen auf den Straßen feierten und ein Seemann eine junge Krankenschwester leidenschaftlich küsste.
Die Aufnahme, die vor Hannah lag und die sie nicht aufhören konnte anzusehen, zeigte einen Mann und eine Frau, die auf einem Trümmerberg standen und umgeben von Ruinen waren. Der Mann hielt die Frau in den Armen, als hätte er ihr zuvor von dem Vorsprung hinter ihnen hinabgeholfen. Es war der Blick der beiden, der Hannah so sehr fesselte. So innig, so verbunden. Der Mann hatte markante, attraktive Gesichtszüge, die durch die Schwarz-Weiß-Fotografie noch hervorgehoben wurden. Außerdem hatte er eine Tätowierung am Unterarm, die darauf schließen ließ, dass er im KZ gewesen war. Dann betrachtete Hannah die Frau näher. Sie hatte ein hübsches, herzförmiges und ausdrucksstarkes Gesicht, in dem die Härte, aber auch die Schönheit des Lebens geschrieben standen. Es war kaum möglich, den Blick davon abzuwenden. Die zierliche Statur, die hohen Wangenknochen, die sinnlichen Lippen und die kleine Stupsnase, all das kam Hannah bekannt vor.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Harry.
»Schau mal …«, hauchte sie und wies auf das Foto.
»Ein schönes Bild«, sagte er, und dann fiel auch ihm die Ähnlichkeit auf. »Wow, diese Frau …«
» … sieht exakt so aus wie meine Mutter«, vollendete sie den Satz für ihn.
Als ihre Wohnungstür abends hinter ihr zufiel, war das Erste, was sie sah, das rote Blinken des Anrufbeantworters. Zwei Atemzüge lang war sie wie erstarrt, bis ihr die Tasche von der Schulter rutschte und zu Boden fiel.
Was, wenn er ihr eine Nachricht hinterlassen hatte? Wer sollte ihr sonst, abgesehen von ihrer Mutter, die sie jedoch vor wenigen Stunden noch gesehen hatte, auf Band sprechen? Ihre beste Freundin Nicole kam meistens einfach vorbei.
Früher oder später würde sie sich alldem stellen müssen. Also gab sie sich einen Ruck, drückte den blinkenden Knopf und zog ihre Hand schnell zurück, als hätte sie sich verbrannt.
»Hallo, Malte hier.« Er atmete schwer aus. »Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musstest … Ich fühle mich schrecklich deswegen. Ich habe den Presseleuten gesagt, dass sie mir Bescheid geben sollen, wann der Artikel veröffentlicht wird. Ich wollte vorher in Ruhe mit dir reden, aber es gab nie die Gelegenheit dazu.«
Ja, weil er keine Gelegenheit dafür hatte finden wollen.
»Ich wollte es dir selbst sagen. Ehrlich. Schon vor Wochen. Aber ich war zu feige. Können wir reden? Bitte. Ruf mich doch morgen Vormittag im Büro an.«
Erneut piepste es, dann war es still.
Sie widerstand dem Drang, den Anrufbeantworter gegen die Wand zu schleudern, und schrie ihren Frust stattdessen mit geballten Fäusten laut an die Decke, bis der dickbäuchige Kettenraucher von der Wohnung unter ihr von seinem Balkon aus »Ruhe!« rief.
Im Schlafzimmer ließ sie sich auf ihr großes, leeres Bett fallen und wünschte, sie hätte eine Katze, aber das hatte sie sich bisher noch nicht getraut, aus Angst, zu sehr zum Klischee einer allein lebenden Frau zu werden. Bis heute Morgen hatte sie ja auch noch die Hoffnung gehabt, dass sich Malte irgendwann mit ihr auf eine richtige Beziehung einlassen würde, und er mochte keine Katzen. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, sah sie ihn schon wieder vor sich, wie er sie letzten Sommer in seinem schicken BMW Cabrio abgeholt und mit ihr eine Spritztour zu den Tafelbergen, den satten Wäldern, tiefen Schluchten und zerklüfteten Sandsteinfelsen der Sächsischen Schweiz gemacht hatte. Warum verblassten manch schöne Erinnerungen schon nach ein paar Wochen oder Monaten, während andere, die man einfach nur loswerden wollte, scheinbar unsterblich waren? Warum konnte man Erinnerungen nicht wie Papier schreddern oder in eine Kiste packen und wegschließen?
Sie dachte an die Zettel, die Malte ihr hin und wieder auf dem Weg in die Arbeit in ihren Briefkasten geworfen hatte. Hab am Dienstagabend Zeit. Lust, essen zu gehen? Malte. Oder: Lass uns da weitermachen, wo wir das letzte Mal aufgehört haben. Und obwohl Welten zwischen Maltes Briefchen und dem lagen, was sie sich eigentlich für ihr Leben wünschte, hatte sie die schlimme Befürchtung, dass sie sich vielleicht sogar erneut auf eine Affäre mit ihm einlassen würde, selbst jetzt, da sie die Wahrheit kannte. Ohne ihn fühlte sie sich wertlos. Als würde sie gar nicht mehr richtig existieren.