Füttere den weißen Wolf - Ronald Schweppe - E-Book
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Füttere den weißen Wolf E-Book

Ronald Schweppe

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Stärke das Gute und Lichtvolle in dir

Welchen der beiden Wölfe in dir willst du füttern? Den schwarzen, der Misstrauen, Angst, Hass und Einsamkeit wachsen lässt? Oder den weißen, der es dir ermöglicht, mit Gelassenheit, Offenheit, Freude und Mitgefühl zu leben?

Dieses Buch zeigt, wie sehr wir in jedem Augenblick unseres Lebens unser Handeln, unsere Einstellungen und unsere Worte selbst bestimmen können. Es verbindet Lebenshilfe und Spiritualität mit Weisheitsgeschichten aus verschiedenen Traditionen. Sie regen zum Nachdenken an und dienen als Anker, um unser Leben gelassen, glücklich und in innerem Frieden zu leben.

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Seitenzahl: 308

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Das Buch

Impulse für mehr Gelassenheit und Lebensfreude: In jedem Augenblick unseres Lebens können wir unser Handeln, unsere Einstellungen und unsere Worte selbst bestimmen. Wir können uns unseren dunklen Seiten hingeben oder die hellen, positiven Kräfte stärken. Die unterhaltsamen Weisheitsgeschichten aus aller Welt, anregenden Übungen und inspirierenden Meditationen in dieser erweiterten Neuausgabe helfen, das Gute in uns auch dann zu stärken, wenn wir mit Angst und Sorgen kämpfen, mit anstrengenden Mitmenschen konfrontiert sind und schwierige Zeiten erleben. Sie regen zum Nachdenken an und liefern wichtige Impulse für mehr Gelassenheit, Achtsamkeit, Dankbarkeit und inneren Frieden.

Die Autoren

Ronald Schweppe und Aljoscha Long vermitteln ganzheitliche Lebenskunst auf leicht verständliche Art und Weise. Ihre Schwerpunkte sind die Themen Achtsamkeit, Lebenszufriedenheit und Gelassenheit. Moderne Psychologie, zeitgemäße Philosophie und östliche Spiritualität fließen in ihren Werken harmonisch zusammen. Ronald Schweppe ist Orchestermusiker und Meditationslehrer, Aljoscha Long Psychologe, Komponist und Taiji-Lehrer. Bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen sowie Auftritte in Funk und Fernsehen.

Aljoscha Long & Ronald Schweppe

Füttere den weißen Wolf

Weisheitsgeschichten, die glücklich machen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2016, 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München, nach einem Design von Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: © jemasakusheva/Shutterstock.com

Illustrationen: © Lily Huang

ISBN 978–3-641–19261-7

www.koesel.de

Inhalt

Vorwort zur aktualisierten Neuauflage

Ich sind zwei – ein Hinweis in eigener Sache

Die zwei Wölfe

Fütterungsempfehlungen für den weißen Wolf

Schöne bunte Farben für ein schönes buntes Leben

Die eigensinnige Gärtnerin

Meditation: Was übersehe ich gerade?

Der König und der Holzsammler

Meditation: Nichts tun für Anfänger

Schwarze Wölfe lieben Stress

Die drei Ziegen

Das Geheimnis der Zufriedenheit

Die Jade-Schlange

Wunschlos glücklich im Universum

Die Befreiung

Kein Sklave der Wut sein

Nicht ausleben, nicht unterdrücken, sondern verwandeln

Drei einfache Schritte, um Wut aufzulösen

Die Schwätzerin

Vom edlen Schweigen

Meditation: Der Stille zwischen den Worten lauschen

Die Zeit ist knapp

Denk an die arme Gans!

Meditation: Innehalten für Fortgeschrittene

Die Höhlenhunde

Gefühle im Spiegel

Der Tuchhändler

Positiv denken ist nur die halbe Miete

Herzmeditation für dich und deinen »Feind«

Der Ring des Königs

Vom Segen der Vergänglichkeit

Drei Geister

Die geheime Zutat

Wenn der Körper lacht, lächelt auch die Seele

Wechselwetter

Worauf wartest du?

Achtsamkeitsexperiment: »Man könnte es auch so sehen«

Die Mönche und das Mädchen

Vertraue der Intelligenz deines Herzens

Die schwere Frage

Nicht eingreifen

Der Goldfischteich

Manches können wir nicht verstehen

Der Reiche und der Schneider

Haben oder Sein

Der ernsthafte Mönch

Die Freude als Lehrer

Wege zu mehr innerer Freude

Das Duell

Den bösen Wolf schlafen lassen

Die Samatha-Meditation

Die Meisterschaft

Vollkommen bei dieser einen Sache bleiben

Die Glückseligkeit des Einsiedlers

Vom Zauber des Unscheinbaren

Achtsamkeitsexperiment: »Ein kleines Stückchen Himmel«

Die drei schönen Schwestern

Die Saat der Güte

Das Zehn-Cent-Experiment

Der unglückliche Steinmetz

Sei, der du bist

Die Verfolgung

Krisen sind immer auch Chancen

Chancen-Meditation

Der traurige Krug

Mehr Mut zum Sprung in der Schüssel

Die vier Schätze

Der Diamant in deinem Herzen

Die Vipassana-Meditation

Der Berg

Mühelos Berge versetzen

Der Kalif und der Flickschuster

Vertrauen, Flexibilität und Güte – drei Abwehrmittel gegen schwarze Wölfe

Himmel und Hölle

Der Himmel in dir

Deine Gefühle sind kein Problem

Achtsamkeitsexperiment: »Steig nicht in die Geschichte ein«

Schöner Wang und Affengesicht Wang

Schön und gut

Der sorgenvolle Pilger

Füttern verboten!

Meditation: »Kein Kommentar«

Wolf und Hund

Sicher in Freiheit, frei in Sicherheit

Achtsamkeitsexperiment: »Entdecke deine Möglichkeiten«

Der junge Dieb

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet

Achtsamkeitsexperiment: »Meinungsfreiheit«

Das Versteck der Weisheit

Weisheit: Basisfutter für den weißen Wolf

Meditation: »Technik der Nicht-Technik«

Der Alte, der die Zukunft nicht kannte

Gewinn, Verlust und andere Illusionen

Der Wunsch

Fisch oder Fleisch?

Entscheidungshilfen für Unentschlossene

Der besonnene Handwerker

Arbeit als Weg

Achtsamkeitsexperiment: »Liebe, was du tust«

Die Henne und der Adler

Sei kein Huhn!

Die Belehrung

Die verwandelnde Kraft von Aha-Erlebnissen

Der aufmerksame Prinz

Vom Glück der Einfachheit

Dankbarkeitstraining

Was brauche ich wirklich?

Spuren im Sand

Love is all you need

Metta-Meditation über die liebende Güte

Vergiss die Quelle nicht – dich selbst!

Der Räuber

Das wilde Schaf

Gemeinsam stark sein

Im Rudel weißer Wölfe

Quellen

Über die Autoren

Jede Geschichte, die deine Gefühle berührt,hat die Kraft, dich zu verändernund dich wachsen zu lassen.

Vorwort zur aktualisierten Neuauflage

Vor rund sechs Jahren ist unser Buch Füttere den weißen Wolf im Kösel-Verlag erschienen und hat seither Tausende Leserinnen und Leser erreicht. Wir haben uns sehr über die vielen positiven Rezensionen und Zuschriften gefreut und darüber, dass wir mit »unserem« weißen Wolf so viele Menschen inspirieren konnten.

Nun haben wir uns dazu entschlossen, dem weißen Wolf eine erweiterte Neuauflage zu gönnen. Einerseits ist es uns wichtig, zusätzlich einige Themen zu behandeln, die in der ursprünglichen Version zu kurz gekommen sind. Andererseits ist unsere Welt nicht mehr die gleiche wie noch vor sechs Jahren: Die Corona-Pandemie und der Krieg im Herzen Europas haben eine weltweite Krise verursacht, die viele von uns sehr belastet. Immer mehr Menschen leiden unter Ängsten, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Manche reagieren mit Hoffnungslosigkeit und Depressionen auf die beunruhigenden Entwicklungen. Andere suchen ein Ventil für ihre tiefen Ängste, indem sie sie in Aggression und Hass auf konstruierte »Schuldige« ummünzen. Die Spaltung in der Gesellschaft, die zu immer neuen Konflikten führt, nimmt zu.

So belastend das alles auch ist – äußerlich haben wir nur sehr wenig Möglichkeiten, die Dinge zum Besseren zu wenden. In uns selbst, im Bereich unserer Gedanken, unserer Gefühle und unserer Einstellung sind unsere Einflussmöglichkeiten jedoch sehr viel größer, als wir oft meinen. Indem wir unsere innere Haltung verändern, werden wir auch unser Handeln verändern. Auf diese Weise können wir Teil eines globalen Bewusstseinswandels sein und dazu beizutragen, dass Achtsamkeit und Mitgefühl unser aller Zukunft bestimmen und Heilung im Innen wie Außen stattfindet. In einer Zeit, in der der schwarze Wolf weltweit sein Unwesen treibt, ist es so wichtig wie nie zuvor, dass wir dem weißen Wolf unsere ganze Aufmerksamkeit schenken.

Der weiße Wolf ist ein Symbol für das Positive und Lichtvolle in unserem eigenen Herzen. In schwierigen Zeiten führt es zu nichts, den Kopf in den Sand zu stecken, wegzuschauen oder gar zu verzweifeln. Viel wesentlicher ist es, dass wir uns besinnen, innehalten und zur Ruhe kommen. Jetzt ist die Zeit, uns zu entscheiden. Wollen wir Angst, Gewalt, Neid und Gier in uns nähren oder stattdessen bewusst den weißen Wolf in uns füttern?

Auch wenn wir keine Hellseher sind, wissen wir bereits, wie du dich entschieden hast. Doch wie es dir gelingen kann, Tag für Tag Frieden, Achtsamkeit, Mitgefühl und Lebensfreude in dir zu kultivieren – genau darum wird es in diesem Buch gehen.

Noch ein Wort zum Begriff »weißer Wolf«: Ein paar Leser*innen sind darüber gestolpert, dass wir vom weißen und schwarzen Wolf sprechen – und haben sofort an »schwarze« und »weiße« Menschen und rassistische Vorurteile gedacht. Sie befürchteten, dass die Verbindung von »schwarz« und »böse« der seelischen Krankheit Rassismus Vorschub leisten könnte. Nun ist aber der »schwarze Wolf« eben nicht »das Böse«. Er ist das Dunkle, Unbekannte, Angsterzeugende in uns. Der »weiße Wolf« ist das in uns, das erleuchtet, klar und liebevoll ist. Die Nacht ist dunkel, der Tag ist hell. Wie auch immer unsere Haut getönt ist: Die Angst vor dem Dunklen, dem Schatten, dem Unbekannten teilen schwedische Albinos mit den dunkelhäutigsten Zentralafrikanern. Und in der Seele jedes Menschen gibt es sowohl einen weißen als auch schwarzen Wolf.

Selbstredend empfinden wir jede Form von Rassismus als abstoßend. Doch auch wenn Worte Einfluss haben und daher achtsam gewählt werden müssen, glauben wir, dass unsere Sprache nicht Rassisten überlassen werden darf. Daher sind die Wölfe ebenso wie in der alten, zugrundeliegenden Geschichte weiterhin schwarz und weiß. Sie sind nicht »böse« und »gut«. Die Buchstaben auf dem Papier sind schwarz und weiß. Menschen sind es nicht.

Wir wünschen dir viel Freude beim Lesen und hoffen, dass du in den Geschichten aus aller Welt viele motivierende Anregungen, Erkenntnisse und Inspirationen findest und in den Übungen Möglichkeiten entdeckst, Achtsamkeit, Freude und Güte konkret in dir weiterzuentwickeln.

Ronald Schweppe und Aljoscha Long

München 2023

Ich sind zwei – ein Hinweis in eigener Sache

Wie du siehst, stehen auf dem Cover zwei Autoren. Das soll auch so sein, da wir dieses Buch ja zu zweit geschrieben haben. Dennoch wirst du im Folgenden immer wieder einmal das Wort »ich« finden, denn auch wenn wir, wie bei unseren anderen Büchern, wieder eng zusammengearbeitet haben, so sind wir natürlich trotzdem zwei verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen. Hinter jedes »ich« eine Klammer mit dem jeweiligen Namen zu setzen, sähe nicht schön aus und brächte dir auch keinen Nutzen. Wer jeweils mit »ich« gemeint ist, bleibt also offen. Macht aber nichts, denn das, was wir »ich« nennen, ist ohnehin sehr wandelbar, und das ist – wie du bald merken wirst – von unschätzbarem Vorteil …

Die zwei Wölfe

(aus Amerika)

Unter dem weiten Sternenhimmel, unter dem Licht des Ahnenmondes, unter der Decke des Großen Geistes saßen Roter Hirsch, der Älteste des Volkes, und Kurzer Pfeil, der Sohn seines Enkels, am wärmenden Feuer. Es war die erste Lange Jagd Kurzen Pfeils gewesen; die Jagd, die ihn zum Mann machen sollte. Schweigend saßen sie eine Weile, lauschten der Stille und den eigenen Gedanken.

»Großvater«, begann der Junge zögerlich, »ich soll ein Jäger werden und ich habe mit deiner Hilfe nun meine erste Lange Jagd beendet. Doch die Ruhe will nicht in mein Herz einkehren. Heiter und fröhlich ging ich mit dir auf meine erste Jagd, doch bald war ich unruhig und traurig, weil ich keine Spuren fand. Als du sie mir zeigtest, wurde ich sogar wütend und vertrieb mit meinen lauten Worten das Büffelkalb, das wir sonst erlegt hätten. Am Morgen war mein Herz weit vor Freude über den Himmel, die Erde und den großen Fluss, doch am Nachmittag hasste ich die Sonne, die Menschen und mich selbst. Warum ist das so, Roter Hirsch, Vater meines Vaters Vater?«

Roter Hirsch sah in den Himmel hinauf, sah ins Feuer, sah in sein Herz. Nach langem Schweigen sprach er schließlich: »Seit Anbeginn der Welt, noch bevor der Coyote, der Trickreiche, durch die Prärie streifte, noch bevor unser Volk auf Pferden ritt, leben im Herzen eines jeden Menschen zwei Wölfe. Der eine ist weiß und strahlt wie die Mittagssonne, der andere ist schwarz wie die mondlose, wolkenverhangene Nacht. Erbittert kämpfen beide miteinander.«

»Kämpfen diese Wölfe denn auch in meinem Herzen?«, fragte Kurzer Pfeil und legte die Hand auf seine Brust.

»Ja, auch in deinem Herzen«, nickte der Alte. »Auch in meinem Herzen, auch in dem deiner Schwestern und Brüder, deines Vaters und deiner Mutter. Sie leben und kämpfen im Herzen eines jeden Menschen. Doch die Wölfe unterscheiden sich nicht nur in der Farbe ihres Fells. Der schwarze Wolf fletscht die Zähne, er droht und knurrt und beißt, er ist ängstlich, rachsüchtig, grausam und gierig. Der weiße Wolf aber ist klug, sanft und liebevoll. Er liebt die Menschen und ist gütig und weise.«

Kurzer Pfeil sah lange in die Glut des erlöschenden Feuers. Schließlich fragte er leise: »Wird aber nicht der schwarze Wolf den weißen töten? Ist nicht im Kampf der Wütende dem Sanften überlegen? Und was geschieht, wenn der schwarze Wolf den weißen Wolf besiegt hat?«

»Kurzer Pfeil, denk nach: Kannst du den großen Helden Tamahanaka besiegen, nur weil du voll Wut bist?«

»Nein. Es kommt auf die Stärke und das Können an. Aber welcher Wolf ist nun der stärkere? Welcher wird den Kampf gewinnen?«

»Der, den du fütterst«, antwortete der Alte.

Fütterungsempfehlungen für den weißen Wolf

Die Geschichte von den beiden Wölfen zeigt, dass Glück vor allem eine Frage der Entscheidung ist. Und da das so ungeheuer wichtig ist, schreiben wir es hier lieber gleich noch einmal hin, schwarz auf weiß:

Dein Glück ist deine Entscheidung!

Sicher ist die Entscheidung oft nicht gerade leicht, aber doch sehr viel öfter, als du wahrscheinlich glaubst. Denn sogar dann, wenn wirklich schlimme Dinge passieren und dir das Schicksal übel mitspielt, hast du doch immer noch eine Wahl. Und wenn du uns fragst, ist das allemal besser, als keine zu haben: Wer die Wahl hat, hat nämlich nicht nur die Qual, sondern auch die Freiheit – und nur darauf kommt es an. Denn die Freiheit gehört zum erfüllten Mensch-Sein.

Welchen Wolf wirst du in deinem Herzen füttern? Der schwarze ist voller Unruhe, Angst und Wut, er regt sich leicht auf und wird schnell neidisch. Der weiße Wolf ist das genaue Gegenteil: Er bleibt auch in schwierigen Situationen gelassen, ist entspannt, heiter und voller Lebensfreude.

Natürlich variieren die Kräfteverhältnisse. Mal ist der eine stärker, dann wieder der andere. Manche Menschen tragen von Haus aus einen riesigen schwarzen Wolf mit sich herum, während andere ihren kaum bemerken, weil er winzig ist. Doch über kurz oder lang wird immer der Wolf gewinnen, um den du dich besser kümmerst.

Die Entscheidung liegt tatsächlich ganz bei dir: Fütterst du deine Sorgen, Ängste und Selbstzweifel, so werden diese mit der Zeit immer stärker. Wenn du hingegen positive Gedanken und Gefühle in dir nährst, dann werden die negativen mit der Zeit von selbst verschwinden. Da du dieses Buch in den Händen hältst, denken wir mal, dass du dich für letztere Möglichkeit entschieden hast. Und so fragt sich eigentlich nur noch, wie du den weißen Wolf füttern kannst, denn es ist ja klar, dass ein saftiges Steak dir hier nicht weiterhelfen wird.

In freier Wildbahn können Wölfe viele Tage ohne Futter überleben. Auch in Zoos oder Wildparks werden sie oft nur alle zwei bis drei Tage gefüttert. Doch was den weißen Wolf in deinem Herzen betrifft, der frisst lieber jeden Tag viele kleine Häppchen. Und genau diese Häppchen wirst du in diesem Buch finden: Da sind zum einen Geschichten und Märchen, die dich inspirieren können. Zum anderen findest du Meditationen: einfache mentale Übungen und kleine Achtsamkeitsexperimente, die du jederzeit anwenden kannst. Schließlich wirst du noch Kapitel mit Gedanken und Reflexionen finden, die ebenfalls dabei helfen, den weißen Wolf in dir groß und stark werden zu lassen.

Du kannst das Positive in dir jederzeit und überall nähren. Es gibt keine Regeln, wie du mit den Geschichten und Methoden in diesem Buch umgehen musst oder solltest. Eines aber möchte ich dir doch empfehlen: dass du den weißen Wolf, der in deinem Herzen wohnt, nie vergisst und ihn nicht verhungern lässt.

Schöne bunte Farben für ein schönes buntes Leben

Vor vielen Jahren erzählte mir eine befreundete Yogalehrerin bei einer Tasse grünem Tee von einem interessanten Experiment. Es legt nahe, dass es unter den Menschen zwei »Grundtypen« gibt.

Die Versuchsteilnehmer wurden aufgefordert, ein Hotelzimmer zu betreten und sich kurz umzusehen. Es handelte sich um ein ganz normales deutsches Hotelzimmer der Mittelklasse. Anschließend wurden alle Teilnehmer gebeten, stichpunktartig ihre Eindrücke zu notieren. Der eine Teil der Gruppe freute sich über die großen Fenster und den tollen Ausblick auf einen nahe gelegenen See. Sie empfanden das Zimmer als hell und freundlich, und ihre Aufmerksamkeit fiel schnell auf das gemütliche Sofa in der Ecke, das dem Raum ihrer Ansicht nach zusammen mit dem alten, stilvollen Parkettboden eine heimelige Atmosphäre verlieh.

Den anderen fiel sofort der kaputte Lampenschirm auf, und sie merkten an, dass die Fenster nicht ordentlich geputzt waren. Fast alle Teilnehmer der »Negativgruppe« fanden, dass das Sofa abgenutzt und schmuddelig wirkte, und einigen fielen die zahlreichen Kratzer im Holzboden auf. Viele bemängelten zudem, dass es im Zimmer weder Fernseher noch Minibar gab.

Während also ein Teil der Versuchsteilnehmer das Zimmer mäßig oder bestenfalls ganz okay fand (übrigens der deutlich größere Teil), fanden die anderen es sehr gemütlich und ansprechend und wären gerne für ein paar Nächte geblieben.

Wie kann das sein? Es war doch ein und dasselbe Zimmer. Hatte der eine Teil der »Hotelgäste« eine rosa Brille auf, während die anderen die Dinge realistisch sahen? Oder waren die Miesepeter und -petras umgekehrt diejenigen, die die Realität nicht sehen konnten?

Die Antwort ist einfach: Keiner hat hier recht oder unrecht. Ob etwas als schön oder schmuddelig empfunden wird, liegt eben im Auge des Betrachters. Die Binsenweisheit, wonach das halb gefüllte Glas Wein abhängig von der Perspektive halb voll oder halb leer ist, ist zwar reichlich abgenutzt, stimmen tut sie aber trotzdem. Das Sofa jedenfalls kann nichts dafür, ob wir es als gemütlich oder als alt und abgenutzt wahrnehmen; es steht einfach nur unschuldig in der Ecke, für alle Interpretationen offen.

Es gibt einen alten Vers, dessen Verfasser anonym ist:

»Zwei Männer saßen einst für lange Zeit in einer Zell’ gefangen,

der eine sah auf Straßenstaub, der andre Sterne prangen.«

Was hat das alles mit dem weißen Wolf zu tun? Ganz einfach: Ob du ein glückliches, zufriedenes und sinnvolles Leben führen kannst oder nicht, das hat gar nicht so viel mit den äußeren Dingen und Umständen zu tun. Vielmehr ist die Frage, wie du diese Dinge und Umstände interpretierst. Und das wiederum hängt nicht so sehr von der Tönung deiner Brillengläser, sondern vor allem davon ab, auf was du deinen Blick wirfst; oder um ein etwas aus der Mode geratenes Wort zu verwenden: Es ist deine Ausrichtung, die entscheidet.

Worauf hast du deinen Geist und dein Herz ausgerichtet?Worauf lenkst du deinen Blick? Zum Beispiel dann, wenn du einen Raum betrittst, einen Menschen triffst oder ein neues Restaurant ausprobierst.Was hast du »auf dem Schirm«?

Die eigensinnige Gärtnerin

(aus Frankreich)

Der Garten der alten Wirtin sah eigentümlich aus. Auf der sonnenabgewandten Seite des Hauses wucherte Unkraut; vorn, an der sonnenzugewandten Seite wuchsen Blumen. Das war aber nicht das Eigentümliche, sondern dies: Das Unkraut gedieh prachtvoll, es wucherte und stand voll im Saft; der Blumengarten hingegen bot einen traurigen Anblick. Die wenigen Blumen sahen kraftlos aus und ließen die Köpfe hängen.

Endlich überwand ein Nachbar seine Scheu; seine Neugierde wurde zu stark. Als er der Alten begegnete, fragte er daher: »Liebe Frau Wirtin, verzeiht mir bitte, wenn ich frage. Aber sagt mir doch einmal, wie kann es eigentlich sein, dass in Eurem hinteren Garten das Unkraut so kraftvoll wuchert, aber die schönen Blumenbeete in Eurem Vorgarten brach liegen und welken?«

Die Wirtin sah ihren Nachbarn an und nickte traurig. »Ja, mit Eurer Beobachtung habt Ihr wohl recht, Herr Nachbar. Es ist traurig, aber wahr: Täglich gieße ich meinen Garten, aber das Wasser reicht nicht aus. Mit zwei großen Eimern Wasser trete ich durch die Hintertür in den Garten, aber nachdem ich die Rückseite gewässert habe, bleibt für die Blumenbeete nichts übrig, und dann bin ich zu erschöpft, um die Eimer erneut zu füllen.«

Meditation: Was übersehe ich gerade?

Manchmal verbringen wir ganze Tage wie in einem Tunnel. Unser Blick wird dabei sehr einseitig und ist fast ausschließlich auf die negativen Seiten unseres Lebens fixiert. Statt uns über das Blumenbeet am Straßenrand zu freuen, marschieren wir fest entschlossen auf das Unkraut zu.

Jedes Mal, wenn du dir Sorgen machst, dass etwas passieren könnte, was du auf keinen Fall willst, oder dass du das, was du so gerne hättest, nicht bekommen wirst, gießt du das Unkraut in deinem Garten. Wann immer du in endlosen Schleifen über Probleme nachgrübelst, frustriert oder verängstigt bist oder wenn dein Geist verwirrt und zerstreut ist, dann bist du nicht »voll da«. Dann siehst du nur eine Seite, nur eine Möglichkeit, und dein Leben wird eng und einseitig. Na gut – vielleicht nicht gleich dein ganzes Leben, aber es reicht schon, dass du immer wieder wertvolle Lebenszeit verschwendest, nur weil du durch die Sorgenbrille schaust.

Die folgende kleine Meditation ist eine Art »Achtsamkeits-Turboübung«. Mit einer simplen Frage erweiterst du deinen Horizont schlagartig. Dein Blick weitet sich und du schaltest den Strahl deines Bewusstseins von Taschenlampe auf Flutlicht um. Manchmal ist die Wirkung so intensiv, als breche die Sonne an einem düsteren Tag durch die Wolken. Und ganz egal, ob du auf dem Sofa, im Auto oder im Konferenzraum sitzt, du kannst diese Meditation überall ausführen.

Hier die Kurzanleitung:

Atme zunächst einmal tief durch: Atme tief ein und dann ganz tief aus. Um bewusst aus Gedankenschleifen, Sorgen, Grübeln, Ärger usw. auszubrechen, sagst du dir innerlich »Stopp!«.

Und jetzt – halte kurz inne, schau dich um und stelle dir folgende Frage: Was ist in diesem Moment noch da?

Ich empfehle dir, nun schrittweise vorzugehen:

Lenke deine Achtsamkeit auf das Sehen. Was siehst du gerade? Finde mindestens fünf Dinge, die du sehen kannst.Lenke deine Achtsamkeit auf das Hören: Was hörst du in diesem Augenblick? Finde mindestens drei Geräusche oder Klänge, die dir gerade zu Ohren kommen.Richte deine Achtsamkeit nun auf deinen Körper: Was spürst du gerade? Versuche, mindestens drei Körperempfindungen zu registrieren.

Wiederhole die Punkte 1 bis 3 dann noch ein- oder besser zweimal.

Das war’s schon. Nun kannst du dich wieder deinem Alltag widmen. Solltest du aber bemerken, dass du schon bald wieder auf das Unkraut zusteuerst, dann wiederhole den ganzen Zyklus einfach noch einmal.

Und hier noch ein paar konkretere Hinweise:

Wenn du irgendwann während des Tages bemerkst, dass deine Gedanken in eine Richtung abschweifen, die dich runterzieht – wenn du dich zum Beispiel über einen vergangenen Streit ärgerst, dir Sorgen wegen eines unangenehmen Termins machst, an dir selbst zweifelst oder über Probleme nachgrübelst –, dann solltest du dich fragen, was abgesehen von diesen Gedanken und Gefühlen eigentlich noch da ist.

Denke kurz »Stopp!«, atme tief durch und wende dich dem zu, was in diesem Augenblick in der wirklichen Welt in dir und um dich herum passiert.

Zuerst frage dich: »Was sehe ich?« Denk aber nicht lange nach – schau dich einfach um. Ganz egal, ob du den Himmel, ein Auto, einen Menschen oder Bäume siehst – öffne einfach deinen Blick für das, was da ist. Verweile kurz bei dem, was du siehst. Schau etwas genauer hin als sonst, aber nicht, um es zu bewerten oder zu verurteilen, sondern einfach nur, um die Farben und Formen, also das wirklich Sichtbare, besser wahrnehmen zu können. Mache innerlich ein paar Schnappschüsse von deiner Umgebung.

Konzentriere dich jetzt auf das Hören: »Was höre ich?« Ob du Motorengeräusche, Vogelgezwitscher, Geräusche im Haus oder Stimmen hörst, ist dabei ganz unwichtig. Lausche dem Klang, tauche kurz, aber tief in das Hören ein.

Und nun zur letzten Frage: »Was fühle ich gerade in meinem Körper?« Achte auf Körperempfindungen, die stark genug sind, dass sie dir im Moment bewusst werden. Vielleicht kannst du Anspannungen im Rücken, ein Kribbeln in den Füßen, Wärme in den Händen oder die Entspannung im Bauch spüren. Was es auch sei – verändere nichts. Nimm einfach nur achtsam wahr, was gerade spürbar ist – und was immer es ist: bewerte es nicht, lass es einfach sein, so wie es im Moment ist.

Mit zwei bis drei Durchgängen wird es dir normalerweise gelingen, das Gedankenkarussell anzuhalten und wieder entspannt im Hier und Jetzt zu landen. Das klappt zwar nicht immer, aber doch sehr oft – und übrigens umso öfter, je öfter du diese »Aufwachübung« einsetzt. Dann verändert diese einfache Methode nicht nur diesen Augenblick, sondern auch den darauf folgenden und den darauf folgenden …

Der König und der Holzsammler

(aus Spanien)

Eines Tages beschloss der König, sich als reisender Kaufmann zu verkleiden, um sich im Volk umzuhören, damit er besser regieren könne, denn er war ein weiser und gütiger König. Er traf auf Geizkrägen und Betrüger, auf Großherzige und Rechtschaffene, auf Arme und Reiche, auf Kluge und Dumme. Nachdenklich geworden, machte sich der König auf die Heimreise.

Da kam er an eine Hütte im Wald, in der ein armer Holzsammler mit seiner Familie wohnte. Der König, der als reisender Kaufmann gekleidet war, bat um ein Bett für die Nacht, und es wurde ihm gerne gewährt. Abends saß er mit dem armen Holzsammler vor der Hütte. Der holte ein wenig Brot, Wein und Käse aus der Speisekammer und sie sprachen lange miteinander. Der König stellte fest, dass der Holzsammler ein kluger und gebildeter Mann war, und er wunderte sich, dass er in solcher Armut lebte. Und so fragte er ihn, wie er denn seinen Tag verbringe.

»Nun«, antwortete der Holzsammler. »Das ist schnell erzählt. Ich gehe morgens in den Wald und sammle eine große Kiepe Holz. Dafür bekomme ich ein paar kleine Münzen und kann Brot, Wein und Käse kaufen. Dann spiele ich mit meinem Sohn, wir besuchen Freunde, trinken ein Gläschen Wein und singen gemeinsam, und wenn die Sonne schön warm scheint, sitze ich vor dem Haus und lese ein bisschen. Und abends liebe ich meine Frau.«

Der König runzelte die Stirn. »Aber warum gehst du nicht noch einmal in den Wald und sammelst mehr Holz?«

»Warum denn das?«, fragte der Holzsammler erstaunt.

»Nun sieh: Dann bekommst du mehr Geld. Und dieses zusätzliche Geld kannst du sparen. Dann kannst du einen Gehilfen anstellen und verdienst noch mehr. Wenn du genug verdient hast, kannst du ein Haus in der Stadt beziehen und das Brennholz von Holzsammlern ankaufen und teurer verkaufen, und schließlich wirst du ein reicher Kaufmann sein, der vielleicht sogar mit dem Königshaus handelt und wer weiß? möglicherweise vom König als Hoflieferant bestallt!«

Der Holzsammler schloss kurz die Augen und dachte angestrengt nach. Dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Ich verstehe Euch nicht, lieber Herr.«

»Nun«, sagte der König etwas unwirsch. »Das ist doch klar. Du kannst doch ganz leicht eine hohe Stellung erreichen. Und hast du das – ja, dann kannst du tun, was du willst! Dann kannst du alles kaufen, hast Zeit mit deinem Sohn zu spielen, deine Freunde zu besuchen, ein Gläschen Wein zu trinken, und wenn die Sonne schön warm scheint, kannst du in deinem Garten sitzen und lesen. Und abends liebst du deine Frau.«

Da lächelte der arme Holzsammler, klopfte dem König freundschaftlich auf die Schulter und sprach: »Mein Lieber, ich glaube du hast schon ein Gläschen Wein zu viel getrunken. Geh besser zu Bett.«

Als der König des Morgens aufbrach, hatte er ein großes Lächeln auf dem Gesicht, denn er wusste jetzt, was wahrer Reichtum ist.

Meditation: Nichts tun für Anfänger

Wann hast du das letzte Mal gar nichts getan? Ich meine jetzt nicht, wann du auf dem Sofa ferngesehen, gelesen oder Musik gehört hast, sondern wann du wirklich überhaupt nichts gemacht hast?

Man sollte ja meinen, dass es nichts Leichteres gäbe, als einfach nur nichts zu tun. Allerdings habe ich festgestellt, dass das ganz und gar nicht einfach ist. Manchmal ist es im Alltagstrubel schon schwer genug, überhaupt mal eine Pause einzulegen. Aber selbst wenn das klappt, werden die Pausen meist »genutzt«, um etwas zu lesen, zu telefonieren, sich mit Leuten zu unterhalten, Kaffee zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen.

Ebenso wie dem Holzsammler fällt es Kindern und Verliebten leicht, einfach nur zu sein und den Wolken beim Schweben zuzuschauen. Alle anderen sind in der Kunst des Nichtstuns jedoch weitaus weniger begabt. Viele von uns verhalten sich, als würden ihre Akkus ewig halten. Das ist bedauerlich, denn erstens halten die Akkus nicht wirklich ewig, was wir leider erst merken, wenn wir seelisch oder körperlich krank werden; und zweitens hindert uns die ständige Geschäftigkeit daran, öfter einmal vom Tun- in den Seinsmodus umzuschalten.

Der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal schrieb schon vor über 350 Jahren in seinen Pensées, dass alles Unglück der Menschen nur von einem Einzigen herrührt, nämlich davon, dass sie es nicht vermögen, ruhig in ihrem Zimmer zu verweilen. Natürlich musst du aber gar nicht in deinem Zimmer bleiben, denn Nichtstun klappt auch im Wald, am Strand, im Zug oder auf einer Parkbank ganz hervorragend. Die »Technik« ist einfach. Nimm dir einige Minuten Zeit, in denen du absolut nichts tust:

Schalte dein Telefon, Handy oder Smartphone ab.Rede nicht und vertiefe dich möglichst auch nicht in innere Selbstgespräche.Schau nicht fern, lass den Computer ausgeschaltet.Lies nicht – auch keine SMS oder WhatsApp-Nachrichten.Höre keine Musik.Entspanne dich, ruhe deinen Körper aus. Wenn du willst, kannst du natürlich auch die Augen schließen.Sieh dir keinen inneren Film an.Genieße es, einmal gar nichts zu tun.

Schwarze Wölfe lieben Stress

Statt nach immer mehr zu streben, kannst du ebenso gut entspannt und in Muße leben – so wie der Holzsammler in der Geschichte mit dem König. Auf ein Schloss und eine Segelyacht musst du dann zwar wahrscheinlich verzichten, dafür gewinnst du etwas sehr viel Wertvolleres: ein Leben ohne Stress.

Schwarze Wölfe lieben Stress. Wenn du gestresst bist, wirst du schnell wütend, ungeduldig, unzufrieden oder frustriert. Und je öfter du in die Abwärtsspirale aus negativen Emotionen stürzt, desto wohlgenährter und kräftiger wird der schwarze Wolf in deinem Herzen.

Stress ist ein kompliziertes Phänomen. Sperrige Definitionen beschreiben etwa, dass unter Stress »die durch spezifische äußere Reize, sogenannte Stressoren, hervorgerufenen physischen und psychischen Reaktionen« zu verstehen sind, »die Lebewesen zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen«. Dabei spielen dann Stimulus-, Reaktions-, Transaktions- und Diskrepanzkonzepte eine Rolle. Alles klar? Wenn nicht, ist das auch egal, denn im Grunde wissen wir doch alle ganz genau, was es heißt, gestresst zu sein.

Neulich hatte ich es mal wieder eilig. Ich musste von München nach Ulm und bin zu spät losgefahren, was mir öfter passiert. Hätte ich mir die Verkehrsmeldungen vorher angeschaut, dann hätte ich von der Baustelle und dem Staurisiko erfahren. Mein Versäumnis wurde mir bewusst, als ich schließlich in einem endlosen Stau stand und mit knirschenden Zähnen auf dem Autositz herumrutschte, während ich darüber nachdachte, welch »entsetzliche« Folgen meine Verspätung wohl auf den vereinbarten Termin, meine Geschäftsbeziehungen und meine ganze weitere Zukunft haben würde. Irgendwann wurde mir klar, dass ich ziemlich gestresst war. Einige tiefe und langsame Atemzüge und die Einsicht, dass wir das, was ohnehin nicht zu ändern ist, möglichst schnell loslassen sollten, haben mir jedoch geholfen, wieder zur Ruhe zu kommen. Um Stress zu reduzieren, ist es also nicht nötig, Theorien über stressbedingte vegetative Wirkungsketten oder das Nebennierenhormon Adrenalin zu kennen. Für den Alltagsgebrauch gibt es eine ganz einfache Stresstheorie: Stress tritt immer dann auf, wenn wir auf eine Situation mit Anspannung reagieren.

Es ist ja offensichtlich: Wenn du gestresst bist, bist du nicht entspannt, sondern angespannt. Du kannst nicht loslassen, sondern hältst an irgendetwas fest. Und statt »Ja« zur Situation zu sagen, sagst du »Nein«. Kurzum: Stressprobleme sind immer Spannungsprobleme.

Weniger Stress heißt automatisch weniger Nahrung für den schwarzen Wolf. Doch wie kannst du lernen, möglichst stressfrei zu leben? Da gibt es bekanntlich viele Möglichkeiten: Yoga, körperliche Bewegung, Muskelentspannung, Sauna, eine gesunde Ernährung, ein gutes Zeitmanagement usw. Doch letztlich besteht die wirkungsvollste Methode einfach darin, immer wieder loszulassen und gelassen zu werden. Ob du loslassen kannst und ob es dir gelingt, auch schwierigen Situationen mit Gelassenheit zu begegnen, ist keine Frage der Veranlagung oder des Zufalls. Denn Ruhe, Zufriedenheit und sogar Glück sind vor allem Übungssache. Und »Nichtstun« ist doch schon einmal eine schöne Möglichkeit, das Loslassen zu üben.

Die drei Ziegen

(aus Schweden)

Drei Ziegen lebten auf einer Lichtung im tiefen Wald. Sie hatten genug zu essen, doch es gab nicht viel Abwechslung. Mit der Zeit wurden zwei der Ziegen unzufrieden. »Wir wollen nicht immer die gleichen Kräuter fressen. Dort draußen, jenseits des Waldes, sollen saftige Weiden sein – lasst uns diese Weiden suchen!«

»Ja!«, rief die eine Ziege. »Ich bin dabei.«

»Nein!«, rief die andere. »Mögen die Wiesen auch saftig sein – hier gefällt es mir. Es fehlt mir an nichts und ich habe ein gutes Leben.«

So machten sich denn die zwei Ziegen auf den Weg. Der Weg durch den Wald war mühsam und gefahrvoll, und beinahe wären sie, anstatt besser zur fressen, selbst von einem Bären gefressen worden. Doch schließlich erreichten sie den Waldrand, wenn auch erschöpft und von Dornen zerkratzt: Und tatsächlich lag eine weite, saftige Wiese vor ihnen, auf die sie sogleich losstürzten und zu fressen begannen.

Nach einigen Tagen sprach die erste Ziege: »Dort, jenseits dieser großen Wiese, soll eine noch wunderbarere Weide liegen – geschützt vor allen Gefahren, mit auserlesenen Leckereien und frischestem Quellwasser. Lass uns doch diese Weide suchen!«

»Nein!«, rief die andere. »Möge die Weide auch köstlich sein – hier gefällt es mir, es fehlt mir an nichts und ich habe ein gutes Leben.«

So machte sich denn die unzufriedene Ziege allein auf den Weg. Er führte über einen reißenden Fluss und durch einen gefährlichen Sumpf. Trotz aller Gefahren kam sie schließlich tatsächlich auf die wunderbare Weide. Sie freute sich unbändig. Nach einer Weile jedoch fand sie heraus, was es mit dieser Weide auf sich hatte: Menschen hielten dort Ziegen, Schafe und Kühe, um sie, wenn sie erst einmal wohlgenährt waren, zu schlachten und aufzuessen. Als die Ziege dies erkannte, bekam sie große Angst und wollte fliehen. Doch um die Weide herum stand ein Zaun, der nun plötzlich geschlossen war.

Die Ziege war nicht dumm und fürchtete sich sehr, und so gelang es ihr schließlich, auf das Dach eines Schuppens zu klettern und über den Zaun zu springen. Sie floh durch den Sumpf und über den reißenden Fluss, zurück zur saftigen Wiese. Dort traf sie ihre frühere Gefährtin und berichtete ihr noch ganz außer Atem von dem Abenteuer, das sie erlebt hatte. »Und so bin ich hierher zurückgekommen, wo es auch schön ist und wir ein gutes Leben haben«, keuchte sie.

Die andere Ziege sprach: »Täusche dich nicht. Auch hier ist es gefährlich. Viele Tiere kommen hierher, um zu fressen. Manche dieser Tiere fressen Ziegen. Und einmal in der Woche kommt sogar ein Jäger … Nein, mich hält es nicht mehr hier. Lass uns schnell zurück in den Wald ziehen!«

»Ja!«, rief die andere Ziege. »Lass uns sogleich aufbrechen.«

Und so gingen sie den mühsamen und gefahrvollen Weg durch den Wald zurück. Struppig und mager kamen sie schließlich auf ihre alte Lichtung, wo sie sich erst einmal satt aßen.

»Ja, hier gefällt es uns. Es fehlt uns an nichts und wir haben ein gutes Leben«, riefen die drei Ziegen und waren sich wieder vollkommen einig.

Das Geheimnis der Zufriedenheit

Unzufriedenheit erzeugt innere Anspannung. Die Botschaft, die immer mitschwingt, wenn wir mit irgendetwas unzufrieden sind, lautet: »Das, was ist, ist nicht (gut) genug!« Ob die Lichtung im Wald, wie in der Geschichte von den drei Ziegen, ob unsere Wohnung, der Partner, die Kinder oder das Gehalt – sie scheinen einfach nicht okay zu sein, so wie sie sind. Doch eins ist auch klar: Solange wir unseren Blick auf das richten, was uns fehlt, empfinden wir einen Mangel. Und mit einem Gefühl von Mangel, mit Hunger im Bauch oder in der Seele, ist es unmöglich, glücklich zu sein.

Seit Jahren beobachte ich unseren reichen Nachbarn, der schräg gegenüber in einer sehr großen und zweifellos auch sehr teuren Villa wohnt. Er liebt Luxusautos, oder besser gesagt: Er braucht sie geradezu. Er wechselt seine Statussymbole, denn von Fortbewegungsmitteln reden wir hier natürlich nicht, öfter als die meisten ihre Zahnbürste. Komisch ist nur, dass ich den Mann noch niemals habe lächeln sehen. Wirklich noch nie! Im Gegenteil: Er wirkt immer mürrisch und scheint es ständig eilig zu haben.

Was brauchst du, um zufrieden zu sein?Was muss alles »stimmen«, damit du innerlich Frieden erfahren kannst?

Je mehr du äußeren Zielen hinterherjagst, desto größer ist die Gefahr, dass du dein Glück von Bedingungen abhängig machst, die nicht zu erfüllen sind. Wirst du wirklich dauerhaft glücklicher sein, wenn deine Wünsche in Erfüllung gehen? Oder hinterlässt die Befriedigung des Wunsches nur eine große Leere, die dann erneut gefüllt werden muss?

Der Kreislauf aus Lust, Gier, Sättigung und erneuter Leere endet nie. Das erfahren Alkoholkranke, Spielsüchtige oder »Stressesser« besonders eindringlich. Aber im Grunde weiß jeder von uns, wie sich der Wunsch nach immer mehr anfühlt. Unzufriedenheit führt schnell zur Unersättlichkeit. Sie zerstört nicht nur unseren Seelenfrieden, sondern auch unsere Beziehungen. Und wenn wir das noch etwas weiter denken wollen, letztlich sogar unseren Planeten.

Es gibt immer Möglichkeiten, unzufrieden zu sein. Und es gibt immer Möglichkeiten, zufrieden zu sein. Manchmal läuft es für uns richtig gut, zu anderen Zeiten scheint alles schiefzugehen – doch was auch immer passiert: Ob wir unzufrieden werden oder nicht, bleibt unsere Sache, denn Unzufriedenheit ist eine geistige Reaktion, eine Frage der Perspektive.

Im Zen-Buddhismus gibt es eine einfache Zufriedenheitsübung. Ich nenne sie »Gut genug für mich«. Die Methode besteht darin, keine Bedingungen mehr an Äußerlichkeiten zu stellen. Komfort und Luxus sind wunderbar, aber wenn die Situation einmal so ganz und gar nicht unseren Erwartungen entspricht, sollte das auch in Ordnung für uns sein. Das Leben ist wie das Wetter, es macht, was es will. Du kannst jammern, dich ärgern, andere beschuldigen oder auf andere Weise den schwarzen Wolf füttern. Oder du kannst lächeln und denken: »Gut genug für mich.«