Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Venus hat einen großen habitablen Bereich, in dem gesiedelt werden kann. Dieser Bereich hat eine angenehme Temperatur und einen akzeptablen Atmosphärendruck. Wie es funktionieren kann, beschreibt der Roman. Für Probleme wie Wohnraum, Transport, Versorgung, Arbeit, und welche Produkte geschaffen werden können, sind interessante Lösungen aufgezeigt. Ein Reporter erforscht dies alles und findet letztendlich seine Zukunft.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 322
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Geboren 1948, in Sachsen-Anhalt, aufgewachsen in Baden-Württemberg. Nach einer Facharbeiterlehre als Industriemechaniker und ein paar Praxisjahren., in Berlin Maschinenbau studiert.
Romanleitlinien:
Gesunder Menschenverstand, kein Ausmalen von Grausamkeiten, und ein gutes Ende der jeweiligen Geschichte.
Die Erdbevölkerung hat die sieben Milliarden-Grenze überschritten und wächst rasant weiter. Was tun? Es gibt genug Platz in unserem Sonnensystem. Es gibt den Mars, er ist zur Zeit Ziel unserer Forscher, aber da gibt es noch einen Planeten, groß, wie die Erde und nur halb so weit weg, wie der Mars, und dieser Planet, Venus genannt, soll nicht nutzbar sein? Man sollte sich die Sache nur mal genauer anschauen, und die Dinge in der richtigen Weise zusammen bringen, dann ist plötzlich etwas möglich, was man vorher nicht geglaubt hätte.
Lieber Leser, dieses Buch soll ein interessanter Roman, und kein fehlerfreies Lehrbuch sein. Daher muss meine eigene Korrektur ausreichen. Ich bitte für den einen oder anderen Flüchtigkeitsfehler um Verzeihung. Bitte dadurch nicht aufhalten lassen, einfach weiterlesen - danke.
Prolog
Neuer Lebensraum für Menschen
Kapitel 01.00
Die Reise zur Venus
01.01 Neues Abenteuer
01.02 Fahrstuhl in den Orbit
01.03 Das Raumschiff zur Venus
01.04 Zwischen den Planeten
01.05 Landung
01.06 Neufrankreich
01.07 Machbarkeit des Unmöglichen
01.08 Erster Tag auf der Venus
Kapitel 02.00
Städte über den Wolken
02.01 Autonomie
02.02 Die Gründerzeit
02.03 Rundflugtour
02.04 Die Produktionssphäre
02.05 Dementi der Entdeckung
02.06 Alltag
02.07 Der Agent
02.08 Neuamerika
Kapitel 03.00
Das Geheimnis der Venus
03.01 Oligarch Norsky
03.02 Die Insel des Oligarchen
03.03 Einweihung der größten Insel
03.04 Der lange Arm der Mafia
03.05 Der Antiquitätenhändler
03.06 Separatisten
03.07 Das geheime Lager
03.08 Das Geheimnis
03.09 Erinnerung
03.10 Nachwort und Grüße
Unser Sonnensystem bietet viel Platz. Da sind verschiedene Planeten und Monde, unzählige Asteroiden, sowie der weite großflächige Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter mit unzähligen Gesteinsbrocken bis hin zu kleinen Planeten wie Ceres und Vesta.
Natürlich herrscht dort ein lebensfeindliches Umfeld, ohne Atemluft und ohne Wasser. Aber wir Menschen sind kreativ, wir haben Wissen, Materialien und Werkzeuge.
Ein neues Material „Graphen“ genannt, superleicht und mit sehr hoher Festigkeit, für welches im Jahr 2010 der Nobelpreis verliehen wurde, eröffnet neue Möglichkeiten. Mit diesem Material könnten stabile Räumlichkeiten zum Leben und Arbeiten geschaffen werden.
Seien wir mal ehrlich, wir Menschen befinden uns doch sowieso meist in Räumlichkeiten, wie Wohnungen, Büros, Werkstätten, Einkaufszentren, überdachte Freizeitparks, Autos, Schiffe und Flugzeuge. Was macht es da noch aus, ob sich unser Heim auf der Erde oder woanders befindet?
Die Kommunikation wird auch mehr und mehr elektronisch geführt, und sie entwickelt sich rasant weiter, das macht vieles einfacher.
Was wir brauchen sind Visionen, um die Gestaltung unseres Lebensraumes über die bekannten Grenzen hinaus, zu erweitern.
Ärger mit der Mafia
Ich war pleite und hatte kein Geld, aber ich hatte eine Idee. Eine dumme Idee, wie ich im Nachhinein erkannte. Genauer gesagt, es war eine absolut dumme Idee. Ich wollte eine Reportage über das Innenleben der ansässigen Mafia machen. Diese wäre sicher ein paar Tausender wert. Ich wollte mich einschmuggeln und alle Daten sammeln, an die ich rankommen konnte. Natürlich musste ich bereit sein mitzumachen. Darauf wollte ich mich einlassen, in begrenzter Weise natürlich, und auch nur solange es geht. Ich hätte mich aber besser an die weisen Worte eines alten Chinesen, oder war es ein Grieche, erinnern sollen, der da einst sagte: Mensch erkenne dich selbst! Jetzt danach erkannte ich den Sinn der Worte. Ich war ein phlegmatischer Mensch, dazu verfressen und absolut nicht clever genug, um es mit den hinterlistigen und kriminellen Typen der Mafia aufnehmen zu können. Natürlich konnten die mich brauchen, als Futter für die Polizei sozusagen. Denn während diese mich verfolgte, konnten meine Bosse in aller Ruhe ihren kriminellen Machenschaften nachgehen. Das ging einige Male gut, bis ich eines Tages einen Fehler machte und eine sehr große Summe Geld verloren ging. Danach war nicht nur die Polizei, sondern auch die Mafia hinter mir her. Deren Boss, Giardino di Napoli, der Garten von Napoli, wie er genannt wurde, dem ich nie begegnete, tobte gewaltig und schwor mir schlimme Rache.
Er würde mich finden und ich sollte hart dafür büßen. Er war überzeugt davon, dass ich das Geld behalten hatte. Ich steckte also in tiefen Problemen. Früher oder später würden seine Leute mich finden. Ich malte mir schon aus, was die dann mit mir machen würden. Womöglich verpassen die mir ein paar neue Schuhe, solche selbstgemachten, aus bestem Beton.
Ich brauchte unbedingt einen Ausweg. Schlimmer konnte es eigentlich nicht kommen. Kein Geld und jetzt auch noch die Mafia am Hals. Was für eine dumme Idee hatte mich da nur getrieben? Von jetzt ab musste ich gut aufpassen wer mir folgte. Wenn ich heim wollte, nutzte ich verwinkelte Gässchen, um meine Spur zu verwischen. Mein Leben war kompliziert geworden.
Die Rettung
Ich saß mal wieder in meinem Büro, die Beine hochgelegt, mit den Schuhen auf dem Schreibtisch. Meine Putzfrau hasste dies, weil sie die schwarzen Flecken, die ich auf dem Tisch hinterließ, kaum wegbekam.
Über dem Dachgiebel des Nebengebäudes, schickte mir die Nachmittagssonne großzügig ein paar wärmende Strahlen. Sie glitten quer über den Schreibtisch, trafen meinen Oberkörper und wärmten ihn. Ich entspannte.
In den Lichtstrahlen tanzten unendlich viele Staubkörnchen einen Reigen. Träumend schaute ich zu. Ja, die Putzfrau war schon lange nicht mehr hier gewesen. Im Augenblick musste sie sich ihr Geld leider woanders verdienen.
Mietzahlungen standen auch an, aber in meiner Kasse herrschte Ebbe.
Mein Name ist Tom Hiddencraft, ich bin Reporter, Schriftsteller, Autor und arbeite freiberuflich für verschiedene Verlage. Ein gutes Essen, ein guter Tropfen Wein und eine dicke Havanna, sind für mich mein Himmel auf Erden. Was allerdings dazu führte, dass ich einige Kilo zuviel auf den Rippen hatte. Körperlich gesehen, gehöre ich nicht zu den größten Menschen, solange man meinen Bauch nicht dazuzählt. Mit diesem allerdings, überragte ich so manch anderen. Mein Haupthaar ist schon etwas dünner geworden. Aber ansonsten bin ich noch topfit, solange ich mich nicht überanstrenge.
Mein Wohn- und Arbeitsort ist London. Eine wunderschöne Stadt, die ich liebe. Sie ist voll von buntem Leben und hat sogar noch ein Königshaus mit Tradition. Ich bin zwar kein Royalist, aber ein heimlicher Bewunderer dieser Royals und ihrem Flair. Sie schaffen es immer wieder viele Menschen mit ihrer Art und ihrem Lebensstil zu begeistern.
Ich saß da und sinnte nachdenklich vor mich hin. Ich brauchte schnellstens ein Versteck, wo mich die Leute der Mafia, nicht finden konnten.
Eigentlich müsste mir doch, durch meine hochgelegten Beine, etwas mehr Blut in den Kopf fließen. Das sollte das Nachdenken verbessern, hatte ich mal gehört. Ich half etwas nach, indem ich noch ein Stück tiefer, abwärts in meinen alten, geflickten Sessel rutschte. Mehr Blut heißt mehr Sauerstoff und von dem brauchte ich jetzt dringend mehr in meinen Gehirnwindungen, denn ich suchte nach Lösungen meiner Probleme. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich welche hatte und dazu auch noch knapp bei Kasse war, aber ich hatte Vertrauen in mein Schicksal. Kommt Zeit - kommt Rat, sagte ich mir. So war es zumindest bisher immer gewesen. Also saß ich hier, ganz entspannt, sonnte mich und wartete auf den kommenden Rat.
Und er kam. Zwar nicht innerhalb meiner Gehirnwindungen, er kam durch die Windungen des Telefonkabels. Es klingelte. Am anderen Ende war einer meiner Verleger, für die ich hin und wieder etwas schrieb. Er hatte lange nichts mehr von mir gehört und wollte wissen, was los war.
„An was arbeitest du gerade?“, fragte er.
Ich spielte den Schwerbeschäftigten, nach dem Motto: Hast du nichts zu tun, dann tu wenigstens so, als hättest du was zu tun! Dummerweise kannte er diese Methode auch.
„Also, du sitzt gerade faul herum und zählst deine Staubkörner! Stimmt doch oder?“
„Jaa“, sagte ich ertappt, „aber ich brauche auch mal eine Auszeit“, begründete ich meine momentane Situation. Er musste ja nicht unbedingt gleich erfahren, was für einen Bockmist ich gebaut hatte. Aber er kannte eben seine „Pappenheimer“ und wusste genau dass ich in der Tinte saß.
„Hör zu, ich weiß, dass du ein mächtiges Problem am Hals hast. Du solltest schnellstens etwas dagegen tun. Da ist eine interessante Sache. Komm in mein Büro damit wir in Ruhe darüber reden können!“
„OK, bis nachher“, versprach ich, schwang meine Beine vom Schreibtisch, zog die Jacke an und machte mich wachsam und vorsichtig auf den Weg zu ihm. Ein paar Umwege baute ich ein, damit sich meine Spur verwischte, falls mir doch jemand folgte. Ich hoffte, dass keiner der Mafialeute mich zufällig sah.
Eine Stunde später war ich bei ihm: „Um was geht es?“
„Also“, meinte er, “du hast große Probleme, wie ich hörte. Die Mafia sei hinter dir her, du hättest eine große Menge Geld unterschlagen sagt man in gewissen Kreisen. Ich weiß zwar, dass du Geld brauchst, was ja bei dir meist der Fall ist, aber dass du die Mafia beklaust, das glaube ich nicht. Dafür kenne ich dich viel zu gut. Trotzdem solltest du dich unbedingt verstecken, am besten an einem Platz, der weit genug weg ist, und ich habe für dich die ideale Lösung.“
„Ach ja und wo?“, fragte ich nach.
„Fliege zur Venus, da sucht dich so schnell keiner. Warst du schon mal auf der Venus?“
„Venus? Um Himmelswillen, nein. Bisher hat mich noch nichts dorthin gezogen.“
„Dann wird es Zeit. Wir brauchen einen Mann vor Ort. Veränderungen sind dort im Gange. Ein paar Leute glauben, dass dort etwas merkwürdiges vor sich geht. Sie möchten, dass sich mal jemand bei den Bewohnern auf der Venus umschaut und versucht herauszufinden, was dort los ist.
Die Venusianer werden langsam autark, sie haben scheinbar eine eigene wissenschaftliche, kulturelle und politische Richtung eingeschlagen. Es dringen immer weniger Informationen zu uns durch. Sie sind nicht mehr so mitteilungsfreudig, wie es bisher war. Man könnte gerade meinen, sie hätten ein Geheimnis und versuchten es zu schützen.
Da sich die Zeit der ersten Besiedelung mal wieder jährt, beabsichtigt unser Verlag, eine Berichtreihe über die Venusbesiedelung herauszubringen. Das wäre eine gute Möglichkeit umfangreich über Leben, Arbeiten und Forschen der Menschen auf der Venus zu berichten.“
„Vielleicht sind die gerade dabei, uns Erdlinge wissenschaftlich und technisch abzuhängen, um uns dann womöglich zu versklaven“, sagte ich spaßeshalber und mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Glaube ich zwar weniger“ meinte er, „aber Wachsamkeit kann nicht schaden. Daher haben wir uns entschieden jemand dort zu haben, der die Augen offen hält und unsere Leser, über die Vorgänge und Lebensweise der Menschen dort informiert. Du bist zur Zeit frei und brauchst einen neuen Job. Wenn du aber nicht willst, dann müssen wir jemand anders schicken.“
„Na ja“, bremste ich ihn, „ich habe ja nicht gesagt, dass ich nicht dort hinfliegen würde, aber lässt sich das alles nicht auch von der Erde aus machen?“
„Nein, leider nicht. Wie schon gesagt, wir bekommen leider nicht mehr alle Informationen. Scheinbar werden wir für sie uninteressant. Fliege hin, schau dich um, erledige diese Arbeit, und schreib uns wöchentliche Berichte. Nebenbei hast du dann auch noch deine momentanen Probleme vom Hals.
Ein Gefühl von Lästigkeit breitete sich in mir aus und meine dickfellige Bodenständigkeit wollte von der guten alten Erde nicht weg. Aber, entweder ich sitze hier arbeitslos herum, kann bald meine Miete nicht mehr zahlen und essen sollte ich ja auch mal was und zudem werde von den Mafialeuten gesucht, oder ich fliege zur Venus. Daher stimmte ich, wenn auch widerwillig, zu.
„Fein“, war seine Antwort. „Unsere Leser sind an dem Leben und den Vorgängen auf der Venus interessiert. Sie wollen daher etwas über das Alltagsleben der Leute dort erfahren. Sie wollen wissen wie diese leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Natürlich will man auch etwas über den technischen und wissenschaftlichen Stand der Entwicklungen wissen.
Zum Jahrestag der Venusbesiedelung, soll eine der bisher größten schwebenden Inseln eingeweiht werden. Grund genug um hinzufliegen. Schließe also dein Büro und begib dich dorthin. Untersuche die Situation, die Entwicklungen, die Lösungen der Umweltprobleme, ihre Technik und ihre Ziele. Schau hinter die Kulissen und siehe nach, was sich dort tut.“
Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf und dachte, dass ein guter Reporter auch ein Detektiv sein muss.
„Noch eine Information unter der Hand“, sagte er etwas leiser, „wir haben Informationen erhalten, dass eine sensationelle Entdeckung gemacht wurde, die alles bisherige Wissen auf den Kopf stellt. Was aber wirklich dahintersteckt wissen wir nicht. Vielleicht kannst du etwas rausfinden.“
Die Weise, wie er „wir“ sagte, gab mir das Gefühl, dass er nicht nur die Leute seines Vorstandes meinte, im Hintergrund mussten noch andere sein. Irgendwelche Geldgeber vermutete ich, denn billig wird die ganze Sache nicht werden. Womöglich ist diese Nachforschung der wirkliche Grund der Reise. Doch ich fragte nicht, von irgendwo muss das Geld ja kommen.
„Der Jahrestag der hundertjährigen Besiedelung ist ein guter Grund, um ausführlich über das Leben auf der Venus zu schreiben. Schreib ruhig über alles, wie die Leute dort leben, was sie bewegt, wie sie ihr Leben bewältigen, ihre Wehwehchen, ihre technischen Errungenschaften und ihre Aktivitäten auf der heißen Oberfläche. Finde heraus, wie sie ihre schwimmenden Inseln fabrizieren. Im Groben ist natürlich alles bekannt, aber die entscheidenden Details kennen die wenigsten.
Wenn du den Auftrag übernimmst, dann sind deine Mietzahlungen gesichert und deine Schulden kannst du auch ausgleichen und zudem bist du außer Reichweite der Mafia.“
Er schaute mich über den Rand seiner Brille an. Ich fühlte mich ertappt. Scheinbar kannte er mich besser, als ich dachte. Womöglich wusste er auch ganz genau, bei wem ich in der Kreide stand und wie viel Mieten ich im Rückstand war. Was blieb mir also anderes übrig als hinzufliegen.
Er griff in seine Schublade. „Hier ist ein Flugticket, hin und retour. Du kannst im Zentralhotel von Neufrankreich im Habitat Europa wohnen, ist zwar nicht die erste Adresse, aber ausreichend. Ein Zimmer auf deinen Namen ist schon gebucht, zumindest für den ersten Monat. Danach liegt es an dir, ob du dort bleiben willst. Hast du irgendwelche Sonderausgaben, dann hebe die Belege auf. Mach dich also auf den Weg, der Abflugtermin steht fest, ansonsten müssen wir anderthalb Jahre warten. Das wäre vergeudete Zeit, die wir leider nicht haben.“
Die Venus
Wieder daheim in meinem Büro, wirbelten mir meine Gedanken wild durch den Kopf. Ich begann ein Selbstgespräch:
„Venus?“
„Ich will doch nicht zur Venus!“
„Wie komme ich dazu, zur Venus fliegen zu müssen.“
„Was soll ich denn da?“
„Venus - Schwachsinn!“
„Oder vielleicht ein gutes Versteck vor den Mafialeuten?“, das zog und überzeugte mich.
Vor mir auf dem fleckigen Schreibtisch lag der Durchschlag eines Vertrages, den ich eben unterschrieben hatte. Dazu ein Flugticket und eine kleine Kreditkarte. Ich schob die Dinge, ungläubig auf dem Tisch hin und her.
„Kann doch nicht wahr sein!“, murmelte ich unhörbar vor mich hin. „Ist garantiert nicht wahr!“, bestätigte mir mein subjektives Denken.
„Oder doch, etwa wahr?“ fragte ich zweifelnd meinen Realitätssinn. „Nein! Doch! Ist es wirklich wahr? Ja! Wahnsinn!“ Ich fühlte mich erschlagen, begann aber die Realität zu akzeptieren. Der Tag war gelaufen! Ich konnte nicht abstreiten, dass ich eigentlich gar kein Interesse hatte zur Venus zu fliegen, aber ich bin leider darauf angewiesen Geld zu verdienen. Mein Vermieter will Geld, der Taxifahrer will Geld, der Bäcker will Geld. Selbst mein Bier, in der Kneipe um die Ecke, muss ich bezahlen. Einfach furchtbar! Alle wollen Geld - mein Geld und nun auch noch der Mafiaboss. Ich muss wirklich weg von hier.
„Venus“, sagte ich laut vor mich hin, ich sollte unbedingt mehr über diesen Planeten wissen. Bisher hatte er mich nicht interessiert, ich hatte ja hier genug zu tun. Aber warum sich nicht mal mit der Venus befassen. Immerhin hat man sie oft abends oder morgens vor Augen, wenn man zum Nachthimmel hoch schaut. Sie ist schon ein faszinierender Planet und im Gegensatz zu den anderen Planeten, der einzige, der annähernd so groß ist, wie die Erde.
Früher, vor vielen Jahrzehnten, als man die Erkundung des Sonnensystems mit Raumsonden begann, musste man leider feststellen, dass die Erwartungen, dort eine subtropische Oberfläche vorzufinden, falsch waren. Unter der dicken Wolkenschicht befand sich eine heiße trockene Wüste. Sie war viel zu lebensfeindlich, um auf ihr siedeln zu können. Auf unabsehbare Zeit würde der Planet für uns Menschen unzugänglich sein, dachte man damals.
Die Menschheit war am Explodieren und brauchte unbedingt neuen Lebensraum. Nicht weit entfernt war ein Planet, groß wie die Erde, gewissermaßen vor unserer Haustüre, nur halb so weit weg wie der Mars und sollte doch nicht nutzbar sein. Irgendwie machte das schon traurig. Trotzdem wurde die Venus erkundet. Ihre Atmosphäre war dicht, heiß und voller Schwefelsäurewolken, was für ein Jammer.
Doch heute ist die Venus besiedelt, obwohl ihre Oberfläche immer noch viel zu heiß ist. Trotzdem wohnen auf der Venus inzwischen viele Menschen, das ist die eigentliche, kaum zu glaubende Faszination.
Schlagende Argumente, warum man eine Besiedelung nach den anfänglichen Erkenntnissen ausgeschlossen hatte, sind schnell aufgezählt. Da ist die überheiße Oberfläche, mit einer Temperatur von fast fünfhundert Grad Celsius und einem Atmosphärendruck von ungefähr neunzig bar, auf der Oberfläche. Das entspricht einer Meerestiefe von ungefähr neunhundert Metern. Dort unten will ja auch keiner leben. Dann gibt es noch die vielen aggressiven Wolken aus Schwefelsäure, die um den Planeten driften.
Doch ein paar Fakten, die für eine Besiedelung sprechen, lassen sich nicht von der Hand weisen. Die Venus ist in diesem Sonnensystem der einzige Planet, der eine Erdähnliche Gravitation hat und seine dichte Atmosphäre ist ein guter Schutz gegen Meteoriten. Es wurden sogar Ansätze eines Ozonschildes gefunden.
Und außerdem darf man bei der Betrachtung und Bewertung die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass wir Menschen ohne unsere Technik und Wissenschaft, sowieso außerhalb der Erde, nicht existieren können. Selbst auf der Erde ist es schon lange nicht mehr möglich, diese vielen Menschen ohne entsprechende Technik mit allem Lebensnotwendigem zu versorgen. Daher müssen wir nach den nutzbaren Gegebenheiten fragen, die auf Planeten oder Monden schon vorhanden sind. Durch Technik muss noch das zugefügt werden, was fehlt.
Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts waren viele technische Probleme, die ein Leben außerhalb der Erde mit sich bringt, schon gelöst. Was die Venus anging, fehlte lediglich noch die richtige Sichtweise und Wertung der Dinge.
Es wurde festgestellt, dass die Atmosphäre der Venus unterschiedlich geschichtet ist. In gewissen Höhen bot sie nicht nur einen Luftdruck, der dem der Erde entsprach, sondern auch angenehme mittlere Temperaturen hatte, wie sie auf der Erde herrschen. Diese habitable, also lebensfreundliche Atmosphärenschicht begann in einer Höhe von ungefähr fünfzig Kilometern über der Oberfläche.
Irgendjemand kam auf den Gedanken, dass man die dichte, bodennahe Kohlenstoffatmosphäre, als einen großen Gasozean betrachten sollte. Ein gewaltiger Ozean aus Gas also, der sich über den ganzen Planeten erstreckt und zehn mal tiefer ist, als irdische Wasserozeane. Über diesem Ozean, findet man die besagten gemäßigten Atmosphärenschichten. Die Idee kam auf, schwimmende Inseln zu bauen und sie dort, innerhalb dieser geeigneten Zonen, driften zu lassen. Doch gerade in diesen Höhen befinden sich leider auch schädliche Wolken aus Schwefelsäurenebel. Sie waren zwar etwas schwächer als tiefere Schichten, aber lästig.
Wollte man also ein Besiedelungsprojekt starten, mussten Lösungen für dieses Problem entwickelt werden. Mikrobiologen fanden eine Abhilfe, mit der man diese Bereiche der Atmosphäre, von dem Schwefel frei bekam.
Ihre Idee war, Bakterien zu züchten und diese in der Venusatmosphäre auszusetzen. Die Aufgabe bestand darin, die Schwefelverbindungen schwerer und weniger aggressiv zu machen. Das bewirkte, dass im Laufe von wenigen Jahrzehnten diese lästige Wolkenschicht tiefer nach unten sank, und so die nutzbaren Luftschichten frei von ihr wurden. Es blieb zwar noch ein gewisser Schwefelgeruch übrig, der aber durch die Notwendigkeit sowieso eine Sauerstoffmaske tragen zu müssen, vernachlässigbar wurde. Mit anderen Worten, man konnte mit der verbliebenen relativ geringen Belastung durch Schwefel leben. Ein nützlicher Nebeneffekt war, dass durch den Schwefel eine sterile Atmosphäre herrschte, in der zum Beispiel Grippeviren keine Chance zum Überleben hatten.
So kamen viele Menschen, die auf der Erde ständig mit gewissen Krankheiten zu kämpfen hatten, die durch Schwefel geheilt werden konnten, zur Venus. Hier war es ihnen möglich einigermaßen gesund zu leben. Die Venus wurde sozusagen das beste Schwefelheilbad, welches es gab.
Im Laufe vieler Jahre entwickelte sich eine eigene Gesellschaft mit eigener Kultur und vor allem mit der Fähigkeit, unabhängig von der Erde existieren zu können.
Im Gegensatz zum kalten Mars und den ebenfalls kalten Zwergplaneten, Ceres, Vesta und Pluto oder den großen Monden, die auch alle keine eigene Wärme aufwiesen, konnte man auf der Venus die Wärme des Planeten nutzen. Man brauchte also nicht heizen. Das sparte viel Energie, denn der Mensch braucht eben eine gewisse Wärme, um sich wohl zu fühlen. Was ich durchaus aus eigener Erfahrung bestätigen konnte.
Da diese oberen Schichten der Atmosphäre mit einer Geschwindigkeit von annähernd dreihundert Stundenkilometern recht gleichförmig und ohne wesentliche Turbulenzen, um den Planeten drifteten, ergeben sich Tageslängen von ungefähr vier bis fünf Erdentagen. Das war akzeptabel. Harte und heiße Diskussionen entzweiten damals die Menschen. Ein Riss ging sozusagen quer durch Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Die einen sahen große Chancen in der Nutzbarmachung der Venus, während andere sich um die Gefahren sorgten. Dagegen fürchteten manche den Aufwand, welcher Unmengen an Kapital und Ressourcen verschlingen würde. „Für diese Kosten, könnten wir hier auf der Erde mehr als doppelt so viele Menschen unterbringen, wir müssen nur unsere Ressourcen richtig nutzen“, war ihre Devise. Aber ein Kometeneinschlag und die Erde mit ihrer Bevölkerung war Vergangenheit und ohne Zukunft.
Außerdem lieben nun mal Menschen alle Arten von Herausforderungen. Zudem trieben Faszination und Wunschdenken viele Menschen dazu, die Venus erobern zu wollen.
So, wie in früheren Jahrhunderten, trotz aller Gefahren, die Erde entdeckt, erkundet und besiedelt wurde, begannen sie das Sonnensystem zu erschließen und seine Möglichkeiten zu nutzen. Dazu gehörte eben auch die Venus.
Interessantes Projekt
Die Geschichte der Venusgesellschaft zog mich in ihren Bann. Es erschien mir wie ein Wunder, dass ein Planet, der eher einer Hölle glich, zu einem Platz des Lebens werden konnte. Mit eigenen Augen wollte ich jetzt sehen, was sich auf der Venus tat, wie die Menschen dort lebten und wie sie den harten Bedingungen trotzten. Ich wollte wissen, welche Gefahren das Leben dort beeinträchtigen und welche Überlebensmethoden ihnen helfen. Von der Erde aus gesehen, kann man nicht wirklich ermessen, welche Leistlungen erbracht werden mussten und wie der Alltag dort wirklich abläuft.
Ich wollte nicht mehr lange herum philosophieren und Fakten aus zweiter Hand zusammentragen. Bücher, Schriften und Berichte können nicht das eigene Erleben ersetzen. Meine anfängliche Abneigung, zur Venus zu fliegen, verschwand. Ich begann meine Koffer zu packen. Noch nie war ich auf einen anderen Planeten, geschweige den auf einen anderen Kontinent gewesen. Warum auch, alles, was ich brauchte hatte ich hier. Aber Abenteuerfiber hatte mich plötzlich erfasst und Neugier trieb mich voran.
Wie konnte man in Höhen von über fünfzig Kilometern leben, während unter einem ein heißer Backofen glühte. Ein Schauder lief mir bei diesem Gedanken über den Rücken. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Auf der Erde gibt es bis jetzt nichts vergleichbares, keine nennenswerten künstlichen Inseln, nur große Schiffe, welche über die Meere kreuzen. Ab und zu geht auch mal eines dieser Schiffe unter. Das ist dann immer eine schlimme Katastrophe. Nicht vorzustellen, was auf der Venus in einem solchen Fall los ist.
Und die Lufthülle der Erde ist für Gasinseln unbrauchbar. Luftschiffe gab es zwar vereinzelt, aber das war auch schon alles. Wir hatten ja hier Kontinente und die vielen Inseln, alles andere wäre einfach zu aufwendig.
Je mehr ich über die Sache nachdachte, desto klarer wurde mir, was für eine erstaunliche technische Leistung dort erbracht worden war.
In groben Zügen wusste ich natürlich, wie es dort aussah, aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man etwas nur oberflächlich weiß, oder ob man tiefer darüber nachsinnt. Erst dann purzeln einem die Fragezeichen massenweise durch den Kopf.
Was ist damals wirklich abgelaufen, als die Besiedelung begann? Wie konnte man etwas, was für den gesunden Normalverstand unsinnig war, trotzdem anstreben und verwirklichen?
Und vor allem, was ist, wenn mal was passiert? Diese aggressiven Schwefelsäurewolken, die ein Stück weiter unten sind, zerlegen doch alles, was da hineinfällt. Was weiterfällt wird dann unten gebraten. Das sind wirklich absolut keine guten Überlebensaussichten.
Auf dem Weg zum Lift
Ganz so einfach, wie klein Fritzchen sich eine Reise vorstellt, war eine Tour zur Venus noch nicht.
Mit einem Lift, einem Fahrstuhl nach oben, verließ man die Erdatmosphäre. Dies war eine technische Superleistung, über die man nur staunen konnte. Im Orbit, von ich weiß nicht wie vielen Kilometern Höhe, übernahm ein Shuttle die Passagiere und brachte sie zu dem wartenden Raumschiff. Aber zuerst einmal hatte ich, eine der Erdstationen dieser Fahrstühle zu erreichen.
Drei Stück gab es zur Zeit. Eine in Ecuador auf dem südamerikanischen Kontinent, eine in Kenia in Afrika und eine in Indonesien auf dem westlichen Teil von Neuguinea.
Die Nordamerikaner unterhielten jene in Ecuador, die Europäer waren für die in Kenia zuständig und die Chinesen beteiligten sich an der Station in Indonesien.
Alle drei Stationen befanden sich am oder in der Nähe des Äquators, auf Bergen in Höhen von ungefähr fünftausend Metern. Dort war das Wettergeschehen wesentlich günstiger als unten im flachen Land. Die Lage nahe dem Äquator war physikalisch notwendig, da die Seile der Lifte, an Raumstationen befestigt waren, die hoch oben im Orbit synchron mit der Erddrehung flogen.
Weil es mit den Ländern, in denen sich die Bodenstationen befanden, immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten kam, begannen die Chinesen, Inder und Nordamerikaner zur Zeit eigene Lifte und Raumstationen zu installieren. Diese sind zwar technisch aufwendiger, aufgrund der Entfernung zum Äquator, aber nicht unmöglich. Die Europäer waren mal wieder nur mit sich selbst und ihren internen Problemen beschäftigt, anstatt vorauszudenken. Die lebensfrohen Südeuropäer kamen mit den sturen, arbeitsamen Sparfüchsen in Nordeuropa einfach nicht zurecht. Daher zogen sich notwendige Einigungen über gemeinsame Projekte zeitlich meist sehr lange hinaus.
Die wachen wohl erst auf, wenn alle Ressourcen verteilt sind, anstatt autark und handlungsfähig zu werden, dachte ich. Nun ja, sei es wie es ist, es war im Augenblick nicht mein Problem.
Ich hatte ein Ticket für die Station in Kenia und war auf dem Weg dorthin. Aus verständlichen Gründen war der Luftraum um den Lift für Flugzeuge aller Art weiträumig gesperrt. Nicht auszudenken was passiert, wenn mal ein Flugzeug gegen die Lifteinrichtung kracht.
Die Ingenieure hatten natürlich auch an so was gedacht und aus diesem Grund eine Trennstelle, bezugsweise Sollbruchstelle, vorgesehen. In einer Höhe von ungefähr vierzig Kilometern befand sich eine schwebende und auch absenkbare Einrichtung. Diese diente als Verbindung nach oben. Sie wurde mit leichten Gasen gefüllten Ballons, in Position gehalten, um die abwärtsgehenden Seile zu spannen. Im Ernstfall konnten die Seile von hier aus gekappt werden.
Wie im Gefahrenfall alles ablaufen sollte, war klitzeklein geregelt. Sogar an den Abschuss eines Flugzeugs hatte man gedacht, wenn es denn je notwendig sein sollte.
Auch in den Orbitstationen konnten im Ernstfall die Seile gelöst werden. Besser ein Fahrstuhl stürzt ab, als dass eine ganze Raumstation runterkommt. Aber an so etwas mochte ich jetzt nicht denken.
Sehr bemerkenswert war, dass es überhaupt Seile oder Bänder gab, die bis in den Orbit und noch viele Kilometer darüber hinaus reichten.
Wunderstoff Graphen
Das Zauberwort hieß Graphen. Dieses Material bestand aus reinem Kohlenstoff. Es war superleicht und äußerst reißfest. Kein anderes Material kam dem gleich. Das lag an der Beschaffenheit des Kohlenstoffatoms. Es ist vierwertig, konnte also vier andere Atome an sich binden, die ihrerseits wiederum weitere Atome an sich binden konnten. So war es möglich, eine gleichförmige Struktur entstehen zu lassen, dünn, wie ein Atom, aber reißfester als bester Stahl, nur eben nicht so schwer.
Das große Problem, war die Herstellung solcher Materialien. Aber Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts begann man mit gezielter Forschung nach geeigneten Herstellungsverfahren. Es dauerte zwar seine Zeit, aber irgendwann war es möglich, unendlich lange Seile, Bänder oder Folien anzufertigen. Soweit ich wusste, waren diese superleichten und widerstandfähigen Folien aus Graphen der Schlüssel, der es erlaubte schwimmende Städte und Inseln in der Venusatmosphäre zu schaffen. Im ersten Moment konnte ich mir das kaum vorstellen. Wie will man eine Tragkraft für ganze Häuser aufbringen, geschweige denn eine ganze Stadt?
Während ich all dem nachsinnte, saß ich im Flieger nach Kenia. Unter mir erstreckten sich die weiten Wüstenflächen der Sahara. Die Begrünung ging nur schleppend voran. Einige Siedlungen waren entstanden, zwangsweise sozusagen, weil Lebensraum knapp geworden war. Milliarden von Menschen brauchten einfach Platz. Die Siedlungen erschienen wie verstreute Inseln in einem goldenen Sandmeer.
Ich schlummerte hinweg und wachte erst wieder auf, als wir im Landeanflug waren. Nachdem das Flugzeug nach der Landung mit der Gangway verbunden war, verließen wir es, mussten durch den Zoll und wurden mit einem Shuttlebus zur Bodenstation des Lifts gefahren. Da der Flughafen in einiger Entfernung lag, dauerte dies mehr als eine halbe Stunde.
Die untergehende Sonne schickte ihre letzten roten Strahlen über das Land.
Wettermäßig konnte man nicht klagen und so war es möglich auf dem nahen Berggipfel ein, von rötlichen Sonnenstrahlen erleuchtetes, gewaltiges Gebäude zu erkennen. In futuristischer Schönheit thronte es dort hoch oben.
Die rötlichen Strahlen der Abendsonne ließen alles in einem überirdischen Glanz erscheinen. Während es unten schon fast dunkel war, erhob sich dieses Gebäude wie eine helle Insel in den Himmel. Ich war fasziniert von dem Anblick. Seile und Bänder, die hoch oben verschwanden, glänzten strahlend im letzten Sonnenlicht.
Starke Scheinwerfer schalteten sich ein. Wir Touristen erreichten den Eingang des Gebäudes. Eine kühle Abendbriese strich über uns hinweg. Patrouillierende Sicherheitsleute standen wachsam überall herum. Beschilderungen führten uns, in das Gebäude und dort zum Zoll. Alles war hier, wie überall in einem Flughafen, nur lediglich etwas strenger und sorgfältiger. Immerhin wollten wir den Planeten verlassen. Unnötige Dinge, mussten zurückgelassen werden. Sie wurden bis zur Abholung eingelagert oder entsorgt.
Pingelig suchten die Zöllner nach Insekten oder anderem Kleingetier. Dies war eine internationale Regelung, denn keine Station oder Kolonie im Sonnensystem war scharf darauf, lästige Tierchen oder Insekten eingeschleppt zu bekommen. Zettel mit Verhaltensinformationen hatten wir zu lesen und zu bestätigen. Nach dieser Prozedur konnten wir uns auf den Weg zum Lift, dem Fahrstuhl nach oben, machen.
In der Mitte einer großen Halle, deren Fußboden mit wunderschönen bunten Ornamenten ausgelegt war, befand sich das eigentliche Liftgebäude. Es war ein, mit der Decke der Halle abschließender, sechseckiger Turm. Drei Zugänge gaben den Weg in die Liftgondel frei. Wie ich auf einer Informationstafel erkennen konnte, war sie an sechs Seilen aufgehängt.
Zwischen diesen Seilen befanden sich, symmetrisch versetzt, die drei Türen der Gondel. Sie war innen rund, hatte einen inneren Durchmesser von ungefähr vier Meter. Sie war drucksicher gebaut und erkennbar gegen Kälte isoliert. Sie sollte uns ja hinaufbringen, in den kalten, luftleeren Weltraum. An den Seiten waren rundum Sitze angebracht, denn es würde ein paar Stunden dauern, und wer wollte so lange stehen.
Der begrenzte Platz führte dazu, dass ein Teil der Reisegruppe auf eine weitere Fahrt warten musste. Schadenfreude war fehl am Platz, denn die einen mussten später oben auf die anderen warten.
Die erste Gruppe war eingetreten. Die Türen schlossen sich, über Lautsprecher kam ein Signal und eine sanfte weibliche Stimme begrüßte uns freundlich. Sie bereitete uns auf den folgenden Start vor. Fast unmerklich hob der Lift ab und nahm Fahrt auf. Runde Bullaugen ermöglichten einen Blick nach draußen. Da es dort inzwischen dunkel war, konnte man ein Lichtermeer aus unzähligen Laternen bestaunen. Sie blieben schnell unter uns zurück, wurden kleiner und kleiner. Je höher wir kamen, desto besser war es möglich den Lichtstreif der untergehenden Sonne am Horizont zu sehen. Auch die Krümmung der Erdkugel wurde jetzt immer deutlicher.
Nach etwas mehr als einer halben Stunde, erreichten wir die Zwischenstation. Aussteigen war hier nur für Betriebspersonal und mit Schutzanzug möglich. Die Luft war schon sehr dünn und sauerstoffarm geworden. Da kein Monteur rauswollte, fuhren wir weiter. Wir verließen bald darauf den Bereich der Stratosphäre und tauchten in die Ionosphäre ein, die sich weit, in den fast luftleeren Raum hinaus, ausdehnte.
Bevor wir die Umsteigestation erreichten, wurden uns leichte aber stabile Überschuhe ausgehändigt, die wir unbedingt anziehen und gut verschließen sollten.
Neugierig betrachteten wir diese Dinger. Sie hatten eine Klettsole, würden also auf einen entsprechenden Fußbodenbelag haften bleiben. Genial, denn bald würden wir der Schwerelosigkeit ausgesetzt sein.
Umsteigestation
Der Weltraum nahm uns auf. Fasziniert schauten wir alle zu den kleinen runden Fenstern hinaus. Dickes Sicherheitsglas schützte uns vor dem endlosen, kalten Nichts. Einige versuchten verschiedene Sternbilder zu erkennen. Was aber bei der eingeschränkten Sicht kaum möglich war.
Irgendwo in der nachfolgenden Exosphäre, jenseits von ungefähr vierhundert Kilometern Höhe, erreichten wir nach stundenlanger Fahrt, die Umsteigestation.
Die Zeit des Umsteigens war sehr begrenzt, da Shuttles für den Transit zum eigentlichen Raumschiff, hier nur kurzzeitig mit angepasster Geschwindigkeit fliegen konnten. Das eigentliche Schiff, wartete irgendwo im Orbit.
Den Lift weiter fahren zu lassen, höher hinauf, bis zu einem geostationären Ort, der irgendwo bei einer Entfernung von sechsunddreißigtausend Kilometern liegt, wäre technisch zu problematisch.
Ohne Kompromisse geht eben vieles nicht. Ich muss mich bei Gelegenheit mal, genauer damit befassen, dachte ich. Es war ja wirklich eine faszinierende Technik.
Auch durfte man nicht vergessen, dass noch eine Menge Weltraumschrott im Orbit herumflog. Es handelte sich um Überbleibsel aus der Anfangszeit der Weltraumfahrt. Vieles davon ist zwar in all den Jahren zuvor abwärts gedriftet und in der Atmosphäre verglüht, aber einiges blieb leider als eine latente Gefahr erhalten. Daher war es notwendig, soviel wie möglich von dem Schrott einzufangen und zu entsorgen.
Auf Grund dieser Notwendigkeit, hatten sich die Betreiberstaaten der Lifte zusammengetan und mit speziellen Reinigungsraumschiffen den meisten Abfall eingesammelt. Der Bereich der Lifte und Umsteigestationen wird ständig und sorgfältig überwacht, um sie gefahrlos nutzen zu können.
Seit dem diese Aufzüge installiert wurden hatte sich die Weltraumfahrt grundlegend gewandelt. Den Orbit zu erreichen, war jetzt ein Kinderspiel. Die vielen Raketen, mit ihrem hohen Treibstoffverbrauch, waren unnötig geworden. Das ersparte sehr viel Aufwand und Ressourcen, die man nun anders einsetzen konnte. Jetzt erst begann wirklich die Eroberung des Sonnensystems.
Angekommen in der Umsteigestation, wurden wir nochmals darauf hingewiesen uns zu beeilen. Die Wege waren gut sichtbar markiert, daher konnte das Umsteigen schnell durchgeführt werden. Unsere Klettüberschuhe sollten verhindern, dass wir mit jedem unbedachten Tritt davon drifteten. Nur das Shuttle hatte Probleme, es musste gegen ein Absinken nach unten gesichert werden. Schwerelosigkeit herrscht ja erst dann, wenn sich Fliehkraft und Gravitation gegenseitig aufheben, was hier noch nicht der Fall war. Die Sohlen der Klettschuhe waren durch ein Abrollen der Füße leicht vom Boden zu lösen. Nur das nervige und vielstimmige „Ratsch, Ratsch, Ratsch“ war sehr gewöhnungsbedürftig. Man hatte lediglich, auf den, mit Kletthaftbelag, ausgelegten Stellen, zu bleiben.
Hier hatten wir bequeme Sitze, mussten uns aber anschnallen, denn sobald das Shuttle seine erdsynchrone Position verließ und beschleunigte, entstand wieder eine Zentrifugalkraft, die der Erdanziehung entgegenwirkte und uns schwerelos machte.
Jetzt begann der zweite Teil unseres Aufstiegs. Das Shuttle brachte uns zum wartenden Weltraumschiff. Ein anderes Shuttle würde inzwischen den Rest unserer Reisegruppe abholen.
Ich erlebte zum erstenmal Schwerelosigkeit. Ein seltsames Gefühl des Fallens ergriff mich. Krampfhaft hielt ich mich am Sitz fest. Ich wusste, dass ich nicht falle, aber mein Körper sagte mir mit aller Deutlichkeit etwas anderes. Ängstlich und zwanghaft schaute ich aus einem Fenster nach unten, um zu sehen, wo wir aufprallen würden. Aber da war kein fester Grund, nur das wunderschöne Bild der Erde, deren beleuchtete Seite wir jetzt gerade überquerten.
Das Bild war überwältigend, das Blau der Meere und darüber, weit unter uns, dahinziehende weißen Wolken. Irgendwelche Inseln schoben sich jetzt in das Bild. Faszinierend, wo war das nur, überlegte ich. Wir mussten irgendwo, über dem indischen Ozean sein, oder waren wir etwa schon über dem Pazifik. Wer eine solche Reise zum ersten Mal macht, kommt aus dem Staunen und dem latenten Gefühlschaos des Fallens, kaum heraus.
Das wartende Weltraumschiff
Irgendwo im Weltraum, im Orbit, hoch oben über der Erde, trafen wir auf das wartende Weltraumschiff, welches uns zur Venus bringen sollte. Dieses Schiff sollte nun für die nächsten Wochen unser Zuhause sein. Obwohl man dieses Ding Schiff nannte, sah es nicht so aus, wie man sich ein Schiff vorstellt. Die ersten Schiffe, die man für interplanetare Reisen benutzte, konnte man noch mit Unterseeboten vergleichen, aber dieses Ding hier, war was eigenes. Seitdem Touristen befördert wurden, hatten die Konstrukteure begonnen umzudenken, denn viele Wochen im leeren Raum, mussten auch untrainierte Menschen überstehen können. Gravitation und körperliche Bewegung sind wichtige Voraussetzungen für die Gesundheit. Form ist Funktion, dachte ich. Ja, der Ausdruck stammt nicht von mir, ich hatte auch das Buch gelesen, in dem der Autor dies schrieb. Den Titel weiß ich nicht mehr, aber es war sehr spannend.
Auf jeden Fall erinnerte mich die Form des Schiffes daran. Es glich mehr einer übergroßen Hülse oder Röhre, als einem kompakten Schiff. Ich schätzte den Durchmesser auf ungefähr fünfundzwanzig Meter. Vielleicht waren es aber auch ein paar Meter mehr.
Im Verhältnis zum Durchmesser, war es nicht sehr lang. Man konnte erkennen, dass es sich um einzelne, aneinandergereihte Module handelte. Vorteil einer Modulbauweise war, dass alles preisgünstig hergestellt werden konnte. Je mehr Gleichteile, desto preisgünstiger. Dies war immer noch ein allgemeines Prinzip. Immerhin gab es im Sonnensystem viele Ziele. Zudem gab es viele Interessierte, die zu diesen Zielen wollten.
Da war der Mars, den man kultivieren wollte, dann der weitläufige Asteroidengürtel mit seinen Rohstoffen und dann war da noch der kleine Planet Ceres, zwischen Mars und Jupiter. Auch dort gab es inzwischen eine Station. Weiter draußen lockten die Monde der großen Planeten. Alle waren lohnenswerte Ziele. Und natürlich gab es inzwischen eine Vielzahl von Raumstationen, die versorgt werden mussten.
Unser Pilot brachte das Shuttle vorsichtig in die Andockposition. Danach wurde es befestigt und hermetisch nach außen abgeschlossen. Der Luftdruck zwischen Shuttle und Raumschiff wurde angeglichen.
Nachdem Raumschiff und Shuttle fest verankert waren konnten wir sicher umsteigen. Vorsichtig hangelten wir uns durch die Schleuse in das Schiff hinüber. Unsere Klettschuhe hielten uns am Boden fest. Dies war zwar alles nicht ganz so einfach, aber mit einem bisschen Mühe klappte es.
Die dünne Luft hatte man mit zusätzlichem Sauerstoff angereichert. Zu hoch durfte der Sauerstoffanteil aus Gründen der Brandgefahr nicht sein, aber die Menge half uns, nicht außer Atem zu kommen. Zu Beginn der Raumfahrt war dies ein großes Problem, welches damals einige Menschen mit dem Leben bezahlten. Aber in der heutigen Zeit, war alles sicher und zur Routine geworden. Freundliche Stewards halfen uns in das Schiff. Dort verteilten wir uns in den Passagierbereich und warteten auf die Ankunft des zweiten Shuttle.
Nachdem alle Passagiere an Bord waren und das zweite Shuttle wieder abgelegt hatte, bereitete uns eine Stimme aus dem Lautsprecher darauf vor, dass das Schiff jetzt zu rotieren beginnen würde, um Schwerkraft entstehen zu lassen.