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Die Säulen der Freundschaft
In Zeiten oberflächlicher Online-Bekanntschaften und einem zunehmenden Gefühl der Einsamkeit nimmt der Wunsch nach bedeutsamen Freundschaften zu. Wie wichtig
lebendige, intensive Beziehungen für uns und unser Wohlbefinden – ja sogar für unsere Gesundheit und unser Glück – sind, belegt auch die Forschung. Deshalb zeigt uns das erfolgreiche Autorenduo Ronald Schweppe und Aljoscha Long, wie wir über
Selbstliebe, Mitgefühl und mehr Achtsamkeit den Weg zu einem vertrauensvollen Miteinander finden und so wieder mehr
Herzensverbindungen eingehen können. Die Autoren kombinieren
Lebenshilfe, Spiritualität und Weisheitsgeschichten, die dazu ermutigen, bereichernde Beziehungen einzugehen und zu pflegen.
Auf kurzweilige und inspirierende Weise lernen wir so, den Wert der Freundschaft neu zu schätzen und wie ein erfüllteres Leben mit mehr Verbundenheit erreicht werden kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 224
Das Buch
Hättest du gern mehr Freunde? Oder sehnst du dich nach mehr Nähe zu den Freund*innen, die du bereits hast? Dieses Buch zeigt, wie wir unser Handeln und unsere Werte jederzeit so ausrichten, dass sie Freundschaften gelingen lassen und Herzensverbindungen lebendig halten. Es verbindet Achtsamkeit und Mitgefühl mit Weisheitsgeschichten über den Wert der Freundschaft. Geschichten, die zum Nachdenken anregen und ein Anstoß sein können, unser Leben erfüllter und mit mehr Verbundenheit zu leben.
Mit zahlreichen Impulsen und Meditationen, die dazu ermutigen, bereichernde Beziehungen einzugehen, sie zu pflegen und anderen Menschen näherzukommen.
Die Autoren
Ronald Schweppe und Aljoscha Long vermitteln ganzheitliche Lebenskunst auf leicht verständliche Art und Weise. Moderne Psychologie, zeitgemäße Philosophie und östliche Spiritualität fließen in ihren Werken harmonisch zusammen. Ronald Schweppe ist Orchestermusiker und Meditationslehrer, Aljoscha Long Psychologe, Komponist und Tai-Chi-Lehrer. Sie sind bekannt durch zahlreiche erfolgreiche Veröffentlichungen. Die beiden Autoren pflegen selbst eine über vier Jahrzehnte dauernde Freundschaft zueinander.
Ronald Schweppe · Aljoscha Long
seelenverwandt
Weisheitsgeschichten und Meditationen über die Kraft der Freundschaft
Kösel
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Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Weiss Werkstatt München
Umschlagmotive: © Shutterstock.com (Gusarova Art; Marish)
Schmuckillustrationen: © Marish/shutterstock.com (Paisley), © PRHVG (Sonne)
Redaktion: Dr. Diane Zilliges
ISBN 978-3-641-28525-8V003
www.koesel.de
Inhalt
Vorwort
Vom Wert der Freundschaft
Freundschaft als Heilmittel?
Vertraue deiner Sehnsucht
Echte Freunde sind ein kostbarer Schatz
Das Gespenst der Einsamkeit
Freundschaft ist eine Entscheidung
Lenk deinen Fokus auf das Du
Vorsicht Freundschaftskiller
Freunde finden
Begegnungen möglich machen
Wenn du Angst vor Nähe hast
Eine Frage der Ausrichtung
Freundschaft mit sich selbst schließen
Freunde finden – aber wo?
Wenn Fremde zu Freunden werden
Freundschaften nicht auf Sand bauen
Den Garten der Freundschaft pflegen
Freundschaften lebendig halten
Achtsamkeit. Die Kunst, präsent zu sein
Mitgefühl. Die Kunst eines offenen Herzens
Miteinander reden, miteinander teilen
Faktoren der Verbundenheit
Verbunden im Universum
Vom Ich zum Du zum Wir
Die erwachte Gesellschaft
Verbundenheit üben
Ein paar Worte zum Abschied
Abschiedswunsch
Anhang
Literatur
Über die Autoren
Geschichtenübersicht
Übungsübersicht
Vorwort
Als der Kösel-Verlag vor einiger Zeit bei uns angefragt hat, ob wir nicht Lust hätten, ein Buch über die Kraft der Freundschaft zu schreiben, waren wir begeistert und dachten sofort: Klar – das machen wir! Immerhin schreiben wir ja nicht nur seit gut dreißig Jahren zusammen Bücher, sondern sind darüber hinaus sogar noch ein ganzes Weilchen länger miteinander befreundet. Das erste Handy war noch nicht in den Läden, als wir bereits gemeinsam Straßenmusik gemacht haben, Skifahren gegangen und durch die Wälder gezogen sind, wo wir über die wichtigen und weniger wichtigen Dinge des Lebens philosophiert haben. Was das Thema Freundschaft betrifft, kennen wir uns also ganz gut aus. Nicht einmal die Tatsache, dass wir seit Langem zusammenarbeiten, konnte unserer Freundschaft etwas anhaben. Dabei heißt es doch immer, dass man Freundschaft und Geschäftliches nicht vermischen soll. Schon möglich. Uns jedenfalls hat’s nicht geschadet – ganz im Gegenteil: Im Laufe der Jahre ist unsere Freundschaft immer intensiver und zugleich harmonischer geworden, und wäre das nicht so, dann könnten wir dieses Buch hier wohl auch gar nicht schreiben.
Nach der ersten Euphorie über die Buchidee kam dann aber doch ein wenig Ernüchterung auf, denn natürlich haben wir uns gefragt, worüber wir denn nun eigentlich genau schreiben wollen. Darüber, dass Freundschaft Gold wert ist? Dass Menschen, die keine Freunde haben, zu vereinsamen drohen? Dass gute Freunde ein seltenes Geschenk sind? Sicher – aber wissen wir das alle nicht längst?
Wir glauben schon. Allerdings gibt es darüber hinaus doch einige wichtige Aspekte zum Thema Freundschaft, die weitaus weniger bekannt sind. Und die betreffen die eigentliche Essenz jeder Freundschaft. Um das Wesentliche zu entdecken, müssen wir allerdings etwas tiefer tauchen und uns sowohl die psychologischen als auch geistigen Gesetze der Freundschaft ansehen.
In den folgenden Kapiteln möchten wir dir zeigen, dass es viele Chancen gibt, neue Freundschaften einzugehen, alte zu pflegen und deiner Freundin oder deinem Freund näherzukommen. Gabriel José García Márquez schrieb einmal: »Ein wahrer Freund ist der, der deine Hand nimmt, aber dein Herz berührt.« Freunde, die dein Herz berühren, findest du jedoch nur, indem du dein eigenes Herz öffnest – indem du selbst zu einer guten Freundin oder einem guten Freund wirst. Und dass das nichts mit Anstrengung, sondern viel mit Achtsamkeit und Mitgefühl zu tun hat, können wir dir jetzt schon mal verraten. Manchmal wird es dir in diesem Buch möglicherweise so vorkommen, als wäre Freundschaft harte Arbeit oder als müsstest du erst dies und jenes verstehen oder entwickeln, bevor du fähig bist, tiefe Freundschaften zu leben. Doch nimm unsere Kapitel einfach als Anregungen dafür, was Freundschaften ausmacht, was sie so wichtig und wertvoll macht. Lass dich inspirieren und reflektiere, wo du in deinem Leben in Bezug auf freundschaftliche Verbundenheit stehst.
In eigener Sache
Wundere dich nicht, wenn wir manche Stellen in diesem Buch aus der Ich-Perspektive schreiben. Nach einem Blick auf das Buchcover wird dir klar sein, dass wir zwei Autoren sind. Trotzdem schreibt immer nur einer von uns an den jeweiligen Kapiteln. Wenn wir also gelegentlich in der Ich-Form schreiben, dann tun wir das, um unsere Erfahrungen mit dir zu teilen – nicht nur unsere gemeinsamen, sondern auch die, die jeder Einzelne von uns gemacht hat.
Es würde uns freuen, wenn auch du Lust hast, uns von deinen schönen oder weniger schönen Erfahrungen mit Freundinnen oder Freunden zu berichten. Über Instagram oder unsere Homepage kannst du uns gern jederzeit kontaktieren – wir freuen uns auf dich.
www.longschweppe.de
instagram.com/longschweppe
Wohin die Reise geht
Damit du weißt, was dich in diesem Buch erwartet, wollen wir dir hier einen kurzen Überblick geben. In den folgenden Kapiteln werden wir versuchen, einige Fragen zu beantworten, die wahrscheinlich jeden interessieren, der sich mit diesem Thema beschäftigt – zum Beispiel:
Wie und wo kann ich neue Freunde finden?Was nützt es mir eigentlich, viel Zeit in Freundschaften zu investieren?Wie kann ich den Kontakt zu einer Freundin oder einem Freund intensivieren?Woher weiß ich, ob ich mich auch wirklich auf meine besten Freunde verlassen kann?Was gibt es für Stolperfallen, die selbst intensive Freundschaften ins Wanken bringen und sogar zerstören können?All das sind zweifellos wichtige Fragen. Vor allem aber wird es in diesem Buch noch um etwas anderes gehen – nämlich um das, was wir das »Herz der Freundschaft« nennen möchten. Gelegentlich gemeinsam einen Spaziergang zu machen, ein Glas Wein zusammen zu trinken oder Alltagsprobleme zu besprechen ist natürlich schön und wichtig – aber richtige Freundschaften können dir noch sehr viel mehr bieten: Sie können zu einem Weg zu innerem Wachstum und innerer Heilung werden, zu einem Weg, der dich auch zu dir selbst führt, dich erfüllt und deinem Leben mehr Sinn gibt.Was ist es, das zwei (oder mehr) Menschen in ihrem Wesen zusammenführt und zusammenhält? Wie kannst du verhindern, dass deine Freundschaften einfach nur nebenher laufen und oberflächlich bleiben? Ist es überhaupt möglich, zu deinen Freund*innen einen Kontakt von Herz zu Herz herzustellen, und wenn ja: Was kannst du dazu beitragen?
In Form von kleinen Kapiteln, Meditationen und Geschichten möchten wir dich dazu einladen, über deine Freundschaften zu reflektieren und sie auf eine neue, bewusstere Stufe zu erheben. Ein guter Freund ist nicht jemand, der nur irgendwie zufällig unseren Weg gekreuzt hat, sondern viel mehr als das. Freunde – sofern sie diese Bezeichnung wirklich verdienen – sind zugleich Seelenverwandte. Und es ist wichtig, dass wir sie auch als solche erkennen.
Es gibt drei Wege, die es dir ermöglichen, das Wesentliche zu erkennen. Sie unterstützen dich darin, deine Freundschaften zu intensivieren und in deinen Freund*innen Seelenverwandte zu erkennen. Diese drei Wege sind:
Der Weg der Achtsamkeit: Geh achtsam mit deinen Freund*innen um – erkenne, dass sie wertvolle Schätze sind, die deine ganze Präsenz verdienen. Lerne, deinen Fokus bei all deinen Begegnungen auf das Jetzt auszurichten.Der Weg des Mitgefühls: Lass dein Mitgefühl mehr und mehr erblühen – nicht nur im Umgang mit deinen Freund*innen, sondern auch dir selbst gegenüber. Begegne deinem jeweiligen Du freundlich und wohlwollend.Der Weg der Verbundenheit: Werde dir deiner Verbundenheit bewusst – vor allem in Zeiten, in denen du dich einsam fühlst oder du den Kontakt zu anderen verloren zu haben glaubst. Erinnere dich daran, dass wir alle miteinander verbunden sind.Wahre Freundschaft ist nicht selbstverständlich; sie ist nur etwas für Menschen, die bereit sind, nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern all ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Durch Achtsamkeit, Mitgefühl und Verbundenheit kannst du auf eine neue, intensivere Weise Kontakt zu anderen aufnehmen – ob zu deiner Familie, deinen Kolleg*innen oder eben auch zu deinen Freundinnen und Freunden.
Vom Wert der Freundschaft
»Freundschaft verdoppelt unsere Freude und halbiert unseren Schmerz.«
Marcus Tullius Cicero
Jeder von uns braucht auf seiner Lebensreise Freunde, die ihm zur Seite stehen. So wichtig es ist, den richtigen Weg in unserem Leben einzuschlagen, so wichtig ist es nämlich auch, dass wir mit den richtigen Menschen unterwegs sind.
Macht es dich auch immer so betroffen, wenn du liest, was Menschen, die im Sterben liegen, am meisten bereuen, wenn sie auf ihr Leben zurückblicken? Von wem, wenn nicht von Sterbenden, können wir so viel über die wirklich wesentlichen Dinge des Lebens lernen? Sie haben nichts mehr zu verlieren, müssen keine Rolle mehr spielen, sind frei von Erwartungen und haben ihre Pläne und Ziele losgelassen – ihr Blick ist sehr klar geworden. Sie können Dinge erkennen, die wir meist übersehen, da wir bis über die Ohren in unseren Alltagspflichten stecken. Und zu den Dingen, die Sterbende besonders oft bereuen, gehört, dass sie sich zu wenig Zeit für ihre Freunde genommen oder den Kontakt zu ihnen vernachlässigt haben.
Freunde sind natürlich besonders wichtig, wenn wir Krisen überwinden müssen, also in Augenblicken, wo alles zusammenbricht. In solch schwierigen Lebensphasen wenden sich die meisten von uns entweder an ihren Partner, ihre Partnerin oder an ihre beste Freundin oder ihren besten Freund. »Ein Freund in der Not, ein Freund im Tod, ein Freund im Rücken, das sind drei starke Brücken«. Kennst du dieses Sprichwort? Es spiegelt ganz gut wider, was uns wichtig ist: Wir wünschen uns einen Menschen, der uns beisteht, wenn alle Stricke reißen. In Zeiten der Not zeigt sich ja auch oft, ob wir uns auf unsere beste Freundin verlassen können und ob unser bester Freund wirklich für uns da ist.
Und doch wäre es schade, wenn wir in unseren Freund*innen nur Seelentröster sehen würden, denn in guten Freundschaften geht es natürlich um viel mehr. Unsere Freundschaften können zu einer zweiten Familie für uns werden – der Begriff »Seelenverwandte« deutet ja bereits darauf hin. Falls du nicht das Glück hast, Teil einer harmonischen, glücklichen Familie zu sein – und genau betrachtet haben nur sehr wenige Menschen dieses Glück –, dann kann dein Freundeskreis sogar zu einem Familienersatz werden. Und im Gegensatz zu Blutsverwandten haben Seelenverwandte den unschätzbaren Vorteil, dass wir sie uns selbst aussuchen können. Menschen, die aus belasteten Familienverhältnissen stammen, haben oft besonders viele gute Freunde. Jeder von uns braucht eben Menschen, denen er sich anvertrauen kann und denen er sich nah fühlt. Und dabei brauchen wir übrigens nicht nur Menschen, die für uns da sind – wir wollen auch für andere da sein können.
Wer ohne Partner*in lebt, dem bieten Freundinnen und Freunde oft die einzige Möglichkeit, sich aufgefangen und geborgen zu fühlen. Aber auch wenn du seit Längerem in einer Zweierbeziehung lebst, hast du bestimmt schon gemerkt, dass du noch andere nahestehende Menschen brauchst – ein soziales Netz, in dem du dich wohlfühlen kannst; vielleicht auch Menschen, die dir mehr Raum zum Atmen geben, als das oft bei deiner Partnerin oder deinem Partner der Fall ist. Wenn du Freunde hast, kannst du leichter ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, da du dich wahrgenommen und verbunden fühlst. Und dabei ist es egal, ob du nun mit deiner Freundin über deine Partnerprobleme sprichst oder mit deinem Freund »nur« einen gemütlichen Abend auf dem Sofa verbringst und ihr euch gemeinsam einen schönen Film anschaut.
Der wahre Freund
Zwei Jungen aus edlem Hause wurden bei einem berühmten Meister erzogen und lernten die Weisheit der Alten. Sie waren beste Freunde, doch nachdem sie ihre Studien beendet hatten, trennten sich ihre Wege. Krishna folgte seinem Vater auf den Thron und wurde Raja eines kleinen Reiches. Raman hingegen lebte ärmlich in einem bescheidenen Haus, das schon recht baufällig war. Er hatte die Lehren der Weisen verinnerlicht und kein Interesse an materiellen Gütern. Er heiratete eine gute Frau, die ihn sehr liebte und ebenfalls keinen Wert auf Reichtümer legte. Nach ein paar Jahren hatten sie drei hübsche Töchter und lebten glücklich und zufrieden.
Als jedoch eine schwere Dürre über das ganze Land kam, gab es kaum noch Nahrung. Und Geld hatten sie nicht. Da sprach Ramans Frau: »Mein Lieber, dein Freund ist doch unermesslich reich. Kannst du nicht, der Kinder zuliebe, zu ihm gehen und ihn bitten, dir zu helfen?«
Erst zögerte Raman. Er wollte seinen Freund nicht um Geld anflehen. Doch seine Frau hatte ja recht – seinen Töchtern zuliebe wollte er es tun. Und so machte er sich auf die Reise, die einige Tage dauerte.
Als er vor dem Palast stand, wollten ihn die Wachen nicht zu Raja Krishna vorlassen. Daher bat er sie, ihm wenigstens die Nachricht zukommen zu lassen, dass Raman ihn besuchen wolle. Das taten die Wachen – und sogleich kam Krishna selbst und schloss seinen alten Freund in die Arme.
»Komm, lass mich dir den Palast zeigen!« Und er legte den Arm um Ramans Schultern, führte ihn umher, gab ihm die besten Speisen, ließ ihn auf dem Thron sitzen und wusch ihm als Zeichen der Freundschaft die Füße. »Verzeih, aber ich muss noch kurz etwas mit meinen Dienern besprechen«, sagt Krishna dann und ließ seinen Freund für kurze Zeit allein. Als Krishna wiederkam, lud er Raman ein, eine Nacht im Palast zu verbringen, da es schon spät geworden war.
Am nächsten Morgen bekam Raman so edle Speisen serviert, dass sie eines Königs würdig gewesen wären. Raman war von der Liebe des Freundes so überwältigt, dass er ganz vergaß, warum er gekommen war. Und schließlich war die Zeit des Abschieds da.
Erst als er auf dem Rückweg und fast schon zu Hause war, fiel es Raman wieder ein. Es war ihm peinlich, seinen reichen Freund nun noch ein zweites Mal aufzusuchen, und so näherte er sich schweren Herzens seinem Haus. Doch was war das? Raman musste sich die Augen reiben. Das Haus sah wie neu aus; die Risse in den Wänden waren ausgebessert, das Dach war frisch gedeckt – und seine Frau und seine Kinder liefen ihm entgegen, mit neuer Kleidung aus gutem Stoff. Erst staunte er, dann glaubte er, zu träumen, doch dann verstand er: Sein Freund hatte ihm gegeben, ohne dass er darum bitten musste, denn er hatte tief in sein Herz geschaut und Ramans Not erkannt.
Freundschaft als Heilmittel?
Wir schreiben in unseren Büchern meist über Themen wie Achtsamkeit, Mitgefühl oder Verbundenheit. Und natürlich sprechen wir auch mit unseren Bekannten über diese Dinge. Dabei ist uns aufgefallen, dass es immer wieder Leute gibt, die nach dem Nutzen fragen: »Was bringt es mir, achtsamer zu werden?« »Was hab ich denn davon, mehr Mitgefühl zu entwickeln?« Jede Wette, dass es nach der Veröffentlichung dieses Buches auch nicht lang dauern wird, bis uns jemand fragt, was es denn »nützt«, seine kostbare Zeit mit Freundschaften zu verbringen. Befassen wir uns also mal mit Nutzen und vermeintlicher Nutzlosigkeit.
Vom Nutzen der Nutzlosigkeit
Ein alter Zimmermann wanderte mit seinem Lehrling durchs Land, als sie an einer gewaltigen, alten, knorrigen, verwachsenen Eiche vorbeikamen, die am Rand eines Feldes stand. Nahe des Baumes stand eine Bank, auf der die beiden eine Rast einlegten. Der Lehrling betrachtete die Eiche neugierig und rief begeistert: »Oh, was könnten wir alles bauen, wenn wir nur das Holz dieses einen Baumes hätten!«
»Ach was – dieser missgestaltete Baum ist vollkommen nutzlos«, tadelte ihn der Meister. »Sein Holz taugt nicht zum Schiffsbau, da es schnell verrotten würde. Man kann keine Balken für ein Haus daraus machen – sie würden brechen. Mit diesem Baum kann man nichts Nützliches anfangen.«
Und so zogen die beiden schließlich weiter.
»Wie gut ist es doch, nutzlos zu sein. Nur weil ich keinen Nutzen habe, bin ich so alt geworden!«, dachte der Baum und freute sich seines Baumseins.
Auch wenn die Frage nach dem Nutzen für manche Menschen sehr wichtig zu sein scheint, wundern wir uns doch darüber. Freundschaften sind schließlich keine Autowaschanlagen. Und auch keine Kopfschmerztabletten … obwohl: Wie Studien aus aller Welt zeigen, sind Freundschaften tatsächlich eine Art Heilmittel. Forscher konnten nachweisen, dass sie ganz konkret gegen vielerlei Beschwerden helfen können. Gute soziale Beziehungen erhalten unsere Gesundheit und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein hohes Alter erreichen.
Wer seine Freundschaften pflegt, achtet allgemein besser auf sich, ist nicht so leicht gestresst und lebt sogar vernünftiger (wobei das natürlich immer auf die Art der Freundschaften ankommt …).
Wer das Glück hat, gute Freunde zu haben,
verringert sein Risiko, Herz-Kreislauferkrankungen zum Opfer zu fallen,kann Stress schneller abbauen und stressbedingten Erkrankungen vorbeugen,hat ein stärkeres Immunsystem und bessere Abwehrkräfte,bleibt bis ins hohe Alter nicht nur körperlich, sondern auch geistig fitter,erkrankt seltener an Depressionen. Dieser Effekt zeigt sich übrigens schon bei Kindern. Auch nur eine gute Freundin oder ein guter Freund genügt Kindern und Jugendlichen, um das Risiko, an einer Depression zu erkranken, deutlich zu senken.Fehlender sozialer Rückhalt ist ähnlich schädlich für die Gesundheit wie Alkohol- oder Nikotinmissbrauch und Fettleibigkeit. Doch ganz so erstaunlich, wie die positiven Effekte von Freundschaften auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit scheinen, sind sie eigentlich gar nicht. Wir Menschen sind nun mal soziale Wesen. Mit anderen Worten: Wir brauchen die Nähe zu unseren Mitmenschen, um glücklich und damit auch gesund sein zu können. Und wie Forscher aus dem Bereich der Positiven Psychologie herausgefunden haben, sind es sogar vor allem unsere sozialen Beziehungen, die uns glücklich machen.
Je engere Beziehungen wir zu unseren Freund*innen haben und je öfter wir sie treffen, desto größer ist der »medizinischen Nutzen«. Bei einer kanadischen Studie mit 25 000 Teilnehmern konnten Wissenschaftler zudem zeigen, dass die heilsamen Wirkungen unserer Beziehungen noch stärker sind, wenn wir unsere Freunde tatsächlich leibhaftig treffen, statt nur mit ihnen zu telefonieren oder zu chatten. Vermutlich ist das Hormon Oxytocin für die positiven Wirkungen auf Körper und Seele verantwortlich. Dieses »Kuschelhormon« wird vor allem durch menschliche Nähe gebildet – wobei du gar nicht mit deinen Freundinnen oder Freunden kuscheln musst, damit es freigesetzt wird. Eine Umarmung, ein gutes Essen oder schöne Musik, die die Sinne aktivieren – auch sie fördern die Ausschüttung dieses Hormons, das Vertrauen auf- und Ängste abbaut. Und auch wenn echter (Haut-)Kontakt durch nichts zu ersetzen ist, können sogar soziale Interaktionen per Internet dazu beitragen, die Oxytocin-Ausschüttung anzuregen, wenn wir wohlwollend und freundlich miteinander kommunizieren.
Vertraue deiner Sehnsucht
Hättest du gern mehr Freunde? Oder wünschst du dir, dass du wenigstens einen Menschen hättest, den du wirklich aus ganzem Herzen als deine Freundin oder deinen Freund bezeichnen kannst? Oder sehnst du dich vielleicht einfach nach mehr Nähe zu den Freund*innen, die du bereits hast?
Deine Sehnsucht ist sehr wichtig. Nimm sie ernst. Sie verrät dir, was dein Herz dir sagen will. Wenn du dich nach wahrer Freundschaft sehnst, wenn du Nähe und Verbundenheit vermisst, dann kannst du nämlich sicher sein, dass dein Herz etwas damit zu tun hat. »Sehnst« du dich hingegen nach einer Villa in Beverly Hills, wären wir eher vorsichtig. Hinter solchen Träumen von mehr Geld, einem schöneren Haus, einem besser bezahlten Job – ja sogar hinter Wunschträumen von der einsamen Insel ohne Büro, Chef und Finanzamt steht immer etwas anderes, sehr viel Wesentlicheres.
Unsere oberflächlichen Wünsche und Träume sind das eine – unsere tiefsten Sehnsüchte etwas ganz anderes. Ein Motorboot mag ja Spaß machen – glücklich kann es dich jedoch nicht machen. Achtsamkeit und Verbundenheit hingegen sind Wege, die direkt zu mehr Glück und Erfüllung führen. Und gerade die intensive Beziehung zu anderen Menschen, wie insbesondere zu deinen Freund*innen, bietet dir die Möglichkeit, achtsamer zu werden und mehr Verbundenheit zu erfahren.
Es gibt heute eine Menge Faktoren, die es uns schwer machen, wahre Freundschaften einzugehen. Doch auf der anderen Seite gibt es auch immer mehr Menschen, die sich nach Liebe sehnen – und das muss nicht immer die Liebe zwischen Mann und Frau sein, denn die bringt bekanntlich einige Probleme mit sich, von denen Freundschaften verschont bleiben. Wenn du dich nach Nähe zu (deinen) Freund*innen sehnst, dann vertraue deiner Sehnsucht; sie ist dein Kompass. Mach dich auf den Weg, das Geschenk der Freundschaft (wieder) zu entdecken.
Echte Freunde sind ein kostbarer Schatz
Wie erkennst du eine wahre Freundin, wer taugt zum besten Freund? Wahre Freunde sind die Menschen, die du um Hilfe bitten würdest, wenn du in Not bist; es sind die, bei denen du klingeln würdest, wenn ein Erdbeben deine Wohnung in Schutt und Asche gelegt hat und du nicht mehr weißt, wohin. Doch solche Freund*innen sind eher selten. Freunde aus Kinder- und Jugendtagen gehören nicht unbedingt dazu. Oft sind es nämlich nur die gemeinsamen Erlebnisse aus der Vergangenheit, also die Erinnerungen, die diese Freundschaften so besonders wertvoll erscheinen lassen.
Umfragen zufolge haben die meisten Menschen kaum mehr als drei, höchstens aber eine Handvoll enger Freunde, sofern sie überhaupt welche haben. Eine feste Freundin oder ein fester Freund – mehr braucht es meist nicht, damit wir uns verbunden und geborgen fühlen können. Ein Mensch, der mit uns durch dick und dünn geht, ist allemal mehr wert als tausend Facebook-»Freunde«. Bekanntschaften und flüchtige Freundschaften, wie sie meist im Alltag oder im Job entstehen, sind zwar auch wichtig, um ein stabiles soziales Netz zu knüpfen – vielleicht sogar wichtiger, als wir oft meinen. Aber dennoch: Eine intensive Freundschaft ist eben doch etwas sehr Besonderes, und es gibt nur sehr wenige Menschen, mit denen wir sie eingehen können.
Die Ansprüche, die wir (meist unbewusst) an eine enge Freundschaft stellen, sind hoch. Eine wahre Freundin sollte unsere Interessen teilen und bereit sein, sich ganz auf uns einzulassen. Ein wahrer Freund muss die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Werte haben wie wir. Wir können sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wonach wir nämlich im Grunde suchen, das ist eine Verbindung von Herz zu Herz. Am ehesten werden wir tiefe Verbundenheit mit Menschen erfahren können, die mit sich selbst im Reinen sind, die sich selbst gut ausstehen und auch uns gegenüber mal beide Augen zudrücken können. Und natürlich findet man die nicht an jeder Straßenecke.
Echte Freunde müssen aber trotzdem keine Heiligen sein – Gott bewahre! Viel wichtiger ist es, Seelenverwandte zu finden oder sie in den Menschen, mit denen du längst auf der gemeinsamen Reise bist, zu erkennen. Fehler oder Mängel, die wir oder unsere Freundinnen und Freunde haben, spielen keine Rolle. Worauf es ankommt, das ist die gemeinsame Basis – die gemeinsamen Wurzeln. Wenn sie stark sind, werden wir uns gegenseitig unterstützen und akzeptieren. Und auch mit Meinungsverschiedenheiten werden wir dann gut umgehen können, während sie die Freundschaften, die auf wackligeren Füßen stehen, leicht ins Wanken bringen.
Der ungerechte König und die Macht der Freundschaft
König William war ungerecht, das meinten viele, aber nur wenige wagten, es auszusprechen. Patrick war jedoch einer, der es wagte – und prompt ließ ihn der König verhaften und verurteilte ihn zum Tode.
Patrick ergab sich in sein Schicksal und bat den König nur darum, dass er sich noch von seiner Frau und seinen Kindern verabschieden dürfe – sechs Stunden würde er für den Weg zu seinem Dorf und wieder zurück brauchen.
»Oh nein«, sprach der König. »Für wie dumm hältst du mich? Du würdest gewiss nicht wiederkommen.«
Alle Beteuerungen halfen nichts und der Scharfrichter begann schon, sein Beil zu schleifen. Da trat Robert, der beste Freund Patricks vor.
»Oh König, lasst mich Patricks Platz einnehmen, sollte er nicht zurückkommen.«
Der König zögerte kurz, doch dann willigte er ein; nicht ohne noch einmal zu betonen, dass Robert, falls Patrick nicht innerhalb der versprochenen sechs Stunden zurückkäme, seinen Kopf verlieren würde.
Patrick umarmte seinen Freund und versprach, ganz gewiss wiederzukommen. Dann lief er los, so schnell er nur konnte. Nach zwei Stunden war er zu Hause, verabschiedete sich unter vielen Tränen und Küssen von seiner Frau und seinen beiden Kindern. Drei Stunden hatte er noch. Wieder lief er, so schnell er konnte, damit er seinen Freund nicht in Gefahr brächte.
Als er jedoch über eine morsche Brücke rannte, brach sie zusammen. Beinahe wäre er ertrunken, doch er zog sich mit letzter Kraft am anderen Ufer an Land. Nun konnte er nicht mehr so schnell laufen, denn sein Bein war verletzt. Doch er musste es schaffen!
Mittlerweile war die Zeit fast vorüber und Robert wurde bereits auf den Richtplatz geführt. Schon hob der Henker das Beil, da stolperte Patrick auf den Platz und rief: »Halt! Ich bin zurück. Lasst Robert frei!«
Robert hatte sich schon damit abgefunden zu sterben – und er tat es bereitwillig für seinen Freund, der ja, im Gegensatz zu ihm, Frau und Kinder hatte. Er rief: »Nein Patrick, geh nach Haus zu deiner Frau und deinen Kindern, die dich brauchen!«
»Auf keinen Fall!«, rief Patrick und humpelte auf den Richtplatz. »Es ist meine Strafe. Ich kann nicht zulassen, dass mein Freund für mich stirbt.«
Der König runzelte die Stirn und sah die beiden an. Vielleicht war es nur der Staub oder die Sonne, doch in den Augen des Königs glänzte es. Er war überwältigt von der Kraft dieser Freundschaft und verkündete, dass beide Männer frei wären. Und als sich die zwei in die Arme fielen, stand der König auf, trat zu ihnen und fragte sie, ob sie bereit wären, seine Ratgeber zu werden.
Ob es nun an den neuen Ratgebern lag oder Zufall war? Fortan war der König nicht mehr als ungerecht bekannt und nach wenigen Jahren begann sein Volk sogar, ihn William den Gütigen zu nennen.
Aristoteles und die drei Arten der Freundschaft
Neben anderen Philosophen der Antike hat sich vor allem Aristoteles viele Gedanken zum Thema Freundschaft gemacht. Und er unterschied dabei grundsätzlich zwischen drei Arten:
Freundschaft aus Nutzen: