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Schmerz - Blut - Liebe - drei kurze Worte mit viel Bedeutung - welche die Autorin in dieser Anthologie zu ergründen sucht. In ihren dunklen, erotischen und fantasievollen Kurzgeschichten und Gedichten nimmt uns die Autorin Monika De Giorgi mit in ein paranormal- romantisches Märchenreich, in dem uns keine Frösche und Prinzen erwarten, aber dafür sexy Werwölfe, Vampire und Geisterwesen - die nicht erst wachgeküsst werden müssen.
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Seitenzahl: 107
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SCHMERZ – BLUT - LIEBE
von
Monika De Giorgi
Impressum:
Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency
© 110th / Chichili Agency 2014
EPUB ISBN 978-3-95865-035-0
MOBI ISBN 978-3-95865-036-7
Urheberrechtshinweis:
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Für
Mama, Papa, Karina und Stefano.
Es war gestern
Es war heute
Es war Tag
Es war Nacht
Traumschatten von Umarmungen
Wunden von Küssen
Vernarbtes Herz
Vertrauen verloren
an die Unendlichkeit
Tod im Wahnsinn
Chaos im Wandel
Ich bin Dein
Nein
Ich bin Mein
„Spielen kann Spaß machen, man muss nur darauf achten, nicht selbst zum Ball zu werden!“, wisperte er tonlos zu sich selbst.
Diese Warnung, ausgesprochen von seiner Schwester, hallte in ihm nach wie eine düstere Prophezeiung. Er hätte auf sie hören sollen und nicht mit einem frechen Lächeln verkünden: „Schwesterlein, du weißt doch, ich gewinne jedes Spiel. Du bist immer viel zu besorgt.“
Jess war wirklich immer sehr schnell besorgt, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass sie mit ihrer Warnung recht behalten hatte. Denn obgleich sie diesen Satz sehr allgemein gehalten hatte, war dieser doch vor allem für ihn bestimmt gewesen.
‚Ja‘, dachte er. ‚Hätte ich nur wirklich etwas mehr über ihre Worte nachgedacht, dann hätte ich nicht durch meine Verspieltheit, mehr oder weniger mein Dasein verspielt.‘
Nun aber saß David ziemlich in der Tinte, bzw. mit verbundenen Augen und mit dünnen, aber starken Ketten gefesselt auf der Rückbank eines Wagens und raste auf der Autobahn einem zwar ungewissen, doch zugleich auf bittere Weise sehr festgelegten Schicksal entgegen.
Denn sein Spiel hatte David zu einem „Toy“ gemacht, was bedeutete er war nicht mehr wert, als das Spielzeug eines kleinen Kindes, wenngleich ein sehr teures Spielzeug und wenn er seinem „Besitzer“ nicht mehr gefiel würde er entweder auf dem „Toy Market“ landen oder gar online an den Meistbietenden versteigert. Die Zeiten da man Menschenhandel verboten hatte, waren schon lange vorbei. Davon abgesehen, war er kein Mensch mehr, er war ein „Toy“, ein Spielzeug. „Toys“ waren zuerst Menschen gewesen, die aufgrund irgendwelcher Verbrechen ihre Rechte verspielt hatten und nur wagemutige und besonders reiche Personen hatten solche erstanden. Irgendwann war daraus ein Massenmarkt geworden und jeder der etwas auf sich hielt, besaß nun ein „Toy“, wie man ein Handy besaß. Manche der „Toys“ hatten sich freiwillig verkauft, um ihren Schulden und ihrem selbst zerstörten Dasein zu entfliehen. Andere waren Nachkommen anderer „Toys“, gezüchtet wie Rassehunde und natürlich gab es immer noch die ursprünglichen „Toys“:
Verbrecher die ihre Rechte verspielten …
Die genauen Vorgänge, wie sich „Toy-Handel“ etabliert und als rechtmäßig gestaltet hatte, kannte David nicht. Er hatte sich nie für Politik interessiert. Genauso wenig wie für Wirtschaft und vieles andere. Hauptsache es ging ihm gut und er konnte leben, wie es ihm gefiel. Tja, aber damit war es nun augenscheinlich vorbei.
Wieder unterdrückte er ein Seufzen, um nicht die unliebsame Aufmerksamkeit des Fahrers auf sich zu lenken. Wie hatte er sich nur in diesen Schlamassel reiten können? Wäre er doch nicht so verdammt neugierig! Wäre er doch nie auf die Idee gekommen, Sandro auf diese exklusive Party zu begleiten.
Egal wie sexy Sandro war, man konnte ihm nicht vertrauen. Auch er hatte das gewusst. Doch er hatte sich stets als Spielleiter gewähnt und das Spiel hatte ihm zu viel Spaß gemacht, als dass er es so schnell hätte beenden wollen. Zu heiß war es gewesen, noch jetzt kribbelte sein Körper wenn er an die Finale der einzelnen Runden dachte, doch letztendlich war er es gewesen, der sich die Finger verbrannt hatte.
‚Jess, hätte ich doch auf dich gehört!‘, sandte er seiner Schwester eine stumme Entschuldigung für den Spott, den sie von ihm als Dank für ihre Warnungen und Sorgen erntete.
Im Grunde, das gestand sich David nun ein, war es nämlich Sandro gewesen, der ihm den Kopf verdrehte, nicht umgekehrt. Sandro mit dem sexy Akzent, dem gewinnenden Lächeln, den dunklen Augen und dem Körperbau eines Athleten. Sandro hatte mit ihm gespielt, wie eine Katze mit einer Maus …
Er hob die gefesselten Hände und fuhr sich durch das schulterlange, blonde Haar und wischte sich dabei verstohlen eine Träne von den glatt rasierten Wangen. Unter der schwarzen Binde, so ahnte er, waren seine sonst immer mutwillig funkelnden, grünen Augen rot und wund vom Weinen heimlicher Tränen.
„Ein wunderschönes Grün“, flüsterte ihm Sandro sinnlich in seinem Geist zu.
In letzter Sekunde unterdrückte er ein Schluchzen. Trotzdem lauschte er danach eine Weile ängstlich, ob sich irgendetwas änderte, z.B. die Geschwindigkeit des Autos. Er wollte nämlich mit den Folgen der Aufmerksamkeit seines neuen Besitzers nicht unbedingt allzu bald Bekanntschaft machen. Im Grunde nie! Wie alle Angehörigen der „Oberschicht“, zu denen auch er gehörte, hatte er sich über „Toys“ und ihr Dasein nie wirklich Gedanken gemacht. Sie gehörten inzwischen einfach zum täglichen Leben und dienten zur Freude, erfüllten aber auch manche Aufgaben. Für ihn war die Hauptsache, dass sein „Toy“ funktionierte und verfügbar war. Doch mit regelmäßigen „Updates“ und „Upgrades“, wie Impfungen, Vitaminspritzen, Nahrungszusätzen und Untersuchungen aus der „Toy-Zentrale“, die es in jedem besseren Stadtteil gab, war dies im Grunde gewährleistet. Außerdem gab es dort Schulungen für die „Toys“. Die kreativen Köpfe dort ließen sich exquisite Spiele für ihre Kunden einfallen.
Ein illegales „Toy“ wie David erhielt eine solche Ausbildung natürlich nicht, was besonders gefährlich für seine Existenz war. Ein Fehler und er war in Gefahr auf der Müllkippe zu landen. Aber er hatte nie gelernt, diese Fehler zu vermeiden. David fragte sich, ob sein Schicksal die Strafe dafür war, seinen „Toy-Boy“ häufig an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit getrieben zu haben und dabei des Öfteren vergaß, dass dieses Spielzeug eigentlich ein Lebewesen, ein Mensch war. Auf der anderen Seite, das wusste David mit Gewissheit, gab es schlimmere Besitzer als ihn. Er hatte Seven nie misshandelt oder gequält und, wenn er so frei sein durfte, dies zu behaupten: Seven hatte … meistens … auch seinen Spaß gehabt, auch wenn es wahrscheinlich nicht angenehm war zu wissen, dass man nicht mehr als ein „Toy for joy“ war und jederzeit durch Nr. Eight ersetzt werden konnte.
‚Ich habe ihm nicht mal einen Namen gegeben‘, schämte er sich und sank noch tiefer in den Wagensitz, als hoffe er darin zu verschwinden. Aber das wäre zu schön gewesen. Ob er wohl einen neuen Namen erhielt? Oder als schiere Zahl enden würde?
Alle „Toys“ erhielten erst einmal Nummern, bevor sich ihre Besitzer theoretisch entschlossen, ihnen einen Namen zu geben, somit wurde es Zeit, sich von David zu verabschieden. Nicht nur vom Namen, von der Person David an sich. „Toys“ waren keine Person mehr, sie waren Gegenstände.
In diesem Moment stoppte der Wagen.
Er zuckte erschrocken zusammen. Angst stieg in ihm auf, die ihn leise wimmern ließ.
„Du darfst Dir die Beine vertreten, Five!“, sprach ihn da der Fahrer an. „Aber denk nicht einmal an Flucht.“
Five – Fünf. Dies war also sein vorläufiger Name. Oder auch der Zukünftige, falls sich sein Besitzer als ebenso gleichgültig erwies, wie er es gewesen war.
Er hätte gerne eine Toilette aufgesucht, aber er wagte es nicht, darum zu bitten, ihm die Ketten und die Augenbinde abzunehmen. So begnügte er sich damit, aus dem Wagen zu klettern, als der Fahrer die Türe entriegelte, und sich zu strecken. Er hatte das Gefühl von unzähligen Augen angestarrt zu werden. So verschnürte „Toys“ wie er waren selten. Die meisten Besitzer beließen es bei einem Halsband, oder ließen ihre Haustierchen sogar frei laufen. Um dafür zu sorgen, dass die wertvollen Stücke nicht fortliefen, reichte inzwischen ein kleiner Sender, der mit dem Mobilfunknetz des jeweiligen Besitzers in Kontakt stand. Dieser Sender wurde dem „Toy“ bei der Erstuntersuchung nach dem Besitzerwechsel unter die Haut gespritzt. Verließ dieses nun einen bestimmten, vom Besitzer festgelegten Radius, löste es einen Alarm auf Handy und PC des Besitzers aus. Vorausgesetzt natürlich diese waren angeschaltet.
Er selbst war noch nicht mit einem solchen Sender versehen, war er doch ein illegales, der angeborenen Freiheit beraubtes „Toy“.
Er tastete nach dem Wagendach und wollte wenigstens eine Runde um das Auto gehen, als ein kurzer Aufschrei an sein Ohr drang. War das der Fahrer gewesen? Dann wurde er hart am Oberarm gefasst und vom Wagen fort gezerrt. Hilflos stolperte er mit, wagte nicht Fragen zu stellen oder sich gar zu wehren. Außerdem: Er war nur noch Besitz und Besitz konnte man entwenden, was, wie er vermutete, soeben geschehen war. Erschreckend, wie egal ihm sein Dasein schon war!
Wie durch ein Wunder stolperte er nicht. Er wurde in ein anderes Auto geschubst und ihn den Sitz gepresst. Seltsamerweise schien ihm dessen Geruch vertraut- erinnerte ihn an sein eigenes. Und auch das Startgeräusch des Motors erschien ihm bekannt zu klingen. Da wurde ihm die Augenbinde vom Kopf gerissen. Eine Weile blinzelte er gegen die plötzliche Helligkeit an. Dann wandte er sich neugierig dem Fahrer zu und er blickte in zwei nur allzu bekannte dunkle Augen, in denen aber ein noch nie gesehenes kämpferisches und selbstbewusstes Funkeln lag.
„Dafür möchte ich einen Namen!“, war alles was Seven sagte, bevor er sein Gesicht wieder der Straße zuwandte.
Die Luft duftet nach Flieder …
Ja, Geliebter.
Die Nacht ist warm
Ja, der Frühling ist da
Frühlingswinde liebkosen mein Haar
Ja, sie liebkosen auch mich, Liebster
Der Himmel ist wunderschön.
Ja, die Sterne erblühen wie Sommerrosen
Gesegnet, wer dies erblicken darf
Ja, Geliebter, wahrlich gesegnet
Ich höre Tränen in Deiner Stimme
Der Wind schluchzt in den Apfelblüten
Weine nicht, Geliebter, weine nicht um mich.
Aber ich bin dann ohne Licht
Ich werde immer für Dich leuchten.
Man fand ihn im Schnee liegend, ganz in Weiß gekleidet, sein langes schwarzes Haar um ihn ausgebreitet, wie ein Schleier. Sein Herz durchbohrt von seiner eigenen, exotischen Klinge. Das rote Blut färbte den Schnee und die Brust seines fremdländischen Gewandes.
Und seitdem wandert er – „Der Mann in Weiß“.
Der ruhelose Geist des Samurai.
Er ist ein so traurig-schönes Gespenst, dass manche, die ihn das erste Mal erblickten, plötzlich an Engel glaubten. Und sein Geheimnis zu ergründen, habe ich mir vorgenommen.
Meine Großmutter erzählte mir gerne über ihn, auch wenn meine Eltern die grausigen Geschichten lieber von mir fern halten wollten. Meine Mutter war, nachdem sie meinen Vater heiratete, ausgezogen „aus diesem abscheulichen Steinhaufen“ und seitdem verbrachte sie so wenig Zeit wie möglich unter diesem Dach, im Grunde gar keine. Sie hatte sich mit ihren Eltern überworfen.
Doch sobald ich alt genug war, selbst eine Zugfahrkarte zu erstehen, hatte ich meine Großeltern besucht und war dort herzlich aufgenommen worden. Mich faszinierten die Vergangenheit meiner Familie und „mein Erbe“, wie meine Großeltern sich immer wieder ausdrückten.
Und seitdem mir „Der Mann in Weiß“ schon in der ersten Nacht im Haus meiner Vorfahren einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte, bestrickte mich dieses Gespenst und schon sein wunderschöner, exotischer Anblick ließ mich eine traurig-romantische Geschichte vermuten.
Er wirkte sehr viel stofflicher, als ich mir Gespenster immer vorgestellt hatte und zuerst dachte ich, er wäre ebenfalls ein Gast meiner Großeltern, doch nur auf den ersten Blick, dann erkannte ich … fühlte ich … seine … fremdartige Wesenheit und zugleich seine Traurigkeit. Dann verschwand er. Einfach so. Ich wusste, ich hatte einen Geist erblickt.
Doch, wie kam ein asiatisches Gespenst in ein englisches Herrenhaus?
Sakuya war sein Name, erzählte meine Großmutter mir, verwundert darüber, dass ich zwar zuerst erschreckt, doch dann nur noch von aufgeregter Neugierde erfüllt schien. Innerlich erfüllte mich auch Mitleid. Er wirkte so traurig. Ihr eigener Urgroßvater, fuhr sie fort, hatte den Samurai von einer Japanreise mitgebracht. Der ausländische Fremde wich nie von der Seite meines Ahnen und erweckte natürlich die Neugier, aber auch die Missgunst vieler, die ihren Urgroßvater, einen reichen und einflussreichen Mann der Oberschicht, umgaben, erzählte sie mir. Sie verstanden nicht, was die beiden verband und sie waren erschreckt von Sakuyas bannender Schönheit, welche die Anmut ihrer eigenen Frauen oftmals übertraf.
Er musste wirklich strahlend schön gewesen sein, sogar in den kurzen Momenten, in denen ich ihn erblickte, hatte ich erkannt, dass die Erzählungen hier nicht übertrieben. Sein Gesicht war fein geschnitten und perfekt modelliert, sein Haar lang, seidig-glänzend und tiefschwarz. Seine Gestalt schlank und von tänzerischer Anmut.
Doch, so wandte meine Großmutter ein, er war auch gefährlich gewesen. Aber gerade das hatte seine bannende Aura noch verstärkt, auch seine Unnahbarkeit. Nicht sein verlockendes, wenngleich ach so seltenes Lächeln hatte ihn so gefährlich gemacht – in seinen fremdartigen, seidigen Gewändern barg Sakuya eine Klinge – schlank und anmutig, wie er selbst. Doch präzise und tödlich. Dass Sakuya es verstand, das Katana, wie es genannt wurde, zu führen, daran gab es keinen Zweifel.