Schiffers Fritz Ferien 1973 an Bord bei Onkel Justus - Werner Schwarz - E-Book

Schiffers Fritz Ferien 1973 an Bord bei Onkel Justus E-Book

Werner Schwarz

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Beschreibung

Man schreibt das Jahr 1973 und die Sommerferien haben begonnen. Vater Friedrich, der vor 13 Jahren selbst Binnenschiffer gewesen ist, möchte seinen 13-jährigen Sohn Fritz für zwei Wochen zu seinem Bruder, den Onkel Justus, auf die MS HELGA schicken. Vater Friedrich und Onkel Justus haben ein sehr distanziertes Verhältnis, Geschehnisse aus der Vergangenheit haben dazu beigetragen. Aber Onkel Justus, der mag seinen Neffen und Nichten sehr und so ist der familiäre Kontakt auf Friedrichs Kinder zusammengeschrumpft. Fritz ist gar nicht begeistert, so weit weg von zu Hause auf diesem großen Schiff, ganz allein. Da ist der laute Motor, der komische alte Steuermann Michl und sein Cousin Albrecht, der 15-jährige Sohn und Schiffsjunge auf dem Schiff von Onkel Justus und mit denen kann er bestimmt nicht so absonderlich. Es wird schnell langweilig werden, seine Erfahrungen aus den letzten Ferien vor vier Jahren haben all das damals bestätigt. Aber Justus unterbreitet auf einmal den Vorschlag, Fritz soll sich doch einfach einen Schulfreund mitbringen. Somit wird der Nachbarsjunge Wolfi, den alle Wombl nennen, etwas jünger als Fritz, von ein paar Häusern weiter in ihrer Straße, dazu überredet, diese zwei Wochen mit Fritz zusammen auf der MS HELGA zu verbringen. Eine Reise mit vielen Abenteuern und Erlebnissen beginnt, eine fremde Welt mit ständig neuen Örtlichkeiten macht jeden Tag ereignisreich. Onkel Justus ist super und ganz anders lernen sie nun den erst gefürchteten alten Steuermann Michl kennen, denn der ist in Wirklichkeit vollgepackt mit tollen Geschichten und eigentlich ein recht lustiger Kauz. Auch Albrecht ist ein anderer geworden. In dieser Harmonie an Bord, voller Spaß und Abenteuer, hat sich Fritz vorgenommen, die beiden zerstrittenen Brüder irgendwie wieder zusammenzuführen. Ein schwerer Weg, der durch ein kleines unvorhergesehenes Unglück etwas einfacher werden soll.

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Etwas erlebt zu haben, egal, was es ist, verleiht einem das unveräußerliche Recht, darüber zu schreiben. Es gibt keine minderwertige Wahrheit.

Annie Ernaux

Inhalt

Vorwort

Sommerferien 1973, Fritz und die Tafel

Trautes Heim

Die Zeit, bevor Fritz 1961 geboren wurde, Opa hat sein Schiff versenkt

Hiobsnachricht zum Abendessen

Wird die Entscheidung fallen, muss das Kind an Bord?

Vorbereitung zur Abreise

Zwei Jungs, die auf der MS HELGA anmustern

Endlich an Bord, wo werden sie wohnen?

Spannendes Steuerhaus

Die erste Schleusenfahrt in seinem Leben

Die erste Nacht, oh mein Gott

Der Umzug ins Vorschiff

Herft, Tiefherft oder Herfte?

Lukendach, Scherstock und Merkling

Vom gebratenen Mumpf, Mampfsalat und Pichelsteiner Eintopf

Persenning, Braunteer und Kohleteer sowie Schöpfeimer

Wie Onkel Justus und Vater Friedrich das Schwarze erlebten

Schwenkbaumfliegen

Die Dicke Renate

Die Maaraue und das Ankermanöver

Fährmann oder wie man einer werden könnte

Telefonat mit den Eltern, es gibt schon jetzt so Vieles zu erzählen

Schmiererei auf der TIEFENTAL

Dem Vater Rhein hilflos ausgeliefert

Wenn alte Steuermänner albern werden, löschen in Amöneburg

Eine neue Reise, Getreide von Gelsenkirchen nach Bamberg

Das Binger Loch, auch wenn es knistert, durch muss es doch

Auf nach Duisburg

Die HELGA ist weg, schon wieder

Auf nach Gelsenkirchen

Der blaue Topf

Fischers Fritz, ein Angelabend in Gelsenkirchen

Braugerste, staubig und eine furchtbare Hitze

Endlich wieder telefonieren und Ratten an Bord

Gute Nacht an Deck

Echt kölnisch Wasser und Fritz muss ans Ruder

Kleiner Einkauf auf dem Proviantboot

Ankerkrachen am Morgen, bringen Kummer und Sorgen, der Ruderversager

Die feindlichen Brüder

Eine erheiternde Gebirgsdurchfahrt

Die Schraubenwasser-Temperatur und die Taufe

Schlecht Wetter im Rheingau und was der Michl alles weiß

Schlecht Wetter im Rheingau, Tanken in Mainz

Anker setzen im Binger Loch

Frankfurt, Offenbach und die spinnen doch

Maschinenversager und abgestürzt

Des Vaters rettende Hand

Unbemerkte Veränderungen zeigen ihr Gesicht

Wie steht's um Onkel Justus?

Der Weg zum Frieden

Es könnte ein Happy End werden

Die Versenkung der TIEFENTAL

Die Bergung im September 1947

Das Wasser muss raus

Danksagung

Glossar

Abbildungsverzeichnis

Zum Autor

Vorwort

Nun hab ich in den vergangenen Jahren schon in so manch ein Genre der Literatur hineingeschnuppert, sorgfältig sondiert, worin ich mich noch gerne mit ein paar Geschichten entfalten möchte. Und die Kategorie Kinder- oder in diesem Fall Jugendbuch fand ich besonders spannend. Da kann man sich nochmal so richtig in eine Zeit hineinversetzen, die man vielleicht gerne selber, genau so oder ähnlich erlebt hätte.

Diese Geschichte über Fritz und seinen Kumpel Wolfi spielt in einer Zeit, in der ich selbst noch ein paar Jahre von der Binnenschifffahrt entfernt war, auch wenn ich mir schon als 13-Jähriger, damals noch am Ufer der Donau, vorstellte, Binnenschiffer zu werden.

Es wurde daher notwendig, mich in eine umfangreiche Recherche zu begeben, um den erfahrenen Lesern gerecht zu werden, wo doch die Binnenschiffer so eigen sind. Vor allem wenn es sich um Leser handelt, die diese Zeiten begnadeterweise tatsächlich erleben durften.

Sie mögen es mir also nachsehen, wenn ich in der einen oder anderen Angelegenheit vom richtigen Weg abgekommen sein sollte, selbstredend war das nicht meine Absicht.

So ganz unerfahren bin ich dennoch nicht nach 43 Jahren aktiver Binnenschifffahrt, seit 1978. Ich versichere demnach hiermit, dass all diese Erlebnisse von Fritz und Wolfi genauso irgendwann einmal geschehen sind. Nur diejenigen, die sie womöglich so erlebt haben, das waren auch andere.

Vielleicht ist man bereit, den gesamten Buchinhalt in Augenschein zu nehmen, und dabei immer mehr zu dem Schluss zu kommen, dass es nicht wichtig ist, wer davon zu erzählen weiß. Es ist auch nicht wichtig, wer es niedergeschrieben hat und für die Nachwelt erhalten möchte. Viel wichtiger ist, dass es überhaupt jemand getan hat.

In diesem Sinne, wünsche ich gute Unterhaltung.

Der Autor

Sommerferien 1973, Fritz und die Tafel …

Es war der letzte Schultag in Eußenheim, eine kleine 3.250-Seelen-Gemeinde in Unterfranken, von Karlstadt am Main aus gesehen rund 10 Kilometer landeinwärts weiter in Richtung Hammelburg gelegen.

Als nächster Abschnitt für all die Kinder und nur eine Handvoll Lehrer dieser Schule standen ab heute, Freitag 20. Juli, bis zum sechsten September die Sommerferien 1973 an.

All das, was am letzten Tag noch gelehrt werden sollte, war soweit abgearbeitet und so kam es, dass die dicke, gut ergraute, gedrungen klein gewachsene Frau Nigel mit ihrem Riesenbusen, hochgestecktem Haar und der spitzen Hornbrille auf der Nase ihre 6. Klasse weitaus früher, als es laut Stundenplan gefordert wurde, nach Hause schicken konnte.

Abb. 001: Tafel.

An die Tafel hatte sie noch einen Abschiedsgruß geschrieben und sagte es noch einmal: „Passt auf Euch auf, Kinder, ich wünsche Euch allen eine schöne Sommerzeit. Fritz, Du machst die Tafel sauber“, sprach sie eher streng, „alle anderen bitte stellt die Stühle auf die Bänke und auf Wiedersehen.“

Das waren ihre letzten Worte, bevor ein Rumpeln und kratzendes Tosen von rückenden Stühlen und Bänken verursacht, den Raum durchklangen.

Eine ganze Herde Kinder, ausgewogen gemischt mit Mädchen und Jungen, auch aus den angrenzenden Nachbardörfern, verließen flott, andere freudeschreiend, „Auf Wiedersehen, Frau Nigel“, das eine der sechs Klassenzimmer dieser Dorfschule.

Und Fritz verdammt, der musste schon wieder die Tafel wischen, und er hasste Tafelwischen und seine Klassenlehrerin wusste, Fritz hasst Tafelwischen! Er konnte noch nie so gut mit der Frau Nigel und so ein bisschen hatte er schon immer den Eindruck, dass sie ihn das auch hin und wieder mal, sogar am Sankt-Nimmerleins-Tag noch, spüren lassen wollte.

Aber er wusste auch, „diese Tafel werde ich heute das allerletzte Mal wischen“, und bemerkte gar nicht, dass er dies heute ganz besonders sorgfältig tun wird, so als letzten, endgültigen Abschied. Es war nach tatsächlich vielen Jahren so ein ganz persönliches Ding zwischen ihm und dieser Tafel gewachsen. So komisch, dass er, wenn er an die Tafel herantreten musste, dieser zuflüsterte, „hör auf zu grinsen, Du schwarzes Monster“, oder wenn er an ihr rumwischte, „jaaaa, das gefällt Dir, Du Luder“, was aber sehr oft mit, „warte mal ab, wer zuletzt lacht, lacht am besten“, abgeschlossen wurde.

Eine Art komische Hassliebe war das zwischen den beiden. Als wenn sie, er und die Tafel, irgendwie, irgendwas, irgendwann in ihrem gemeinsamen Leben noch zu klären hätten. Immerhin hatte er schleichend das Gefühl erlangt, dass kein Schüler dieser Schule, kein Schüler dieser Welt, diese Tafel so oft wischen musste wie er.

Und als heute der letzte Wischer gemacht war, Fritz das Klassenzimmer verlassen wollte und er seinen Ranzen längst auf den Rücken geschnallt hatte, schien er auf einmal ein klein wenig unzufrieden darüber, dass dieses Ritual am heutigen Tage ein endgültiges Ende finden soll. Anders als sonst nahm er klimpernd diesen Blecheimer in die Hand, um ihn draußen im Flur in ein Waschbecken zu leeren, darin das schmutzige Wischwasser der letzten zwei Tage, worin der schon ziemlich zerfledderte Schwamm schwamm.

Er verharrte gedanklich langsamer werdend vor der Klassenzimmertür, die in den kurzen Flur weiter zum Ausgang des Gebäudes führte.

Fritz stand da und es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis er seine blauen unschuldigen Augen langsam nach links gerichtet noch einmal zur blitzblanken Tafel schweifen ließ und dachte dann: „Ohhhh nein, so geht das nicht, mein Freund. Heute bist Du fällig“, stellte den Eimer langsam und besonnen vor sich auf den Boden, beugte sich entschlossen hinunter, nahm den klatschnassen Schwamm aus dem Eimer heraus und warf ihn, so fest er nur konnte, klatschend an die Tafel, die gerade eben noch so sauber war wie nie zuvor.

Die Brühe rann an seinem Arm hinunter und über alle Tische hinweg und so triefte, während der nasse Schwamm durch die Luft flog, die weiße, kalkige Brühe auf Tische und Bänke und der Schwamm platschte an die Tafel, dass es nur so in alle Himmelsrichtungen, inklusive oben und unten, milchig weiß hinwegspritzte. Auf einmal schien Fritz erschrocken über diese massiven Auswirkungen seines fatalen, aber zielgerichteten Wurfes und blieb, nur sehr kurz, wie angenagelt stehen.

„Ach du Scheiße“, flüsterte er sich zu, aber nur so lange, bis er sich besser darauf besann, Fersengeld gebend, nichts wie weg, sich auf und davon zu machen.

Alles war ihm einfach egal. Er hinterließ diese Sauerei, ließ den Eimer stehen und weg war er.

Nun war er der letzte, fast der letzte, der das kleine Schulgebäude, um nicht aufzufallen, dann doch lieber langsam verließ und kein Mensch, kein Lehrer und kein Hausmeister, der die Türen meistens kurz nach Schulschluss abschloss, ist ihm mehr begegnet.

„Soooo“, sprach er zu sich, „nun ist das auch geklärt, verdammte Miststafel“, war sich sehr sicher, dass er dieses Attentat, so unerkannt wie er gewesen ist, vehement abstreiten konnte.

Eigentlich dürften ihn keine Bestrafungen mehr treffen, denn in dieser Schule war das sein letztes Schuljahr, er wird nie wieder hierher zurückkehren. Nur die Schüler bis zum Ende der 6. Klasse werden hier unterrichtet.

Nach den Sommerferien muss Fritz leider sehr viel früher aufstehen, um für die letzten zwei Jahre seiner Schulzeit nach Karlstadt in die Hauptschule zu fahren. Entweder mit dem Schulbus oder, wenn er Glück hat, mit seinem Vater, der jeden Tag nach Karlstadt fährt, da er dort in der Zementfabrik arbeitet. Aber die Fahrt in ihrem über 20 Jahre alten, klappernden, mattgrauen Brezelkäfer mit 24,5 PS, in dem er auch vorne sitzen durfte und den der Vater erst vor Kurzem in gebrauchtem Zustand erworben hatte, wird ihn dafür belohnen, so früh, schon um 5 Uhr, aufstehen zu müssen.

Fritz war mit fast schon 13 Jahren das älteste Kind seiner Familie. Ein schlaksiger, drahtig sportlicher Junge mit strohblonden, leicht gekräuselten Haaren, so groß wie andere in seinem Alter, ca. 1,50.

Als Erstgeborener hieß er eigentlich wie sein Vater, ebenfalls Friedrich. Aber um Vater und Sohn bei der Ansprache nicht zu verunsichern, wurde aus Klein-Friedrich Fritz.

Seine kleinen Geschwister, Bella, erst 4, und Gitti, erst 6, die nach den Ferien in dieser Schule in Eußenheim eingeschult wird, waren bisher immer zuhause und er war heilfroh darüber, dass er, der große Bruder, nicht das Leid ertragen muss, seine kleine Schwester jeden Tag mit zur Schule und danach wieder nach Hause zu begleiten.

Wo bliebe da sein freier und rücksichtsloser Heimweg, mal durch diesen Kuhstall bei Pfeifers, über den Acker vom Böhmbauer hinweg, wo die dicken Rüben wachsen, um sie dem alten braunen Klepper zu bringen, der auf der Pferdekoppel vom Bauer Gerstl steht. Es war gut, so wie es ist, und so kam Fritz an diesem letzten Schultag etwas später als sonst nach Hause.

Sein Vater, der Friedrich Schönberg sen., 1927 in dieser Gegend geboren, auch schon 46, war noch in der Arbeit. Seine Mutter Ruth, 1933 geboren, stammte gebürtig aus Mühlbach, einem kleinen Kaff auf der anderen Seite des Mains bei Karstadt und war gerade dabei, im Garten Wäsche aufzuhängen.

„Mensch Fritz, Du Streuner“, rief die Mutter aus der Ferne, „wo bleibst Du denn, Du wolltest doch mit der Mangel helfen.“

Eigentlich war sein früheres Nach-Hause-Kommen dazu verplant, mit der Mutter Wäsche in die Mangel zu nehmen, eine schon recht anstrengende Arbeit. Frau Schönberg hatte mit dem Erwerb einer gebrauchten Wäschemangel diese Arbeit, Wäsche auch für andere Dorfbewohner zu machen, als kleines Zubrot in die Haushaltskasse für sich entdeckt. Doch Fritz hatte es einfach vergessen, musste seinen letzten Kampf mit der Tafel austragen.

„Warte“, rief er einsichtig, „ich komme.“

„Na, jetzt bin ich fertig, Kind“, meinte die Mutter ein wenig enttäuscht, „geh mal schauen, was die Mädchen machen, die sitzen im Wohnzimmer.“

Die kleine Bella saß auf dem Boden und spielte mit allem, was sie mit ihren Händen ergreifen konnte. Gitti saß am Wohnzimmertisch und malte mit Sicherheit schon das 25. Bild am heutigen Tage. Keine von beiden haben seinen kurzen prüfenden Blick ins Wohnzimmer bemerkt.

Alles war in Ordnung, die vorbeischweifende Sichtkontrolle hat alles geklärt und Fritz ging zügig nach oben in sein Zimmer, das, seit Oma Ela verstorben war, seit ein paar Wochen seines geworden ist. Nur schlafen konnte er noch nicht darin, war Oma Ela doch drei Tage hier aufgebahrt, bevor der Boandlkramer die tote Oma vor ein paar Wochen abgeholt hat. Oma Ela war bei allen sehr beliebt, halt schon 92 und etwas neben der Spur. Und sie hat tatsächlich drei Tage und Nächte tot in dem Zimmer gelegen, das nun dem Fritz gehören soll.

Trautes Heim …

Familie Schönberg wohnt in diesem kleinen Standard-Siedlerhaus Nummer 17, das hier in der neu benannten Schlesischen Straße Haus an Haus emporgewachsen war. Die Eltern haben es, kurz bevor Gitti geboren wurde, Fritz ca. 7 Jahre alt und Bella noch gar nicht geplant war, von einem Neusiedler gekauft. Die vorherigen Eigentümer waren schlesische Heimatvertriebene von 1944 und haben 1958 hier in dieser Straße einen Bauplatz für dieses Siedlerhaus erhalten.

Als eine der wenigen Familien, die, soll kommen was will, wieder zurück nach Schlesien gingen, auch wenn ihre Heimat nun polnisch war, hatten beschlossen, dorthin zurückzukehren. Heimat war nun einmal Heimat.

So wurde das kleine, quadratische Standard-Siedlerhaus mit einem sehr steilen Dach und einem mit Latten provisorisch abgesteckten Grundstück rundum, das überwiegend der Bepflanzung mit essbarem Grünzeug diente, das Haus der Familie Schönberg. Vater Friedrich, Mutter Ruth, Fritz, Bella und Gitti und hin und wieder ein fetter, rot getigerter Kater, der Wilhelm hieß, wenn er auch mal wieder tagelang nicht zu sehen war, lebten hier sehr familiär wie andere Familien in den Nachbarhäusern.

Im Erdgeschoss befand sich eine Küche mit einem massiven Küchenherd, der mit Kohle und Holz befeuert werden konnte. Daneben schon ein Elektroherd, ganz neu von AEG. Ein schlicht möbliertes Wohnzimmer, an der Wand neben dem dunklen Wohnzimmerschrank eine nagelneue Musiktruhe mit Plattenspieler, Radio und Schwarz-Weiß-Fernseher mit drei Programmen. Eine wertvolle Technik, die nur der Vater bedienen durfte.

Neben der Musiktruhe befindet sich eine Tür, die irgendwann mal zu einer blühenden Terrasse führen soll. Noch führt sie auf das erdige Grundstück, auf dem das überwiegend essbare Grünzeugs, Salat, Möhren, Kräuter, Kartoffeln, Gurken usw. wucherte und in einem kleinen abgezäunten Stall sieben Hühner gackerten, die sehr fleißig immer für frische Eier sorgten. Der achte im Bunde, der Hahn, war bereits der fünfte oder sechste, seit die Familie hier lebt. Alle vorherigen landeten, vom Vater getötet, in der Suppe, weil sie in aller Herrgottsfrühe immer so laut gekräht haben. Der jetzige könnte eine lange Lebenszeit erwarten, denn er schien immer und ewig heiser zu sein, er will immer und kann nimmer so richtig laut vor dem Fenster des elterlichen Schlafzimmers „kickerikiiii“ krähen.

Unter dem einzigen alten Apfelbaum, der hier schon stand, bevor das Haus gebaut wurde, standen in greifbarer Höhe vier Hasenkäfige aneinandergereiht. Fritz sein kleiner, sehr enger Freundeskreis, denn er war für die vier Hasen Schecke, Braune, Rammelhammel und Fee verantwortlich. Füttern, Löwenzahn, Obst, Salatabfälle und Möhren sammeln, Heu beim Gerstlbauer holen und ausmisten stand auf seinem Tagesplan und er tat es immer gerne.

In den letzten zwei Jahren wurde auf Hasenbraten verzichtet. Gitti und Fritz waren sich darüber einig, ihre Freunde dürfen nicht mehr gegessen werden. Nun gehört auch so langsam Bella zu diesem Kreis der Hasenretter mit der klaren Botschaft, dass man Sachen, die Kinder erheitern und lieben, nicht essen darf. Durchgesetzt haben sie sich damit, als sie einmal zur Weihnachtszeit bei einer Nacht- und Nebelaktion all ihre Hasen in einen Bollerwagen setzten, um sie bei einem Freund im Dorf zu verstecken, so dass der Vater den erwünschten Weihnachtsbraten nicht finden konnte.

Einmal im Jahr darf Rammelhammel zu Schecke, Braune oder Fee in den Stall und ihr Nachwuchs, mal 3, 4 oder 5 Hasenbabys, wurden dann für kleines Taschengeld, für paar Pfennig in der Dorfgemeinde verkauft.

Sonst befanden sich im Erdgeschoss ihres Hauses noch das Schlafzimmer seiner Eltern, ein sehr kleines Bad mit Kohleofen und eine Toilette, deren Spülkasten unter der Decke unglaublich Radau machte, wenn man an der Leine zog.

Durch die Haustüre hindurch, links, führte eine steile, sicherlich 20 Stufen hohe Holztreppe hinauf. Nach unten führte eine Treppe in den Keller und in den Waschraum der Mutter. Für sie gab es hinter dem Haus einen Kelleraufgang nach draußen direkt in den Garten.

Im Obergeschoss, durch eine weitere Tür hindurch, befanden sich ein sehr kleiner Korridor und vier weitere Türen. Der Korridor war so klein, dass man sich darauf zu zweit fast nicht begegnen konnte. Direkt rechts ging es in die obere Toilette, die allerdings nur mit Waschbecken ausgestattet war und mit einem geradezu flüsternden Spülkasten. Geradeaus, keine zwei Schritte über den Korridor hinweg, ist das Kinderzimmer von Bella und Gitti, noch vor kurzem auch das Zimmer von Fritz. Neben dem ihren lebte noch vor kurzer Zeit Oma Ela, erst seit ein paar Wochen ist es Fritz sein Zimmer und daran rechts angrenzend war das obere Wohnzimmer der Oma.

Alle bis auf die Innenwände der Zimmer waren schräg. Das einzige, was hier unter dem Dach keine Dachschräge hatte, war der kleine, fast quadratische Korridor.

Das ehemalige Wohnzimmer von Oma Ela ist längst das Arbeits-, Bügel- und Wäschezimmer der Mutter geworden, auch wenn die Wäsche im riesigen, grauen, blechernen Wäschezuber im Keller gewaschen wurde. Die Feinheiten und das, was durch die Mangel genommen werden musste, wurden nach dem Trocknen unter dem Dach verrichtet. Es wirkte je nach Größe der Wäscheberge manchmal ein bisschen eng dort oben.

Aber da stand noch das steinalte Kanapee aus dunklem Nussbaum mit sehr hoher Rückenlehne, durchgesessen, von der Zeit gesegnet, mit dunkelblau bezogenen Samt-Sitzpolstern, deren Federn Fritz alle beim Namen kannte. Denn hier schlief Fritz seitdem er endlich sein eigenes Zimmer hatte, das er, wenn er zu Bett oder zu Kanapee geht, immer zweimal abschließt, damit Oma Ela ihn als Geist nicht heimsuchen konnte. Manchmal glaubt er, sie zu hören, nachts, wenn alles schläft, und nur aus diesem Grund, um diese Spukgeräusche zu übertönen, nimmt er das laute Tick Tack Tick Tack des alten Regulators an der Wand in Kauf, dessen Schlagwerk er aber verriegelt hatte. Jeden Morgen macht er sich als erstes daran, das Uhrwerk mit dem kleinen Schlüssel aufzuziehen, den er, damit der ja nicht verloren geht, in der linken Schublade des fast schwarzen Sideboards unter ein paar Tüchern versteckt hatte.

Die Mutter weiß von diesem Ritual und die Eltern sind sich darüber einig, dass Fritz diese Vorstellung, Ruths Mutter würde hier ihr Unwesen treiben, schon irgendwann als übertrieben betrachtet beenden wird. Auch wenn Vater Friedrich mit seinen blöden Scherzen immer mal wieder für Rückfälle sorgt, scheint Fritz auf einem guten Weg zu sein.

Er versteht zunehmend besser, dass Starkregen, der auf das Gebäude prasselt, oder klappernde Fensterläden, keine Tat von Oma Ela sein können, selbst wenn der Vater, meist bei Tisch, weil ihm belustigt danach ist, gern laut die Frage stellt: „Ist das Oma Ela oder Wind und Regen?“

Während die Mutter dann meist sagt, „ach Friedrich“, bemerkt Fritz schon sehr gut, dass sie sich dabei fortwährend grinsend zuzwinkern.

Rund um das graue Haus mit braunen Fensterrahmen und Fensterläden war alles noch ziemlich wild bewuchert. Man kam aus der ebenfalls braunen, schweren Haustüre heraus und schritt nur ein paar Stufen einen Hang hinab auf die gerade erst geteerte schmale Straße, auf der ein sich Begegnen von zwei Autos unmöglich war.

Es gab keinen Gehweg, nur Ranken und meterhohes Unkraut links und rechts der Straße und Vater Friedrich hat extra für seinen Käfer eine Stelle als Zufahrt freigeschaufelt, damit er sein Auto fast bis vor die Haustüre fahren kann, ganz dicht vor einen kleinen Geräteschuppen, in dem sein altes Moped, eine DKW Hummel mit 50 Kubikzentimetern Hubraum und 1,35 PS stand, die längst den Geist aufgegeben hatte.

Die Nachbarn waren alle irgendwie komisch, weil sie, die Familie Schönberg, die einzigen in der ganzen Straße waren, die keine Flüchtlinge gewesen sind. Es gab ein paar Kinder in seinem Alter, die hier geboren sind, aber fast nur Mädchen. Nur ganz am Ende der Straße wohnte Wombl, der fast ein Jahr jünger war als er, mit dem er sich hin- und wieder die Zeit vertrieb. Alle anderen Schulkameraden, fast alle älter, wohnten mehr im Dorfkern und nur langsam muss er sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie diejenigen sind, mit denen er nach den Ferien um einen Sitzplatz im Schulbus feilschen muss.

Die Zeit, bevor Fritz 1961 geboren wurde, Opa hat sein Schiff versenkt …

Diese Geschichte hat Fritz sich schon ein paar Mal anhören müssen. Sein Onkel Justus, der nur ein Jahr jünger war als sein Vater, hat sie erzählt und Vater Friedrich hat sie erzählt. Und das einzige, was er daran spannend fand, waren die beiden explodierenden Handgranaten, die dabei eine wichtige Rolle spielten.

Schifffahrt, in der seine Vorfahren schon sehr viele Jahre aktiv waren, interessierte ihn nicht wirklich, bekam er doch so weit landeinwärts vom Main gar nicht viel mit von diesem Fluss, der 10 Kilometer entfernt durch Karlstadt fließt. Ihre Sommerbadezeiten verbrachten die Kinder dieses Dorfes in kleinen Weihern, auch heimlich mal in Löschweihern, die in manchen Dörfern noch vorhanden waren.

Er weiß nur so am Rande, dass seine anderen Vorfahren und sein Opa Schiffer waren, der seine beiden Söhne, Friedrich und Onkel Justus, natürlich auch als Schiffer sehen wollte, was auch so geschehen ist. Als der Opa 1954 überraschend starb, haben die beiden Brüder den Schleppkahn des Vaters, der TIEFENTAL hieß, verkauft und ein gutes gebrauchtes, Fritz glaubt, 50-Meter-Motorschiff gekauft, dessen Name, soweit er sich erinnert, im Gedenken an seinen Opa auch TIEFENTAL gewesen ist. Diese TIEFENTAL haben sie 1960 schon wieder verkauft und wieder ein anderes, neueres, ein 67-Meter-Schiff gekauft, das wie Justus seine Frau, nur ohne MS, HELGA heißt. Und mit diesen beiden Schiffen nacheinander haben die beiden Brüder die Flüsse im In- und Ausland unsicher gemacht und gar nicht so schlecht verdient in dieser Zeit des Wirtschaftaufschwungs.

Beide hatten längst die nötigen Patente erworben und brauchten keinen weiteren Mann, Matrosen oder Schiffsjungen, um das Schiff bewegen zu dürfen. Es gab nie Streitereien, wer denn an welchem Tag Kapitän sein soll. Das haben sie einfach damit geregelt, dass Friedrich an den ungeraden Kalendertagen und Justus an den geraden Kalendertagen Kommandant spielt. So hatte jeder seine Zeit an Deck und seine Zeit im Steuerhaus, aber auch den Papierkram am Hals, der perfekt geordnet für beide im gleichen Maße verständlich war. Alles, was man nur zusammen bewältigen konnte, wurde gemeinsam erledigt.

Friedrich hat dann 1961 Ruth geheiratet, Friedrich Junior als Erstgeborener war im Anmarsch.

Und da hat dann sein Vater „in den Sack gehauen“, wie man so schön sagt. Er wollte bei seiner Frau und seinem Sohn bleiben und wurde Fabrikarbeiter. Bruder Justus fand das damals alles so Hals über Kopf gar nicht lustig und die beiden Brüder haben seitdem ein bisschen ein gestörtes Verhältnis, das sich aber über die Jahre wieder ein wenig normalisiert hat. Irgendwie muss es da um Geld gegangen sein, da sein Vater seinen Anteil am Schiff zurückhaben wollte. Aber Friedrich war seit jener Zeit nie wieder an Bord. Wenn die beiden sich trafen, dann nur noch bei Familienangelegenheiten, beim Telefonieren hin und wieder, wenn Justus seinen Bruder in der Dorfkneipe, der „Eiche“, anruft.

Da alle Schönberg-Jungs jeden Sonntag um 11 Uhr zum Stammtisch gingen, wusste Justus genau, wann er Friedrich dort erreichen kann. Böse und laut war keiner mehr, das Verhältnis war eher wortlos, still und distanziert.

Nur Fritz war schon mehrmals an Bord auf der MS HELGA. Einmal, mit ca. 6 Jahren, da wollte er unbedingt bei Onkel Justus mal mitfahren, nachdem er Tante Helga kennengelernt hatte. Mit 7 oder rund 8 Jahren wollte er nicht, aber er musste mitfahren, weil die Eltern ein paar Tage verreisen wollten.

An Bord gebracht hat ihn damals immer Mutter Ruth, erst mit dem Bus, dann mit dem Zug, dann wieder mit dem Bus und dann folgte ein langer Fußmarsch zu dem Liegeplatz, wo das Schiff gelegen hat. An und von Bord ging es immer irgendwo hier am Main, mal an einer Schleuse und mal in einem Hafen. So war das mit der Schifffahrt, die Fritz verband in diesem Dorf in Eußenheim.

Vater Friedrich war nur eine kurze Kriegszeit bei der Wehrmacht. Da er kurz nach Ende 1926, am 19. Januar 1927 geboren wurde, gehörte er zum „weißen Jahrgang“, war im September 1939 bei Kriegsbeginn noch zu jung, um von Anfang an eingezogen zu werden. Und wie sich diese Zugehörigkeit zum „weißen Jahrgang“ weiterhin auf ihn auswirken sollte, war 1939 noch nicht abzusehen, denn es war doch gar nicht klar, wie lange dieser Krieg dauern sollte.

Die Zeiten davor war ihr Vater sehr viel unterwegs und war strikt gegen die Militarisierung seiner beiden Jungs. Als einstiger kleiner Soldat im ersten Weltkrieg hatte er die Faxen dicke und setzte alles daran, seine Kinder davon fernzuhalten.

Doch gerade in den kleinen Dörfern fanden sich sehr arisch fühlende Anhänger des Regimes, jeder Dorfdepp tauchte auf einmal in irgendwelchen Uniformen auf und wollte ein Volk, ob jung, ob alt um sich scharen.

Vater Roland blieb daher so oft es ging an Bord, dort, wo diese Irren nicht allzu sehr vertreten waren. Friedrich und Justus wurden also oft aufs Schiff geholt und da herrschte striktes Uniformverbot.

Ihre Grundschulzeit, die Zeiten als Pimpfe beim deutschen Jungvolk ab 1933, war somit sehr durchsiebt mit Zeiten, die sie als normale Kinder an Bord verbrachten. Keiner der beiden hat jemals die Ehre erlangt, als Kind ein HJ-Fahrtenmesser zu tragen und es war ihnen auch nicht wichtig.

Ihr Vater war keiner, der die Hakenkreuzflagge im Mast führte, lieber hat er seinen Mast und den kleinen Kran Mittschiffs an Deck gelegt, damit es bloß nichts gibt, woran man diesen Fetzen, wie er ihn immer bezeichnete, hoch ziehen konnte. Auf seinem Schiff, gab es kein drittes Reich.

Im Verlauf der Jahre und dem Heranaltern seiner Kinder kam die Tatsache hinzu, dass beide Brüder Schiffsjungen und Matrosen wurden und in einem Familienbetrieb, bei einem Partikulier in der Binnenschifffahrt tätig waren. Damit galten beide Brüder zusätzlich eine sehr lange Zeit als unabkömmlich, entkamen dem aktiven Kampf. Sie mussten mit dem Schleppkahn ihres Vaters die Städte versorgen und später sogar unter militärischer Führung kriegswichtiges Material befördern. Keine Möglichkeit gab es für den Vater, sich dieser Diktatur zu entziehen. Wehrzersetzung, Befehlsverweigerung und andere lebensbedrohliche Fachausdrücke wurden geläufig. Da auch die Mutter, Gabi Schönberg, immer mit an Bord war, befanden sich alle zusammen in einem sicheren Umfeld und sie mussten zusehen, dass sie den Schleppkahn, die TIEFENTAL, in Betrieb halten.

Erst Ende September 1944 erhielten Friedrich und sein Bruder Justus kurz nacheinander doch noch einen Einberufungsbescheid und mussten mit 17 und 16 Jahren in den Kampf ziehen. Der Volkssturm, das letzte Aufgebot, die letzte Mobilmachung rief, alle wehrfähigen Männer des Landes an die Waffen.

Opa Roland, schon 1885 geboren, ließ seinen 42 Meter langen und knapp 7 Meter breiten Schleppkahn, 1904 in Frankfurt bei Leux gebaut, von einem Dampfschlepper in einen dicht bewachsenen Altarm des Mains kurz oberhalb Würzburg schleppen und versenkte diesen an einer seichten Stelle mit sehr wirkungsvollen Mitteln, damit die Russen oder wer auch immer das Schiff nicht beschlagnahmen, wenn sie kommen sollten, was Opa Roland irgendwie zum Ende 1944 schon riechen konnte.

Am 16. März 1945 war Würzburg nach bereits mehreren kleineren Luftangriffen durch einen weiteren furchtbaren Bombenangriff der britischen Royal Air Force zu 80% zerstört worden. Alle Brücken lagen im Main. Durch Fliegerangriffe versenkte Schiffe lagen im Fahrwasser, in Häfen und an Städten, Schleusen und Schifffahrt war nicht mehr möglich.

Die Siegermächte lauerten überall. Dass es hier im Würzburger Raum die Amerikaner werden würden, stand eigentlich schon fest. Viele Dörfer waren schon in deren Händen, andere wurden noch umkämpft. Alles war stark reglementiert, durch Sirenen wurden Sperrzeiten einberufen und aufgehoben, niemand durfte in diesen Zeiten auf den Straßen sein. Keiner durfte so richtig tun, was er wollte, dauernd folgten Kontrollen der G.I.s, man musste sehr redegewandt sein und immer ausreichend Erklärungen und Ausreden parat haben, um sich einigermaßen frei bewegen zu können.

Abb. 002: Versenkte Schiffe 1945 in Duisburg.

Einer fetten hausgemachten Leberwurst, die Opa Roland ganz bewusst immer am Mann hatte, konnte kein G.I. wirklich widerstehen. Das ging aber auch nicht lange, da selbst die Säue von den Amerikanern gezählt und das, was zu schlachten erlaubt war, kontrolliert wurde.

Aber Opa Roland war mit bald 60 Jahren schon ein alter Mann, seine Haut von der Sonne, immer auf dem Wasser, braun gegerbt und faltig, mit grauem Haar und Zwirbelbart. Man ließ ihn fast immer und überall passieren, wenn er mit dem Ochsenfuhrwerk längs des Weges kam. Viele und lange Wege waren es von Eußenheim zu diesem Altarm bei Würzburg. Eine mühsame Reise, die 4 bis 6 Stunden dauerte, auch wenn ausreichend Abkürzungen durch Wald und über Wiesen bekannt waren.

Überall war dennoch der Teufel los. Und es war gefährlich, sehr gefährlich. Opa Schönberg nahm sich für sein rettendes Vorhaben ausreichend Zeit und nach und nach wurden auch bei Nacht und Nebel das komplette Schiff, die Wohnung und alles, was einst zum Leben an Bord notwendig war, geräumt.

Erst 1932 hat er das große, schwere und lange Stockruder entfernen und ein kleines Steuerhaus mit Seil- und Kettenzugruder auf das Achterschiff hinter der kleinen Wohnung bauen lassen. Das galt es nun abzubauen und an Land zu schleppen. Auch der Haspel, das große Steuerrad, durfte nicht zurückbleiben. Der stand eine ganze Zeit lang im Zwangsurlaub an Land, gut bewacht im Wohnzimmer von Opa Roland.

Die Strau, die Bretter des Laderaumbodens, wurde herausgenommen und wie ein Bausatz mit Kreide durchnummeriert, was den Wiedereinbau erleichtern sollte. Alles wurde schließlich an Land geschleppt und dort gestapelt. Diese Sachen wurden in der folgenden Zeit nach und nach abtransportiert, denn es wäre zu leichtsinnig und naiv, sie hier zurückzulassen. Roland stand noch in Kontakt mit einem anderen Bauer hier in der Nähe, der gegen Mietzins einen Platz zur Einlagerung zur Verfügung stellen konnte, eine Scheune, irgendwo dort zwischen Wald und Wiese, wo sie für die Amis nicht interessant ist. Am Ende waren es allein 8 Fuhren, um diesen Berg an Brettern in Sicherheit zu bringen.

Der kleine Nachen, das Rettungsboot, wurde an Land gezogen, umgedreht und an einem Baum angebunden, der Anker und die dazugehörigen Kräne und Ketten. Selbst die Laderaumabdeckung, das Lukendach, der Verlademast nebst Ausleger, Merklinge und Scherstöcke wurden mit mehreren Transporten, die einige Tage dauerten, mit diesem Ochsenkarren an Land geschafft und in dieser Scheune eingelagert.

Diverse, nur alte Schiffsleute, die dem Krieg wegen ihres Alters entkamen, halfen sich gegenseitig dabei. Schiffer halfen sich immer untereinander, auch wenn ein jeder sein eigenes Geschäft machen wollte, waren sie im Umgang miteinander immer zuverlässig.

So blieb nach diesen vielen Aktionen nur eine total leere Schiffshülle übrig. Allein die Farbe klebte noch an dem Schiff, das es zu versenken galt.

Ein befreundeter Schifferkollege brachte in Tuch gehüllt und in einem Ranzen versteckt zwei schon ältere Stielhandgranaten 23 mit, die er irgendeinem toten Landser in einem Schützengraben abgenommen hatte. Und damit wurden zwei Löcher in den Schiffsrumpf gesprengt, so erzählte das kurzgefasst Opa Roland seinen Jungs, als die vom Krieg wieder kamen und nach ihrem Schiff fragten.

Die waren derzeit an der Westfront, überlebten aber alles unbeschadet, zogen fast direkt nach ihrem ersten, nur sehr kurzen Einsatz als Funker und Sanitäter in französische Gefangenschaft. Friedrich kam Anfang 1947 und Justus Mitte 1947 nach Hause. Sie hatten ein unfassbares Glück, diesen Krieg so unbeschadet überlebt zu haben.

Bereits kurz danach, als das Viermächtebündnis, Franzosen, Amerikaner, Engländer und Russen, das meiste an Reparationen eingeheimst hatten, wagten sich Opa Roland, Friedrich und Justus darüber nachzudenken, wie sie ihr Schiff wieder schwimmfähig machen können. Opa Roland wusste seit gut drei Jahren sehr genau, wo sie die Sprengsätze zum Versenken des Schiffes angebracht hatten. Nun ging es nicht mehr darum, wie sie das Schiff versenken, sondern wie sie es wieder heben können.

Im hinteren Buchteil, nach dem Ende der Geschichte wird von der Versenkung und der Bergung der TIEFENTAL genauer berichtet.

Hiobsnachricht zum Abendessen …

Der Vater legt großen Wert darauf, dass sich alle zum gemeinsamen Essen einfinden, wenn er schon mal zu Hause und nicht in irgendeiner Schicht in der Fabrik ist. So war der Tisch reich gedeckt und ein jeder aß, was die Auswahl hergab.

„Übrigens“, meinte der Vater dann und alle spitzten die Ohren, „ich hab mit Onkel Justus telefoniert. Du“, und schaute Fritz dabei an, „wirst nächste Woche, na mal sehen, für mindestens zwei Wochen zu ihm an Bord gehen. Gitti kommt zu Tante Renate und die süße Bella“, die rechts neben ihm saß und die er so ein bisschen in ihre Backe zwickte, „die kommt mit uns, gell mein Schatz?“

Bella grinste nur in ihrem blauen Lätzchen, den rosa Plastiklöffel durch die Gegend schwingend mit ihrem Schokoladenpudding verschmierten Mund, der eigentlich zum Nachtisch gedacht war. Die Mutter schwieg.

Fritz ließ sein Brot auf das Schmierbrett und sich selbst zurück gegen die Stuhllehne fallen und meinte entsetzt: „Waaaas? Ach Papa, aufs Schiff, oh neiiin, bitte nicht, ich habe Pläne, ich kann hier nicht weg. Wer macht meine Hasen und die Hühner? Was wird mit den Eiern, das sind doch“, und rechnete kurz, „5 Eier pro Tag, mal 14 Tage, gute 70 Eier, die uns durch die Lappen gehen.“

Der Vater unbekümmert über das Wohl der Eier schnitt seine Sülze: „Das machen die Nachbarn, können dafür auch die Eier behalten, kein Problem.“

„Mamaaaa“, flehte er die Mutter mit stechendem Blick an, „sag mal was.“

Aber die Mutter schwieg.

„Ich will nicht zu Onkel Justus“, suchte er nach Erklärungen, „der ist immer so streng und Tante Helga, die ist nur am Meckern und immer so laut, der Michl stinkt wie ein Esel und veräppelt mich immer. Ich kann da nicht hin, außerdem ist es stinklangweilig und ständig laut, ich könnte taub werden!“

Tante Renate, geborene Heilmann und 43, war die Schwester von Ruth, die noch immer ledig in Mühlbach lebt und der Michl, das war der Matrose oder, genauer gesagt, der Steuermann vom Justus, der schon so lange bei Justus an Bord war, wie Vater Friedrich an Land ist. Ein alter Kauz an die 60 Jahre alt, so 1,80 und ein Büffel von einem Mann. Graue wilde Haare, immer unrasiert und scheint seit Jahren nur eine Hose und ein Hemd zu haben, wobei man an seine Unterhose nicht denken mag. An der linken Hand hat er nur noch den Daumen und den Zeigefinger, die anderen wurden ihm auf einem Schleppkahn bei einem Manöver mit einem Räderboot durch eine Seilwinde abgequetscht. Das linke Bein zieht er ein wenig nach, eine Kriegsverletzung aus Russland.

„Wusstet Ihr eigentlich“, blieb Fritz dran, die Schiffsreise unmöglich machen zu wollen, denn clever und gewieft war er mehr als genug, „dass Tante Helga keine Bohne kochen kann? Mensch Meier, ich werde verhungern in dieser Zeit.“

„Tante Helga wird nicht an Bord sein“, wusste nun die Mutter zu berichten.

„Ja toll, soll ich dann Kohlen und Getreide essen oder was?“

„Onkel Justus ist ein ausgezeichneter Koch“, wovon wieder der Vater wusste, „der wird Dich kugelrund füttern, wirst schon sehen“, und grinste dabei ans andere Tischende zu seiner Ruth. „Außerdem wird Mama ein bisschen für Euch vorkochen und Dir mit an Bord geben.“

„Ochhhhh, bitte lasst mich doch einfach hier bleiben, ich werde bald 13, ich kann das und wohin wollt ihr überhaupt?“, begann nun die Flehphase.

„Wir fahren in den Urlaub in die Berge, mein Junge. Mama, Bella und ich, mehr können wir uns zurzeit nicht leisten und ich weiß gar nicht, was Du hast. Andere würden alles dafür geben, um mal so eine Reise auf einem Schiff zu machen!“

Und als Fritz mit der Gabel eine Scheibe Salami vom Wurstteller holte, fiel ihm ein: „Tzz, dann fahrt Ihr doch zu Onkel Justus und ich fahre in Euren Urlaub, ist doch ganz einfach.“

Der Vater, ein sehr guter Vater, der auch immer den richtigen Humor parat hatte, wenn es von Nöten wurde, meinte in sich hinein lachend: „Wir wollen nicht zu Onkel Justus, der ist immer so streng und Tante Helga, die ist nur am Meckern und immer so laut und kochen kann sie auch nicht die Bohne, wir würden verhungern. Und der Michl stinkt wie ein Esel und veräppelt uns immer, wir können da nicht hin.“

Fritz konnte sich wie alle anderen ein Lachen nicht verkneifen und doch blieben ihm jetzt erst mal nur die Worte: „Aaaach Mann, Papa, darf ich aufstehen? Ich will jetzt sauer in mein Zimmer gehen.“

„Geh, mein Junge, geh und beruhige Dich, es wird so gemacht und Ende der Diskussion. Hast ja noch paar Tage Zeit, Dich daran zu gewöhnen.“

Als Fritz enttäuscht die Küche verlassen hatte, sagte Ruth: „Irgendwie tut er mir leid, unser Großer, wusste gar nicht, dass er sich so sehr dagegen wehrt. So richtig wohl fühle ich mich dabei gar nicht, wenn wir da glücklich und zufrieden in den Bergen sind und er so unglücklich bei Onkel Justus.“

„Ach was“, war sich Friedrich sicher, „das gibt sich schon wieder, lass ihn erst mal an Bord sein und Justus mag unsere Kinder. Er fragt immer, wenn wir telefonieren, wie es ihnen geht, auch wenn wir in vielen Dingen nicht mehr einer Meinung sind, hatten wir an Brod bei unseren Eltern trotzdem die beste Kindheit, die man sich nur wünschen konnte. Schade, dass das alles vorbei ist. Außerdem ist sein Sohn auch an Bord, die kommen schon klar. Und ohne Tante Helga ist mein Bruder ein ganz anderer Mensch.“

Ruth verschluckte sich geradezu am Malventee: „Keuch, keuch, der Albrecht, och Mensch Fritz“, denn sie hatte die Gabe, wenn nur ein Friedrich im Raum ist, ihren Friedrich manchmal auch Fritz zu nennen, „das gibt doch Mord und Totschlag. Die können doch gar nicht miteinander, die beiden.“

„Ja Donner und Doria, willste jetzt in den Urlaub oder nicht, verdammt“, schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte, „wenn ich das jetzt schon gesagt hätte, hätten wir noch mehr Probleme. Außerdem wohnt der Albrecht doch bei Michl im Vorschiff, die können sich gut genug aus dem Weg gehen.“

Albrecht, Justus einziges Kind, war 15 und machte bei seinem Vater an Bord eine Ausbildung zum Binnenschiffer. Das letzte Mal, als Fritz vor fast vier Jahren auf dem Schiff war, musste er mit ihm im Etagenbett in dessen Kinderzimmer schlafen. Da saßen sie sich ständig auf der Pelle und hatten die ganzen Tage nur Zoff. Justus war von seiner Frau und seine Frau von den beiden Jungs, die sich nicht leiden konnten, genervt. Das war einfach nur ein Katastrophenurlaub damals.

„Soll ich nicht doch nochmal Renate fragen, ob sie vielleicht doch Gitti und Fritz nimmt für die Zeit?“, suchte Ruth nach einer Lösung.

„Ach Schatz“, wollte Friedrich nicht schlecht von Renate reden, „Renate so zart besaitet und nicht belastbar und das in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung, das würde niemals funktionieren. Unser Junge kann doch nicht mehr bei ihr im Bett schlafen. Er ist in einem schwierigen Alter, der muss was um sich haben, was ihn interessiert, etwas, was sich bewegt. In Mühlbach kennt er keinen Menschen. Die haben ja nicht mal eine Kuh im Dorf. Unser Fritz dürfte nicht einmal einen Furz lassen bei Deiner Schwester, Du kennst sie doch.“

Klein Gitti meldete sich unaufgefordert zu Wort: „Aber Tante Renate furzt doch auch und das ganz schön laut“, was den Raum erheiterte und sie natürlich ganz genau wusste, denn sie schlief noch bei Tante Renate im Bett.

„Also gut“, fuhr der Vater fort, „ich spreche am Sonntag mit Justus, aber ich denke, er wird sehr enttäuscht sein, dass sich sein Neffe so dagegen sträubt. Mal sehen, was er dazu sagt, aber Du weißt selber, nächste Woche muss das entschieden und geklärt sein. Zur Not fahr ich mit Bella alleine in die Berge, gell mein Schatz?“, und wischte ihr nun ihren Schokoschnabel ein bisschen ab.

Wird die Entscheidung fallen, muss das Kind an Bord? …

Die drei Tage bis Sonntag waren etwas trübe, Fritz kam noch immer nicht damit zurecht, dass er für mindestens zwei Wochen auf die MS HELGA muss. Zwei Wochen, so lange war er noch nie an Bord. Er war sich sicher, er würde sterben. Jegliche Versuche, doch noch einen Ausweg zu finden, scheiterten.

In den darauffolgenden Tagen traf er sich für gemeinsame Unternehmungen immer wieder mit Wombl, dem Jungen aus dem Nachbarhaus am Ende der Straße. Wombl hieß eigentlich Wolfgang Strobl oder wie seine Mutter und Fritz ihn nannten, Wolfi. Er war in diesem Jahr 12 geworden, also knapp ein Jahr jünger als Fritz. War nicht fett, fast so groß wie Fritz und ebenfalls nur dunkelblond. Wolfi ist nur ein bisschen gut gebaut und den Spitznamen Wombl hat er irgendwann mal in der Schule aufs Auge gedrückt bekommen, was ihn selbst nicht weiter störte.

Doch er war ein Muttersöhnchen, trug noch immer die speckigste kurze Lederhose im ganzen Dorf, eine in dunklem Grün, während Fritz sich längst dagegen gewehrt hat und kurze Stoffhosen tragen durfte. Er musste nicht nur, sondern wollte immer pünktlich auf die Minute zu Hause sein, ging jeden Tag mit einem riesen Einkaufskorb für die Mutter zum Einkaufen, selbst wenn er nur ein halbes Pfund Butter holen sollte, hatte immer abgezähltes Geld dabei und wenn er von Schönbergs ein paar Eier geschenkt bekam, hat er sie am liebsten einzeln nach Hause getragen, da von vielleicht zwei eines kaputtgehen könnte. Ständig war er entsetzt, wenn es bei ihren Ausflügen schmutzig wurde, war ängstlich und skeptisch gegenüber allem, was er nicht kannte, saß in einer Reihe von Jungs immer ganz außen und man musste hart darum kämpfen, wenn man mal einen Streich gemeinsam mit ihm ausüben wollte.

Nichts also war leicht mit Wolfi. Und er hatte nur Fritz, mit dem er am besten auskam, und Fritz kam mit ihm und seinen Marotten klar. Obwohl er doch nur ein paar Häuser weiter wohnte, war Wolfi fortlaufend der, der aufgesucht werden wollte. Keiner, der auf einmal in der Tür stand und Unternehmungen forderte.

Irgendwann fielen dann mal die Fragen, was der eine und der andere so alles geplant hat in den Sommerferien und so erzählte Fritz davon, dass er zu seinem Onkel Justus an Bord muss, aber gar nicht will. Wolfi erzählte, dass sie dieses Jahr nicht verreisen werden, da sie letztes Jahr ein neues Wohnzimmer gekauft haben. Er fand das aber schon spannend, dass Fritz ganze zwei Wochen auf einem Schiff sein wird, was dann aber für ihn nicht vorstellbar wurde, so weit weg von Mutti, ließ es sich aber nicht nehmen mitzuteilen, dass er gar nicht wüsste, was er zwei Wochen ohne seinen einzigen Freund, den Fritz, treiben soll.

Für den Sonntagmittag war das Sonntagsessen anberaumt, eine normales Ritual, jeden Sonntag aufs Neue. Und Fritz, der sich der Idee der Eltern noch nicht entziehen konnte, wusste nicht, dass sein Vater am Stammtisch in der Eiche von seinem Bruder angerufen wurde. Der aber erzählte dann auf einmal.

„Also Familie“, begann er, „wie meistens am Sonntag hat mich in der Eiche Euer Onkel Justus angerufen.“

Justus hatte natürlich auf dem Schiff kein Telefon und musste immer schauen, dass er irgendwo an einer Schleuse, einem Hafen oder einer Stadt an Land kommt, um mal eben eine Telefonzelle aufzusuchen, damit er seine Telefonate machen konnte. Mit dem einzigen Funkgerät, das er an Bord hatte, tätigte er auf Kanal 20 den Kontakt zu den Schleusen und mit Kanal 10 den Kontakt zu den Schiffen untereinander.

Er konnte nur auf dem Rhein, aber nicht auf den Nebenwasserstraßen vom Schiff aus an Land telefonieren. Dies war darüber hinaus ziemlich aufwendig. Es musste dazu ein Gespräch bei einer stationären Funkstation, die Koblenz Radio hieß, angemeldet werden. Diese verbanden dann das Gespräch. Zu all dem ist eine Schiff-Land-Funkverbindung sehr teuer. Teuer bedeutete hier tatsächlich viele DM und nicht nur einige Pfennige mehr.

An den Schleusen konnte man telefonieren, dafür war dann aber die Zeit sehr beschränkt und wenn drei Matrosen telefonieren wollten, wurde es schon schlecht für den, der bis zuletzt warten musste. Man musste daher gewieft und schnell sein, sollte die Standorte der nächsten Telefonzellen gut kennen und das nicht nur in seiner Heimatstadt.

Vater Friedrich schaute seinen Sohn bei diesem Gespräch sehr direkt an.

„Justus ist ein bisschen enttäuscht darüber, dass Du nicht zu ihm an Bord willst. Er dachte, Ihr mögt Euch.“

Worauf Fritz gleich einging: „Aber klar mag ich Onkel Justus, ich mag nur das Drum Herum nicht, warum versteht das denn keiner.“

Die Mutter meinte: „Wir verstehen Dich doch, Fritz, aber nun hör mal, was der Papa sagt.“

Alle Blicke richteten sich zum Stuhl des Vaters.

„Also“, sprach er, „Justus meint, wenn Du glaubst, Dir könnte das alles zu langweilig werden, dann sollst Du Dir einfach einen Schulfreund mitbringen, den will er dann gerne mit durchfüttern.“

Fritz war freudig überrascht, das wäre ja ganz was anderes, wenn er nicht alleine dahin müsste, und überlegte skeptisch: „Hmmmmm, aber wen soll ich denn da fragen, so viele sind es ja nicht gerade, mit denen ich zwei Wochen zusammen auf einem Schiff verbringen will.“

„Was ist denn mit diesem Wombl?“, fragte die Mutter.

„Er heißt Wolfi, Mama, Wolfi, nicht Wombl, aber der darf das niemals, da brauch ich gar nicht dran denken. Ihr kennt doch seine Mutter, die erlaubt das nie. Die holt ihn ja sogar noch von der Schule ab, wenn ich mal später aus habe wie er, und dreckig machen darf er sich auch nicht. Aber wenn ich mir da jemanden dafür vorstellen kann, dann wäre es schon der Wolfi, glaub ich“, war er sich doch nicht so ganz sicher, denn zwei Wochen ununterbrochen haben die beiden auch noch nicht miteinander verbracht.

„Okay“, klatschte der Vater mit der Hand auf den Tisch, „dann wird es so gemacht und nur damit Du es gleich weißt, Du und Wombl …“

„Wolfi, Papa!“

„Gut, dann Wolfi, Ihr werdet bei Justus im Achterschiff schlafen, Albrecht wohnt jetzt im Vorschiff bei Michl.“

Wieder sackte Fritz in sich zusammen: „Kommen da noch mehr schlechte Neuigkeiten, der Albrecht ist auch dabei? Ich dachte, Tante Helga ist mit Albrecht gar nicht an Bord.“

„Das hab ich nicht gesagt“, sprach nun die Mutter, „Albrecht ist doch schon fast ein Jahr als Schiffsjunge bei seinem Vater. Das hast Du wohl nicht mitbekommen? Er wohnt doch jetzt im Vorschiff, Ihr kommt Euch doch gar nicht in die Quere.“

„Ohhh Mann“, meinte Fritz, „ich weiß nicht, der wird Wolfi bestimmt auch anfangen zu hänseln, der ist doch so ein Stenkerhannes.“

„Dann haut Ihr ihm zusammen ein paar aufs Maul, verdammt nochmal“, wurde der Vater wütend. „Ihr seid doch zu zweit und Justus wird schon aufpassen, dass das alles mit rechten Dingen zugeht.“

Fritz musste ein bisschen grinsen über den durchaus ernstgemeinten Ratschlag seines Vaters, sprach eher besonnen: „Also gut, dann fahr ich halt“, und direkt etwas lauter hinterher, „aber nur, wenn Wolfi mitkommt.“

„Also“, wurde der Entschluss vom Familienoberhaupt verkündet, „nächste Woche Mittwoch wird Justus mit seiner HELGA, Gott sei Dank nur das Schiff, hahaaa, in dieser Gegend sein. Mama wird Euch an Bord bringen, da ich sowieso Schicht habe. Du, Schatz, müsstest mal mit Frau Strobl sprechen, damit die ihren Wolfi auch freigibt für diese Zeit, sonst kann sie in Zukunft ihre Wäsche selber mangeln. Fein, dann wäre ja alles geklärt.“

Am Nachmittag hatte die Mutter das Wäschepaket für Frau Strobel schon parat gelegt und rief Fritz von oben herunter: „Komm mal am besten mit, damit Du gleich selber hörst, was sie sagt.“

Und so klingelten sie an der Tür bei Strobels. Wolfi war sonntags immer bei seinen Großeltern.

Herr Strobel öffnete verwundert: „Ach, Frau Schönberg, heute am Sonntag, was muss ich bringen, wie immer 5 Mark?“, und streckte schon die Arme nach der Wäsche aus.

Zögerlich sprach sie: „Ja genau, 5 Mark, aber ich wollte noch kurz Ihre Frau …“

Und sie wurde auch schon unterbrochen: „Moment, ich hole

sie.“

Abb. 007: HELGA geschlossen. Abb. 008: Typenschild HELGA.

Die beiden Mütter standen sich gegenüber, in der Mitte der Fritz. Die eine reichte der anderen ein 5-Mark-Stück.

Und gaaanz vorsichtig nach, „Hallo, wie geht's“, und, „schönen Sonntag“, kam noch, „Frau Strobel, ich habe da mal eine Frage …“

Während Fritz mit erhobenem Haupt immer wieder den Blick einmal zu seiner Mutter, dann zu Frau Strobel hin und her drehte, verstand er die Schwere der Verhandlung. Entsetzen zeichnete sich bei Frau Strobel ab, sie war fast sprachlos, trotz aller guten Argumente von Mutter Ruth.

„Unser Wolfi auf einem Schiff, oh Gott, zwei Wochen lang.“

Man verblieb so, dass die beiden Strobel-Eltern das besprechen wollen und Bescheid geben, wenn sie sich entschieden haben.

Nun blieb es spannend, Fritz und seine Mutter gingen wortlos nach Hause. Es war ein herrlicher Sommerabend, Fritz machte hinterm Haus seine Hasenställe sauber, während Gitti den Braunen streichelte und Schecke bei Bella im Laufstall im Schatten des Apfelbaums auf dem Schoß saß. Der Vater räumte ein bisschen rum, Mutter Ruth war mal wieder an ihrer Wäsche.

Und da kamen Herr und Frau Strobel um die Ecke, Ruth ließ Wäsche Wäsche sein und stellte sich ganz nah neben ihren Friedrich und es wurde zum knistern spannend.

„Guten Abend, zusammen“, sprach Herr Strobel.

Frau Strobel war ein wenig zögerlich mit dem, was sie sagen wollte, ergriff aber das Wort.

„Alsooo, Herr Schönberg, jetzt haben wir lange diskutiert …“

Alle Blicke waren auf die beiden gerichtet.

„Das ist ja das erste Jahr, dass wir mit unserm Wolfi nicht in den Urlaub fahren können, und mein Mann meint, wenn der Fritz dann auch nicht da ist, geht uns der Junge doch ein so alleine und es wäre vielleicht ganz gut, wenn mein Wolfi mal ein bisschen weg kommt und ein paar neue Erfahrungen macht.“

Doch im Anschluss betonte sie dennoch sofort: „Ich fühle mich aber nicht so recht wohl bei der ganzen Geschichte. Aber die letzte Entscheidung muss der Wolfi selber fällen, der ist noch bei meinen Eltern, können wir uns so darauf einigen?“

Während die Eltern sich ein wenig aneinanderdrückten, um ihre Freude nicht allzu sehr zu zeigen, war Fritz total happy über diese Nachricht, vermied aber seine Freude zu zeigen und so blieb es bei einem breiten Grinsen. Der Urlaub in den Bergen war gerettet und Fritz war sich sicher, dass Wolfi nicht nein sagen wird. Immerhin wirkte er wenigstens ein bisschen interessiert, wenn er vom Schiff erzählte.

Vorbereitung zur Abreise …

Wolfi war am nächsten Tag nicht so richtig begeistert von dem, was in seiner Abwesenheit ausgeklüngelt wurde, aber wie schon von Fritz vermutet, sehr interessiert und nicht abgeneigt, diese außergewöhnliche Reise mitzumachen. Alles war dazu geklärt. Nun werden sich die beiden Jungs mal von einer anderen Seite kennenlernen, denn es geht nicht mehr um ein paar Stunden Spielen am Tag.

Es kann losgehen, ab zu Onkel Justus auf die MS HELGA. Der Vater hat seinem Bruder über die Reederei eine Nachricht zukommen lassen, er solle in der Eiche anrufen und dort eine Nachricht hinterlassen, wann er wieder anrufen kann. Friedrich wird dann dort sein und kann den Anruf entgegennehmen. Fritz musste so alle Stunde mit Mutters Fahrrad ins Dorf radeln und in der Eiche fragen, ob denn Onkel Justus schon angerufen hat und wann genau der Gesprächstermin mit seinem Vater stattfinden soll. Dieses Vorgehen war bei der Familie Schönberg nichts Besonderes. Es wurde schon immer so gehandhabt, damit eine Sprechverbindung zum Schiff überhaupt möglich wurde.

Früher kam manchmal die Tochter vom Eiche-Wirt angeradelt und hat gesagt, dass jemand angerufen hat und dass der um eine gewisse Zeit wieder anruft. So konnte man zur vereinbarten Zeit dort sein. Das war zwar einfacher, aber sie ist jetzt schon 16 und hat andere Flausen im Kopf. Wenn es wirklich ganz dringend oder ein Notfall ist, dann kommt einer von den Stammtischfreunden und informiert. Aber wirklich nur im Notfall. Die ganzen Siedler hofften schon seit Jahren darauf, dass nun endlich auch ihre Straße eine eigene Telefonleitung bekommen soll.

Das Gespräch mit Justus hatte stattgefunden, der sehr darüber erfreut war, dass es doch noch klappt mit seinem Neffen bei ihm an Bord, und es sollte schon in drei Tagen losgehen. Am Donnerstag gegen Mittag soll die MS HELGA an der Schleuse in Himmelstadt eintreffen, das ist die nächstgelegene Schleuse von Eußenheim, rund 15 Kilometer entfernt.

Herr Strobel hat sich angeboten, mit Mutter Ruth die beiden Plagen an Bord zu fahren. Er hat sich dazu entschlossen, weil er verhindern will, dass die Mutter Strobel sieht, wo genau sich ihr Kind in den nächsten Wochen aufhalten wird. Denn das Risiko, dass sie dann vielleicht doch noch NEIN sagt, war für alle Beteiligten einfach zu groß. Außerdem war ihr kleiner, ziemlich neuer, roter Fiat 500 schon jetzt viel zu klein für zwei Erwachsene, Gepäck und zwei Kinder.

Ungeahnt wurde Fritz auf einmal nervös, je näher dieser Tag heranrückte, ja sogar Freude schlich sich mehr und mehr ein, während die beiden Mütter das klärten, was für Wolfi alles in diesen zwei Wochen notwendig wird. Die Strobels hatten absolut keine Ahnung von Schiffen und Schifffahrt und Fragen türmten sich auf.

„Ja, wo schlafen die denn da, Wolfi kann sicher nicht in einer Hängematte schlafen, was gibt es zu essen, wer kocht eigentlich? Gibt es da auch eine Badewanne und eine richtige Toilette? Was ist, wenn er krank wird? Werden denn die Unterhosen reichen? Wird es nicht zu kalt sein? Zu viel Salzwasser soll ja nicht gesund sein. Was sind das für Leute da auf dem Schiff? Der Junge mag keinen Fisch, gibt es einen Kapitän und muss das Kind denn auch arbeiten? Ist es nicht sehr schmutzig und gefährlich?“

Annähernd ähnliche Fragen wollte Wolfi von Fritz beantwortet wissen, bis auf den Unterschied, dass die ganzen Männer an Bord ganz genau beschrieben werden mussten.

Wie im Fluge verstrichen die Tage, alle Unklarheiten waren durch Diskussionen und Erklärungen beseitigt und Frau Strobel schien sich mehr und mehr damit abzufinden, dass ihr Wolfi die nächsten Wochen in andere Hände gegeben wird.

Zwei Jungs, die auf der MS HELGA anmustern …

Am frühen Morgen, Fritz wurde vom Vater geweckt, der gleich in die Arbeit musste, sollten noch ein paar gute Ratschläge vom Vater zum Sohne erfolgen, bevor es heute an Bord geht. Immerhin war er selbst einst ein aktiver und sehr erfahrener Schiffer, sogar Kapitän, der nur sehr selten seinen alten Arbeitszeiten, doch mehr seiner Kindheit an Bord hinterher trauerte. Ein wenig räkelte Fritz sich noch gähnend, als er sich zu ihm auf den Rand des Kanapees setzte.

„Wie schläft es sich eigentlich auf dem ollen Ding hier“, wollte er in diesem Zusammenhang wissen, „wusstest Du eigentlich, dass Opa Gerald vor ungefähr zwanzig Jahren ganz überraschend darauf gestorben ist?“

„Waaaaas, Du immer mit Deinen blöden Scherzen, Mann Papa, warum erzählst Du mir das?“, war Fritz hellwach und setzte sich aufrecht hin, schauderte ihn doch diese Vorstellung.

„Ach, das ist so lange her, ich habe da auch nicht mehr dran gedacht, aber das ist kein Scherz, mein Junge, das stimmt wirklich. Das Kanapee stand früher in der Wohnung Deiner Großeltern, den Eltern Deiner Mutter, weit bevor wir hierher gezogen sind. Er saß hier an einem Nachmittag und hat ein Buch gelesen.“

Nach diesen Worten stand der Vater auf und holte aus dem gläsernen Aufsatz des dunklen Sideboards ein Buch heraus, das die Oma dort aufbewahrt hatte.

„Dieses Buch hier, siehst Du“, und reichte es Fritz.

Der Titel lautete Und sagte kein einziges Wort von Heinrich Böll.

„Und als Oma Ela von der Nachbarin nach Hause kam, saß er da noch immer aufrecht, das Buch war auf den Schoß gesunken und Opa Gerald hat einfach so die Augen zugemacht und war gestorben.“

Fritz holte tief Luft: „Das stimmt wirklich, oder?“, war er durcheinander und das noch, bevor der heisere Hahn gekräht hat.

„Ja natürlich, wäre wirklich ein schlechter Scherz, oder? Aber gut, ich dachte, ich erzähl Dir das einfach mal. Und von Opa Geralds Geist bist Du doch auch noch nicht heimgesucht worden, oder?“, musste der Vater die Spannung brechen, „wenn Du also wiederkommst, kannst Du ruhig in Deinem Bett und Deinem Zimmer schlafen, denn in Deinem Bett ist keiner gestorben, okay Fritz?“

Der runzelte die Stirn, musste das erst verarbeiten und Gott seis gepriesen, in den nächsten zwei Wochen muss er das noch nicht entscheiden.

„Schön, lass Dir Zeit damit. Wenn Du wiederkommst, wird es sicher sehr viel einfacher werden.“

Der eigentliche Grund, warum der Vater den Sohn weckte, war aber ein anderer. Diese Geschichte mit dem Opa Gerald hatte sich jetzt einfach so ergeben. Aber eigentlich wollte er Fritz ans Herz legen, dass ein Schiff kein Spielplatz ist und dass der doch auch darauf achten soll, dass der Wolfi nicht plötzlich doch zu leichtsinnig wird.

„Du hast jetzt auch eine große Verantwortung, denk daran.“

Hinweise prasselten auf ihn ein und Fritz schien ein bisschen genervt darüber, dass sein Vater anscheinend vergessen hat, dass er nicht das erste Mal bei Onkel Justus an Bord ist, bemerkte aber doch, so schlau wie er war, dass der Vater sich doch ein ganz klein wenig um ihn, aber auch um Wolfi sorgte.

„Geht immer auf dem Lukendach, am Besten in der Mitte des Schiffes, geht nicht in den Gangborden, wenn das Schiff fährt, oder am besten gar nicht, bleibt auf dem Lukendach. Rennt nicht unnötig rum und denkt daran, es kann immer und überall rutschig sein, nicht dass mir einer über Bord geht oder in den Laderaum fällt. Bleibt im Dunkeln in der Wohnung und macht keine Dummheiten.“

Da musste Fritz einfach unterbrechen: „Wenn das jetzt alles die Frau Strobel gehört hätte, hahaaa, Mensch Papa, ich bin fast 13, ich mach das schon.“

Doch der Vater fügte noch hinzu: „Ich weiß, mein Junge. Hier sind noch 20 Mark. Ich weiß, Du wirst es nicht brauchen, auf dem Schiff selber braucht man kein Geld, aber sicher ist sicher“, und legte es auf das Sideboard.

Es folgte noch eine feste Umarmung und Fritz hätte noch ein wenig schlafen dürfen, wenn der Opa Gerald nicht gewesen wäre. Also stand er auf und machte sich langsam für seine Reise fertig.

Weiterhin war er mit dem Opa, dem Vater seiner Mutter beschäftigt, so was Irres, da hat er tagelang auf einer Ruhestätte geschlafen, auf der einer gestorben ist, und tatsächlich lebt er noch. Doch hatte er noch eine verantwortungsvolle Aufgabe vom Vater erhalten, die ihn auf andere Gedanken bringen wird.

Es soll an diesem besagten Donnerstag, um 10 Uhr von der Eiche aus bei der Schleuse Himmelstadt anrufen. Womöglich wissen die dann schon, wo sich die HELGA befindet oder wann sie an der Schleuse erwartet wird. Und wenn der Schleusenmeister noch nichts weiß, solle er es um 11 Uhr nochmal versuchen.

Herr Strobel stand schon mit seinem Fiat auf der Auffahrt und belud fleißig den Dachgepäckträger mit den Koffern der Jungs, als Fritz um kurz nach 11 Uhr von der Eiche zurückgeradelt kam. Er konnte in Erfahrung bringen, dass die HELGA im Anmarsch ist und durfte gleich verkünden, dass Justus sich entschieden hat, mit der HELGA am Hafen Karlstadt anzulegen, und er würde schon um 12 Uhr da sein. Da wäre eine Mauer direkt am Main und er müsste nicht am schrägen Ufer vor der Schleuse Himmelstadt die schwere Laufplanke an Land zerren, damit die Jungs unbeschadet und einfach an Bord kommen. Zu allem Glück waren so auch nur 10 Kilometer bis zum Schiff zu fahren.

Der Fiat war beladen, Mutter Strobel brachte schniefend ihren Wolfi, in der Hand ein Taschentuch. Sie wollte so lange im Hause der Schönbergs bleiben und auf die Mädchen aufpassen.

„Dann wird's aber Zeit“, stellte man fest, „wollen wir den Mann mal nicht so lange warten lassen. Also kommt, alles einsteigen“, war Vater Strobel im Begriff, den schweren Abschied zu verkürzen.

Wolfis Mutter ging noch einmal in die Knie, um den Knaben zu drücken: „Pass bloß auf Dich auf und rufe in der Eiche an, wenn was ist, wir holen Dich dann sofort ab, mein Junge, egal, wo Du bist.“

Keiner hat ihr anscheinend gesagt, dass es auf einem Schiff gar nicht so einfach ist, mit dem schnell mal telefonieren gehen. Wolfi schien nur ein bisschen betrübt, wurde aber sofort wieder von seinem Vater wachgerüttelt.

„Fritz und Wolfi nach hinten, zack zack, ist ja nicht auszuhalten diese Heulerei hier. Sie auch, Frau Schönberg, einsteigen“, klang das wie ein Befehl.

Herr Strobel flüsterte noch mit einem Blick zurück: „Bis gleich, Schatz, beruhige Dich“, schloss die Tür und startete den Wagen.

Wolfi blickte mit Fritz hinten aus der kleinen Heckscheibe hinaus und beide winkten der zurückgebliebenen trauernden Mutter zu.