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"Seele und Gesundheit" ist der Titel einer Webseite, die sich mit den Ursachen, Erscheinungsformen und Heilungsmöglichkeiten seelischer Erkrankungen befasst. Der vorliegende Band ist der Beginn einer Buchreihe, die die Erkenntnisse und Sichtweisen, die auf der entsprechenden Webseite (https://www.seele-und-gesundheit.de/) dargestellt werden, ins Printmedium überträgt. Band 1 trägt den Titel "Diagnosen". Die Gliederung folgt dabei nicht der schulmedizinischen Klassifikation der psychiatrischen Krankheiten, wie sie zum Beispiel von der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) vorgegeben wird. Vielmehr werden die beschriebenen Zustände und Krankheitsbilder alphabetisch aufgelistet. Das trägt dem Konzept von "Seele und Gesundheit" Rechnung. Weder Webseite noch Buchreihe verfolgen vorrangig das Ziel, rein akademisch distanziertes Wissens zu vermitteln, wie es etwa ein Student der Psychiatrie zu erlernen hätte. Obwohl "Seele und Gesundheit" auch das bietet, wendet sich das Projekt darüber hinaus ausdrücklich auch an jeden interessierten Laien, der sich eingehend mit den Fragestellungen der Psychiatrie befassen möchte. Kaum jemand glaubt heute noch, dass psychiatrische Probleme bloß Außenseiter der Gesellschaft treffen. Seelische Symptome und Erkrankungen aller Art sind weit verbreitet. Die meisten Menschen erfahren sie im Laufe des Lebens am eigenen Leibe; oder sie leben mit Bezugspersonen, die mit dem einen oder dem anderen Problem behaftet sind. Außerdem hat jeder eine Persönlichkeit, deren Dynamik Parallelen zu den akzentuierten Persönlichkeiten aufweist, die die Psychiatrie als Persönlichkeitsstörungen beschreibt und deren Charakteristika zu besonderen Beziehungsproblemen führen können. "Seele und Gesundheit" versucht, den Leser über die Wissensvermittlung hinaus bei seiner persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Dabei soll die Lektüre ebenso informativ wie vergnüglich sein. Zum Stil der Buchreihe gehört ein besonderes Bemühen um Verständlichkeit, auch dann, wenn die besprochenen Sachverhalte komplex erscheinen.
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Seitenzahl: 675
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Morbus est judicium in pravo pertinax.
Krank wird, wer sich auf falsche Urteile versteift.
Seneca
Vorwort
Abnorme Gewohnheiten (Störung der Impulskontrolle)
Definition
Einteilung
Pathologisches Spielen (Spielsucht)
Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)
Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
Trichotillomanie
Nägelkauen (Onychophagie)
Intermittierend explosibles Verhalten
Innerseelische Prozesse
Rolle des Grundkonflikts
Narzisstische Komponente
Lösungsstrategien
ADHS / Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung
Symptome
Überlappungen
Varianten
Diagnostik
Ursachen
Häufigkeit und Verlauf
Psychosoziale Prozesse
Vom Scheitern zum Erfolgsdruck
Aufmerksamkeitsdefizite
Gesellschaftliche Faktoren
Lösungsstrategien
Psychotherapie
Medikamentöse Behandlung
Selbsthilfe
Angststörungen
Begriffsbestimmung
Realangst und krankhafte Angst
Widerstreit der Impulse
Häufige Angsterkrankungen
Agoraphobie / Platzangst / Behauptungsangst
Klaustrophobie / Beengungsangst
Soziale Phobie / Ablehnungsangst
Generalisierte Angststörung
Panikstörung
Tierphobien
Höhenangst
Angst und Ego
Lösungen
Medikamentöse Behandlung
Psychotherapeutische Klärung
Anpassungsstörung
Begriffsbestimmung
Ursachen
Individualpsychologische Entwicklungen
Biographische Ereignisse
Umfeldbedingungen
Symptome
Übergänge und Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
Innerseelische Vorgänge
Verlust- und Trennungsangst
Verlust der Selbstbestimmung
Kränkung des Selbstwertgefühls
Lösungsansätze
Symptomatisch
Eingreifend
Reflektierend / selbstverändernd
Autismus
Definition
Symptome
Ursachen und Risikofaktoren
Kommunikationsstörungen
Einteilung
Frühkindlicher Autismus
Atypischer Autismus
Asperger-Syndrom
Begabungen
Abgrenzungen und Übergänge
Diagnostik
Therapie
Bipolare Störung
Definition
Einteilung
Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
Interne Unterscheidung
Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen
Ursachen: Biologische und psychologische Erklärungen
Biologisches Modell
Psychodynamisches Modell
Innerseelische Prozesse
Aufschaukeln der Bipolaren Störung
Entscheidungen
Lösungsansätze
Stimmungstagebuch
Medikamentöse Behandlung
Borderline-Syndrom
Begriffsbestimmung
Symptome
Ursachen
Psychosoziale Dynamik
Innerseelische Vorgänge
Zwischenmenschliche Vorgänge
Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
Lösungsansätze
Medikamente
Therapeutische Hilfen
Selbsthilfe
Bore-out-Syndrom
Begriffsbestimmung
Symptome
Auslöser
Rahmenbedingungen
Arbeitsplatz
Arbeitslosigkeit
Aufgabenverlust im Alter
Gesellschaftliche Entwicklungen
Psychologischer Hintergrund
Burn-out-Syndrom / Psychosomatischer Erschöpfungszustand
Begriffsbestimmung
Symptome
Ursachen
Innerseelische Dynamik
Gesellschaftliche Strukturen
Abgrenzung (Differenzialdiagnose)
Lösungen
Delir
Symptome
Sonderform: Entzugsdelir
Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
Ursachen
Alter und Delir
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
Medikamentöse Behandlung
Vorbeugung
Demenz
Symptome
Einteilung und Ursachen
Alzheimer-Krankheit
Vaskuläre Demenz
Frontotemporale Demenz (Morbus Pick)
Parkinson-Demenz
Demenz mit Lewy-Körperchen
Rückbildungsfähige Demenzen
Abgrenzungen
Leichte kognitive Störung
Hirnorganisches Psychosyndrom
Diagnostik
Behandlung
Vorbeugung
Umgang mit Demenzkranken
Depersonalisation / Derealisation
Begriffe und Zuordnungen
Symptome
Vorkommen
Abgrenzungen (Differentialdiagnosen)
Innerseelische Vorgänge
Abwehrstrategien
Nähe und Distanz
Zugehörigkeitsverlust
Normalität und Entfremdung
Verläufe
Behandlung
Selbsthilfe
Depression
Begriffe
Symptome und Einteilungen
Ursachen
Innerseelische Prozesse
Zugehörigkeit und Selbstbestimmung
Rollenspiele
Denkmuster
Psychodynamik saisonaler Depressionen
Identität und Identifikation
Sinn und Leid
Lösungsstrategien
Psychotherapie
Medikamentöse Behandlung
Selbsthilfe
Dissoziative Störungen
Gemeinsamer Nenner
Wichtige dissoziative Störungen
Verwandte Störungen
Depersonalisation / Derealisation
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Ursachen und Auslöser
Seelische Traumata
Pränatale Einflüsse
Therapie
Selbsthilfe
Essstörungen
Einteilung und Symptome
Körperliche Folgeschäden
Ursachen, Häufigkeit und Verlauf
Innerseelische Prozesse
Anorexie
Bulimie
Binge-Eating-Syndrom
Atypische Essstörungen
Soziale Phobie
Generalisierte Angststörung
Depression
Zwischenmenschliche Konflikte
Night-Eating-Syndrom
Therapie
Psychotherapie
Medikamentöse Behandlung
Stationäre Behandlung
Generalisierte Angststörung
Symptome
Kritische Situationen
Ursachen
Innerseelische Prozesse
Die Rolle des Denkens
Aufgestaute Aggression
Ausrichtung der Aufmerksamkeit
Übergänge und Differenzialdiagnosen
Lösungsstrategien
Medikamentöse Behandlung
Psychologische Bewältigung
Helfersyndrom
Definition
Helfen als kommunikatives Grundmuster
Pathologisches Helfen
Vom Tauschgeschäft zur Leidensquelle
Risikofaktoren
Persönlichkeitsstrukturen
Risikogruppen
Symptome und Folgeerkrankungen
Lösungsansätze
Hypochondrische Störung
Begriffsbestimmung
Symptome
Abgrenzungen / Differenzialdiagnosen
Simulation
Aggravation
Wehleidigkeit
Innerseelische Dynamik
Kommunikativer Umweg
Störung der Selbstwahrnehmung
Hypochondrische Quadratur
Lösungsansätze
Verhaltenstherapie
Tiefenpsychologie
Manie
Begriffsbestimmung
Symptome
Einteilung
Grundformen
Differenzialdiagnosen
Spielarten
Ursachen
Biologische Faktoren
Biographische Belastungen
Psychosoziale Auslöser
Innerseelische Prozesse
Risiken
Lösungsstrategien
Psychoedukation / Psychotherapie
Medikation
Rechtliche Maßnahmen
Selbsthilfe
Messie-Syndrom / Pathologisches Horten
Begriffsbestimmung
Erscheinungsbild
Unterscheidungen
Zwanghaftes Horten (Eigentliches Messie-Syndrom)
Chaos aus anderer Ursache (Differenzialdiagnosen)
Lösungsstrategien
Psychopharmaka
Psychotherapie
Selbsthilfe
Grundregel sinnvoller Ordnung
Multiple Persönlichkeit / Dissoziative Identitätsstörung
Begriffe und Zuordnungen
Kernsymptome
Verdachtsmomente
Übergänge und Unterschiede
Pseudo-DIS
Innerseelische Vorgänge
Biographische Ursachen
Verdrängen und dissoziieren
Wahrnehmung und Vorstellung
Lösungsstrategie
Neurose
Begriffsbestimmung
Abgrenzungen
Neurose und Psychose
Psychogene Psychosen
Neurose und Persönlichkeitsstörung
Psychologische Ursachen
Selbst und Selbstbild
Kränkung, Erleben und Widerstand
Gesellschaftliche Faktoren
Trauma und Missstand
Identifikation und Reaktionsbildung
Der Ödipuskomplex
Behandlung und Verhütung
Panikstörung
Begriffsbestimmung
Symptome
Einteilung
Ursachen
Erstauslöser
Innerseelische Prozesse
Grundlegende Befürchtungen
Die Angst vor der Angst
Assoziative Dynamik
Begleiterkrankungen (Komorbidität)
Lösungsstrategien
Medikamentöse Behandlung
Psychologische Bewältigung
Persönlichkeitsstörungen
Störung oder Normvariante
Ursachen
Anlage
Prägung
Entscheidung
Typische Persönlichkeitsvarianten
Abhängige (Dependente) Persönlichkeit
Ängstlich-vermeidende Persönlichkeit
Depressive Persönlichkeit
Narzisstische Persönlichkeit
Zwanghafte (anankastische) Persönlichkeit
Histrionische Persönlichkeit
Schizoide Persönlichkeit
Paranoide Persönlichkeit
Emotional-instabile Persönlichkeit (Borderline)
Dissoziale Persönlichkeit
Passiv-aggressive Persönlichkeit
Schizotype (Persönlichkeits-) Störung
Multiple Persönlichkeit / Dissoziative Identitätsstörung
Fließende Authentizität
Posttraumatische Belastungsstörung / PTBS
Auslöser
Symptome
Persönlichkeitsfaktoren und innerseelische Prozesse
Vulnerabilität
Resilienz
Höhere Mächte und persönliche Täter
Übergänge
Subsyndromale Verläufe
Akute Belastungsreaktion
Anpassungsstörung
Andauernde Persönlichkeitsänderung
Therapie
Pharmakotherapie
Psychotherapie
Psychische Normalität
Begriffe
Unterschiede
Psychische Normalität
Seelische Gesundheit
Grundlagen der Normalität
Ontologische Grundlagen
Egozentrische Identifikation
Gesellschaft
Der ganz normale Wahnsinn
Der zwanghafte Charakter des Denkens
Psychose
Definitionen
Formale Definition
Geläufige Definition
Psychotische Erlebnisweisen
Trugwahrnehmungen
Gedankenlautwerden
Ich-Störungen
Beziehungserleben
Wahn
Plus- und Minus-Symptome
Grundformen
Organisch / toxisch / exogen
Endogen
Psychogen
Psychose und Sucht
Belastung des Umfelds
Behandlung
Früherkennung
Sadomasochismus
Ursprung des Begriffs
Formen der sadomasochistischen Beziehungsasymmetrie
Innerseelische Vorgänge
Psychologie des Sadismus
Psychologie des Masochismus
Scham und Verantwortung
Rituale
Gehorsam
Fesselung
Schmerz
Anthropologische Grundlagen
Das biologische Erbe
Dualismen des Daseins
Grenzüberschreitungen
Vereinnahmung und Transzendenz
Kulte des Gehorsams
Diagnostische und therapeutische Konsequenzen
Spiel oder Krankheit
Therapie
Schizoaffektive Störung
Begriffsbestimmung
Symptome
Einteilung
Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
Therapie
Medikamentöse Behandlung
Psychotherapie
Schizophrenie
Überblick und Begriffsbestimmung
Kernsymptome
Grundformen der Schizophrenie
Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie
Katatone Schizophrenie
Hebephrene Schizophrenie
Schizophrene Spätphase / Residuum
Schizophrenia simplex
Undifferenzierte Schizophrenie
Schizophrenie und Depression
Innerseelische Prozesse
Des-identifikation
Objektivierung des relativen Selbst
Selbstveräußerung
Ausgeliefert an die Zugehörigkeit
Gefangen in der Selbstbestimmung
Selbstwertgefühl und Distanz
Größenwahn
Gedanklicher Strukturverlust
Religiöses Interesse
Behandlung
Pharmakotherapie
Psychoedukation
Psycho- und Verhaltenstherapie
Ergotherapie
Soziotherapie
Schlafstörungen
Begriffsbestimmung
Einteilung
Gesteigertes Schlafbedürfnis / Hypersomnie
Schlafapnoe
Narkolepsie
Psycho-physiologische Ein- und Durchschlafstörung
Psychodynamik der psycho-physiologischen Schlafstörung
Festhalten und loslassen
Wachwerden und einschlafen
Egozentrische Deutung
Umgang mit Schlafstörungen
Grundregeln
Medikamentöse Behandlung
Abkehr und Hinwendung
Seelische Gesundheit
Kategorien
Was bin ich
Identifikation
Identität
Psychische Normalität
Seelische Gesundheit
Stufengrade der Entbindung
Psychische Gesundheit
Sexuelle Störungen
Störungen und Varianten der sexuellen Präferenz
Begriffsbestimmung
Formen abweichender sexueller Präferenz
Ursachen
Behandlung
Störungen der Geschlechtsidentität
Transsexualismus
Therapeutische Begleitung
Sexuelle Funktionsstörungen
Formen sexueller Funktionsstörungen
Ursachen sexueller Funktionsstörungen
Lösungsansätze bei sexuellen Funktionsstörungen
Störungen bei Varianten der sexuellen Orientierung
Somatoforme Störungen
Begriffsbestimmung
Somatoforme Störung und somatoformes Symptom
Wichtige somatoforme Störungen
Somatisierungsstörung
Hypochondrische Störung
Somatoforme autonome Funktionsstörung
Somatoforme Schmerzstörung
Sonstige somatoforme Störungen
Ursachen und Auslöser
Selbstverstärkung
Abwehr
Therapie
Selbsthilfe
Soziale Phobie
Symptome
Kritische Situationen
Ursachen und Auslöser
Innerseelische Prozesse
Psychologischer Grundkonflikt
Impuls und Rollenspiel
Lawineneffekte
Schamabwehr
Lösungsstrategien
Medikamentöse Behandlung
Psychologische Bewältigung
Sucht
Begriffsbestimmung
Suchtstoffe und süchtiges Verhalten
Anwendungsmuster
Psychische Abhängigkeit
Körperliche Abhängigkeit
Entzugserscheinungen
Zur Psychologie der Substanzwahl
Alkohol
Opiate
Kokain / Amphetamine
Tranquilizer
Cannabis
Sucht ohne Suchtstoff
Glücksspielsucht
Computerspielsucht
Magersucht
Kaufsucht
Arbeitssucht
Wahn
Begriff und Prinzip
Vorkommen
Wahnthemen
Entstehungsmechanismen
Wahndynamik und psychologischer Grundkonflikt
Entgleisung des Denkens
Vom Annehmen und Ablehnen
Psychologisches Interesse
Selbstwahrnehmung und Beziehungswahn
Überspitzte Egozentrik
Verleugnete Bedeutungslosigkeit der Person
Abgrenzungen und Übergänge
Paranoide Persönlichkeit
Identitätsstiftende Vorstellungen
Religiöse Überzeugungen
Therapie
Psychotherapie
Medikamentöse Behandlung
Zwangsstörungen
Begriffsbestimmung
Typische Zwangsstörungen
Grübelzwang
Zwangsgedanken
Zwangshandlungen
Zwangsrituale
Gemischte Zwangsstörungen
Persönlichkeitsmerkmale und Zwangssymptome
Innerseelische Prozesse
Kampf um die Kontrolle
Vom Festhalten und Loslassen
Dienst an der Form
Zwang und Magie
Behandlung
Pharmakotherapie
Psychotherapeutische Behandlung
Literaturangaben
Fachbücher
Fachzeitschriften und -publikationen
Seele und Gesundheit ist der Titel einer Webseite, die sich mit den Ursachen, Erscheinungsformen und Heilungsmöglichkeiten seelischer Erkrankungen befasst. Der vorliegende Band ist der Beginn einer Buchreihe, die die Erkenntnisse und Sichtweisen, die auf der entsprechenden Webseite (https://www.seele-und-gesundheit.de/) dargestellt werden, ins Printmedium überträgt.
Band 1 trägt den Titel Diagnosen. Die Gliederung folgt dabei nicht der schulmedizinischen Klassifikation der psychiatrischen Krankheiten, wie sie zum Beispiel von der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) vorgegeben wird. Vielmehr werden die beschriebenen Zustände und Krankheitsbilder alphabetisch aufgelistet. Das trägt dem Konzept von Seele und Gesundheit Rechnung. Weder Webseite noch Buchreihe verfolgen vorrangig das Ziel, rein akademisch distanziertes Wissens zu vermitteln, wie es etwa ein Student der Psychiatrie zu erlernen hätte. Obwohl Seele und Gesundheit auch das bietet, wendet sich das Projekt darüber hinaus ausdrücklich auch an jeden interessierten Laien, der sich eingehend mit den Fragestellungen der Psychiatrie befassen möchte.
Kaum jemand glaubt heute noch, dass psychiatrische Probleme bloß Außenseiter der Gesellschaft treffen. Depressionen, Ängste, Zwangserscheinungen, Süchte, Ess- und Schlafstörungen sind weit verbreitet. Die meisten Menschen erfahren entsprechendes irgendwann im Laufe ihres Lebens am eigenen Leibe; oder sie kennen Bezugspersonen, die mit dem einen oder anderen Problem behaftet sind. Außerdem hat jeder eine Persönlichkeit, deren Dynamik Parallelen zu den Varianten der akzentuierten Persönlichkeiten aufweist, die die Psychiatrie als sogenannte Persönlichkeitsstörungen beschreibt und deren Charakteristika zu besonderen Beziehungsproblemen führen können.
Zum Konzept von Seele und Gesundheit gehört es daher, den Leser über die Wissensvermittlung hinaus bei seiner persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Dabei soll die Lektüre ebenso anregend wie vergnüglich sein. Zum Stil der Buchreihe gehört ein besonderes Bemühen um Verständlichkeit, auch dann, wenn die besprochenen Sachverhalte komplex erscheinen.
Die Sichtweisen von Seele und Gesundheit basieren auf einem besonderen Strukturmodell des Menschen in der Wirklichkeit. Dieses Modell wird in den nachfolgenden Bänden eingehend beschrieben. Es ermöglicht ein vertieftes Verständnis psychiatrischer Zusammenhänge. Für die Texte, die zum Band 1 der Buchreihe zusammengefasst sind, ist es notwendig und hinreichend, den folgenden Überblick vorauszuschicken.
Begriff
Was benennt er?
Ich
Das, was sich gleichsetzt... ... mit dem, was es wahrnimmt, mit dem, was es zu sein glaubt oder mit dem, was es sein will. Das, was das Selbstbild zu sich selbst erklärt.
Ego
Die Rolle, die das Ich gegenüber anderen spielen will. Das, was glaubt, von der Welt getrennt zu sein. Das, was der eigenen Person einseitig Vorteile verschaffen will. Vorsatz der individuellen Parteilichkeit.
Relatives Selbst
Der eigene Körper und das, was das Ich unmittelbar wahrnehmen kann: Gefühle, Gedanken, Impulse. Inhalt, Struktur und Dynamik der eigenen Person; persönliche Interessen und Zielsetzungen.
Absolutes Selbst
Das, was wahrnimmt und entscheidet. Das, was wahr ist und wahrmacht. Potenzial, sich als Subjekt in die Person zu erstrecken. Wesen der Wirklichkeit. Das, was sich selbst erschafft.
Wirklichkeit
Gemeinsamer Nenner aller wirksamen Kräfte und Formen. Inhalt der Wirklichkeit ist alles, was unterschieden werden kann, ihr Wesen, was nicht zu unterscheiden ist.
Auch das Konzept des sogenannten Psychologischen Grundkonflikts spielt bei der Darstellung eine große Rolle. Darunter versteht man den Konflikt, der beim Versuch entstehen kann, die zwei seelischen Grundbedürfnisse zu erfüllen:
das Bedürfnis nach Zugehörigkeit
das Bedürfnis nach Selbstbestimmung
Oft sind bei der Erfüllung beider Bedürfnisse nur Kompromisse möglich.
Hattingen, Mai 2019
Es mag sein, dass es eine abnorme Gewohnheit ist, den Nagel des linken Ringfingers zwei Zentimeter lang werden zu lassen. Da dadurch aber kein nennenswerter Schaden entsteht, würdigt die ICD eine solche Gewohnheit keines Blickes.
Nicht jede Marotte wird so berühmt, dass die Psychiatrie ihr einen Namen gibt. Zu Recht! Denn formal gesehen sind Marotten zwar abnorme Gewohnheiten, es fehlt Ihnen aber die Macht, ein Leben aus der Bahn zu werfen.
Unter der Überschrift Abnorme Gewohnheiten bzw. Störungen der Impulskontrolle fasst die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) eine Reihe seelischer Störungen zusammen, die durch neurotische Verhaltensweisen gekennzeichnet sind. Dabei kommt es zu vernunftwidrigen Handlungen, die der Kranke nur schwer unterdrücken kann.
Gemeinsames Merkmal abnormer Gewohnheiten ist, dass die Handlungen entweder dem Kranken selbst oder dem Umfeld schaden.
Störung der Impulskontrolle oder krankhafte Impulsbildung
Der Begriff Störung der Impulskontrolle greift zu kurz... und führt sogar in die Irre.
Ist der Impuls, Feuer zu legen, triebhaft zu stehlen, sein Geld an Automaten zu verplempern oder solange an der Haut herumzuknibbeln, bis das Blut fließt, denn normal? Und ist daher nur derjenige krank, dem es misslingt, solche Impulse unter Kontrolle zu halten, während der Gesunde es schafft, die Nachbarscheune nicht anzustecken, obwohl es ihn dazu ständig in den Fingern juckt?
So ist es gottlob nicht. Das Leben wäre erst recht eine Strapaze, müsste man bei jedem Gang durchs Kaufhaus aufpassen, dass man nicht straffällig wird oder lockten Spielkasinos gar jeden Passanten wie Sirenen griechische Seefahrer an.
Um Gottes willen! Wo kämen wir hin, würden rund um die Spielkasinos Passanten pulkweise an Laternenpfosten gekettet, damit sie dem Gesang einarmiger Banditen widerstehen. Und welcher Passant erreichte noch den Arbeitsplatz, hinge er mit seinen Leidensgenossen am Pfosten fest? Die Politik tut manches, um das Land in den Abgrund zu führen, aber Kasinos zuzulassen, deren Anblick bei jedermann Impulse auslöst, die Lichtmasten aus der Verankerung zu reißen drohen, würde selbst sie nicht wagen.
So stimmt es wohl: Dem manifest Kranken misslingt es nur allzu leicht, die Problemimpulse in Schach zu halten. Sein eigentliches Problem liegt aber tiefer: darin dass sie überhaupt entstehen.
Gewohntes und Ungewöhnliches
Auch der Begriff Gewohnheit überzeugt nicht jeden. Eine Gewohnheit ist eine Verhaltensroutine, die sich aus pragmatischen Gründen einschleift. Man sagt: Wir sind es gewohnt, gegen 18 Uhr zu essen. Man hat sich an ein Muster gewöhnt, das dem Leben Struktur gibt. Kann man aber mit gleichem Recht sagen: Der Kleptomane hat sich an den Diebstahl für ihn nutzloser Gegenstände gewöhnt? Oder gar: Ich bin es gewöhnt, Feuer zu legen... so wie man sich an Arbeitsbedingungen gewöhnt haben mag? Sich an etwas gewöhnt zu haben, heißt: Es sind dabei wenig Affekte im Spiel. Genau das ist bei abnormen Gewohnheiten aber anders. So heißt es, die pyromane Tat sei mit wachsender innerer Spannung und starker Erregung verbunden. Der Pyromane erlebt eher Ungewöhnliches.
Zu den sonstigen abnormen Gewohnheiten kann auch das Nägelkauen (Onychophagie) und das Hautknibbeln (Dermatillomanie, Skin Picking Disorder) gerechnet werden. Die ICD-Klassifikation geht hier einen anderen Weg. Sie ordnet Nägelkauen, Nasebohren (Rhinotillexomanie) und Daumenlutschen gemeinsam mit exzessiver Masturbation und einer sogenannten Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität "anderen Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend" (ICD: F98) zu; wobei sie bezüglich einer Abgrenzung der Aufmerksamkeitsstörung zur ADS schweigt.
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle gemäß ICD-10-Klassifikation der WHO
Name
ICD
Pathologisches Spielen
F63.0
Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)
F63.1
Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
F63.2
Pathologisches Haareausreißen (Trichotillomanie)
F63.3
Sonstige Störungen der Impulskontrolle (z.B. Hautknibbeln)
F63.8
Intermittierend explosibles Verhalten
F63.81
Verhaltens- und emotionale Störungen
Sonstige Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn in Kindheit und Jugend (z.B. Nägelkauen, Nasebohren, Daumenlutschen)
F98.8
Dynamik und emotionale Symptome des Glücksspiels zeigen große Ähnlichkeit mit denen der stoffgebundenen Süchte. In der psychiatrischen Praxis hat es sich daher durchgesetzt, das Pathologische Glücksspiel als Suchterkrankung aufzufassen; obwohl der Vergleich hinkt. Zur Dynamik der stoffgebundenen Sucht gehört eine Wechselwirkung zwischen der psychotropen Substanz und dem Organismus, auf dessen Strukturen sie trifft.
Zwang oder Gewohnheit
Zwangshandlungen und abnorme Gewohnheiten dienen der Verdrängung unangenehmer Gefühle. Darin sind sie gleich. Die abnorme Gewohnheit benutzt der Kranke aber nur um unangenehme Gefühle durch angenehmere zu ersetzen. Er hat keine Theorie, wozu sein Handeln sonst noch gut ist. Der Zwangskranke hat spezifische Befürchtungen.
Wenn ich nicht noch einmal kontrolliere, ob der Ofen aus ist, könnte das Haus abbrennen.
Er meint, dass etwas Schlimmes passiert, wenn er seinem Impuls nicht folgt. Er handelt, um bestimmte Zwecke zu bewirken.
Von den Taten pathologischer Brandstifter erfährt man aus den Medien. Charakteristisch ist, dass den pathologischen Brandstifter der Impuls zu seinen Taten immer wieder überkommt. Ihm geht es um die Brandstiftung an sich, ohne dass er das Feuer aus sonstigen Gründen legt; zum Beispiel aus Rache, um die Versicherung zu betrügen, aus wahnhaften Impulsen heraus oder politisch motiviert. Nicht jeder psychisch Kranke, der Feuer legt, leidet unter Pyromanie. Brandstiftung kommt auch im Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen vor; zum Beispiel:
im Alkohol- oder Drogenrausch
als feindselige Handlung dissozialer oder paranoider Persönlichkeiten um Widersacher zu schädigen
bei endogenen oder exogenen Psychosen aus wahnhafter Verkennung der Realität heraus
im Rahmen akuter Manien:
Ich wollte bloß mal eine Bücherverbrennung ausprobieren.
Jenseits der Pyromanie bleibt die Brandstiftung psychisch Kranker sporadisch, während sie bei der Pathologischen Brandstiftung zu einem Verhaltensmuster wird.
Das Motiv des Kleptomanen liegt nicht in konkreter Bereicherung. Wie bei allen Störungen der Impulskontrolle geht es auch hier um den Abbau emotionaler Spannungen. Daher stiehlt der Kleptomane im Gegensatz zum gewöhnlichen Kriminellen auch nicht gezielt. Der Kriminelle stiehlt Sachen selektiv, Sachen, die er selbst gebrauchen oder lukrativ verhökern kann. Der Kleptomane wählt das Diebesgut weder nach persönlicher Brauchbarkeit noch nach Wert. Hat er gestohlen, hortet er die Sachen, verschenkt sie oder er wirft sie einfach weg. Ihm geht es nicht um das, was er stehlen kann, sondern darum, dass er stehlen kann. Der Akt ist keine ökonomische Maßnahme, sondern ein psychisches Regulativ.
Auftreten
Von der Erkrankung werden deutlich mehr Frauen als Männer betroffen. Man schätzt die Häufigkeit auf 1-2%. Meist beginnt das problematische Verhalten in der Kindheit (6.-8. oder 11.-12. Lebensjahr) und hält ein ganzes Leben lang an. Allerdings treten die Symptome phasenweise in den Hintergrund, oder sie verstärken sich bei Stress und emotionaler Belastung.
Symptome und diagnostische Kriterien
Sichtbarer Haarverlust (meist Kopfhaar, Augenbrauen und Wimpern, seltener übrige Körperregionen)
Zunehmende Anspannung vor dem Haareausreißen und Verstärkung der Anspannung, wenn der Impuls unterdrückt wird
Erleichterung nach dem Haareausreißen
Spielen mit oder Verschlucken der ausgerissenen Haare
Keine Hauterkrankung als Ursache erkennbar
Beeinträchtigung in sozialen Funktionsbereichen
Schamhaftes Verstecken der Symptome, sozialer Rückzug
Begleiterkrankungen und Abgrenzung
Oft wird die Trichotillomanie von anderen Störungen begleitet. Zu nennen sind vor allem Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Zwangs- oder Ticstörungen. Tics sind spontane Bewegungen oder Lautäußerungen (Grunzen, Räuspern, Schnalzen), die der Betroffene meist nur kurzzeitig zurückhalten kann. Unterdrückt er den Tic, entsteht ein unangenehmes Spannungsgefühl.
Als Folge der Trichotillomanie sind Haut- und Zahnfleischentzündungen zu befürchten. Als seltene Komplikation kann sich nach dem Verschlucken großer Haarmengen (Trichophagie) im Magen-Darm-Trakt ein Haarknäuel (Trichobezoar) bilden, der zum Darmverschluss führt.
In Abgrenzung zur Trichotillomanie, bei der Haare ausgerissen werden, benennt die ICD ein nicht-selbstschädigendes Haarezupfen als stereotype Bewegungsstörung (F98.4).
Im Gegensatz zu den übrigen abnormen Verhaltensmustern ist das Nägelkauen wenig spektakulär, aber umso weiter verbreitet. Vor allem bei jungen Menschen tritt es als vorübergehende Begleiterscheinung am Übergang in das Erwachsenenleben auf. Aber es kann auch ein ganzes Leben lang betrieben werden.
Wenn oben davon die Rede war, dass abnorme Gewohnheiten ein ganzes Leben aus der Bahn werfen können, so gilt das beim Nägelkauen nur in Ausnahmefällen. Meist wächst es sich aus, oder es führt ein Dasein am Rande des Lebensvollzugs ohne dramatische Folgen.
Nägelkauen ist fast immer schambesetzt. Kaum jemand zeigt gerne das unschöne Bild abgenagter Fingernägel vor. Dadurch kann eine Entwicklung in Gang kommen, die ein Leben dann doch überschattet. Sich schämen heißt sprachgeschichtlich sich verstecken. Wird das Schamgefühl des Nagelbeißers übermächtig, versteckt er sich womöglich so konsequent vor dem Blick der anderen, dass er im Leben den Platz nicht findet, den er mit ungekürzter Kralle erobern könnte.
Ein animalisches Vermächtnis
Man kann sich also fragen, ob das Nägelkauen nicht als symbolische Selbstbeschneidung verstanden werden kann, das zögerlichen Temperamenten dazu dient, sich die Werkzeuge zum gefürchteten Kampf um den Platz an der Sonne vorsorglich selbst aus der Hand zu nehmen.
Als intermittierend explosibles bzw. explosives Verhalten werden wiederholte Zustände von überschießender Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft bezeichnet, in deren Rahmen sich Aggression gegen Personen oder Gegenstände entlädt. Die Anlässe erscheinen dabei meist geringfügig. Nicht selten kommt es zu Polizeieinsätzen oder Delinquenz.
Unklar ist, ob die beschriebenen Symptome nicht ebenso gut als Ausdruck einer emotional-instabilen Persönlichkeit von impulsiven Typ aufgefasst werden können, oder aber als gereizt maniforme Bilder bei Bipolarer Störung.
So unterschiedlich abnorme Gewohnheiten auch sein mögen, der innerseelische Mechanismus, der zum problematischen Verhalten führt, ist bei allen Störungen im Grundsatz gleich. Dem Fehlverhalten geht eine unangenehme Anspannung voraus, die durch die abnorme Tat wieder nachlässt. Somit lässt sich die Gewohnheit als Abwehrmechanismus verstehen. Sie dient dazu, unangenehme Selbstwahrnehmungen zu unterdrücken, indem sie die Aufmerksamkeit vom Selbst weg und hin zur Tat oder deren Folgen lenkt.
Durch die Verdrängung unliebsamer Wahrnehmungen wird die seelische Entwicklung gestört. Dadurch steigt die Spannung, was den verstärkten Einsatz des Abwehrverhaltens auf den Plan ruft. So kommt es zu einer Dynamik sich wechselseitig verstärkender Bedingungen. Während der Mechanismus der innerseelischen Dynamik im Grundsatz gleich ist, sind die individuellen Ausgestaltungen und die hintergründigen Motive ebenso unterschiedlich wie facettenreich. Bei der Therapie müssen sie im Einzelnen verstanden werden.
Beim Pathologischen Stehlen und der Pathologischen Brandstiftung, aber auch beim Glücksspiel können ungelöste Zugehörigkeits-Autonomie-Konflikte im Hintergrund erkennbar sein. Stehlen, Brandstiften und die Teilnahme am scheinbar so sinnlosen Glücksspiel können als Versuche des Kranken gedeutet werden, eine Überanpassung an die Erwartungen des Umfelds durch Taten auszugleichen, die kaum je auf Zustimmung stoßen. Indem er das Verpönte tut, erzwingt der Täter ein Stück Selbstbestimmung.
Allerdings sind die Verhältnisse kaum je so einfach, wie es diese Deutung unterstellt. Auch das Bedürfnis nach Zugehörigkeit kann durch abnorme Taten pathologisch befriedigt werden:
Diebstahl ist eine Aneignung fremder Objekte. Durch den Akt der Aneignung wird ein Band der Zugehörigkeit geknüpft.
Die Spielhalle, die den Spielsüchtigen anlockt wie Licht eine durchs Dunkel irrende Motte, verkauft ein Stück Geborgenheit in einer Welt der anonymen Weite. Treffenderweise könnte man die Spielhalle
Spielhöhle
nennen, da Hallen wenig Geborgenheit vermitteln, Höhlen aber viel.
Der Brandstifter verwandelt ein fremdes Objekt in wärmendes Licht; ... das aus sicherer Ferne betrachtet so archaisch anheimelnd wirkt wie ein Lagerfeuer im winterlichen Neandertal. Schon der Neandertaler wusste: Wo in der Dunkelheit das Feuer leuchtet, da gehört er hin.
Oben haben wir bereits bezweifelt, dass der Begriff Gewohnheit zur Bezeichnung für Pyro- und Kleptomanie geeignet ist. Während das Gewohnte gerade deshalb so heißt, weil es gewöhnlich ist, sticht der kriminelle Akt aus dem Gewöhnlichen heraus. Indem er Feuer legt, durchbricht der Pyromane die Banalität der Gewöhnlichkeit, was ihm ein Gefühl intensiver Lebendigkeit verschafft. Es verleiht seinem Dasein eine Bedeutung, die es im Rahmen tatsächlicher Gewohnheiten nicht hat.
Es ist somit denkbar, dass Klepto- und Pyromanie auch narzisstischen Motiven dienen. Das Prickeln ihres abenteuerlichen Tuns hebt die Täter aus der gefühlten Bedeutungsarmut des tatsächlich Gewohnten heraus. Zweifellos wird es auf so manchen Brandstifter großen Eindruck machen, wenn die Folgen seiner ungewöhnlichen Tat in der Abendschau zur Sprache kommen. Wenn auch inkognito, er wird von Tausenden beachtet.
Achtsamkeitstraining
Kognitiv-verhaltenstherapeutisch
Erkennen von Auslösesituationen und emotionalen Frühwarnzeichen
Tiefenpsychologisch
Erforschen der psychologischen Zusammenhänge zwischen unspezifischer Anspannung, verdrängten Selbstanteilen und symbolischer Bedeutung der abnormen Handlung
Bei der Behandlung der abnormen Gewohnheiten kommen medikamentöse und psychotherapeutische Methoden zum Einsatz.
Eine spezifische Medikation gibt es nicht. Da Impulskontrollstörungen oft mit Depressionen einhergehen, hat der Einsatz von Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI (Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) eine gewisse Verbreitung gefunden. Lithium, Neuroleptika und Naltrexon sind nur in Einzelfällen wirksam.
Im Vordergrund stehen psychotherapeutische Maßnahmen. Dabei kommt dem Training der Achtsamkeit und der Bearbeitung innerseelischer Konflikte eine zentrale Bedeutung zu. Es gilt, irreführende Vorstellungen über die Wirklichkeit und die eigene Rolle im Leben aufzudecken, die hinter dem periodischen Auftreten jener Spannungsgefühle stehen, die schließlich durch das problematische Verhalten entladen werden.
Konkurrierende Handlungen
Was könnte ich stattdessen tun?
Weitere Bausteine sind das Erlernen konkurrierender Handlungen und allgemeiner Entspannungstechniken. Zu den allgemeinen Entspannungstechniken gehören Atemübungen, das Autogene Training und die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen.
Das Erlernen konkurrierender Handlungen (Habit Reversal Training) dient der Bereitstellung sinnvoller Verhaltensalternativen. Diese lenken den krankhaften Impuls in weniger schädliche oder gar nützliche Taten um. Eine solche Umlenkung problematischer Impulse nennt die Psychoanalyse Sublimation.
Rauchen in der Schwangerschaft verdoppelt das Risiko des Kindes, an einer ADHS zu erkranken.
Was man schnell erreichen kann, ist unwichtig.
Die Welt ist nur ein Splitter ihrer selbst.
Machen Sie sich die Ziele bewusst, unter deren Herrschaft Sie stehen. Wer zu vielen Meistern zeitgleich dient, stellt keinen davon zufrieden. Freiheit besteht darin, die Herrschaft aller Meister abzuschütteln.
Flüchtigkeitsfehler entstehen, weil man zu schnell am Ziel sein will. Man tut nicht, was für das Erreichen des Ziels notwendig ist, sondern flüchtet durch kopfloses Tun aus einem Jetzt, das man für ungenügend hält.
Das Kernsymptom der ADHS ist die mangelnde Einbindung der psychischen Präsenz in den Ereigniszusammenhang des Hier-und-Jetzt. Statt dem Hier-und-Jetzt jene Beachtung zu schenken, die Grundlage erfolgreichen Handelns ist, ist der ADHS-Erkrankte im Geiste bereits in einem Dort-und-Dann, in dem vermeintlich alles besser wird.
Dieses Dort-und-Dann ist weder ein echter Ort noch eine echte Zukunft. Es ist ein Gemenge verschwommener Vorstellungsbilder, die der Kranke von Ort und zukünftiger Zeit im Kopfe trägt. Der Erkrankte ist so vom angestrebten Resultat seines Tuns besessen, dass er in wechselnder Ausprägung vier Dinge tut:
Bei dem, was er tut, beeilt er sich.
Er überlässt sich jedem Impuls, der ihm Erfolg verspricht.
Er versucht, mehrere Schritte gleichzeitig zu tun oder Etappen zu überspringen.
Statt in der Wirklichkeit zu tun, was zum Ziel führt, träumt er davon, bereits dort zu sein.
Daraus ergeben sich gemäß DSM-IV (Diagnose-Manual der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung) drei Gruppen typischer Folgesymptome:
Aufmerksamkeitsdefizit
Mangelnde Achtsamkeit gegenüber Details
Flüchtigkeitsfehler
Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit über längere Zeit auf ein Thema zu bündeln
Unachtsamkeit beim Zuhören
Vorzeitiges Abbrechen von Aufgaben
Schwierigkeit beim Organisieren und Planen von Aktivitäten
Abneigung gegen Aufgaben, die länger dauernde geistige Anstrengung erfordern
Verlieren und Verlegen benötigter Gegenstände
Gesteigerte Ablenkbarkeit sowohl durch Außenreize als auch durch gedankliche Assoziationen und Einfälle
Vergesslichkeit bezüglich Alltagstätigkeiten
Vergessen von Verabredungen
Bedingungen
Nicht jedes Zustandsbild, das von Konzentrationsstörungen und Antriebssteigerung geprägt ist, ist einer ADHS zuzuordnen. Vier Bedingungen sollten erfüllt sein:
Das Leiden besteht seit der Kindheit.Es tritt nicht nur bei besonderem Stress auf, sondern auch bei alltäglichen Tätigkeiten.Andere Ursachen, zum Beispiel eine Überfunktion der Schilddrüse oder Substanzeinfluss, sind ausgeschlossen.Es führt zu starken Problemen in Beziehungen und Arbeitswelt.Hyperaktivität
Zappeln mit Händen und Füßen; Sitzunruhe
Nervöses Nägelkauen
Ziellose Beschäftigung der Hände (Büroklammern verbiegen)
Aufstehen in Situationen, in denen Sitzenbleiben passender wäre
Unangemessenes Herumlaufen
Sich leise beschäftigen fällt schwer, unnötiges Lärmen
Häufig auf Achse, wirkt wie aufgezogen
Exzessives Reden
Entspannung durch Sport
Ungeduld und Reizbarkeit bei erzwungener Inaktivität
Paralleler Beginn mehrerer Aktivitäten
Impulsivität
Herausplatzen mit der Antwort, bevor die Frage beendet wurde
Nicht warten können, bis man an der Reihe ist
Häufiges Unterbrechen und Stören anderer
Risikoverhalten im Straßenverkehr
Kopflose Entscheidungen
Vorschnelle Einkäufe, die nachher als sinnlos bereut werden
Mangelnde Affektkontrolle
Kommunikation unter Einfluss unkontrollierter Affekte
Beziehungskonflikte
Was mit der ADHS gemeinsam vorkommt oder mit ihr verwechselt werden kann
Depressionen und ManienAngststörungenPersönlichkeitsstörungenAspergersyndromSuchterkrankungenHirnorganische SyndromeViele Patienten mit ADHS leiden zusätzlich unter Symptomen, die anderen Diagnosen zugeordnet werden können. Man spricht dann von einer Komorbidität, also dem gemeinsamen Auftreten mehrerer Krankheiten. Da sich die diagnostischen Merkmale psychiatrischer Krankheitsbilder oft überlappen, ist zuweilen schwer zu entscheiden, welche Erkrankung man überhaupt feststellt. Krankheitsbilder, die so ähnlich aussehen können wie eine ADHS, bezeichnet man als ihre Differenzialdiagnosen.
Weitere Komorbiditäten
SchlafstörungenEinnässenNeurodermitisTic-StörungenLegasthenieDyskalkulie/ RechenschwächeNicht alle Betroffenen leiden unter der gleichen Mischung an Symptomen. Man unterscheidet drei Varianten:
Vorwiegend Aufmerksamkeitsstörung
Vorwiegend hyperaktiv und impulsiv
Mischtyp
Grundsätzlich gilt: Hyperaktiv-impulsive Bilder sind bei Kindern häufiger. Bleibt die Störung bis ins Erwachsenenalter bestehen, geht die Impulsivität oft zurück. Die Störung der Aufmerksamkeit tritt in den Vordergrund. Bei Vorliegen eines deutlichen Aufmerksamkeitsdefizits ohne wesentliche Hyperaktivität spricht man von einer ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung).
Im Regelfall ist es nicht schwer, die Symptomatik einer ADHS zu erkennen. Ein begründeter Anfangsverdacht besteht, wenn in einem oder mehreren der oben genannten Symptomfelder spontan deutliche Auffälligkeiten berichtet werden, die bis in die Kindheit zurückreichen. Eine systematische Abfrage weiterer Symptome kann den Verdacht untermauern.
Zur weiteren Objektivierung liegen umfangreiche Fragebögen vor, die die gleichen Symptomgruppen abdecken:
ADHS-Selbstbeurteilungsskala
ADHS-E
Bremer ADHS-Screening für Erwachsene (BAS-E)
Conners' Adult ADHD Rating Scales (CAARS-O und CAARS-S)
Diagnose Checkliste ADHS (DCL-ADHS)
Diagnostische Checkliste zur ADHS (ADHS-DC)
Wender-Reimherr-Interview (WRI)
... zur Diagnostik beim Erwachsenen.
Fragebogen zur Erfassung von ADHS im Erwachsenenalter (FEA-ASB)
Wender Utah Rating Scale (WURS)
... zur rückblickenden Erfassung der ADHS im Kindesalter.
ASRS-V1.1 / WHO Composite International Diagnostic Interview
Vermutlich ist die ADHS keine einheitliche Erkrankung, sondern eine Gruppe von Störungen mit ähnlichen Symptomen. Zwillingsstudien belegen, dass anlagebedingte Faktoren eine große Rolle spielen. Mindestens ebenso groß ist der Einfluss familiärer Konflikte, elterlicher Verhaltensauffälligkeiten und auseinanderbrechender Kleinfamilien. Untersuchungen zufolge steigt das Risiko, eine ADHS zu entwickeln, durch psychosoziale Belastungen in der Kindheit und Kommunikationsstörungen von Seiten der Eltern auf das Vielfache an.
Zivilisationskrankheit
Die Figur des Zappelphillip aus dem Kinderbuch Struwwelpeter gilt als Paradebeispiel eines Jungen mit ADHS. Offensichtlich gab es das Phänomen schon früher. Immer wieder ist jedoch zu hören, dass die Zahl der Betroffenen zunimmt. Ist die ADHS also eine Modediagnose? Wahrscheinlich nicht!
Menschen, denen es schwerfiel, sich stillsitzend auf eine Sache zu konzentrieren, gab es immer. Früher fielen sie aber weniger auf; denn früher gab es für motorisch aktive Menschen mehr zu tun. Man rackerte sich auf dem Feld ab, schleppte die Einkäufe zu Fuß nach Hause, schwang in der Schmiede den Hammer und wer im Winter nicht frieren wollte, musste die Kohlen eigenhändig in den Keller schippen; oder sogar Holz hacken. Die lebhafte Motorik hatte viel zu tun. Sie tobte sich an den physikalischen Widrigkeiten des Daseins aus.
Heute werden physikalische Widrigkeiten von Motoren beseitigt. Stattdessen nehmen komplex-zivilisatorische Widrigkeiten überhand, und fast jeder wird durch die Umstände dazu angehalten, aufmerksame Kopfarbeit zu leisten. Um im Leben seinen Platz zu finden, reicht eine Handvoll Volksschuljahre nicht mehr aus. Außer im Sport gibt es wenig, was man motorisch erreichen kann. Umso mehr muss man sich in einer zunehmend komplizierten Welt selbst organisieren. Da fällt es auf, wenn man so etwas nicht gut kann.
Gegensätzliche Muster
Im Spektrum der Verhaltensmöglichkeiten ist ein Gegenpol zum ADHS-Muster erkennbar: Anankasmus. Die anankastische Persönlichkeit überspringt beim Handeln keine Details, sondern beachtet sie so eingehend, dass sie kaum noch von der Stelle kommt. Statt Impulsen bedenkenlos zu folgen, haftet sie dermaßen an dem, was ihre Aufmerksamkeit gebunden hat, dass spontane Impulse im Ansatz ersticken. Auch bei der Impulsivität macht die Dosis das Gift. Zu viel führt ins Chaos, zu wenig zu Stillstand.
In der Regel beginnt die Erkrankung in der frühen Kindheit oder spätestens im Jugendalter. Etwa 4-5 % der Kinder sind betroffen. Ging man früher davon aus, dass sich die ADHS grundsätzlich auswächst, weisen neue Untersuchungen darauf hin, dass bei knapp der Hälfte Symptome bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Allerdings schwächen sie sich oft ab.
Den drei Symptomgruppen der ADHS (Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität), liegt ein gemeinsames Kernsymptom zugrunde: Die mangelhafte Orientierung der individuellen Verhaltenssteuerung am situativen Ereigniszusammenhang.
Vermutlich ist der Ausgangspunkt des Krankheitsgeschehens eine genetisch bedingte Normvariante des individuellen Grundmusters der Wahrnehmungs- und Handlungsbereitschaft. ADHS-gefährdete Kinder gehen meist rasch auf das zu, was ihre Aufmerksamkeit erregt und lassen ebenso rasch davon ab, falls etwas Neues im Blickfeld auftaucht. Zunächst ist dieses Muster bloß ein Experiment der Natur, womit sie untersucht, ob rasch entschlossenes Handeln trotz flüchtiger Wahrnehmung bei der Eroberung der Welt nicht mehr Erfolg als durchdachte Planung verspricht.
Erst beim Aufeinandertreffen dieses Grundmusters mit dem jeweiligen Kommunikationsklima des Umfelds und dessen wirtschaftlichen Strukturen entscheidet sich, ob sich daraus eine handlungsorientierte Persönlichkeit mit impressionistischem Wahrnehmungsstil entwickelt oder ein Mensch, der sich psychosozial schlecht integriert.
Hinter dem Mangel an Aufmerksamkeit steht der Hunger nach Beachtung. Auf dem Weg zu Erfolg und Anerkennung hat es der Kranke eilig. Je mehr er sich beeilt, desto öfter stolpert er. Je öfter er stolpert, desto langsamer kommt er voran. Je langsamer er vorankommt, desto mehr beeilt er sich, den Rückstand aufzuholen. Auf der Jagd nach dem Glück bleibt keine Zeit, sich auf das Hier-und-Jetzt zu besinnen.
Maßgeblich beteiligt an der pathologischen Entgleisung sind der Psychologische Grundkonflikt und die Selbstwertregulation. Ein impulsives Kind konzentriert seine Aufmerksamkeit kürzer als andere auf die Gegenwart, in der sich jene Details befinden, deren Beachtung ihm eine erfolgreiche Teilnahme am Gemeinschaftsleben erleichtern würde. Wie Hans-guck-in-die-Luft ist es im Geiste nicht mehr da, wo Probleme zu lösen sind, sondern dort, wo man die Lösung der Probleme bereits feiert oder wo ein neuer Reiz rasche Begeisterung verspricht.
Dementsprechend macht es bei der Erledigung von Aufgaben Flüchtigkeitsfehler oder es bricht den Versuch, zeitraubende Projekte zu Ende zu bringen, vorzeitig ab, da ihm die Geduld fehlt, sich an einer komplizierten Aufgabe abzumühen. Wenn Erfolg auf sich warten lässt, fängt es lieber etwas Neues an. Wegen der Eile und Beiläufigkeit, mit der es Aufgaben lösen will, kommt das häufiger als bei achtsamen Kindern vor.
Kärrnerarbeit
Die Arbeit des Kärrners ist die Arbeit des Karrenziehers. Bevor gebaut wird, zieht der Kärrner Karren mit Baustoffen herbei. Wird Richtfest gefeiert, ist der Kärrner vergessen. Kärrnerarbeit geschieht abseits des Beachteten. Das ist nicht verlockend.
Fatales Zusammenspiel
Die Anlage zur Unaufmerksamkeit kann sich mit einem narzisstischen Abwehrmuster verquicken. Es gibt Jugendliche, die ihren Flüchtigkeitsfehlern und der Erwartung des Umfelds, bei der Erledigung ihrer Aufgaben achtsam zu sein, mit Hochmut begegnen. Damit wehren sie Selbstwertzweifel ab. Sorgfältige Arbeit im Detail gilt ihnen als belanglose Pflicht für Kleingeister, die ein Mensch, der so hochfliegende Pläne wie sie selber hat, am besten von sich weist, um sich gar nicht erst mit Petitessen aufzuhalten. Wozu soll ein zukünftiger Stararchitekt etwas über Statik wissen? Darum können sich doch Subalterne kümmern!
Auch Ikarus wäre nicht abgestürzt, hätte er bei der Planung seiner Flugmanöver den Regeln der Wirklichkeit mehr Achtsamkeit geschenkt.
Je mehr Aufgaben schlecht oder gar nicht gelöst werden, desto weniger Lob und umso mehr Kritik bekommt das Kind. Da mangelnde Bestätigung und wachsende Kritik die Angst vor dem Verlust der Zugehörigkeit schüren, wächst der Drang, möglichst rasch Erfolge vorzuweisen. Je kopfloser es aber dem Erfolg entgegendrängt, desto unachtsamer wird es, desto weniger Geduld hat es zuzuhören, desto impulsiver platzt es mit Antworten heraus, desto weniger will es die Kärrnerarbeit des Organisatorischen bewältigen und desto mehr unterbricht und stört es andere.
Da ein solches Kind selbst einem hartgesottenen Umfeld oft mehr Geduld abverlangt, als das Umfeld bereit ist zu geben, wird der Riss zwischen ihm und dem Kontext größer. Je größer der Riss wird, desto unbehaglicher empfindet das Kind die Gegenwart. So entsteht ein psychologischer Teufelskreis: Beim Versuch, möglichst bald in einem Kontext eingebettet zu sein, in dem es so, wie es ist, empfangen wird, setzt es sich über den Kontext hinweg und provoziert damit dessen Widerstand.
Flucht vor bedrückender Wirklichkeit
Nicht jeder Teufelskreis fängt mit der Verhaltensproblematik des Kindes an. Oft ist das Kind zunächst bloß lebhaft. Viele Kinder werden aber in familiäre Felder hineingeboren, deren Strukturen nur wenig Geborgenheit bieten.
Die Eltern sind zerstritten und vom Alltag überfordert. Der Vater trinkt und ist arbeitslos. Das Wohnzimmer wird von einem Bildschirm beherrscht, durch den sich Doku-Soaps und Actionknaller in den Raum ergießen. Wiederholt trennen sich die Eltern oder ein neuer Partner zieht ein. Die Mutter kommt aus der Klinik zurück. An der Haustür klingelt das Jugendamt. Vor dem Fenster rauscht Dauerverkehr. In der Nachbarschaft lebt ein Prekariat, das keine Ahnung davon hat, wie es je zu einer integrierten Gemeinschaft zusammenfinden soll.
Die ADHS des Kindes ist hier als Fluchtversuch zu verstehen.
Im Zentrum der Zerrüttung will es nicht sein. Es träumt sich aus der Wirklichkeit heraus... und hat eine Kon
zentration
s-Störung.
Sein Antrieb, dem Unbehagen zu entkommen, steigt. Es ist hyperaktiv.
Da es keinen Überblick hat, wie es der Not entkommen könnte, tut es, was seiner kindlichen Natur entspricht. Es folgt Impulsen.
Der Fluchtversuch scheitert. Er trägt dazu bei, das Knäuel familiärer Probleme zu vergrößern.
Es ist kein Zufall, dass Aufmerksamkeit im Namen der ADHS benannt wird. Es ist aber nicht so, dass die Rolle der Aufmerksamkeit sich darin erschöpft, beim kindlichen Umgang mit dem Hier-und-Jetzt zu fehlen. Das zeigt die oben beschriebene Dynamik. Neben dem Mangel an Aufmerksamkeit beim Kind taucht das Thema zusätzlich unter zwei weiteren Aspekten auf, die sich pathogen mit dem ersten verquicken:
Die Unruhe, die das Kind durch Impulsivität und Hyperaktivität hervorruft, erregt die Aufmerksamkeit des Umfelds. Das Umfeld wird seinerseits daran gehindert, sich achtsam eigenen Interessen zuzuwenden; weil es sich darum kümmern muss, was das Kind gerade anstellt.
Nein! Es wird nicht mit dem Handy gespielt, bis es kaputt ist.
Nein! Die Wände werden nicht mit dem Filzstift bemalt.
Nein! Es wird nicht kopflos über die Straße gerannt.
Nein! Die Katze ist kein Plüschtier.
Die Aufmerksamkeit, die das Umfeld aufbringt, ist in der Folge nicht bejahend. In der Regel ist ihr etwas Widerstrebendes beigemengt. So trägt das Verhalten des Kindes zwar dazu bei, Beachtung zu erzwingen, sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit wird wegen der widerstrebenden Qualität der erzwungenen Beachtung aber nur zwiespältig erfüllt. Resultat können Impulse sein, die erst recht Aufmerksamkeit erfordern.
Aus psychologischen, psychosozialen oder wirtschaftlichen Gründen ist das Umfeld ADHS-kranker Kinder gehäuft von Personen bevölkert, die anderen grundsätzlich nur wenig substanzielle Aufmerksamkeit schenken; oder die so von allfälligen Alltagsproblemen überlastet sind, dass sie weder Kraft noch Zeit dazu haben. Die mangelnde Aufmerksamkeit, die Kindern in solchen Umfeldern zukommt, bringt sie dazu, durch das typische Problemverhalten danach zu suchen. Insofern kann die ADHS des Kindes als Abwehrstrategie in einem aufmerksamkeitsdefizitären Umfeld verstanden werden. Ob erst die Henne da war oder erst das Ei, bleibt eine Frage ohne Antwort.
Zwei Formen der Aufmerksamkeit
Substanziell ist Aufmerksamkeit, wenn sie sich dem Kind um des Kindes willen zuwendet. Im Gegensatz dazu ist Aufmerksamkeit bloß funktional, wenn sie dazu dient, den Eltern Kummer zu ersparen, der entstünde, wenn sie groben Unfug von Seiten des Kindes nicht verhindern.
Wenn man sich dazu entschließt, dem Zeitgeist eine Diagnose zuzuordnen, trifft man mit ADHS ins Schwarze. Da der Einzelne sich nur mit Entschlossenheit dem Zugriff des Zeitgeists entziehen kann, sickert die Krankheit als subklinisches Muster millionenfach in seelische Befindlichkeiten ein, die ebenfalls befallene Psychiater als normal betrachten; ... was sie ja auch sind, denn sie bilden eine eigene Norm: die des leistungs- und erfolgsorientierten Mittelklasseeuropäers, der das System, das ihn auf der Jagd nach immer neuem Wachstum durchs Leben hetzt, alle vier Jahre im Amt bestätigt.
Subklinisch heißt dabei: Das Leben vieler Menschen ist von einer Getriebenheit durchsetzt, die die diagnostischen Kriterien der psychiatrischen Manuale (ICD-10 bzw. DSM-IV) zwar nicht erfüllt, ihnen unterschwellig jedoch entspricht.
Den Symptomen des hyperaktiven Zeitgeists und seinem Unvermögen, das Hier-und-Jetzt zu achten, begegnet man auf Schritt und Tritt:
Während die medizinische Psychopharmakologie am kranken Gehirn ansetzt, um gestörte Funktionen zu normalisieren, zielt Brain-enhancing (englisch für Hirnleistungsverbesserung) darauf ab, die gesunde Hirnfunktion durch Übertaktung (englisch overclocking) dergestalt zu stören, dass eine höhere Leistungsentnahme pro Zeiteinheit möglich wird. Sollten weitere Fortschritte gelingen, sind im Investment-Banking der Zukunft 18-stündige Arbeitstage denkbar.
Auf der Autobahn richtet er zwölf Baustellen ein und kommt an keiner voran.
Zu jeder Uhrzeit ist er im Land unterwegs, um rechtzeitig überall dabei zu sein.
Den Radius seines Blickfelds hat er globalisiert; den Radius angeblich zumutbarer Arbeitswege ebenfalls.
Wenn er etwas macht, dann gewiss nicht nur eins. Den Begriff
Multitasking
hat er sich wie Burn-out just in time per Mobilfunk online beschafft.
Die Arbeitswelt hat er dreifach verdichtet, damit alles, was er tut, maximalen Gewinn erbringt.
Durch ausgeklügelte Algorithmen berechnet er den Benzinpreis alle zwanzig Minuten neu.
Ruhezeiten hat er abgeschafft. Wozu sollten Verkäuferinnen den Laden verlassen, solange man von dort aus Waren an den Mann bringen kann?
Das Tempo technischer Neuerungen hat er soweit erhöht, dass man kaum die Betriebsanleitung des einen Geräts gelesen hat, wenn dessen Nachfolger bereits den Standard der nächsten sechs Monate setzt.
Regelungen, mit denen die Gesellschaft jahrzehntelang gut gefahren ist, hat er als Auslöser von Reformstaus ausgemacht.
Damit der Bürger nicht in unproduktiver Kontemplation und Phlegma versinkt, hat er den Einsatz von Blaulicht und Martinshorn innerhalb zweier Legislaturperioden versechsfacht.
Allenthalben datet er up, strukturiert um, implementiert und sourced out. Ein wachsender Teil der Bevölkerung bleibt nur noch mit substanzgestütztem
Brainenhancing
am Ball. So entsteht ein neuer Wirtschaftszweig an dessen Umsatzzielen fieberhaft gearbeitet wird: das human resources self optimation programming (HRSOP).
Außenweltvergiftung
Das multimediale Zeitalter hat zwischen dem Menschen und der Welt Fenster und Türen geöffnet. Blieb die Aufmerksamkeit vieler vor 50 Jahren noch in der Nachbarschaft hängen, dringen heute durch mediale Öffnungen globale Reize, Verlockungen, Sensationen und Aufrufe zum Mitmachen herein, die ständig Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das meiste, was durch die Öffnungen kommt, füllt das Innere mit Themen der Außenwelt; so aufdringlich, dass sich das Innere am vielen Äußeren den Magen zu verderben scheint. Machen Sie sich klar: Das Sensationelle ist unwesentlich, weil das Wesentliche zeitlos ist.
Gemäß den aktuellen Leitlinien der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) ist eine Behandlung der ADHS angezeigt, wenn ein Patient in einem Lebensbereich unter ausgeprägten Störungen leidet oder in mehreren Bereichen unter leichten Störungen.
Da die Fähigkeit des Kindes, eigenes Verhalten zu überdenken und daraufhin gezielt zu verändern, geringer als beim Erwachsenen ist, ist im Kindesalter eher an eine medikamentöse als an eine psychotherapeutische Behandlung zu denken. Beim Erwachsenen ist es umgekehrt. Erst wenn klar ist, dass allein mit Maßnahmen zur aktiven Verhaltensänderung keine angemessene Besserung zu erreichen ist, sind zusätzlich Medikamente angezeigt.
Bei der Psychotherapie der ADHS stehen kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze im Vordergrund. Dabei gilt es, das konkret störende Verhalten gezielt anzugehen und Lösungsstrategien zu erarbeiten, die unmittelbar im Alltag nutzbar sind. Dazu gehören....
Anleitungen zur Fokussierung der Aufmerksamkeit
Strategien zur Strukturierung des Alltags
Strategien zur Kontrolle der gesteigerten Impulsivität
Besonders bei Erwachsenen kommt zu den drei genannten verhaltenstherapeutischen Strategien eine kognitive, introspektive, also tiefenpsychologische Komponente dazu. Es gilt, sich den seelischen Kern des Syndroms bewusst zu machen: den ungezügelten Erfolgsdrang, der dem achtlosen Vorwärtsstürmen zugrundeliegt.
Bei der Pharmakotherapie der ADHS sind sogenannte Stimulanzien Mittel der ersten Wahl. In Deutschland kommt fast ausschließlich Methylphenidat zum Einsatz. Gibt es Gründe, die gegen Methylphenidat sprechen, kann in zweiter Linie auf Atomoxetin oder auf Antidepressiva zurückgegriffen werden, die eine Wirkung auf das noradrenerge Transmittersystem im Gehirn entfalten. Zu nennen sind Desipramin, Nortriptylin, Bupropion und Venlafaxin.
Wird die ADHS durch eine ausgeprägte Begleiterkrankung überlagert, wird in der Regel erst diese behandelt. Bei Depressionen und Angsterkrankungen bevorzugt man auch hier Substanzen mit noradrenerger Wirkung. Im Anschluss daran wird die verbleibende ADHS-Symptomatik hinsichtlich ihrer Behandlungsbedürftigkeit abgeschätzt.
Methylphenidat
Methylphenidat bessert die Symptome bei 70-80 % der Betroffenen. Zur Wahl stehen rasch wirksame und verzögert wirksame Präparate. Über die Wahl des Präparats und die Dosierung ist jeweils individuell zu entscheiden.
Atomoxetin
Atomoxetin hemmt wie viele Antidepressiva die Wiederaufnahme des Noradrenalins im synaptischen Spalt zwischen den Hirnzellen. Dadurch wirkt es auf die ADHS-Symptome ein. Es gilt als Mittel der zweiten Wahl bei der ADHS.
Wie beim Methylphenidat besteht ein wesentliches Risiko der Behandlung im Einfluss der Substanz auf das Herz-Kreislauf-System. Es kann zur Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz kommen. Atomoxetin sollte nur angewendet werden, wenn potenziell gefährliche Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems ausgeschlossen wurden.
Amphetamine
In seltenen Fällen kommt auch Amphetamin zur medikamentösen Behandlung in Betracht. Amphetaminsäfte können entsprechend individueller Rezeptur in der Apotheke hergestellt werden. Für die Behandlung der ADHS bei Kindern und Jugendlichen steht als Fertigprodukt Dexamfetamin (Lisdexamfetamindimesilat) zur Verfügung.
Die ADHS beim Erwachsenen ist ein Krankheitsbild, bei dessen Bewältigung die Selbsthilfe eine große Rolle spielt. Ausgehend von der Symptomatik lassen sich Maßnahmen benennen, deren beharrliche Einhaltung zu wesentlichen Besserungen führen kann.
Maßnahmen zur Selbsthilfe
Es ist besser, Unruhe zu erkennen, als sich zur Ruhe zwingen zu wollen.
Kaufen Sie einen Terminkalender. Tragen Sie alle wichtigen Erledigungen ein. Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Ablauf des Tages.
Strukturieren Sie Ihren Alltag. Ordnen Sie allem Zeit zu, was für Ihr Wohlbefinden wichtig ist.
Fangen Sie nicht zu viel Neues an, bevor Altes nicht erledigt ist. Auch wenn Sie nicht daran denken, spaltet alles Unerledigte einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit für sich ab. Erst wenn ein Vorgang abgeschlossen ist, wird er vom Gedächtnis archiviert, sodass die Aufmerksamkeit, die bisher an ihn gebunden war, wieder frei wird.
Nehmen Sie sich wahr. Was geht in Ihnen vor? Beobachten Sie Ihre Impulse, ohne ihnen zu folgen. Stellen Sie fest, welche Gedanken es sind, die Sie zur Eile drängen.
Lassen Sie Zeit ungenutzt vergehen, ohne in Ereignisse einzugreifen.
Lassen Sie das, was andere sagen, einfach stehen. Gönnen Sie sich Zeit, bevor Sie antworten.
Schulen Sie Ihre Achtsamkeit durch meditative Wahrnehmungsübungen. Spülen Sie bewusst Geschirr. Begleiten Sie den Hergang alltäglicher Verrichtungen mit Achtsamkeit. Beachten Sie beim Gehen Ihre Schritte. Gehen Sie langsam. Beachten Sie die Bewegungsfolge Ihrer Glieder. Achten Sie beim Essen auf den Geschmack. Nehmen Sie Gerüche wahr. Hören Sie Musik mit voller Achtsamkeit. Halten Sie nach Farbnuancen Ausschau. Ertasten Sie Oberflächen. Achten Sie auf Ihren Körper. Was empfinden Sie gerade?
Überprüfen Sie, ob die Ordnung um Sie herum Ihren Bedürfnissen und Ihrem Geschmack entspricht. Falls nicht, schaffen Sie die Ordnung, die Ihnen am besten dient.
Halten Sie die Zahl der Gegenstände, die Sie besitzen, überschaubar. Geben Sie weg, was Sie nicht mehr brauchen.
Es ist besser, Angst zu spüren, als vor ihr zu fliehen. Es ermutigt nicht, sich auf der Flucht zu sehen.
Angstattacken können erstickte Wutausbrüche sein. Wenn Angst aufkommt, denken Sie an das, was Sie ärgert.
Wenn Ihnen etwas Angst macht, sind es meistens Sie selbst. Manchmal ist es klug, sich Angst zu machen. Oft ist es aber ein Zeichen dafür, dass Sie sich nicht vertrauen.
Angst heißt Enge. Angst ist eine seelische Reaktion, die das Blickfeld verengt, um Erfahrungen zu verhindern.
Jedes Gefühl ist Impuls. Angst ist der Impuls, sich zu verstecken. Mit Angst reagiert man auf eine Situation, die man für zu gefährlich hält, als dass man sich ihr stellen könnte. Angst ist Entscheidung nach unbewusster Wahl. Sie ist ein Vorschlag des Weltbilds. Vorschläge müssen nicht bekämpft werden. Es reicht, nicht auf sie einzugehen.
Wie allen Handlungen liegen auch der Angstreaktion Motive, Ziele und Absichten zugrunde. Meist sind uns diese nicht bewusst. Wir fassen Angst fälschlicherweise als etwas auf, was uns in Analogie zu einem Virus befällt, das unsere Handlungsfreiheit dergestalt von außen beschränkt, dass wir kaum je auf die Idee kämen, uns selbst für die Einschränkung verantwortlich zu machen.
Mehr von der Angst verstehen wir jedoch, wenn wir uns als Täter betrachten und dann erst als Opfer; nämlich als Opfer unserer eigenen Täterschaft. Wer Angst hat, hat sich unbewusst dazu entschieden. Die Dinge so herum zu sehen, hat Vorteile. Als Opfer können wir nur hoffen, dass uns jemand aus der Haft entlässt. Als Täter der Beengung haben wir den Schlüssel zur Freiheit in der Hand
Angst ist nicht immer krankhaft. Die Angst vor echten Gefahren nennt man Realangst. Sie ist ein Werkzeug des Lebens, um Organismen vor Risiken zu schützen. Angst ist das Produkt eines unbewussten psychischen Prozesses. Dabei werden Situationen oft blitzartig erfasst und dem Bewusstsein in Form des Angstgefühls eine alarmierende Risikoabschätzung sowie ein Handlungsvorschlag zur Verfügung gestellt.
In die Risikobewertung fließen verschiedene Faktoren ein:
angeborene Entscheidungsmuster
Selbstbild
biographische Erfahrungen
persönliche Urteile
Unterschiede
Realangst schützt vor Gefahren. Krankhafte Angst ist selbst Gefahr. Sie zieht die Aufmerksamkeit des Betroffenen auf sich und lenkt ihn dadurch von faktischen Gegebenheiten ab, auf die er ohne Ablenkung erfolgreich reagieren könnte. Realangst sagt: Beachte dies! Pathologische Angst sagt: Beachte mich! Realangst dient dem, den sie warnt. Krankhafte Angst lebt auf Kosten dessen, den sie für sich in Beschlag nimmt. Ist Angst nicht als Schutz vor realen Gefahren erkennbar, ist es das Beste, ihr die Anerkennung zu entziehen.
Angst schlägt vor, sich zurückzuziehen oder zumindest auf weiteres Vorangehen zu verzichten.
Sinnvoll oder krankhaft
So muss von Fall zu Fall entschieden werden:
Schützt Angst die wahre Form? Dann ist sie sinnvoll.
Verbiegt sie die wahre Form? Dann ist sie krankhaft.
Es bleibt zu entscheiden, was die wahre Form dessen ist, der Angst erlebt. Ist Malte eigentlich ein Drachentöter? Dann passt es nicht, dass er sich vor einer Hyäne mit Titangebiss versteckt. Entspringt Melinas Wunsch, vor Publikum zu sprechen nicht Wissensdurst, sondern Eitelkeit? Dann ist es besser, wenn sie schweigt.
Zu sprechen, bloß weil man meint, man müsse einer sein, der spricht, kann Verrat am wahren Wesen sein. Nur wenn Melina wirklich wissen will, aber schweigt, weil sie fürchtet, wegen ihrer Frage könnte sie belächelt werden, verbiegt ihr Schweigen ihre wahre Form.
Angst zu haben heißt sich zu verengen; und zwar in doppeltem Sinn:
Angst schlägt vor, den Aktionsradius einzuschränken.
Dem Kletterer in der Steilwand rät sie, diesseits der Gefahrenstelle zu bleiben.
Angst führt zu einer Fokussierung des Bewusstseins. Die Wahrnehmung wird durch Angst auf die Gefahrenquelle verengt.
Solange Malte hinter der Baumwurzel hockt, denkt er nur an die Hyäne.
Die Verengung der Wahrnehmung zum Angstgefühl entsteht beim Konflikt gegenläufiger Impulse.
Beim Spazierengehen kommt Ihnen die Hyäne entgegen, die auch Malte schon hinter die Baumwurzel trieb. Der ursprüngliche Impuls sagt: Gehe vorwärts! der neue: Weiche zurück!
Angst und Wut
Oft sind Angst und Wut zwei Seiten einer Medaille. In beiden Fällen staut sich vor einem Hindernis seelische Energie. Während sich die Energie in der Wut entlädt, um das Hindernis zu durchbrechen, versucht eine Psyche in Angst, die Energie am Ausbruch zu hindern.
Solange Ihre Impulse sich einig sind, meldet Ihre Psyche Sicherheit. Ihr Bewusstsein ist beim Spazierengehen an der langen Leine. Es befasst sich mit beliebigen Fragen. Taucht ein gegenläufiger Impuls auf, alarmiert Sie Ihre Psyche. Sie ruft Ihr Bewusstsein dazu auf, sich auf die Lösung des Widerspruchs zu konzentrieren. Je heftiger der Widerspruch der Impulse ist, desto intensiver erleben Sie die Verengung des Bewusstseins. Von allen anderen Themen, mit denen Sie bis zum Auftauchen der Hyäne befasst waren, zieht es sich auf die eine Frage zurück: Angriff oder Rückzug? Empfiehlt Ihre Psyche den Angriff, empfinden Sie die Verengung als Wut. Empfiehlt sie den Rückzug, empfinden Sie die Verengung als Angst.
Bei der Realangst ist der Zusammenhang zwischen Angst und Auslöser direkt erkennbar. Deshalb kann man das Problem meist durch eine klärende Entscheidung lösen. Entweder ich zeige der Hyäne, wer Herr im Wald ist, oder ich beseitige meine Angst, indem ich mich aus der Gefahr zurückziehe.
Bei der krankhaften Angst ist der tatsächliche Auslöser nicht klar erkennbar. Er ist durch psychische Manöver verdeckt. Deshalb erscheint die krankhafte Angst als unsinnig. Die Angst und ihr Auslöser passen nicht zusammen. Wie soll man sich aber einer Angst stellen, wenn man nicht weiß, wovor man sich tatsächlich fürchtet. Erst durch eine Untersuchung des Sachverhalts wird erkennbar, worauf sich die Angst wirklich bezieht. Hat man den Auslöser erkannt, ist der Weg zu klärenden Entscheidungen gebahnt.
Einteilung
Krankhafte Ängste lassen sich in zwei Gruppen einteilen: je nachdem, ob sie an eine bestimmte Situation gebunden sind oder nicht.
Ein enger Bezug zur spezifischen Situation besteht bei der Agoraphobie (Platzangst), der Klaustrophobie, den Tierphobien, der Höhenangst und der Sozialen Phobie.
Kein oder wenig Bezug besteht bei der Generalisierten Angststörung und bei der reinen Panikstörung.
Angststörungen machen einen großen Teil der psychiatrischen Erkrankungen aus. Bei der Hypochondrischen Störung und bei den Zwangsstörungen sind Ängste ebenfalls bestimmend.
Eine wichtige Ursache krankhafter Ängste sind Zuspitzungen des psychologischen Grundkonflikts. Krankhafte Ängste sind oft mit Beziehungsstörungen verwoben. Häufig haben sie symbolischen Charakter. Ängste rund um den Konflikt zwischen den Bedürfnissen nach Schutz und Zugehörigkeit einerseits sowie Selbstbestimmung andererseits werden aus dem Spannungsfeld zwischenmenschlicher Beziehungen auf Felder verschoben, die thematisch oder assoziativ damit verbunden sind. Dabei überwiegt der Impuls zur Zugehörigkeit, ohne dass der Anspruch, über sich selbst zu entscheiden, so wie bei schweren Depressionen aufgegeben wird. Durch die Verschiebung werden Beziehungen vor den Gefahren erkennbarer Konflikte geschützt.
Wichtige Ängste gemäß ICD-10-Klassifikation der WHO
Name
ICD
Angstauslöser
Situationsbezug
Agoraphobie
F40.0
Freie Plätze, Verlassen des Hauses, Menschenmengen, Reisen
+
Klaustrophobie
F40.2
Fahrstühle, enge Räume, Computertomographen
+
Soziale Phobie
F40.1
Prüfungen, Vorträge halten, Fremde ansprechen, gesehen und beurteilt werden
+
Generalisierte Angststörung
F41.1
Phantasie, dass etwas Gefährliches passieren könnte
-
Panikstörung
F41.0
Angst vor der Angst
-
Tierphobien
F40.2
Spinnen, Mäuse, Hunde
+
Höhenangst
F40.2
Betreten des Balkons, Herantreten ans Fenster, Fensterputzen auf der Trittleiter
+
Zahnarztphobie
F40.2
Zahnbehandlungen
+
Hypochondrische Störung
F45.2
Harmlose körperliche Symptome
+
Zwangsstörung
F42
Gefahr des Kontrollverlusts
+ oder -
Durch die ängstliche Beschäftigung mit der Möglichkeit, schwer erkrankt zu sein, verengt der Hypochonder den Fokus seiner Aufmerksamkeit auf harmlose Körpersignale, sodass er sie als bedrohliche Symptomatik wahrnimmt. Obwohl Angst im Vordergrund steht, hat die WHO die Hypochondrische Störung daher den Somatoformen Störungen, also den körperbezogenen Störungen, zugeordnet.
Zwangssymptome werden durch Ängste ausgelöst. Durch die Zwangshandlung versucht der Kranke, das Angstgefühl sowie vermeintlich drohende Gefahren abzuwenden.
Wie alle Ängste kann sich Platzangst bis zur Panik steigern.
Wer mit Platzangst reagiert, vertraut nur wenig darauf, dass er seine Interessen aus eigener Kraft vertreten kann. So entsteht ein Teufelskreis: Im Glauben, ohne den Beistand anderer nicht zurechtzukommen, hält er autonome Impulse erst recht zurück. Grund der Zurückhaltung ist die Furcht, sich die Sympathien anderer durch eigenständige Expansivität zu verscherzen.
Übergänge
Agoraphobie und Klaustrophobie gehen zuweilen ineinander über. Das ist nicht verwunderlich: Steht hinter beiden Ängsten doch eine Störung des Ausdrucks autonomer, also raumgreifender Impulse.
Reagiert jemand in vollen Kaufhäusern panisch, kann entweder die Angst vor versperrten Fluchtwegen am Werke sein, oder die Angst, sich im Getümmel nicht durchsetzen zu können. Das eine Thema geht ins andere über.
Mit gebremster Kraft hat man draußen auf dem Platz aber nicht den Mut, der schieren Weite und der Konkurrenz anonymer Menschenmassen standzuhalten. Man fürchtet, ohnmächtig umzufallen und sich auf dem Boden liegend hilflos dem Getriebe auszuliefern. Wenn man überhaupt das Haus verlässt, dann möglichst nicht ohne den Geleitschutz anderer. Wer aber Geleitschutz braucht, gerät unter die Vormundschaft derer, die den Schutz gewähren. Und der Preis für den Schutz ist die Bereitschaft, auf autonome Impulse und klare Abgrenzungen gegenüber den Beschützern zu verzichten.