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Die Klassenarbeit - der objektive und traditionelle Weg zur Leistungserfassung im Unterricht. Dieses Praxisbuch unterstützt Sie bei der Auswahl der Aufgaben und der Qualitätssicherung. Sie finden hier zahlreiche geeignete Beispielaufgaben sowie Hinweise auf typische Fehler. Mit Hintergrundinformationen und Antworten auf die wichtigsten Fragen.Aus dem Inhalt:aktuelle Forschungsergebnisseverschiedene Formen schriftlicher Leistungsbewertung, Bewertung von KlassenarbeitenTipps zur visuellen Gestaltung von Aufgaben - Layout und Typografie als visuelle Einladung zu einer schriftlichen ArbeitÜberblick und wichtige Details zu Aufbau und Erstellung einzelner AufgabenZusammenstellung der Aufgaben für eine gute Klassenarbeit]
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Seitenzahl: 222
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Scriptor Praxis
Matthias Römer
Klassenarbeiten im Fach Mathematik gestalten
Der Autor
Matthias Römer ist Mathematiklehrer an einer Gemeinschaftsschule, Landesfachberater für Mathematik im Saarland und mit einem Teil seiner Arbeitszeit an den Lehrstuhl für Mathematik und ihre Didaktik an der Universität des Saarlandes abgeordnet.
Projektleitung: Juliane Maaß, Berlin
Redaktion und Sachzeichnungen: Stefan Giertzsch, Werder (Havel)
Umschlagkonzept: Kerstin Zipfel, München
Umschlaggestaltung: LemmeDesign, Berlin
Umschlagfoto: Shutterstock.com/plutmaverick
Layout / technische Umsetzung: LemmeDESIGN, Berlin
www.cornelsen.de
1. Auflage 2020
© 2020 Cornelsen Verlag GmbH, Berlin
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ISBN Print 978-3-589-16430-1
ISBN E-Book 978-3-589-16776-0
Vorwort
1 Einführung
1.1 Aufbau des Buches
1.2 Bestandsaufnahme
2 Schriftliche Leistungsbewertung – Möglichkeiten und Grenzen
2.1 Leistungserfassung als Aufgabe
2.2 Arten der schriftlichen Leistungserfassung im Fach Mathematik
2.3 Diagnose als Aufgabe von schriftlicher Leistungserfassung
2.4 Möglichkeiten und Grenzen der schriftlichen Leistungserfassung
2.5 Objektivitätskriterien in der schriftlichen Leistungserfassung
2.6 Kategorien der Aufgaben- und Arbeitenanalyse
3 Gestaltungsprinzipien
3.1 Typografie
3.2 Schriften
3.3 Layout
3.4 Zeichen
3.5 Abbildungen, Zeichnungen und Tabellen
3.6 Zusammenfassend
4 Aufgaben
4.1 Arbeitsfelder und Allgemeines zu Aufgaben
4.2 Unterschiede zwischen Lern- und Leistungsaufgaben
4.3 Kategorien
4.4 Sprache
4.5 Operatoren
4.6 Validität von Aufgaben
4.7 Verstehens- und Kompetenzorientierung
4.8 Aufgaben zu digitalen Hilfsmitteln
5 Konstruktion von Arbeiten
5.1 Planung und Anlage von Klassenarbeiten
6 Bepunktung und Bewertung
6.1 Bepunktung
6.2 Beurteilung und Bewertung offener Aufgaben
6.3 Statistische Fragen
6.4 Rückmeldungen zur Klassenarbeit
Literatur
Seit Beginn meiner Lehrer- bzw. Fortbildungstätigkeit beobachte ich mit Aufmerksamkeit die Entwicklung der Leistungserfassung, Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung im Mathematikunterricht. Dies besonders vor dem Hintergrund der Umwälzungen, die durch die Implementation der Bildungsstandards auf den Mathematikunterricht eingewirkt haben und es immer noch tun.
In den letzten Jahren gab es einen Zuwachs an fachlich und fachdidaktisch orientierten Publikationen zur Leistungsmessung und Leistungsbewertung. Lehrerfort- und -weiterbildung haben eine Reihe davon aufgegriffen. Das Thema trifft offensichtlich auf eine steigende Nachfrage seitens der Lehrerschaft. Ursache für diese Nachfrage könnte unter anderem Unsicherheit sein, die durch offenere und sprachlich anspruchsvollere Alternativen in der Leistungsmessung bedingt ist.
Im Fach Mathematik hat die Auseinandersetzung mit Alternativen zur Klassenarbeit und den Folgen, die sich daraus für die Leistungsmessung ergeben, gerade begonnen. Jedoch nimmt die Klassenarbeit als das (vermeintlich) objektivste und traditionellste Instrument der Leistungserfassung nach wie vor den größten Raum im Mathematikunterricht ein.
Die Sichtung von Mathematik-Klassenarbeiten im Rahmen eines Forschungsprojekts, begleitend zu einer Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern, vor einigen Jahren sollte Aufschluss über die Wirkung der Fortbildung geben. Unterrichtliche Veränderungen, so die These, spiegeln sich auch immer in Klassenarbeiten wider. Ein Ergebnis dieser Bestandsaufnahme war die Erkenntnis über einen deutlich sichtbaren Handlungsbedarf hinsichtlich der Aufgabenauswahl und -qualität in Klassenarbeiten und der Konzeption und der Zusammenstellung derselben. Damit konnten Ergebnisse von Drüke-Noe (2014) bestätigt werden und gleichzeitig weitere Handlungsfelder für Lehreraus- und -weiterbildung erschlossen werden. Ebben (2004, 29) stellt für diese beiden Ebenen dementsprechend die entscheidende Frage, „wie von Seiten der Wissenschaft der Schulpraxis geholfen werden kann, den bestehenden ‚Auswertungsdilletantismus‘ zu beheben, bzw. Hilfestellung für eine entsprechende Professionalisierung zu geben.“ Und zwar „nicht nur im Sinne der eigenen Legitimation, sondern auch im Sinne des einzelnen Schülers, der dann mit einer Beurteilung konfrontiert wäre, auf die er sich wirklich ‚mehr oder weniger‘ verlassen kann“. (ebda.)
Ein Teil meiner Arbeit in den folgenden Jahren konzentrierte sich darauf, Probleme bei der Erarbeitung und Gestaltung von traditionellen Klassenarbeiten herauszuarbeiten, konkrete Fortbildungsoptionen aufzuzeigen sowie konstruktive Vorschläge zur Verbesserung von Leistungserfassung und Leistungsbewertung im Mathematikunterricht in Fortbildungen zu machen. Fortbildungsveranstaltungen, die zum Themenkomplex Leistungserfassung im Mathematikunterricht angeboten wurden, waren und sind stets überdurchschnittlich gut besucht. Das gemeinsame Arbeiten an Klassenarbeiten motiviert ebenso wie der Austausch über unterschiedliche Praxiserfahrungen und Traditionen, auch schulformübergreifend. Eine häufige Erfahrung in diesen Fortbildungen ist, dass Raum zum Austausch und für Diskussionen geschaffen werden muss, um Innovations- und Qualitätssicherungsprozesse in den Fachschaften einzuleiten. Dafür ist im Alltagsgeschäft von Lehrerinnen und Lehrern bedauerlicherweise oft nur wenig Zeit.
Der Entschluss zum Schreiben des vorliegenden Buches entstand durch diese Fortbildungen, in denen auch immer wieder neue Fragen aufgeworfen und Probleme diskutiert werden, die Kolleginnen und Kollegen beim Konzipieren ihrer Mathematik-Klassenarbeiten bewegen. So soll dieses Buch, vor dem Hintergrund meiner Fortbildungstätigkeit, ein Praxisbuch sein, welches zusätzlich zahlreiche Bezüge auf lesenswerte (Hintergrund-)Literatur enthält.
In der Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen ist spürbar, dass strukturelle Merkmale besonders im Fokus der wahrgenommenen Probleme von Lehrkräften stehen. Fragen, wie die Einordnung einzelner Aufgaben in das Gefüge einer Klassenarbeit, die Anzahl von Teilaufgaben oder zur Nutzung verschiedener Aufgabentypen bestimmen den Diskurs. Über den strukturellen Zugang lassen sich häufig auch inhaltliche Qualitätskriterien ansprechen. Sicher ist: Die Qualität einer Klassenarbeit ist von beiden Ebenen abhängig und bedarf ausformulierter Kriterien.
Es existiert eine Reihe von lesenswerten und praxisnahen Büchern, die sich mit der Qualität von Mathematikaufgaben beschäftigen. Wenn die Qualität der im Unterricht und der in Klassenarbeiten verwendeten Aufgaben hinsichtlich des kognitiven Anspruchs und der Vielfalt der angesprochenen Kompetenzbereiche und Leitideen eng zusammenhingen, so würde sich eine ausführliche Abhandlung an dieser Stelle erübrigen. Aber, auch wenn Unterricht und Leistungserfassung eng miteinander verbunden sind, werden Qualitätskriterien des Unterrichtsterrains nicht immer in die Leistungserfassung transferiert. Somit stellt sich auch dadurch die Frage nach Qualitätskriterien für Mathematik-Klassenarbeiten.
Unverzichtbar erschien mir auch eine Reihe von Beispielen guter (und auch nicht so guter) Aufgaben, um zu illustrieren, wie man es machen könnte (oder auch nicht). So stellt das Buch eine Ergänzung zur angesprochenen vielfältigen Literatur zu guten Aufgaben dar und erweitert diese um den Aspekt der Nutzung in Klassenarbeiten.
Bei der Konzeption ist der pragmatische, schulpraktische Maßstab immer leitend gewesen. Es geht in diesem Buch nicht darum, die Praxis der Leistungserfassung und der Leistungsbewertung in Klassenarbeiten grundsätzlich zu analysieren und zu diskutieren. Es sollen auch nicht zahlreiche Alternativen zu bestehenden Traditionen und Normen kreiert werden. Vielmehr werden im Rahmen der bestehenden Traditionen und Normen, Verbesserungen für die Praxis vorgeschlagen.
Dies geschieht im Geiste der Transparenz von Leistungsmessung und der Chancengerechtigkeit und dem damit verbundenen Wunsch nach einer objektiven Leistungsbeurteilung. Im Vordergrund steht nicht nur die Frage nach Kriterien, sondern auch nach der Umsetzbarkeit im Arbeitsalltag der Lehrerinnen und Lehrer.
Das Buch richtet sich sowohl an Kolleginnen und Kollegen, die neu im Lehrerberuf sind als auch an erfahrene. Die zusammengetragenen Hinweise sind so vielfältig, dass damit Traditionen erfolgreich reflektiert werden können; am besten immer gemeinsam in der Fachkonferenz bzw. der Fachschaft.
In vielen Situationen ist eine enge Zusammenarbeit in der Fachgruppe ein erster Schritt, um z. B. Ziele und Strukturmerkmale zu vereinfachen, einheitliche Rahmenbedingungen festzulegen oder auch einfach nur die Qualität auf den verschiedenen Ebenen der Leistungserfassung zu besprechen. Diese Zusammenarbeit findet in vielen Schulen bereits statt. Qualität im Unterricht und somit auch in der Leistungserfassung wird durch Kommunikation und Kooperation erst ermöglicht, bewahrt und weiterentwickelt.
Zum Abschluss möchte ich folgende Begebenheit schildern: In einer Anhörung zum neuen Erlass zur Leistungsbewertung in den Räumen des saarländischen Bildungsministeriums im Jahr 2016, der ich beiwohnen durfte, äußerte eine Elternvertreterin den Satz: „Die Klassenarbeit ist die einzige objektive Form der Leistungsmessung.“ Diesem Satz ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Entscheidend für die Güte (und damit auch für die Bewahrung von Objektivität) ist nicht die Art der Erfassung, sondern deren Qualität. Dazu soll dieses Buch mit beitragen.
Die in diesem Buch verwendeten Beispielaufgaben dienen der Illustration guter Klassenarbeitsaufgaben sowie typischer Fehler, die bei der Konzeption von Klassenarbeiten geschehen. Prinzipiell können bei jeder Aufgabe einzelne Punkte kritisiert werden; keine Aufgabe ist perfekt. Der Reiz liegt in der Reflexion und Diskussion sowie der Weiterentwicklung von Aufgaben.
Ein Teil der im Buch genutzten Beispielaufgaben wurden durch Klassenarbeiten, die mir von Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt wurden, inspiriert. Viele der Aufgaben, die in Klassenarbeiten von Mathematiklehrerinnen und -lehrern enthalten sind, stammen aus Schulbüchern, von Internetseiten oder Kopiervorlagen etc. In den wenigsten Fällen sind die Originalquellen zu identifizieren. Lehrerinnen und Lehrer verzichten in Klassenarbeiten in der Regel auf entsprechende Angaben.
Viele Aufgaben stammen aus meiner Praxis, aus Klassenarbeiten, die ich in meiner Zeit als Mathematiklehrer in den letzten 20 Jahren konzipiert habe. Zudem wurden Teile von Aufgaben, die für die zentralen Abschlussprüfungen für den Hauptschulabschluss und den Mittleren Bildungsabschluss im Saarland entworfen wurden, verwendet. Sie wurden von mir für dieses Buch adaptiert und entsprechend verändert. Sie sind häufig etwas umfangreicher als traditionelle Klassenarbeitsaufgaben.
Alle Aufgaben wurden einer gründlichen Prüfung unterzogen und so verändert, dass die Illustration des beabsichtigten Merkmals mehr oder minder gut hervortritt. In wenigen Fällen, insbesondere bei der Diskussion des Layouts und der Typographie wurde auf Originale zurückgegriffen.
Für alle im Buch genutzten Aufgaben gilt, dass es sich nicht um Vorlagen handelt, welche unkritisch in eine eigene Klassenarbeit übernommen werden sollten. Sicherlich passen sie in einzelne Klassenarbeiten, sie dienen allerdings an diese Stelle der Illustration bestimmter Eigenschaften, Typen oder auch Probleme.
Zu vielen der hier angesprochenen fachdidaktischen Gebiete und Teilgebiete gibt es eine Reihe von Publikationen. Da es sich bei diesem Buch nicht um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, mit dem Anspruch einer vollständigen Literaturrecherche, finden sich zahlreiche Hinweise auf die aus meiner Sicht wichtigsten Publikationen, ohne dabei die Relevanz anderer mindern zu wollen. Elementar ist für mich, auf einschlägige Fachzeitschriften für die Unterrichtspraxis zu verweisen, weil die darin enthaltenen Artikel oft prägnant einzelne Probleme darstellen und mit vielen Hinweisen für den täglichen Unterricht versehen sind. Häufig finden sich auch konkrete Aufgabenvorschläge oder auch Bewertungsvorschläge in solchen Artikeln, die nur noch geringfügig modifiziert werden müssen, um sie dann selbst einsetzen zu können.
Es ist zwischen Mikroebene, also den einzelnen Aufgaben und der Makroebene, also der ganzen Klassenarbeit zu unterscheiden. Wie so oft ist die Summe der Teile nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Ganzen. Das gilt auch für Klassenarbeiten.
So garantiert eine Ansammlung guter Aufgaben nicht unbedingt eine hohe Qualität der ganzen Klassenarbeit. Und auch umgekehrt lässt sich bei einer nicht gelungenen Klassenarbeit nicht automatisch folgern, dass darin nur schlechte Aufgaben enthalten sind. Beide Ebenen sind dennoch in hohem Maße voneinander abhängig. Dieser Trennung und auch der Abhängigkeit soll anhand der Aufteilung des Buches Rechnung getragen werden.
Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels wird als Einführung in das Thema eine Bestandsaufnahme anhand aktueller Forschungsbefunde vorgenommen.
Im darauffolgenden Kapitel werden Begriffe geklärt und die verschiedenen Formen der schriftlichen Leistungsbewertung kurz beschrieben. Allgemeine Kriterien für die Analyse von Klassenarbeiten sowie ein kurzer theoretischer Hintergrund schließen sich an.
In Kapitel 3 werden Hinweise zur visuellen Gestaltung von Aufgaben in einer Klassenarbeit gegeben. Diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten sind wichtiger als man gemeinhin vermutet, weil Layout und Typografie die optische Einladung zu einer schriftlichen Arbeit sind. Sie stellen eine der Ursachen für Erfolg oder Misserfolg in einer Klassenarbeit dar. In jenem Kapitel werden Mikroebene und Makroebene zusammen behandelt. Zahlreiche Beispiele und Hinweise illustrieren die Problematik der Gestaltung.
Abbildung 1
Das vierte Kapitel ist der Mikroebene, also den einzelnen Aufgaben, gewidmet und schafft einen Überblick über wichtige Details beim Aufbau und der Erstellung aber auch der Veränderung von Mathematikaufgaben für Klassenarbeiten. Dort wird auch diskutiert, inwieweit Lern- und Leistungsaufgaben überhaupt zu trennen sind bzw. was sie auszeichnet.
Vieles im Mathematikunterricht und im Binnenverhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem unterliegt einer impliziten Vereinbarung, nach dem „die Lehrperson […] die Situation und ihre Erwartungen an die Lernenden so definieren [muss], dass die Lernenden diese auch erfüllen können“ (Bohlmann 2015, 85). So gilt auch bei der Erstellung von Klassenarbeiten, dass man trotz der Orientierung an sachlichen Kriterien auch die eigenen Schülerinnen und Schüler im Blick hat und haben muss. Dies ist Teil des didaktischen Vertrages (Brousseau 1997, 31), in dem es zwischen den schulischen Protagonisten weniger um eine allgemeine pädagogische Vereinbarung, sondern vor allem um einen Vertrag über mathematische Inhalte und allem, was damit zusammenhängt, geht. Demzufolge sind viele Elemente der Leistungserfassung durchaus individualisiert zu interpretieren.
Ein praxisnaher Ratgeber muss in einem pragmatischen Ansatz die Unterrichtswirklichkeit und somit auch die (individuelle) Wirklichkeit der Leistungserfassung im Auge haben. Dazu kommt der arbeitsökonomische Aspekt: Je nach unterrichtetem Fach, gewählter Wochenarbeitszeit und entsprechenden Vorgaben müssen theoretisch bis zu 30 Klassenarbeiten, also in jeder Schulwoche durchschnittlich eine, konzipiert werden.
Das fünfte Kapitel widmet sich der Makroebene, also der Zusammenstellung der einzelnen Aufgaben zu einer Klassenarbeit und versucht die Frage zu beantworten, wie aus einzelnen Aufgaben eine ganze Klassenarbeit entsteht. Anmerkungen zu möglichen differenzierenden Arrangements runden dieses Kapitel ab.
Im letzten Kapitel tritt die Bewertung von Klassenarbeiten in den Vordergrund. Dies ist nicht das eigentliche Thema des Buches, muss aber bereits bei der Erstellung berücksichtigt werden und verdient aus diesem Grunde einen angemessenen Platz. Am Ende dieses Kapitels werden kurze Hinweise zur Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler gegeben.
Das Buch ist nicht notwendigerweise linear zu lesen. Einzelne Kapitel und Abschnitte können getrennt voneinander bearbeitet werden.
Mathematik-Klassenarbeiten waren bereits mehrfach Ziel von Untersuchungen in der Fachdidaktik. Drüke-Noe merkt zur Aufgabenkultur in Mathematik-Klassenarbeiten1 an, dass eine Reihe von Gemeinsamkeiten über alle untersuchten Klassenarbeiten als auch über unterschiedliche Schulformen hinweg bestehen (Drüke-Noe 2014, 97 ff.).
Neben dem Mangel an einzelnen Kompetenzbereichen, wird festgestellt, dass in vielen untersuchten Arbeiten, der Anforderungsbereich III der Bildungsstandards der KMK (Kultusministerkonferenz 2004a, Kultusministerkonferenz 2004b) nicht oder nur selten berücksichtigt wird. So ist von einer „variationsarmen Aufgabenkultur“ und bei Klassen mit einem höheren Anspruchsniveau von einem „fast durchgängigem Umgehen mit unterschiedlich komplexen Kalkülen“ die Rede (Drüke-Noe 2014, 249). Es wird darauf hingewiesen, dass die Struktur der Zusammenstellung und die Auswahl der Aufgaben in den meisten Klassenarbeiten oft nur implizit bleibt bzw. nicht einem vorher festgelegten Schema folgt.
Drüke-Noe/Schmidt (2015, 4 f.) rekurrieren in ihrer Zusammenfassung empirischer Studien zum Thema Klassenarbeiten vor allem auf die Daten und Erkenntnisse aus dem COACTIV2-Projekt:
Ein hoher Anteil von Aufgaben in Klassenarbeiten, die eher technischen (lediglich Wahl eines passenden Lösungsverfahrens) oder rechnerischen (selbstständige Wahl eines Ansatzes zur Bearbeitung der Aufgabe) Charakter haben,der damit verbundene geringe Anteil von Aufgaben in Klassenarbeiten mit begrifflichem Charakter,der geringe Gebrauch von Argumentationen und/oder Reflexion in Klassenarbeitsaufgaben,die häufige Bezugnahme auf Standardaktivitäten, deren Charakter oft aus der Aufgabenstellung bereits herauszulesen ist.Leuders (2006) kommt zusammenfassend zu ähnlichen Ergebnissen über die Qualität vieler Klassenarbeiten. Seine Perspektive orientiert sich am diagnostischen Aspekt der Aufgaben. Dieser Aspekt, der mit Leistungserfassung eng verbunden ist, wird in traditionell strukturierten Klassenarbeiten sowohl bei der Erstellung aber auch bei der Beurteilung nicht ausreichend berücksichtigt. Leuders merkt an, dass
„überwiegend geschlossene Aufgaben gestellt [werden], bei denen nur ein einziger ‚richtiger‘ Weg zu einem einzig ‚richtigen‘ Ergebnis erwartet und akzeptiert wird.“ (Leuders 2006, 79)
Überdies
„fragen die meisten Aufgaben lediglich Kenntnisse und Fertigkeiten auf einer mechanisch lernbaren Ebene ab – und fördern so das oberflächliche Lernen. Komplexere Aufgabenteile unterscheiden sich mitunter nur durch eine höhere technische Komplexität und nicht etwa durch höhere Anforderungen an die Selbstständigkeit oder das Reflexionsvermögen.“ (ebd., 80)
Bezogen auf die diagnostischen Möglichkeiten einer Klassenarbeit resümiert Leuders:
„Klassenarbeiten werden ausschließlich mit dem Ziel der Leistungsbewertung und nicht der Leistungsfeststellung geschrieben und propagieren zudem das kurzfristige Lernen.“ (ebd.)
Dass das Schreiben von Klassenarbeiten häufig l’art pour l’art darstellt und die innewohnenden diagnostischen Chancen dieser Art der Erfassung von Leistungen viel zu oft nicht genutzt werden, ist somit ein zentraler Kritikpunkt.
Die Makel traditioneller Klassenarbeiten werden auch von Lederer (2008) zusammengefasst. Sie kommt, basierend auf einer statistischen Aufgaben- und Klassenarbeitenanalyse von Mathematikarbeiten an Realschulen in Bayern, zu dem Schluss, dass nur rund die Hälfte aller betrachteten Aufgaben eine angemessene Trennschärfe aufweisen. Lederer (ebd., 83) beurteilt, aufgrund der zu hohen Schwierigkeit, rund ein Viertel der Aufgaben, als ungeeignet für Klassenarbeiten.
Da die erwähnten Resümees zeitlich teilweise nach der ersten großen Veränderungswelle durch die Verabschiedung der Bildungsstandards im Fach Mathematik für die Sekundarstufe I im Jahr 2004 einzuordnen sind, liegt die Vermutung nahe, dass Veränderungen im Mathematikunterricht nur partiell in der Leistungserfassung angekommen sind.
Vor diesem Hintergrund besitzt die in Drüke-Noe (2014, 39 f.) aufgestellte Liste, der durch Befragungen validierten Praxisbeobachtungen hinsichtlich des Anfertigens von Klassenarbeiten, wahrscheinlich immer noch Gültigkeit:
„Demnach enthält eine Klassenarbeit
Aufgaben zu jenem Inhalt, der im Unterricht „in letzter Zeit durchgenommen“ und nach Einschätzung der Lehrkraft hinreichend vorbereitet wurde,eine als (sehr) einfach eingeschätzte Aufgabe, von der erwartet wird, dass nahezu alle diese lösen können,eine als schwierig eingeschätzte Aufgabe, die nur sehr gute Schülerinnen und Schüler in der vorgegebenen Zeit korrekt lösen, und die zum Ziel hat, zwischen jenen mit einer guten und jenen mit einer sehr guten Note zu differenzieren,ein nach ansteigendem Schwierigkeitsgrad angeordnetes Spektrum von Aufgaben, deren Schwierigkeit nach subjektivem Ermessen vor dem Hintergrund der behandelten Unterrichtsaufgaben eingeschätzt wird,unterschiedlich umfangreiche Aufgaben, deren Umfang an der Anzahl der Bearbeitungsschritte „gemessen“ wird,häufig wenigstens eine Textaufgabe, die je nach Thema der Klassenarbeit einen inner- oder einen außermathematischen Anwendungskontext zum Gegenstand haben kann,vereinzelt Aufgaben eines anderen Stoffgebietes, das nicht dem Hauptthema der Klassenarbeit entspricht,sprachlich verständliche Aufgaben, die u. a. Operatoren enthalten, die bei Bedarf sprachliche Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen.“Insgesamt stellen zahlreiche Befunde die Klassenarbeitstradition infrage und mahnen ein Mehr an Reflexion diesbezüglich an. So werden Eigenschaften einzelner Aufgaben durch befragte Lehrkräfte häufig als selbstverständlich vorausgesetzt.
Alles deutet auf eine einseitige Erfassung mathematischer Kompetenzen und Fertigkeiten hin. Diese Erfassung und die daraus resultierenden Noten machen einen nicht unerheblichen Anteil der Mathematiknote im Zeugnis aus und prägen somit auch das Bild dessen, was man in Mathematik können sollte.
So verwundert es nicht, dass in Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Unterricht und Leistungserfassung das Urteil u. a. wie bei Risse (2008, 1) ausfällt: „Häufig spiegelt sie [die Mathematiknote] durch die einseitige Konstruktion herkömmlicher Klassenarbeiten überwiegend formale Fertigkeiten eines Schülers wider.“
In Bezug auf die diagnostische Beurteilung bereitet die eingeschränkte Bandbreite der erfassten Kompetenzen ebenfalls Probleme. Durch die Erfassung nur einzelner Kompetenzen bzw. einzelner Anforderungsbereiche kann kein umfängliches Bild über die mathematischen Fähigkeiten der Lernenden entstehen.
Die unklare Unterscheidung von Aufgaben bezüglich der Kategorien leicht und schwer (Anzahl Bearbeitungsschritte, rechnerische Komplexität, kognitive Komplexität, Reflexionsanspruch, etc.) hat einen fehlenden Konsens in der Lehrerschaft diesbezüglich zur Folge. Dies führt u. a. dazu, dass kein sicherer Blick auf die Trennschärfe geworfen wird, also die Fähigkeit einer Leistungserfassung, zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern unterscheiden zu können. Diese Trennschärfe sollte in der gesamten Arbeit, zum Teil aber auch in einzelnen Aufgaben vorhanden sein.
Überhaupt liegt vielen Qualitätsproblemen das Manko nicht ausgeschärfter Begriffe zugrunde. So werden in vielen Gesprächen zwar identische Bezeichner genutzt, die Bedeutungen, die vielen dieser Bezeichner individuell zugewiesen werden, unterscheiden sich jedoch oft erheblich wie man am Beispiel von leicht und schwer schnell einsehen kann.
Ebenso stellt sich die Frage, ob die Art und Weise wie auf Klassenarbeiten vorbereitet wird, eine Aussicht auf eine echte Performanz, und damit auf die zugrunde liegenden Kompetenzen zulässt. Denn allzu oft werden die Aufgabentypen, die in den Klassenarbeiten verwandt werden, zuvor ausdrücklich geübt.
In der Summe stellen diese Befunde die in den Bildungsstandards intendierte Absicht in Bezug auf die einzelnen Kompetenz- und Anforderungsbereiche infrage, dass „Die Festlegung und Überprüfung der erwarteten Leistungen […] hinzukommen [müssen]“ (Kultusministerkonferenz 2005, 5). Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass in der wichtigsten Form der Leistungserfassung im Mathematikunterricht, der Klassenarbeit, die beschlossenen Kompetenzen und Inhalte sowie Anforderungsbereiche in der Fläche nur rudimentär und nicht vollständig umgesetzt werden, dann stellt sich damit auch die Frage nach der gelungenen Implementation der Bildungsstandards.
Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass die Überprüfung der Kompetenzen lediglich in den landesweiten Vergleichsarbeiten bzw. zentralen Abschlussprüfungen stattzufinden hat. Vielmehr ist das Tagesgeschäft, die dem Unterricht angepasste Leistungserfassung, der aussagekräftigste Indikator eines Unterrichts, der die Anforderungen der Bildungsstandards berücksichtigt.
Das Analysieren und Einschätzen auf ihre Eignung für Klassenarbeitsaufgaben sowie das Erstellen eigener Aufgaben für Klassenarbeiten und das Erstellen von Klassenarbeiten als Ganzes im Hinblick auf eine gute und angemessene Leistungsbewertung sollte angesichts der bestehenden Unsicherheiten einen weitaus größeren Stellenwert in der Ausbildung bzw. der Lehrerfortbildung einnehmen, als es bisher der Fall ist.
Der hohe Stellenwert einer guten Leistungserfassung wird prinzipiell nicht bestritten. Daraus folgt die Frage, wann in der ersten oder zweiten Phase der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung bzw. in der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung das Erstellen von Klassenarbeiten eigentlich zum Thema gemacht wird?
In der zweiten Phase der Lehrerausbildung ist Leistungserfassung im Fach konkret Thema3. Eventuell wird in der ersten Phase der Ausbildung im erziehungswissenschaftlichen bzw. bildungswissenschaftlichen Begleitstudium zusätzlich ein Seminar zur Leistungsfeststellung oder -bewertung besucht, meistens allerdings nicht fachbezogen. Viele Einstellungen und damit auch Vorstellungen zu Klassenarbeiten entnehmen Lehrerinnen und Lehrer aus der eigenen Schulzeit bzw. aus diversen Vorlagen.
Eine aktuelle Studie der Fortbildungsangebote im Bundesland Baden-Württemberg (Cramer/Johannmeyer/Drahmann 2019), deren Ergebnisse an dieser Stelle als stellvertretend für andere Bundesländer gelten mögen, weist bei 10 588 Fortbildungsangeboten im Schuljahr 2016/17 genau 459 (4,3 %) der Angebote zum Oberthema Leistungsmessung aus. Das stellt keinen unbedeutenden Anteil angesichts der extremen Themenvielfalt dar. Daraus kann, auch ohne Detailkenntnisse der einzelnen Angebote, abgeleitet werden, dass man den Bedarf in den Blick genommen hat und die Wichtigkeit des Themas anerkennt.
Bedingt durch die Veränderungen des Mathematikunterrichts in den vergangenen 10 bis 15 Jahren, die u. a. die verbindliche Kompetenzorientierung, zentrale Testung, als auch in vielen Bundesländern verbindliche (und zentrale) Abschlussprüfungen mit sich brachten, ist eine Diskussion über die Erfassung von Leistungen im Fach Mathematik erneut in Gang gebracht worden. Das ist hilfreich und sinnvoll, zumal Diskussionen über die Leistungserfassung auch immer auf den Unterricht einwirken.
Während die Veränderung des Mathematikunterrichts dazu geführt hat, dass alternative Formen der Leistungserfassung, wie Portfolios (u. a. Römer 2012; Bräuer et al. 2012; Brunner et al. 2006), mündliche Prüfungen (Römer 2018) oder Mischformen (Zelewski/Vernay 2011) in den Blick genommen werden, sind die Auswirkungen auf die traditionellste Form der Leistungserfassung, die Klassenarbeit, bei weitem nicht so ausführlich diskutiert worden. Insoweit sollte die Kritik an den bestehenden Traditionen zum Anlass genommen werden, auf dieses Feld noch mehr Energie zu verwenden.
Im Segment der Fachzeitschriften, denen wohl bei der Wirkung in die Praxis eine besondere Rolle zukommt, war Leistungsüberprüfung zum Teil Thema eines ganzen Heftes (Bruder/Weigand 2001; Fröhlich/Schelldorfer 2011; Zelewski/Vernay 2011; Bruder/Büchter 2012; Drüke-Noe/Schmidt 2015; Tönnies/Waasmaier 2019). Die dort versammelten Praxisberichte und -erfahrungen bilden ein breites Spektrum von Möglichkeiten ab. Grundlegende Kriterien werden nur in wenigen Artikeln formuliert.
1 Die von ihr untersuchten Klassenarbeiten stammten zum größten Teil aus den Klassenstufen 9 und 10.
2 DFG-Forschungsprojekt: Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz. (Kunter et al. 2011)
3 Mittlerweile finden sich in fast allen Ausbildungsnormen der Länder bzw. inhaltlichen Ausgestaltungen zu diesen, wie Modulhandbüchern etc., Hinweise dazu (z. B. Landesprüfungsamt 2012; Amt für Lehrerbildung 2011; Senatsverwaltung 2017). Die fachspezifische Leistungserfassung, -beurteilung und -bewertung wird stets als Inhalt aufgeführt und spiegelt den Stellenwert damit auch wieder. Einhergehend damit werden auch in vielen Normen ausdrücklich alternative Formen der Leistungserfassung erwähnt.
Die häufig nicht fachlich, sondern auf einer Metaebene stattfindende Diskussion zur Leistungsbewertung wird dem Anspruch einer erwünschten Tradierung guter Leistungserfassung und -beurteilung nur eingeschränkt gerecht. Grundsätzliche Diskussionen müssen im Fach stattfinden; die Leistungserfassung muss an das jeweilige Fach angepasst werden.
Das gilt sowohl für die traditionellen Formen als auch für die Möglichkeiten alternativer Leistungsbewertung, wie sie für das Fach Mathematik u. a. Bruder/Weigand (2001), Zelewski/Vernay (2011) oder Römer (2018) bzw. fächerübergreifend Winter (2006a) oder Grunder/Bohl (2008) dargelegt haben.
Die Leistungserfassung und die dann folgenden Schritte der Leistungsbeurteilung und -bewertung nehmen einen großen Teil der Tätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern in Anspruch. Leistungsbewertung ist ein zentraler Bestandteil schulischen Alltags. Darüber hinaus nimmt sie nicht zuletzt über die durch sie selektierte Zulassung zu bestimmten Ausbildungs- bzw. Studiengängen, gesellschaftliche Funktionen wahr.
Lehrpersonen sind bemüht, bei der Leistungserfassung im Fach eine möglichst große Treffsicherheit zu erzielen, also eine Note zu geben, welche die Kompetenzen des Lernenden adäquat einem passenden Leistungsstand zuordnet. Leistung soll damit gerecht bewertet werden.
Darüber hinaus geben Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen der diagnostischen Funktion der Leistungserfassung Rückmeldungen, die einen sinnvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Lernenden garantieren.
Viele Begriffe die mit der Vergabe von Noten zu tun haben sind in der Praxis nicht ausreichend definiert, was die Kommunikation darüber erschwert.
Prinzipiell kann man (Abbildung 2) drei Phasen im Prozess der Betrachtung von Schülerleistungen unterscheiden.
Abbildung 2
Bevor Leistungen beurteilt und bewertet werden, muss man sie zunächst erfassen. Eine Klassenarbeit ist also zunächst eine schriftliche Leistungserfassung und keine schriftliche Leistungsbewertung. Dieser Erfassungsprozess schließt normalerweise implizit eine Messung mit ein. Aufgrund der dadurch gewonnenen Daten (z. B. Aufgabenlösungen) kann die Leistung nun beurteilt werden. Die Beurteilung bedeutet den Abgleich der gemessenen Leistungen an zuvor festgelegten Kriterien. Im Falle der Klassenarbeit ist das normalerweise der Erwartungshorizont, der neben der eigentlichen Lösung auch noch weitere Informationen enthält, so z. B. Vermutungen über zu nutzende Strategien oder Lösungswege, mögliche falsche Lösungen oder auch Informationen zu den Tätigkeiten in der Aufgabe aber auch zum Anforderungsbereich. Dieser Erwartungshorizont ist häufig nicht ausführlich in schriftlicher Form vorhanden, sondern existiert zumeist nur implizit.
Im letzten Schritt folgt dann die Leistungsbewertung, die im Falle der Klassenarbeit normalerweise über eine Note und eine geeignete verbale Zusammenfassung stattfindet. Bei der Bewertung liegt eine Abbildung verschiedener Argumente auf eine Note im Notensystem vor. Ein Kommentar kann die so gewonnene Note begründen bzw. Hinweise zur Leistungsentwicklung geben.
Kompetenzen (Fähigkeiten und Fertigkeiten) können nur erfasst werden, wenn sie beobachtbar bzw. wahrnehmbar sind. Es ist ebenso ein Bestreben in der Leistungserfassung, auch Kompetenzen zu messen, die man nicht direkt beobachten kann, z. B. ob ein Lernender verstanden hat, was ein Bruch ist oder ob er verschiedene Problemlösestrategien kennt. Mithilfe beobachtbarer Tätigkeiten sollen das Vorhandensein und die Stufe der vorhandenen Kompetenzen eingeschätzt, mithin die Performanz in den Blick genommen werden. Zu diesem Zweck nutzt man Aufgaben.
Aufgaben dienen in der Leistungserfassung als Indikatoren. Sie machen u. a. Dinge beobachtbar, die normalerweise nicht zu beobachten sind. Bei einer Aufgabe geht man dementsprechend implizit davon aus, dass ein Lernender, der die Aufgabe erfolgreich löst, dies nur dann kann, wenn er auch über ein bestimmtes Wissen, bestimmte Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt. Eine Aufgabe oder ein Arbeitsauftrag in einer Leistungserfassung ist also nie Selbstzweck, sondern immer ein Indikator.
Natürlich kommt es vor, dass Aufgaben nicht nur als Indikator für eine sondern gleich für mehrere Kompetenzen, also Kompetenzbündel dienen. Hierbei stehen die einzelnen Kompetenzen häufig in einer interdependenten Beziehung zueinander, was es mitunter schwierig macht, Aussagen zu einzelnen Kompetenzen zu treffen.