Scholomance – Tödliche Lektion - Naomi Novik - E-Book
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Scholomance – Tödliche Lektion E-Book

Naomi Novik

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Beschreibung

Eine Magierschule, in der Versagen den sicheren Tod bedeutet ...

Scholomance ist eine Magierschule, wie es sie noch nie gegeben hat: keine Lehrer, keine Ferien, Freundschaft nur als Mittel zum Zweck und sehr ungleiche Überlebenschancen. Es gibt nur zwei Wege heraus aus der Schule – die Abschlussprüfung oder den Tod.
Galadriel, genannt El, ist bestens vorbereitet auf die Gefahren der Schule: Sie hat zwar niemanden, der ihr hilft, aber eine starke dunkle Gabe, mit der sie problemlos auf einen Schlag die Monster auslöschen könnte, die überall in der Schule lauern. Aber das würde auch ihre Mitschüler treffen. Anders als der unerträgliche Schulstar Orion, der ständig Leben rettet, tut El deshalb alles, um diese Gabe nicht zu nutzen – es sei denn, sie hat keine andere Wahl ...
Unzählige Fans sind von den bildgewaltigen und genial erzählten Geschichten der Bestsellerautorin Naomi Novik begeistert. Ihre starken Heldinnen widersetzen sich Konventionen und zeichnen sich durch Komplexität aus. »Scholomance« bietet dunkle und gewitzte Abenteuer voller unerwarteter Wendungen.

Alle Bände der »Scholomance«-Trilogie:

Scholomance – Tödliche Lektion (Band 1)
Scholomance – Der letzte Absolvent (Band 2)
Scholomance – Die goldenen Enklaven (Band 3)

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Seitenzahl: 557

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Naomi Novik

Aus dem amerikanischen Englischvon Doris Attwood

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.»Tödliche Lektion« ist ein fiktionales Werk. Namen, Figuren, Orte und Ereignisse sind entweder ein Produkt der Fantasie der Autorin oder sie sind fiktional gebraucht. Jegliche Ähnlichkeit zu realen – lebenden oder toten – Personen, Ereignissen oder Orten ist vollkommen zufällig.

Text © 2020 by Temeraire LLC

© 2021 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Die Originalausgabe erschien erstmals 2020 unter dem Titel »A Deadly Education. Lesson One of The Scholomance« bei Del Rey in der Verlagsgruppe Penguin Random House LLC, New York.

Del Rey is a registered trademark.

This translation is published by arrangement with Del Rey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Aus dem amerikanischen Englisch von Doris Attwood

Lektorat: Luitgard Distel

Illustrationen Vor- und Nachsatz: Elwira Pawlikowska, © 2020 by Penguin Random House LLC

Gestaltung Vor- und Nachsatz: David G. Stevenson

Illustrationen S. 469 und 471: © 2020 by Penguin Random House LLC Umschlaggestaltung: Nele Schütz unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock.com (Gluiki, intueri, Lena_nikolaeva , jumpingsack, Archiwiz, Nadezhda Shuparskaia, Gleb Guralnyk)

kk · Herstellung: AJ

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27027-8V003www.cbj-verlag.de

Für Lim, einen Lichtbringer in der Dunkelheit

Kapitel 1 Seelenfresser

Nachdem er mir zum zweiten Mal das Leben gerettet hatte, beschloss ich, dass Orion sterben musste. Bis dahin hatte ich mich nicht groß um ihn gekümmert, aber alles hatte seine Grenzen. Es wäre in Ordnung gewesen, wenn er mir wirklich außergewöhnlich oft das Leben gerettet hätte, zehnmal oder dreizehnmal vielleicht: Die Dreizehn ist immerhin eine Zahl von Bedeutung. Orion Lake, mein persönlicher Bodyguard – damit hätte ich leben können. Aber wir waren inzwischen schon fast drei Jahre auf der Scholomance, und er hatte bisher keinerlei Neigung gezeigt, mir eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen.

Ihr werdet denken, wie egoistisch von mir, mörderische Absichten gegen den großen Helden zu hegen, dem ein Viertel unseres Jahrgangs sein Weiterleben verdankt. Tja, Pech für all die Loser, die sich nicht ohne seine Hilfe über Wasser halten können. Wir sollen nämlich gar nicht alle überleben. Die Schule muss schließlich irgendwie gefüttert werden.

Ah, aber was ist mit mir?, fragt ihr euch, wenn er mich genauso retten musste? Sogar zweimal? Nun, genau das ist der Grund, warum er verschwinden muss. Er war es, der die Explosion im Alchemielabor letztes Jahr ausgelöst hat, als er gegen diese Chimäre kämpfte. Ich musste mich anschließend selbst aus den Trümmern graben, während er im Kreis herumrannte und auf ihren Feuer speienden Schwanz einprügelte. Und dieser Seelenfresser war noch keine fünf Sekunden in meinem Zimmer, als Orion zur Tür hereinplatzte. Er muss ihm dicht auf den Fersen gewesen sein. Wahrscheinlich hat er ihn durch den ganzen Flur gejagt. Das Ding ist nur hier reingestürmt, weil es auf der Suche nach einem Fluchtweg war.

Aber wer würde sich das schon von mir anhören wollen? Die Sache mit der Chimäre ist vielleicht nicht an mir hängen geblieben – an dem Tag waren mehr als dreißig Schüler im Labor. Eine ganz andere Sache ist dagegen eine dramatische Rettungsaktion in meinem Zimmer. Was den Rest der Schule angeht, falle ich damit jetzt unter die allgemeingültige Kategorie: »Unglückselige Würmer, die Orion Lake im Laufe seiner grandiosen Laufbahn gerettet hat«, und das ist unerträglich.

Unsere Zimmer sind nicht besonders groß. Orion stand nur ein paar Schritte von meinem Schreibtischstuhl entfernt. Noch immer keuchend beugte er sich über die blubbernden, violett schimmernden Schleimspuren des Seelenfressers, die jetzt in die schmalen Ritzen zwischen den Bodendielen drangen und sich großflächig in meinem Zimmer verteilten. Der verblassende Schein seiner Hände beleuchtete sein Gesicht. Kein besonders außergewöhnliches Gesicht: Er hatte eine breite Adlernase, die eines Tages, sobald der Rest seines Gesichts etwas aufgeholt hatte, vielleicht sogar etwas Dramatisches an sich haben würde, im Augenblick aber war sie einfach zu groß. Sein silbergraues Haar, das schon vor drei Wochen einen Schnitt vertragen hätte, klebte ihm an der Stirn, von der Schweiß tropfte. Den Großteil seiner Zeit verbringt er hinter einer praktisch undurchdringlichen Wand hingebungsvoller Bewunderer, weshalb ich ihm noch nie zuvor so nahe gekommen war. Er richtete sich auf und wischte sich den Schweiß mit dem Arm ab. »Bei dir alles okay – Gal, stimmt’s?«, fragte er, nur um noch mehr Salz in die Wunde zu streuen. Wir waren schon seit drei Jahren in derselben Laborgruppe.

»Nichts ist in Ordnung, dank dir und deiner grenzenlosen Faszination für jedes finstere Geschöpf, das in diesen Mauern herumschleicht«, erwiderte ich eisig. »Und ich heiße nicht Gal, mich hat noch nie jemand Gal genannt – ich heiße Galadriel!« Der Name war nicht meine Idee, also schaut nicht so. »Aber falls das für dich zu viele Silben auf einmal sind, tut es auch El.«

Sein Kopf war nach oben geschnellt und er blinzelte mich überrascht an. »Oh. Äh. Ich … bitte?«, stammelte er mit sich überschlagender Stimme, als würde er überhaupt nicht verstehen, was hier vor sich ging.

»O nein«, erwiderte ich. »Bitte, mein Fehler! Ganz offensichtlich spiele ich meine Rolle nicht, wie es sich gehört.« Ich legte mir in einer melodramatischen Geste die Hand an die Stirn. »Orion, ich hatte solche Angst«, seufzte ich und warf mich ihm an den Hals. Er geriet ein wenig ins Wanken, da wir beide gleich groß waren. »Zum Glück warst du hier, um mich zu retten. Ich wäre nie und nimmer ganz allein mit einem Seelenfresser fertiggeworden.« Ich hickste ein erbärmliches falsches Schluchzen an seiner Brust.

Kaum zu glauben: Er versuchte tatsächlich, einen Arm um mich zu legen und mir die Schulter zu tätscheln, so selbstverständlich war das für ihn. Ich rammte ihm den Ellenbogen in den Magen und stieß ihn weg. Er japste wie ein Hund, taumelte rückwärts und glotzte mich an. »Ich brauche deine Hilfe nicht, du unerträglicher Gaffer«, fauchte ich ihn an. »Halt dich von mir fern oder es wird dir noch leidtun!« Ich schubste ihn noch einen Schritt rückwärts und knallte die Zimmertür zwischen uns zu, wobei ich die Spitze seiner Adlernase nur um wenige Zentimeter verfehlte. Mit Befriedigung hatte ich für einen flüchtigen Augenblick seine völlige Verwirrung bemerkt, bevor sein Gesicht hinter der blanken Metalltür verschwunden war, die ein großes geschmolzenes Loch an der Stelle aufwies, wo eigentlich der Türknauf und das Schloss sein sollten. Danke, du Held! Ich starrte wütend darauf, dann drehte ich mich wieder zu meinem Schreibtisch, gerade als der letzte Rest des Seelenfressers in sich zusammenfiel. Er zischte wie ein leckes Dampfrohr und ein widerwärtig fauliger Gestank erfüllte den Raum.

Ich war so wütend, dass ich sechs Anläufe brauchte, bis ich den richtigen Zauberspruch bekam, um alles sauber zu machen. Nach dem vierten Versuch sprang ich von meinem Stuhl auf, schleuderte die entsprechende, bereits ziemlich zerfledderte antike Schriftrolle zurück in die undurchdringliche Dunkelheit auf der anderen Seite meines Schreibtischs und brüllte wutentbrannt: »Ich will keine Armee von Skuvaren heraufbeschwören! Ich will keine tödlichen Flammenwälle herbeizaubern! Ich will nur mein Zimmer sauber machen, verdammt noch mal!«

Als Antwort kam aus der Leere ein grauenhafter Wälzer auf mich zugeflogen, mit einem Einband aus blassem, sprödem Leder mit Dornen an den Eckbeschlägen, die unangenehm über den Metallschreibtisch schabten, als er darüberschlitterte. Das Leder stammte vermutlich von einem Schwein, aber irgendjemand hatte offensichtlich den Anschein erwecken wollen, dafür sei einem Menschen die Haut abgezogen worden, was fast genauso schlimm war. Es klappte von selbst auf einer Seite auf, und dort stand die Anleitung, wie man eine ganze Schar von Leuten auf einmal unterjochte, damit sie alles taten, was man von ihnen verlangte. Ich nehme an, sie hätten auch mein Zimmer sauber gemacht, wenn ich es ihnen befohlen hätte.

Ich musste tatsächlich einen der dämlichen Kristalle meiner Mutter herausholen, mich auf mein schmales, quietschendes Bett setzen und zehn Minuten lang meditieren, umgeben von dem Gestank des Seelenfressers, der sich in meinen Kleidern, meinem Bettzeug sowie meinen Büchern und Heften festsetzte. Da eine komplette Wand des Raums fehlt und einen dramatischen Blick freigibt auf eine mystische, in Dunkelheit liegende Leere, was ungefähr so angenehm ist, als würde man auf einem Raumschiff leben, das direkt auf ein schwarzes Loch zusteuert, könnte man denken, dass sich jeglicher Gestank schnell verzieht – aber das stimmt nicht. Nachdem es mir endlich gelungen war, die »Außer mir vor Wut«-Phase zu überwinden, schubste ich das Schweinslederbuch über die hintere Kante meines Schreibtischs zurück in die Leere – wobei ich es vermied, es tatsächlich zu berühren, und stattdessen einen Stift dazu benutzte, nur für alle Fälle. Dann sagte ich so ruhig, wie ich konnte: »Ich möchte einen einfachen Haushaltszauber, mit dem ich unerwünschten Dreck inklusive üblen Geruch beseitigen kann.«

Missmutig knallte – rums – ein riesiger Band mit dem Titel Amunan Hamwerod, voll mit Zauberformeln in Altenglisch – die ausgestorbene Sprache, die ich am schlechtesten beherrschte –, vor mir auf den Tisch und klappte noch nicht einmal an einer bestimmten Stelle auf.

So was passiert mir andauernd. Manche Hexen und Zauberer haben eine Affinität für Wettermagie oder für Verwandlungszauber oder für fantastische magische Kampfkünste wie unser guter Orion. Ich habe eine Affinität für Massenvernichtung. Das ist natürlich alles die Schuld meiner Mum, genau wie mein dämlicher Name. Sie ist eine von denen mit Blümchen, Perlen und Kristallen, die im Mondschein für die Göttin tanzen. Für sie ist jeder ein ganz wunderbarer Mensch, und wenn irgendwer etwas Schlimmes macht, ist er einfach nur missverstanden oder unglücklich.

Sie bietet sogar Massagebehandlungen für Gewöhnliche an, weil es »einen selbst so entspannt, Menschen zu helfen, sich besser zu fühlen, mein Schatz«. Die meisten Hexen und Zauberer geben sich nicht mit menschlicher Arbeit ab – sie gilt eher als niedere Tätigkeit –, und wenn sie es doch tun, dann gehen sie irgendeiner sinnlosen Beschäftigung nach. Zum Beispiel der Typ, der nach 46 Jahren in ein und derselben Firma in den Ruhestand geht, wobei sich niemand so genau daran erinnert, was er dort eigentlich gemacht hat. Oder die zerstreute Bibliothekarin, die man gelegentlich dabei beobachten kann, wie sie durch die Bibliothek streift, ohne wirklich etwas zu tun. Oder der dritte Vizepräsident der Marketingabteilung, der sich nur zu Besprechungen mit dem höheren Management blicken lässt. Solche Leute eben. Es gibt Zaubersprüche, mit denen man Jobs wie diese finden oder sie heraufbeschwören kann, und dann hat man für das zum Leben Notwendige gesorgt und trotzdem noch genügend freie Zeit, um haufenweise Mana anzusammeln und das Innere seiner billigen kleinen Wohnung in eine Zwölfzimmervilla zu verwandeln. Aber nicht Mum. Sie berechnet so gut wie nichts für ihre Dienste, und dass sie überhaupt etwas dafür verlangt, liegt hauptsächlich daran, dass einen die Leute, wenn man »professionelle Massage« kostenlos anbietet, ziemlich schief angucken – und das sollten sie auch.

Natürlich bin ich das exakte Gegenteil dieses vollendeten Gutmenschen, wie es auch jeder erwarten würde, der zumindest die Grundlagen des Gleichgewichtsprinzips kennt. Wenn ich also mein Zimmer aufräumen will, bekomme ich eine Anleitung, wie ich es mit einer gewaltigen Feuersbrunst in Schutt und Asche lege. Nicht dass ich auch nur einen dieser herrlich verheerenden Zauber tatsächlich anwenden kann, die mir die Schule unbedingt aufdrängen will. Seltsam, aber wahr: Man kann eine Dämonenarmee nicht einfach so heraufbeschwören. Dafür braucht man Kraft, und zwar eine ganze Menge. Allerdings wird dir niemand dabei helfen, genügend Mana zu sammeln, um deine persönliche Dämonenarmee zu erschaffen, machen wir uns mal nichts vor. Dafür braucht man Malia.

Alle – oder fast alle – benutzen hin und wieder ein bisschen Malia und sind sich dabei keiner Schuld bewusst. Sie verzaubern zum Beispiel eine Scheibe Brot in ein Stück Kuchen, ohne vorher das entsprechende Mana dafür zu sammeln, solche Sachen eben, die alle nur für harmloses Schummeln halten. Tja, aber die Kraft muss schließlich irgendwoher kommen. Und wenn man sie nicht selbst gesammelt hat, stammt sie wahrscheinlich von etwas Lebendigem, weil es einfacher ist, Kraft aus etwas Lebendigem zu ziehen, was sich bewegt. Man kriegt also das Stück Kuchen, während eine komplette Ameisenkolonie im Garten hinter dem Haus mit einem Schlag erstarrt, stirbt und zu Staub zerfällt.

Mum hält nicht mal ihren Tee mit Malia warm. Doch wenn man es nicht ganz so genau nimmt – was auf die meisten Leute zutrifft –, kann man sich jeden Tag eine dreistöckige Torte aus Dreck und Ameisen zaubern, trotzdem 150 Jahre alt werden und am Ende friedlich in seinem Bett sterben, mal angenommen, man stirbt nicht schon vorher an zu hohem Cholesterin. Wer allerdings anfängt, Malia in größerem Umfang einzusetzen, zum Beispiel, um eine ganze Stadt auszulöschen, eine komplette Armee abzuschlachten oder irgendeins der tausend anderen nutzlosen Dinge zu tun – von denen ich genau weiß, wie sie funktionieren –, kann sich nicht genug davon verschaffen, außer er saugt Mana – oder Lebenskraft oder arkane Energie oder Feenstaub oder wie immer man es auch nennen will; Mana ist nur gerade in Mode – aus irgendetwas in sich auf, das komplex genug ist, um Gefühle zu haben und sich zu widersetzen. Dann verdirbt die Kraft und krallt sich in der Seele desjenigen fest, der versucht, den lebenden Wesen das Mana zu entreißen, und nicht selten gewinnen diese den Kampf.

Für mich wäre das allerdings kein Problem. Ich wäre brillant darin, Malia aufzusaugen, wenn ich dumm oder verzweifelt genug wäre, es zu versuchen. Was das betrifft, muss ich Mum eins lassen: Sie hat diesen Unsinn mit der bindungsorientierten Erziehung strikt durchgezogen und mit ihrer herzlichen, strahlend sauberen Aura meine so vollständig umhüllt, dass ich nicht zu früh mit Malia in Berührung gekommen bin. Wenn ich beispielsweise Frösche mit nach Hause brachte, um mit ihren Eingeweiden zu spielen, reagierte sie jedes Mal mit unendlich sanfter Güte: »Nein, mein Schatz, wir tun lebenden Wesen nicht weh!« Und dann ging sie mit mir zu dem kleinen Lebensmittelladen bei uns im Dorf und kaufte mir ein Eis als Entschädigung dafür, dass sie mir die Frösche weggenommen hatte. Ich war fünf, und Eis war sowieso meine einzige Motivation, Kraft haben zu wollen. Ihr könnt euch also vorstellen, dass ich ihr meine kleinen Funde mit Freuden brachte. Als ich irgendwann alt genug war und sie mich nicht mehr davon hätte abhalten können, war ich auch alt genug, um zu verstehen, was mit Hexen und Zauberern passiert, die Malia benutzen.

Die meisten Schüler fangen erst im letzten Jahr damit an, wenn die Abschlussprüfung mit Riesenschritten naht. Aber auch in unserer Stufe haben sich bereits ein paar daran versucht. Manchmal, wenn Yi Liu einen zu schnell anschaut, sind ihre Augen einen Moment ganz weiß. Außerdem sind ihre Fingernägel tiefschwarz geworden, und ich weiß genau, es ist kein Nagellack. Jack Westing sieht bis jetzt noch ganz normal aus – der perfekte amerikanische Bilderbuchjunge mit blondem Haar und strahlendem Lächeln. Die meisten Leute finden ihn reizend, aber wenn man an seinem Zimmer vorbeigeht und tief einatmet, nimmt man einen schwachen Geruch von Leichenhaus wahr. Jedenfalls, wenn man ich ist. Luisa aus dem Zimmer drei Türen weiter ist Anfang des Jahres verschwunden. Niemand weiß, was mit ihr passiert ist. Das ist nicht ungewöhnlich, aber ich bin mir fast sicher, was von ihr übrig ist, befindet sich in Jacks Zimmer. Ich habe ein ziemlich gutes Gespür für diese Dinge, selbst wenn ich es lieber nicht wissen würde.

Falls ich doch jemals meine Meinung ändern und anfangen sollte, Malia zu benutzen, würde ich die Schule hier mit links schaffen. Ein Überflieger, getragen von den – zugegebenermaßen – grauenvollen ledernen Fledermausschwingen eines dämonischen Biests. Aber zumindest hätte ich Flügel. Die Scholomance liebt es, Malefizer in die Welt zu entlassen – sie bringt fast nie einen von ihnen um. Nur der Rest darf sich mit Seelenfressern herumschlagen, die einfach nachmittags unter unserer Tür durchkommen. Oder mit Waurien, die sich aus dem Abfluss schlängeln und sich um unsere Knöchel winden, während wir versuchen, gleichzeitig zu duschen und Aufgaben zu lesen, bis unsere Augäpfel schmelzen. Nicht mal Orion kann uns alle retten. Bis zur Abschlussprüfung schafft es meistens nicht mal ein Viertel eines Jahrgangs, und vor achtzehn Jahren – wobei ich mir sicher bin, dass dieses Ereignis nicht zufällig beinahe zeitgleich mit Orions Zeugung stattfand – haben sogar nur ein Dutzend Schüler den Abschluss geschafft, die sich übrigens alle für die dunkle Seite entschieden hatten. Sie hatten sich zu einem Rudel zusammengerottet und den Rest der Abschlussklasse vernichtet, um sich eine Megadosis Zauberkraft zu verschaffen.

Natürlich wussten die Familien der ganzen übrigen Kinder, was passiert war – es war geradezu lächerlich offensichtlich, weil die Idioten die Schüler aus den Enklaven nicht zuerst hatten entkommen lassen –, und jagten das Dutzend Malefizer unerbittlich. Auch der Letzte von ihnen war tot, als Mum im darauffolgenden Jahr ihren Abschluss machte – und das war das Ende der »Hände des Todes«, oder wie auch immer sie sich genannt hatten.

Doch selbst für den hinterlistigsten kleinen Malia-Sauger, der seine Ziele klug auswählt und bei seinen Taten unentdeckt bleibt, gibt es irgendwann nur noch einen möglichen Weg: steil bergab. Unser reizender Jack stiehlt bereits Menschen die Lebenskraft und wird irgendwann in den ersten fünf Jahren nach seinem Schulabschluss von innen verrotten. Ich bin mir sicher, dass er bereits großspurige Pläne schmiedet, um seinen Verfall zumindest hinauszuzögern – das tun Malefizer immer. Ich glaube allerdings nicht, dass er wirklich das Zeug dazu hat. Sofern ihm nicht irgendwas ganz Besonderes einfällt, wird er in zehn, höchstens fünfzehn Jahren in einem grotesken Showdown komplett in sich selbst zusammenfallen. Und dann werden sie seinen Keller umgraben und Hunderte Leichen finden. Alle werden entsetzt sein und sagen: Du meine Güte, er schien doch so ein netter junger Mann zu sein.

Im Moment allerdings, während ich mich durch schier endlose Seiten voller extrem komplizierter Haushaltszauber auf Altenglisch kämpfte, noch dazu in kaum lesbarer Handschrift, hatte ich das starke Gefühl, dass ich mir besser selbst eine schöne große Dosis Malia besorgen sollte. Sollte mein ungeschälter Hafer jemals von Hüpfblinzlern verspeist werden – keine Ahnung, was das sein soll! –, dann wäre ich bereit. Hinter mir stieß die Seelenfresser-Pfütze weiterhin leise zischende Gasflammen aus wie weit entfernte Blitze, bevor der dazugehörige grauenvolle Gestank meine Nase erreichte.

Ich hatte mich schon den ganzen Tag damit herumgequält, für die Prüfungen zu lernen. Das Schuljahr endete in drei Wochen, und wenn man eine Hand auf die Wand im Waschraum legte, konnte man bereits das schwache Ruckeln der mittelgroßen Zahnräder spüren, die sich langsam in Bewegung setzten. Sie machten sich bereit, uns alle eine weitere Runde nach unten zu bringen. Während die Klassenzimmer im Inneren der Schule an ihrem Platz bleiben, starten unsere Schlafräume auf der Speisesaalebene und rotieren jedes Jahr eine Stufe nach unten wie eine gigantische Metallmutter, die sich um das Gewinde einer riesigen Schraube dreht, bis wir ganz unten in der Abschlussklasse ankommen. Nächstes Schuljahr landen wir auf der untersten Ebene, was kein Grund zur Freude ist. Ich will auf keinen Fall durch irgendeine Prüfung fallen und mir zu allem Überfluss noch Zusatzaufgaben aufhalsen.

Dank meiner Gewissenhaftigkeit an diesem Nachmittag schmerzte mir inzwischen der Rücken, der Hintern und der Nacken, und das Licht auf meinem Schreibtisch begann bereits zu flackern und leuchtete immer schwächer. Ich beugte mich über den dicken Wälzer und musste die Augen zusammenkneifen, um die Buchstaben überhaupt noch erkennen zu können. Außerdem wurde mir der Arm schon lahm, weil ich in der anderen Hand das altenglische Wörterbuch hielt. Die Vorstellung, einen tödlichen Flammenwall heraufzubeschwören und den Seelenfresser in Brand zu stecken – mitsamt dem Zauberbuch, dem Wörterbuch, meinem Schreibtisch und überhaupt allem –, erschien mir zunehmend reizvoll.

Es ist nicht völlig unmöglich, auf Dauer als Malefizer durchzuhalten. Für Liu sieht es recht gut aus – sie ist entschieden vorsichtiger als Jack. Ich wette, sie hat das erlaubte Gewicht ihres Gepäcks fast völlig ausgenutzt, um einen Riesensack voller Hamster oder so mitzubringen, die sie nun nach einem genauen Terminplan opfert. Sie qualmt sozusagen jede Woche heimlich ein paar Zigaretten, anstatt vier Schachteln am Tag Kette zu rauchen. Sie kann sich das auch leisten, weil sie nicht vollkommen allein dasteht. Ihre Familie ist groß – noch nicht groß genug, um eine eigene Enklave zu gründen, aber auch nicht mehr weit davon entfernt –, und Gerüchten zufolge hat sie eine Menge Malefizer hervorgebracht, was für sie eine Art Strategie zu sein scheint. Zwei ihrer Cousins, Zwillinge, werden im nächsten Jahr an die Schule kommen, und dank dem Einsatz von Malia wird Liu die Kraft haben, die beiden in ihrem ersten Jahr zu beschützen. Und nachdem sie ihren Abschluss gemacht hat, wird sie die Wahl haben. Wenn sie aufhören will, kann sie das Zaubern komplett an den Nagel hängen und sich einen dieser langweiligen gewöhnlichen Jobs besorgen, um sich über Wasser zu halten, weil sie sich darauf verlassen kann, dass der Rest ihrer Familie sie beschützt und für sie hext. In etwa zehn Jahren ist sie dann körperlich so weit geheilt, dass sie wieder anfangen kann, Mana zu nutzen. Oder sie kann sich für eine Karriere als professionelle Malefizerin entscheiden. Genau wie einige andere Hexen und Zauberer, die sich von den Enklaven fürstlich dafür entlohnen lassen, dass sie die Drecksarbeit für sie erledigen, ohne dass irgendjemand danach fragt, woher ihre Kraft eigentlich kommt. Aber solange sie sich zu nichts allzu Extremem hinreißen lässt – mit anderen Worten: zu meiner Art von Zaubersprüchen –, sollte für Liu eigentlich alles gut gehen.

Ich hingegen habe keine Familie, abgesehen von meiner Mum, und ich habe auch ganz sicher keine Enklave, die bereit wäre, mich zu unterstützen. Wir leben in der Nähe von Cardigan in Wales in der Kommune Radiant Mind, die einen Schamanen, zwei Geistheiler, einen Wicca-Zirkel und eine Truppe Morris-Tänzer vorweisen kann, die alle ungefähr über dieselben magischen Fähigkeiten verfügen – nämlich über keine – und die alle vor Entsetzen tot umfallen würden, wenn sie sehen würden, wie Mum und ich wahre Magie anwenden. Also, ich! Mum wendet Magie an, indem sie mit einer Gruppe eifriger Freiwilliger Mana herbeitanzt. Ich habe ihr gesagt, dass sie die Leute dafür bezahlen lassen soll, aber nein. Und dann verteilt sie es wieder großzügig in Form von Freudenstrahlen und purem Glück, trallala. Die Leute in der Kommune haben uns nur bei sich aufgenommen, weil sie Mum lieben – wer würde das nicht? Sie haben ihr sogar eine Jurte gebaut, nachdem sie direkt aus der Scholomance zu ihnen kam und im dritten Monat schwanger war. Aber keiner von ihnen könnte mir beim Zaubern helfen oder mich gegen umherstreunende Maleficaria verteidigen. Und selbst wenn sie es könnten, würden sie es nicht tun. Sie mögen mich nicht. Niemand außer Mum mag mich.

Dad ist hier während der Abschlussfeier gestorben, weil er Mum rausgeholfen hat. Wir nennen es Abschlussfeier, weil die Amerikaner es so nennen, da sie in den letzten siebzig Jahren den Löwenanteil der Kosten der Schule getragen haben. Wer zahlt, bestimmt, wie es so schön heißt. Man kann es aber nicht wirklich einen feierlichen Anlass nennen. Es ist schlicht und ergreifend der Moment, in dem die komplette Abschlussklasse unten im Festsaal ankommt und versucht, sich durch all die hungrigen Maleficaria, die dort lauern, einen Weg nach draußen freizukämpfen. Etwa die Hälfte der Abschlussklasse – beziehungsweise die Hälfte derjenigen, die bis dahin überlebt haben – schafft es tatsächlich. Dad hat es nicht geschafft.

Er hatte Familie. Sie leben in der Nähe von Mumbai. Mum ist es gelungen, sie aufzuspüren, aber erst, als ich schon fünf war. Sie und Dad hatten sich nicht groß über ihr Leben in der Welt da draußen ausgetauscht oder irgendwelche anderen Pläne für die Zeit nach ihrem Abschluss geschmiedet, als erst mal jeweils zu sich nach Hause zurückzukehren. Das wäre ja viel zu vernünftig gewesen. Sie waren hier drinnen gerade erst ungefähr vier Monate zusammen gewesen, aber sie hatten sich geliebt. Sie waren Seelenverwandte und deshalb würde ihre Liebe ihnen den Weg schon weisen. Natürlich, und für Mum hätte das vermutlich auch zugetroffen.

Wie auch immer, als Mum sie fand, stellte sich heraus, dass Dads Familie ziemlich reich war. Reich im Sinne von Paläste und Juwelen und Dschinn-Bedienstete. Und was nach Ansicht meiner Mum noch viel wichtiger war, sie entstammten einer uralten Hindu-Enklave, die während der Raj-Ära zerstört wurde, waren strikte Mana-Nutzer und folgten diesen Regeln noch heute. Sie essen kein Fleisch und entziehen schon gar kein Malia. Sie zog freudestrahlend bei ihnen ein, und auch sie freuten sich sehr, uns bei sich aufnehmen zu können. Sie hatten nie erfahren, was mit Dad passiert war. Das letzte Mal hatten sie zum Schuljahresende der elften Klasse von ihm gehört. Die Schüler der Abschlussklasse sammeln immer in der Woche vor der Prüfung Nachrichten von den restlichen Schülern ein. Ich habe meine für dieses Jahr bereits geschrieben und eine Handvoll Kopien an ein paar Schüler aus der Londoner Enklave verteilt, kurz und prägnant: Noch am Leben, Schule läuft okay. Ich musste mich so kurzfassen, damit sie keine plausible Ausrede hätten, weshalb die Nachricht nicht mehr in ihren Umschlag passen würde, weil sie sonst alle abgelehnt hätten.

Dad hatte eine ganz ähnliche Nachricht an seine Familie geschickt, daher wussten sie zumindest, dass er bis zur Elften überlebt hatte. Und dann kam er einfach nie zurück. Ein weiterer von Hunderten Schülern, die auf dem Schutthaufen dieser Schule gelandet waren. Nachdem Mum seine Familie endlich gefunden und ihnen von mir erzählt hatte, hatten sie das Gefühl, nach all der Zeit wenigstens ein Stück von Dad zurückzubekommen. Sie schickten One-Way-Tickets für uns beide und Mum verabschiedete sich von allen in der Kommune und packte mich mitsamt all unserem Besitz ein.

Doch als wir dort ankamen, warf meine Urgroßmutter nur einen einzigen Blick auf mich, wurde von einer Vision heimgesucht und faselte irgendwas davon, ich sei eine belastete Seele und würde sämtlichen Enklaven der Welt Tod und Zerstörung bringen, sofern mir niemand Einhalt gebot. Tatsächlich versuchten mein eigener Großvater und seine Brüder sofort, die Sache mit dem Einhaltgebieten durchzuführen. Es war das einzige Mal, dass Mum es so richtig rausgelassen hat. Ich kann mich noch vage daran erinnern, wie sie in unserem Schlafzimmer stand, zusammen mit vier Männern, die ungeschickt versuchten, sie dazu zu bringen, aus dem Weg zu gehen und mich ihnen zu überlassen. Ich habe keine Ahnung, was sie mit mir vorhatten – sie hatten noch nicht mal einer Fliege je etwas absichtlich zuleide getan –, aber ich schätze, Urgroßmutters Anfall war wohl ziemlich erschreckend.

Sie stritten sich eine Weile, dann war das ganze Haus plötzlich von diesem schrecklich grellen Licht erfüllt, das mir in den Augen wehtat, und Mum wickelte mich in meine Decke. Sie verließ das Familienanwesen, ohne sich noch einmal umzublicken, barfuß und nur mit einem Nachthemd bekleidet, während alle mit kläglichen Mienen dastanden und es nicht wagten, sie auch nur zu berühren. An der nächstbesten Straße hielt sie den Daumen raus und einer der ersten vorbeikommenden Fahrer nahm uns in seinem Auto mit und brachte uns direkt bis zum Flughafen. Dort erblickte sie irgendein Technik-Milliardär, der gerade in seinen Privatjet nach London steigen wollte, wie sie mit mir in der Flughafenhalle stand, und er bot ihr an, uns mitzunehmen. Er kommt immer noch einmal im Jahr zu einer einwöchigen spirituellen Reinigung in die Kommune.

So ist sie, meine Mum. Aber ich bin nicht so. Meine Urgroßmutter war nur die Erste in einer langen Reihe von Menschen, die freundlich lächelten, wenn sie mir zum ersten Mal begegneten, bevor ihr Lächeln abrupt erstarb, obwohl ich noch kein einziges Wort gesagt hatte. Niemand wird mich je beim Trampen mitnehmen, im Wald mit mir im Kreis tanzen, um meine Kraft zu stärken, mich bei sich aufnehmen oder – was noch viel entscheidender ist – an meiner Seite gegen all die üblen Biester kämpfen, die ständig Hexen und Zauberern auf der Suche nach einer Mahlzeit nachjagen. Wenn Mum nicht wäre, wäre ich noch nicht mal in meinem eigenen Zuhause willkommen. Ihr würdet nicht glauben, wie viele dieser freundlichen Menschen in der Kommune – solche, die lange, ernste Briefe an Politiker schreiben und regelmäßig für alles Mögliche demonstrieren … von sozialer Gerechtigkeit bis zum Schutz der Fledermäuse – mir als Vierzehnjähriger mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen erklärt haben, wie aufgeregt ich doch sein müsste, dass ich ins Internat gehen darf – haha –, und wie sehr ich mich schon jetzt darauf freuen sollte, danach meiner eigenen Wege zu gehen, um endlich mehr von der Welt zu sehen, und so weiter.

Nicht dass ich in die Kommune zurückgehen will. Ich weiß nicht, ob irgendjemand, der es nicht selbst versucht hat, wirklich versteht, wie entsetzlich es ist, die ganze Zeit von Leuten umgeben zu sein, die an absolut alles glauben – von Leprechauns über indianische Schwitzhütten bis hin zu Weihnachtsliedern –, die aber nicht glauben, dass man selbst wirklich und wahrhaftig zaubern kann. Ich habe diese Leute im wahrsten Sinne des Wortes mit der Nase darauf gestoßen – oder es zumindest versucht. Man braucht haufenweise zusätzliches Mana, um auch nur einen kleinen Zauber zum Feueranzünden zu hexen, wenn einem dabei ein Gewöhnlicher zusieht, der felsenfest davon überzeugt ist, dass man nichts weiter ist als ein albernes kleines Kind, das ein Feuerzeug im Ärmel versteckt hat und den Teil des Tricks, der echtes Fingerspitzengefühl erfordert, höchstwahrscheinlich verpatzen wird. Selbst wenn man vor ihnen einen einigermaßen dramatischen Zauber zustande bringt und sie alle sagen: Hey, wow, echt unglaublich, dann heißt es am nächsten Tag nur: Mann, diese Pilze gestern waren echt der Hammer. Und danach meiden sie mich noch mehr als zuvor. Ich will zwar nicht hier sein, aber dort will ich auch nicht mehr hin.

Ach, das ist natürlich gelogen. Ich träume jeden Tag davon, wieder zu Hause zu sein. Ich beschränke mich allerdings auf fünf Minuten täglich, stelle mich vor den Lüftungsschacht in der Wand – in so sicherer Entfernung wie nötig, aber so nahe, dass ich den Luftstrom spüren kann –, schließe die Augen und presse beide Hände aufs Gesicht, um den Geruch nach verbranntem Öl und gut abgelagertem Schweiß auszublenden. Stattdessen stelle ich mir vor, dass ich den Duft von feuchter Erde, getrocknetem Rosmarin und in Butter gerösteten Karotten einatme, dass es in Wahrheit der Wind ist, der durch die Bäume weht, und dass ich, wenn ich die Augen öffnen würde, auf dem Rücken auf einer Lichtung liege, während die Sonne gerade hinter einer Wolke verschwunden ist. Ich würde mein Zimmer hier sofort gegen die Jurte im Wald eintauschen, selbst nach zwei Wochen Dauerregen, wenn dort alles, was ich besitze, zu schimmeln beginnt. Immer noch besser als der liebliche Duft des Seelenfressers. Ich vermisse sogar die Leute dort, auch wenn ich mich strikt geweigert hätte, das zu glauben, falls es irgendjemand vorher behauptet hätte. Aber nach drei Jahren hier drin würde ich sogar Philippa Wax bitten, mich mal so richtig zu knuddeln, wenn ich ihre säuerlich-versteinerte Miene sehen würde.

Na gut, nein, würde ich nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich all diese Gefühle spätestens eine Woche nach meiner Rückkehr ins Gegenteil verkehren würden. Außerdem haben sie deutlich gemacht, dass ich in der Kommune nicht willkommen bin, sondern höchstens geduldet. Und vielleicht noch nicht mal das, falls ich versuchen sollte, mich dort wieder häuslich niederzulassen, wenn ich erst mal hier raus bin. Der Kommunenrat – Philippa ist die Sekretärin – würde sich wahrscheinlich irgendeine Ausrede einfallen lassen, um mich rauszuschmeißen. Negative Schwingungen hat man sich schon mehr als einmal gerade noch in meiner Hörweite – oder auch näher – zugeraunt. Und damit hätte ich Mums Leben zerstört, weil sie die Kommune, ohne mit der Wimper zu zucken, ebenfalls verlassen würde, um bei mir zu bleiben.

Ich wusste bereits lange vor der Scholomance, dass meine einzige Chance, ein halbwegs anständiges Leben zu führen – mal angenommen, ich schaffe es hier raus und habe überhaupt eins –, darin besteht, von einer Enklave aufgenommen zu werden. Meine und die aller anderen! Doch die meisten unabhängigen Hexen und Zauberer finden wenigstens Freunde, mit denen sie sich zusammentun können, um sich den Rücken freizuhalten, Mana zu sammeln und ein bisschen zusammenzuarbeiten. Selbst wenn mich ein paar Leute gut genug leiden könnten, dass sie mich »mitspielen« ließen – was bisher noch nie der Fall war –, wäre ich ihnen in keiner Weise von Nutzen. Normale Leute wollen einen Wischmopp im Schrank, keinen Flammenwerfer, und ich versuche hier seit zwei Stunden erfolglos, einen einfachen Zauber zu finden, um meinen Fußboden aufzuwischen.

Wenn man jedoch zu einer dieser wunderbar friedlichen Enklaven mit ein paar Hundert Hexen und Zauberern gehört und plötzlich ein Todeswyrm aus den Untiefen der nächsten Höhle kriecht oder eine andere Enklave beschließt, der eigenen den Krieg zu erklären, hätte man bestimmt gern jemanden in seinen Reihen, der einer Kuh die Kehle aufschlitzen und damit sämtliche Feuer der Hölle entfachen könnte, um die Seinen zu verteidigen. Eilt einem Mitglied der eigenen Enklave nämlich der Ruf voraus, über derartige Kräfte zu verfügen, wird sie für gewöhnlich gar nicht erst angegriffen, und dann müsste auch keine Kuh geopfert werden, und ich bekäme keinen psychischen Schlag weg, würde keine fünf Jahre meines Lebens verlieren, und noch entscheidender, würde meine Mutter nicht zum Weinen bringen.

Aber das alles hängt davon ab, dass mir dieser Ruf tatsächlich vorauseilt. Niemand wird mich in eine Enklave einladen oder auch nur zu einem Bündnis für die Abschlussfeier, wenn er glaubt, ich sei in Wahrheit nur ein bedauernswertes, hilfsbedürftiges Mädchen, das ständig von unserem großen Helden gerettet werden muss. Und sie werden mich ganz sicher nicht einladen, weil sie mich mögen. Orion dagegen muss überhaupt niemanden beeindrucken. Er ist nicht nur irgendein Enklavler. Seine Mutter ist eine der ganz heißen Kandidatinnen für den Posten der nächsten Herrin von New York, die wahrscheinlich immer noch die mächtigste Enklave der Welt ist, und sein Vater gehört zu den ganz großen Erschaffern. Er könnte im Unterricht auch einfach nur am Rande zuhören und das Nötigste tun und am Ende hier rausspazieren und den Rest des Lebens in Luxus und Sicherheit verbringen, umgeben von den grandiosesten Hexen und Zauberern und den prachtvollsten magischen Schöpfungen der Welt.

Stattdessen verbringt er seine Schulzeit damit, eine Riesenshow um sich zu veranstalten. Der Seelenfresser hinter mir war wahrscheinlich seine vierte Heldentat in dieser Woche. Er rettet jeden einzelnen Volltrottel und Schwächling in diesem Laden, verschwendet aber keinen einzigen Gedanken darauf, wer am Ende den Preis dafür wird zahlen müssen. Doch irgendjemand wird den Preis dafür zahlen müssen. Sosehr ich mir auch jede einzelne Minute an jedem einzelnen Tag hier drinnen wünsche, wieder nach Hause zu können, weiß ich nur allzu gut, dass ich in Wahrheit unglaubliches Glück habe, hier zu sein. Und der einzige Grund für dieses Glück ist, dass die Enklave von Manchester diese Schule erbaut hat, damals in der düsteren edwardianischen Zeit, und dass es den heutigen britischen Enklaven irgendwie gelungen ist, ihr überproportional hohes Kontingent an zu vergebenden Plätzen zu behalten. Dies könnte sich in den kommenden Jahren allerdings ändern: Die Enklaven von Shanghai und Jaipur drohen schon seit einiger Zeit vernehmlich damit, eine ganz neue Schule in Asien zu gründen, wenn es nicht bald eine deutlich geänderte Neuzuteilung gibt. Doch zumindest im Moment steht im Vereinigten Königreich auch jedes Kind ohne Enklavenzugehörigkeit automatisch auf der Aufnahmeliste.

Mum hat damals tatsächlich angeboten, mich von der Liste streichen zu lassen, aber ich war nicht wahnsinnig genug, das zuzulassen. Die Enklaven haben diese Schule erbaut, weil es draußen noch schlimmer ist. All die Maleficaria, die durch die Lüftungsschächte und Rohrleitungen hereinkommen und unter den Türen hindurchkriechen, kommen nicht aus der Scholomance – sie kommen in die Scholomance, weil wir alle hier drin sind: zarte junge Hexen und Zauberer, zum Bersten voll mit frischem Mana, die ständig über ihre eigenen Füße stolpern, während sie lernen, damit umzugehen. Dank des Maleficaria-Lehrbuchs aus meinem ersten Schuljahr weiß ich, dass wir zwischen dreizehn und achtzehn Jahren auf der Köstlichkeitsskala alle sechs Monate eine weitere Stufe nach oben steigen, während wir quasi noch von einer dünnen, leicht zu knackenden Zuckerhülle ummantelt sind anstatt von der harten, zähen Lederhaut ausgewachsener Hexen und Zauberer. Diese Metapher habe ich mir übrigens nicht selbst ausgedacht. Sie stammt direkt aus dem Buch, das seine wahre Freude daran hatte, uns bis ins kleinste Detail darüber aufzuklären, wie gierig die Maleficaria darauf sind, uns zu verspeisen: überaus gierig.

Wie dem auch sei, damals, im düsteren späten 19. Jahrhundert ersann der renommierte Erschaffer Sir Alfred Cooper Browning – es ist so gut wie unmöglich, sich seinen Namen hier drin nicht irgendwann zu merken, da er praktisch an jeder verfügbaren Wand steht – den Plan für die Scholomance. Und sosehr ich über die allgegenwärtigen Tafeln und Schilder auch die Augen verdrehe, der Bau ist wirklich effektiv. Die Schule ist kaum mit der Welt da draußen verbunden, nur an einer einzigen Stelle: an den Toren des Festsaals. Sie sind von mehreren Schichten magischer Wächter und erschaffener Barrieren umschlossen. Wenn es ein einfallsreiches Maleficarium doch schafft, sich hindurchzuschlängeln, landet es zunächst im Festsaal, der nicht mit dem Rest der Schule verbunden ist außer über die allernötigsten Rohrleitungen und Lüftungsschächte, die zur Versorgung unerlässlich sind, und auch diesesind mit Wächtern und Barrieren versehen.

So stauen sich die Mals regelrecht in der Halle und verbringen die meiste Zeit damit, gegeneinander zu kämpfen, sich gegenseitig zu zerfleischen und zu versuchen, in die Schule vorzudringen, wobei es die größten und gefährlichsten sowieso nicht schaffen, sich nach oben durchzuquetschen. Sie müssen das ganze Jahr über im Festsaal ausharren, naschen währenddessen ein paar andere Mals und warten auf die Abschlussfeier, um sich so richtig den Bauch vollzuschlagen. In der Schule sind wir viel schwerer zu erwischen als in der großen weiten Welt dort draußen, vor allem, wenn man in einer Jurte wohnt. Selbst Kinder aus den Enklaven wurden viel häufiger gefressen, bevor die Schule erbaut wurde, und wenn man heute außerhalb der Enklaven aufwächst und nicht an der Scholomance angenommen wird, stehen die Chancen, es lebend durch die Pubertät zu schaffen, bei eins zu zwanzig. Eins zu vier ist im Vergleich dazu eine ganz gute Quote.

Allerdings müssen wir für diesen Schutz bezahlen. Wir zahlen dafür mit unserer Arbeit und mit unserem Elend und Schrecken, was wiederum das nötige Mana schafft, das die Schule am Laufen hält. Aber vor allem zahlen wir dafür mit denjenigen, die es nicht schaffen. Also was genau denkt Orion, dass er tut? Was denken die anderen, wenn er all diese Leute rettet? Die Rechnung muss schließlich beglichen werden.

Aber so denkt hier niemand. Dieses Jahr sind noch nicht mal zwanzig aus unserem Jahrgang gestorben – die übliche Rate liegt bei über hundert –, und alle in der Schule glauben, Orion könnte ihnen sogar die Sterne vom Himmel holen. Sie finden ihn super. Die New Yorker Enklave kann sich in diesem Jahr bestimmt auf fünfmal so viele Bewerbungen einstellen wie sonst. Ich kann es also komplett vergessen, dort aufgenommen zu werden, und bei der Enklave von London sieht es auch nicht viel besser aus. Es ist zum Wahnsinnigwerden, vor allem, weil ich eigentlich diejenige sein sollte, von der alle reden. Ich kenne jetzt schon zehnmal mehr Zaubersprüche für Gewaltherrschaft und völlige Vernichtung als der ganze Abschlussjahrgang zusammen. Euch ginge es genauso, wenn man euch jedes Mal fünf davon vorschlagen würde, obwohl ihr eigentlich nur den blöden Fußboden aufwischen wollt.

Das Gute an der Sache ist: Ich habe heute achtundneunzig nützliche Haushaltszauber auf Altenglisch gelernt, weil ich mich bis zur Nummer neunundneunzig durchackern musste, um endlich den passenden zu finden, mit dem ich auch den Gestank beseitigen würde. Das Buch konnte nicht verschwinden, bevor ich nicht bis dorthin gekommen war. Hin und wieder schneidet sich die Schule auf diese Art ins eigene Fleisch, normalerweise dann, wenn sie besonders nervig, hinterlistig und schrecklich sein will. Die Qual, neunundneunzig Zaubersprüche übersetzen zu müssen, während ein toter, stinkender Seelenfresser hinter mir gurgelte, reichte aus, um für die zu bezahlen, die mir tatsächlich etwas nützen würden.

In ein oder zwei Wochen würde ich dankbar dafür sein. Aber jetzt musste ich erst mal aufstehen, fünfhundert Hampelmänner am Stück machen – perfekt ausgeführt – und mich dabei die ganze Zeit auf meinen Speicherkristall konzentrieren, um genügend Mana zu bilden, damit ich meinen Fußboden sauber machen konnte, ohne aus Versehen irgendetwas zu töten. Ich wagte es nicht zu schummeln, nicht mal ein bisschen. Wenn ich mit meiner besonderen Gabe versuchen würde, bei einem Putzzauber zu schummeln, läge es durchaus im Bereich des Möglichen, dass ich dabei je drei meiner Zimmernachbarn links und rechts von mir ausschalten würde und dieser gesamte Korridor am Ende genauso grauenvoll sauber glänzen würde wie ein frisch desinfiziertes Leichenschauhaus. Natürlich habe ich Mana angespart: Mum hat mir haufenweise Kristalle mitgegeben, die sie mit ihrem Zirkel vorbereitet hat, damit ich Mana für später darin speichern kann, und wann immer sich mir die Gelegenheit bietet, mache ich das auch. Aber ich würde keinen dieser Kristalle dafür verwenden, mein Zimmer zu säubern. Die Kristalle sind für Notfälle gedacht, wenn ich wirklich mal dringend Kraft brauche, und als Vorrat für meine Abschlussprüfung.

Nachdem der Fußboden sauber war, hängte ich noch fünfzig Liegestütze dran – in den letzten drei Jahren war ich ziemlich fit geworden – und sprach den Lieblingsräucherzauber meiner Mum. Danach roch meine ganze Kammer nach verbranntem Salbei, was immerhin besser war als vorher. Mittlerweile war es fast Zeit fürs Abendessen. Eigentlich bräuchte ich mehr als dringend eine Dusche, aber ich war wirklich nicht in der Stimmung, gegen irgendetwas zu kämpfen, das aus dem Abfluss kroch, was bedeutete, dass sich ziemlich sicher irgendetwas herausschlängeln würde, falls ich duschen ging. Stattdessen wechselte ich das T-Shirt, flocht mir die Haare neu und wusch mir das Gesicht mit Wasser aus meinem Krug. Mit dem restlichen Wasser wusch ich auch noch mein schmutziges T-Shirt und hängte es zum Trocknen auf. Ich besaß nur diese zwei Oberteile und sie waren langsam ziemlich abgetragen. Als in meinem ersten Jahr – in meiner zweiten Nacht hier – ein namenloser Schatten unter meinem Bett hervorgekrochen war, hatte ich die Hälfte meiner Kleider verbrennen müssen, weil ich von nirgendwo sonst Mana hatte ziehen können. Meine Klamotten zu opfern, gab mir genügend Kraft, den Schatten zu grillen, ohne Lebenskraft von irgendwo sonst ziehen zu müssen. Und damals hatte ich Orion Lake auch nicht gebraucht, damit er mich rettete, oder?

Trotz all meiner Anstrengungen sah ich anscheinend immer noch wundervoll genug aus, als ich an unserem Treffpunkt fürs Abendessen ankam – natürlich gehen wir nur gruppenweise zum Speisesaal. Wer allein geht, bettelt quasi darum, Ärger zu bekommen.

Liu warf nur einen Blick auf mich und fragte: »Was ist denn mit dir passiert, El?«

»Unser glorreicher Retter Lake hat beschlossen, heute einen Seelenfresser in meiner Kammer zu zerschmelzen, und ich durfte die Sauerei wegmachen«, antwortete ich.

»Zerschmelzen? Iiih!«, erwiderte sie. Liu mag vielleicht eine dunkle Hexe sein, aber wenigstens betet sie Orion nicht an. Ich mag sie, Malefizerin hin oder her: Sie gehört zu den wenigen Leuten hier, denen es nichts ausmacht, mit mir zusammen zu sein. Sie hat mehr Möglichkeiten als ich, Anschluss zu finden, aber sie ist immer nett zu mir.

Ibrahim war auch da, sorgsam darauf bedacht, uns den Rücken zuzukehren, während er auf seine eigenen Freunde wartete, um uns klarzumachen, dass wir in seiner Gruppe nicht erwünscht waren. Doch plötzlich wirbelte er voll Begeisterung herum. »Orion hat dich vor einem Seelenfresser gerettet?«, rief er. Quietschte er, besser gesagt. Orion hatte ihm schon dreimal das Leben gerettet – und er musste wirklich gerettet werden.

»Orion hat einen Seelenfresser in mein Zimmer gejagt und ihn großflächig auf meinem Fußboden verteilt«, zischte ich durch zusammengebissene Zähne, aber es half nichts. Als sich Aadhya und Jack zu uns gesellten und wir damit zu fünft waren und nach oben gehen konnten, verkündete er, dass mich Orion auf »heldenhafte Weise« vor einem Seelenfresser gerettet hatte. Nach dem Abendessen – heute hatten sich nur zwei Schüler aus unserem Jahrgang übergeben – wir wurden wirklich besser in der Anwendung von Schutzzaubern und Gegengiften – wusste die ganze Schule Bescheid.

Die meisten Maleficaria-Arten haben noch nicht mal einen Namen. Es gibt unendlich viele verschiedene und sie kommen und gehen. Seelenfresser sind allerdings eine ziemlich große Sache: Es gibt Jahre, in denen ein einziges Exemplar ein Dutzend Schüler erledigt. Wobei es extrem übel ist, so abzutreten, inklusive dramatischer Lightshow (vom Seelenfresser) und fürchterlichem Gekreische (von den Opfern). Es hätte meinen Ruf für immer zementiert, wenn ich selbst einen ausgelöscht hätte, wozu ich durchaus in der Lage gewesen wäre. Ich habe sechsundzwanzig gefüllte Kristalle in dem handgeschnitzten kleinen Sandelholzkästchen unter meinem Kopfkissen, genau für so eine Situation. Außerdem hatte ich vor sechs Monaten, als ich meinen durchgescheuerten Pullover flicken wollte, ohne mir die Schrecken des Häkelns anzutun, eine Beschwörungsformel bekommen, mit der man Seelen auflösen kann. Sie hätte den Seelenfresser von innen zerstört, und nur eine leere leuchtende Hülle wäre zurückgeblieben – ohne stinkende Überreste. Dann hätte ich einen Deal mit Aadhya machen können – sie steuert eine Karriere als Erschafferin an und hat eine Affinität für seltsame Materialien: Wir hätten das leuchtende Ding dazu nutzen können, die ganze Nacht zwischen unseren Türen zu patrouillieren – die meisten Maleficaria mögen kein Licht. Das ist so ein Vorteil, der einen bis zur Abschlussprüfung bringen kann. Aber stattdessen war alles, was ich hatte, das zweifelhafte Vergnügen, eine weitere Kerbe an Orions Gürtel zu sein.

Zumindest brachte mir meine Nicht-so-nah-Tod-Erfahrung einen guten Platz beim Abendessen ein. Normalerweise sitze ich am äußersten Ende des nur halb besetzten Tischs, an dem auch all die anderen sitzen, die gerade geächtet werden. Wenn ich mich woanders hinsetze, verlassen die Schüler in Grüppchen den Tisch, und dann sitze ich am Ende völlig allein da, was noch schlimmer ist. Heute landete ich an einem der Tische in der Mitte direkt unter den Tageslichtlampen – mehr Vitamin D hatte ich, abgesehen als Tablette, vermutlich seit Monaten nicht abbekommen –, wo Ibrahim, Aadhya und ein halbes Dutzend andere, relativ beliebte Kids saßen. Sogar ein Mädchen aus der eher kleinen Enklave von Maui war unter ihnen. Aber ich wurde nur noch wütender, weil ich mir anhören musste, wie sie ehrfürchtig von all den wundervollen Dingen sprachen, die Orion getan hatte. Ein paar von ihnen baten mich sogar, von dem Kampf zu erzählen. »Na ja, zuerst hat er das Ding in mein Zimmer gejagt, und dann hat er meine Tür aufgesprengt und das Ding verglühen lassen, bevor ich auch nur Buh sagen konnte, und dabei eine stinkende Sauerei auf meinem Fußboden hinterlassen«, blaffte ich sie an, aber ihr könnt euch sicher vorstellen, wie das lief. Sie wollen nun mal glauben, dass er ein großartiger Held ist, der sie alle retten wird. Würg.

Kapitel 2 Täuscher

Nach dem Abendessen versuchte ich, jemanden zu finden, der mit mir in die Werkstatt gehen würde, damit ich mir das nötige Material besorgen konnte, um meine Tür zu reparieren. Es ist eine ganz schlechte Idee, seine Türe abends nicht abzuschließen, ganz zu schweigen davon, ein klaffendes Loch darin zu lassen. Ich versuchte es ganz beiläufig: »Braucht irgendjemand was aus der Werkstatt?« Doch niemand biss an. Nachdem sie meine Geschichte gehört hatten, konnten sich alle denken, dass ich nach unten musste. Schließlich sind wir uns alle der Gefahren hier bewusst. Man schafft es hier nicht lebend raus, wenn man nicht jeden Vorteil nutzt, der sich einem bietet, und niemand mag mich so sehr, dass er mir einen Gefallen tun würde, ohne im Voraus dafür bezahlt zu werden.

»Ich könnte mitkommen«, erklärte Jack, lehnte sich vor und lächelte mich mit all seinen strahlend weißen Zähnen an.

Wenn er mich begleitete, bräuchte noch nicht mal irgendwas aus einer düsteren Ecke kriechen. Ich sah ihm direkt in die Augen und fragte in barschem Tonfall: »Oh, wirklich?«

Er überlegte kurz und blickte mich misstrauisch an. Dann zuckte er mit den Schultern. »Oh, nein, tut mir leid. Mir ist eben eingefallen, ich muss noch meine neue Wünschelrute fertig machen«, sagte er betont fröhlich, doch mit zusammengekniffenen Augen.

Eigentlich hatte ich ihn nicht wissen lassen wollen, dass ich über ihn Bescheid wusste. Jetzt würde er für mein Schweigen bezahlen müssen, sonst kam er noch auf die Idee, dass er mich auf andere Weise zum Schweigen bringen sollte. Aber wahrscheinlich hatte er sich ohnehin bereits entschieden, auf diese Taktik zu setzen. Noch etwas, das mir Orion eingebrockt hatte.

»Was ist dir die Sache wert?«, fragte Aadhya. Sie ist eher der clevere, pragmatische Typ und gehört zu den wenigen hier drin, die bereit sind, einen Deal mit mir zu machen. Um ehrlich zu sein, gehört sie zu den wenigen hier drin, die bereit sind, überhaupt mit mir zu reden. Davon abgesehen ist sie total kaltschnäuzig, was diese Dinge betrifft. Normalerweise wusste ich es zu schätzen, dass sie nicht um den heißen Brei herumredete. Da ihr aber nicht entgangen war, dass ich mich in einer Notlage befand, würde sie sich nicht in Gefahr begeben, wenn für diesen kleinen Ausflug nach unten für sie nicht mindestens das Doppelte des üblichen Preises heraussprang. Außerdem würde sie sicher dafür sorgen, dass ich den Großteil des Risikos trug. Ich warf ihr einen finsteren Blick zu.

»Ich gehe mit dir«, ließ sich Orion vom Tisch neben uns vernehmen, wo die New Yorker saßen. Er hatte das ganze Abendessen den Kopf nicht gehoben, während alle an unserem Tisch in voller Lautstärke darüber sprachen, wie wahnsinnig toll er war. Das war mir schon nach seinen anderen bemerkenswerten Rettungstaten aufgefallen. Ich hatte mich nie wirklich entscheiden können, ob er nur so tat oder tatsächlich so bescheiden war, dass es schon krankhaft schien, oder ob er einfach so schrecklich unbeholfen war, dass er nicht wusste, was er sagen sollte, wenn andere Leute ihm Komplimente machten. Auch jetzt hob er nicht mal den Kopf, sondern sprach einfach durch den zerzausten Haarvorhang vor seinem Gesicht, während er auf seinen leer gegessenen Teller starrte.

Na, das war doch nett. Ich meine, natürlich würde ich eine Begleitung zur Werkstatt, die mich nichts kostete, nicht ablehnen – aber das Ganze würde aussehen wie gehabt: Orion, mein Beschützer.

»Dann lass uns gehen«, erwiderte ich knapp und stand gleichzeitig auf. Hier in der Schule ist es stets besser, sofort loszulegen, wenn man einen Plan gefasst hat, sofern dieser Plan vorsieht, dass man etwas Ungewöhnliches tut.

Die Scholomance ist, wenn man’s genau nimmt, kein realer Ort. Sie verfügt zwar über absolut reale Wände, Fußböden, Decken und Leitungen, die alle in der realen Welt aus realem Eisen und Stahl, Kupfer und Glas und was weiß ich was gefertigt wurden, jedenfalls laut den ausgeklügelten Entwürfen, die überall in der Schule hängen. Doch wenn man versuchen würde, dieses Gebäude mitten in London nachzubauen, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht mal weit genug in die Höhe wachsen würde, um in sich zusammenfallen zu können. Es funktioniert nur, weil es in die Leere gebaut wurde. Ich würde euch erklären, was die Leere ist, aber ich habe selbst keine Ahnung. Wenn ihr euch je gefragt habt, wie es war, als unsere Vorfahren noch in Höhlen wohnten und hinauf zu diesem riesigen schwarzen Ding voller funkelnder Lichter starrten und keine Ahnung hatten, was sich dort oben befand und was das alles zu bedeuten hatte, nun, ich nehme an, dass es eine ganz ähnliche Erfahrung war wie die, in einem Scholomance-Schlafraum zu sitzen und in die pechschwarze Leere zu starren. Ich kann euch an dieser Stelle gern versichern, dass diese Erfahrung nicht im Geringsten erfreulich oder angenehm ist.

Da sie sich fast komplett in der Leere befindet, muss sich die Schule auch nicht mit den langweiligen üblichen Gesetzen der Physik herumschlagen. Was es den Erschaffern, die sie erbaut haben, wiederum entschieden einfacher machte, sie dazu zu bewegen, so zu funktionieren, wie sie funktionieren soll. Die Entwürfe hängen überall aus, damit wir, wenn wir sie betrachten, die ursprüngliche Konstruktion durch unseren Glauben stärken, damit sie tatsächlich funktioniert. Und genau das tun wir, wenn wir die endlosen Treppen und Korridore hinauf- und hinunterstapfen und erwarten, dass sich unsere Klassenzimmer noch immer dort befinden, wo wir sie zum letzten Mal gesehen haben. Oder dass Wasser aus den Wasserhähnen kommt und dass wir alle weiteratmen werden, trotz der Tatsache, dass ein Ingenieur bei näherer Untersuchung der Leitungen und des Lüftungssystems womöglich zu dem Schluss kommen würde, dass sie nicht ausreichen, um mehrere Tausend Kinder zu versorgen.

Das war ja alles gut und schön und wahnsinnig clever von Sir Alfred und den anderen, doch das Problem, in einem überzeugbaren Raum zu leben, ist, dass man ihn auf alle möglichen Arten überzeugen kann. Wenn man sich mit sechs Leuten auf einer Treppe befindet und alle zum selben Klassenzimmer eilen, braucht man irgendwie nur halb so lang, um die Strecke zurückzulegen. Aber das unheimliche, beängstigende Gefühl, das einen beschleicht, wenn man in einen feuchten, dunklen Keller voller Spinnweben hinuntermuss und man überzeugt ist, dass einen gleich irgendetwas Grauenvolles anfallen wird, überträgt sich auch auf die Schule. Und die Mals freuen sich besonders, mit dieser speziellen Überzeugung zusammenzuarbeiten. Jedes Mal, wenn man irgendetwas nicht Alltägliches tut – wie zum Beispiel nach dem Abendessen allein in die Werkstatt zu gehen, wenn niemand sonst dort ist, weil alle so etwas möglichst vermeiden –, führen einen die Treppen und Korridore möglicherweise an einen ganz anderen Ort, der gar nicht auf den Entwürfen verzeichnet ist. Und man will dem, was einen dort erwartet, wirklich nicht begegnen.

Sobald man also beschlossen hat, einen nicht alltäglichen Ort aufzusuchen, macht man sich besser so schnell wie möglich auf den Weg, bevor man selbst oder jemand anders allzu viel darüber nachdenken kann. Ich steuerte direkt auf den nächsten Treppenabsatz zu und wartete, bis Orion und ich die Stufen weit genug hinuntergestiegen waren, sodass niemand mehr in Hörweite war, bevor ich ihn anschnauzte: »Welchen Teil von: Lass mich in Ruhe!, hast du nicht verstanden?«

Er trottete neben mir her, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf gesenkt. Nun riss er den Kopf hoch. »Aber … du hast doch gerade gesagt: Lass uns gehen –«

»Hätte ich dich lieber vor den anderen zur Sau machen sollen, nachdem sie alle glauben, du hättest mir das Leben gerettet?«

Er blieb tatsächlich mitten auf der Treppe stehen und begann: »Soll ich –«

Wir befanden uns zwischen zwei Stockwerken, kein Treppenabsatz war in Sichtweite. Das nächste Licht, das noch nicht völlig erloschen war, kam von einer flackernden Gaslampe zwanzig Schritte hinter uns, deren schwacher Schein lange dunkle Schatten auf die Stufen unter uns warf. Auch nur für eine Millisekunde eine Pause einzulegen, war quasi eine Rieseneinladung dafür, dass gleich etwas schiefgehen würde.

Ich selbst war weitergegangen, weil ich keine Vollidiotin war, und befand mich zwei Stufen unter ihm, bevor mir klar wurde, dass er stehen geblieben war. Ich streckte eine Hand aus, packte ihn am Handgelenk und zog ihn weiter.

»Nicht jetzt. Was ist denn mit dir los? Versuchst du absichtlich, die Bekanntschaft neuer und aufregender Mals zu machen?«

Er lief knallrot an, trottete wieder neben mir her und starrte noch intensiver auf den Boden, als hätte ich ihn mit meinen Worten tatsächlich getroffen, auch wenn das vollkommen albern war.

»Reichen dir die nicht, die dir ohnehin dauernd über den Weg laufen?«

»Tun sie nicht«, erwiderte er knapp.

»Was?«

»Sie laufen mir nicht über den Weg! Das sind sie noch nie.«

»Wie, du wirst nicht angegriffen?«, fragte ich empört. Er zuckte mit der Schulter. »Und wo ist dieser Seelenfresser dann hergekommen?«

»Hä? Ich kam gerade aus dem Waschraum und hab gesehen, wie sein Schwanzende unter deiner Tür verschwunden ist.«

Dann war er mir also tatsächlich zu Hilfe geeilt. Das war ja noch schlimmer! Ich dachte über seine Erklärung nach, während wir weitergingen. Natürlich, in gewisser Weise ergab das Sinn: Wenn ihr ein Monster wärt, warum solltet ihr dann den strahlenden Helden angreifen, der euch in tausend Stücke sprengt, ohne sich auch nur im Mindesten anzustrengen? Was jedoch keinen Sinn ergab, war sein Verhalten. »Und deshalb glaubst du, dass du dir genauso gut einen Namen damit machen kannst, den Rest von uns zu retten?« Er zuckte erneut mit der Schulter, blickte jedoch nicht auf. Das war es also. »Macht es dir einfach Spaß, gegen Mals zu kämpfen?«, bohrte ich weiter, und er errötete noch mehr. »Du bist wirklich unglaublich seltsam.«

»Macht es dir keinen Spaß, deine Affinität zu trainieren?«, verteidigte er sich.

»Meine Affinität ist die Massenvernichtung, weshalb ich noch nicht allzu viel Gelegenheit hatte, mich darin zu üben«, erwiderte ich.

Er stieß ein Schnauben aus, als hätte ich einen Scherz gemacht. Ich versuchte nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Es ist leicht, zu behaupten, ich sei eine unfassbar mächtige dunkle Hexe. Doch niemand wird mir glauben, bis ich es irgendwann beweise, vorzugsweise mit einer eindeutigen Demonstration.

»Woher hast du die ganze Kraft?«, wollte ich stattdessen von ihm wissen. Das hatte ich mich schon oft gefragt. Eine Affinität macht die Anwendung bestimmter Zauber zwar entschieden einfacher, aber gratis sind sie deshalb nicht.

»Von ihnen. Von den Mals, meine ich. Wenn ich einen töte, speichere ich seine Kraft, um den nächsten Zauber abzufeuern. Und wenn ich mal ein bisschen knapp bin, borge ich mir etwas von Magnus oder Chloe oder David …«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Schon kapiert.«

Er ratterte alle Namen der anderen Schüler aus der New Yorker Enklave herunter. Natürlich teilten sie ihre Kraft, und natürlich verfügten sie über ihr eigenes Kraftreservoir, ähnlich meinen Kristallen – nur dass es sich bei ihrem um einen gigantischen Speicher handelte, in den sämtliche Schüler aus New York seit einem Jahrhundert einsparten. Orion hatte für seine Heldentaten praktisch eine riesige Batterie zur Verfügung, die er anzapfen konnte. Aber wenn er Mana bilden konnte, indem er Maleficaria tötete – wie eigentlich? –, benötigte er wahrscheinlich noch nicht einmal etwas davon.

Wir erreichten den Treppenabsatz der Etage, wo die Werkstatt lag. Der Wohnbereich des Abschlussjahrgangs befand sich noch weiter unten und ein schwacher Lichtschein drang von dort die Treppe herauf. Der Bogendurchgang zum Korridor mit den Klassenzimmern lag jedoch in völliger Dunkelheit, sämtliche Lichter waren erloschen. Ich starrte missmutig auf den düsteren Schlund, während wir die letzten Stufen hinunterstiegen. Das hatten wir allein seinem Zögern zu verdanken, und wenn die Mals ihn nie angriffen, dann würde sich wohl das, was auch immer dort lauerte, auf mich stürzen.

»Ich geh vor«, bot er an.

»Na, auf jeden Fall. Und du hältst das Licht.«

Er widersprach nicht mal, nickte nur, streckte seine linke Hand aus und brachte sie mit einer harmloseren Version desselben Leuchtzaubers zum Glühen, den er auch bei dem Seelenfresser benutzt hatte. Mir brannten davon trotzdem die Augen. Dann wollte er geradewegs in den Korridor spazieren. Ich musste ihn zurückhalten und die Decke, den Boden und die Wände ringsum selbst überprüfen. Verdauer, die länger nichts mehr gegessen haben, sind durchsichtig. Wenn sie sich ganz dünn auf einer flachen Oberfläche verteilen, kann man sie direkt ansehen, ohne zu bemerken, dass sie da sind – bis sie sich um einen wickeln. Auf Treppenabsätzen ist viel los, deshalb sind sie bei den Biestern besonders beliebt. Anfang des Jahres hat es einen Jungen aus der Zehnten erwischt, der es ziemlich eilig hatte, zum Unterricht zu kommen. Er hat ein Bein und den Großteil seines linken Arms verloren. Danach hat er – wenig überraschend – nicht mehr lange durchgehalten.

Der ganze Bereich rund um den Treppenabsatz war jedoch sicher. Das Einzige, was ich fand, war ein Agglo, der sich unter einer der Gaslampen versteckte, kürzer als mein kleiner Finger war und nicht mal für mich der Mühe wert, ihn abzuernten: Bisher steckten nur zwei Schrauben, ein halber Hustenbonbon und die Kappe eines Füllers in seiner Schale. Er krabbelte in Panik über die Wand davon, bevor er in einen Lüftungsschacht abtauchte. Nichts reagierte auf seine Flucht. Nachts in einem dunklen Korridor auf der Werkstattetage ist das kein gutes Zeichen. Es hätte sich irgendetwas rühren müssen. Es sei denn, ein Stück weiter befand sich etwas besonders Schlimmes, das die kleineren Mals verscheucht hatte.