9,99 €
Erstaunliche Weisheiten über das Glück
Im Kaffeehaus beschließen Max und Balduin, das Glück zu erforschen. Je genauer sie hinsehen, desto mehr entdecken sie, dass es in allem, auch in den kleinen Dingen um sie herum ist. Sie lernen beispielsweise von Lili, der verrückten Tänzerin, das Glück des Vergessens, von Ferdinand, dem depressiven Langweiler, was Freiheit bedeutet und von einem Elefanten das unübertreffliche Glück der Vorfreude. Ihre zahlreichen, inspirierenden Erkenntnisse halten die beiden Freunde in einem Glücksbuch fest und verstehen nach und nach, dass man tatsächlich lernen kann, glücklich zu sein.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 167
Inhalt
Im Kaffeehaus beschließen Max und Balduin, das Glück zu erforschen. Je genauer sie hinsehen, desto mehr entdecken sie, dass das Glück in allem, auch in den kleinen Dingen um sie herum ist. Sie lernen beispielsweise von Lili, der verrückten Tänzerin, das Glück des Vergessens, von Ferdinand, dem depressiven Langweiler, was Freiheit bedeutet und von einem Elefanten das unübertreffliche Glück der Vorfreude. Ihre zahlreichen Erkenntnisse halten sie in ihrem Glücksbuch fest und erfahren, dass man Glücklichsein üben kann.
Ein unterhaltsames und inspirierendes Buch darüber, welche schillernde Facetten das Glück hat und wie wir es in unser Leben integrieren können.
Autoren
Aljoscha A. Long, geboren 1961, studierte Psychologie und Philosophie. Er ist als Autor, Komponist, Therapeut und Lebensberater tätig. Bekannt geworden ist Aljoscha A. Long durch zahlreiche Publikationen und seine Seminartätigkeit in den Bereichen Psychologie, Philosophie und Pädagogik.
Ronald P. Schweppe ist Orchestermusiker und Autor zahlreicher Bücher im Bereich Psychologie und Spiritualität. Ausbildung in NLP, langjährige Beschäftigung mit fernöstlicher Philosophie und Zen-Buddhismus. Er ist in Funk und Fernsehen als Experte für alternative Heilmethoden bekannt und lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München.
Aljoscha Long Ronald Schweppe
Die Kunst, einen Elefanten zu reiten
Kaffeehausgespräche über das Glück und das Leben
Diederichs
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2021 Diederichs Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Zero Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: FinePic
Printed in Germany
ISBN 978-3-641-27800-7V001
www.diederichs-verlag.de
Balduin und Max machen sich auf die Suche
Liliane entdeckt, wie schön Vergesslichkeit ist
Balduin und Max lachen sich eins
Ferdinand lernt, die Handbremse zu ziehen
Liliane lächelt, wenn sie tanzt
Balduin im Prater
Die Kunst, einen Elefanten zu reiten
Franzl flieht aus dem Gefängnis
Balduin sieht genau hin
Ein Kind verrät Balduin ein Geheimnis
Balduin und Max im Garten der Gefühle
Die Freuden des Mexikaners
Lili am Lido
Johannes baut ein Traumschloss
Alexander wird Apostel
Liliane erlebt eine Überraschung
Der dicke Manfred will noch mehr
Max lässt sich den Kopf scheren
Robert entdeckt, dass er kein Kochtopf ist
Das Glück der anderen
Der Lottokönig dankt ab
Max und Lili auf hoher See
Hannah hat Liebeskummer1
Annes heilende Hände
Der Hofrat und seine Last
Balduin und Max gratulieren sich
Die Fabrik macht dicht
Max auf dem Sterbebett
Himmlische Fragen
Robert und der Richter
Balduin und Max begeben sich auf eine Reise
Balduin traf sich mit seinem Freund Maximilian jeden Nachmittag, außer dienstags, Punkt drei Uhr im Café Hawelka im 1. Bezirk und trank dort einen großen Braunen.
Sie saßen drinnen, wenn es regnete oder kalt war, und draußen, wenn die Sonne schien. Sie plauderten über dies und das – es kam nicht darauf an, was. Als es fünf Uhr wurde, verabschiedeten sie sich und gingen nach Hause. Nun, manchmal trafen sie sich auch abends, manchmal am Morgen und manchmal gar nicht – beispielsweise am Dienstag, wenn Balduin am Konservatorium Cello unterrichtete. Doch die Regel war eben, dass sie sich trafen und plauderten.
Das klingt nicht sehr aufregend. Und das war es auch nicht. Aber wozu sich auch aufregen? Balduin genoss es eben, einfach mit seinem Freund im Café zu sitzen, seinen Braunen oder seine Melange zu schlürfen und über Belanglosigkeiten zu reden.
Es hätte immer so weitergehen können.
Aber das tat es nicht.
Balduin fand, dass er das ewig Gleiche nicht mehr so angenehm fand wie zuvor. Jeder Tag, der verging, nahm ein Stück des Genusses mit sich fort.
Doch es war Max, der schließlich meinte: »Sag mal, Balduin, geht es dir nicht auch so, dass du dich manchmal fragst, wozu wir eigentlich hier sind?«
»Um eine Melange zu trinken?«
Max wusste nicht, ob Balduin scherzte und runzelte die Stirn. »Ja, sicher. Aber ich meine … überhaupt. Wohin geht unser Leben? Ich programmiere langweiliges Zeug auf dem Computer, und du spielst immer denselben Kram auf deinem Cello. Was für einen Sinn hat das alles?«
Balduin sagte eine Weile gar nichts. So lange, dass Max schon dachte, sein Freund hätte ihm nicht zugehört. Balduin jedoch dachte nach. Richtig, was für einen Sinn hatte das Leben? Gab es so etwas wie einen Sinn überhaupt?
»Gibt es überhaupt so etwas wie einen Sinn?«
»Davon gehe ich aus. Irgendetwas muss es schließlich geben. Dass wir hier sitzen und Kaffee trinken, kann ja wohl nicht alles sein!«
»Natürlich nicht. Aber das ist ja auch nicht alles: Wir reden miteinander, wir sehen uns die Menschen auf der Straße an, wir atmen …«
»Jaja«, sagte Max ungeduldig. »Aber ist schauen und atmen genug?«
»Ich habe auch schon darüber nachgedacht.«
»Und?«
»Nichts.«
»Wie – nichts?«
»Mir fällt nichts ein. Was für einen Sinn sollte es denn geben? Wir leben, wir atmen und wir sterben. Das ist das Leben.«
»Das ist ziemlich wenig.«
»Schon.«
»Und?«
Balduin zuckte die Achseln.
»Eigentlich müssten wir doch glücklich sein, oder?«, fragte Max. »Bist du glücklich?«
»Im Großen und Ganzen schon. Aber du hast recht – irgendetwas sollten wir ändern.«
»Was denn und vor allem wozu? Wenn es sowieso keinen tieferen Sinn gibt?«
»Vielleicht besteht der Sinn des Lebens einfach darin, nach dem Glück zu suchen.«
»Und wo willst du es suchen?«
»Ich weiß nicht. Aber möglicherweise ist es das ja.«
»Was? Was ist ›das‹?«
»Naja, eben nach dem Glück zu suchen.«
Max tat noch etwas Zucker in seinen Kaffee. »Gute Idee!«, sagte er und lächelte etwas schief. »Also – wo fangen wir an?«
»Hier!«
»Wie – hier? Im Café?«
»Ja, auch. Aber eigentlich ist es egal. Wir machen etwas Neues und doch das Gleiche. Wir schreiben ein Buch über das Glück und werden Glücksforscher.«
Max grinste. Eine verrückte Idee – aber irgendetwas an dem, was Balduin gesagt hatte, berührte eine Saite in seiner Seele. Und es klang, als könnte es Spaß machen. »Das hört sich gut an. Und wie machen wir das?«
»Ganz einfach: Wir nehmen uns vor, uns im Glücklichsein zu üben. Und wir schreiben es auf.«
»Aufschreiben geht ja noch – aber meinst du wirklich, dass man Glücklichsein üben kann? Liliane zum Beispiel stürzt sich in jedes Vergnügen. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass sie besonders glücklich ist. Und Ferdinand …«
»Ja, siehst du: Lili übt eben nicht, glücklich zu sein. Sie übt gar nichts, sie rennt einfach nur allem hinterher, wo sie das Glück vermutet.«
»Stimmt. Und wenn sie ankommt, ist das Glück schon weg!«
Balduin nickte. »Wir werden es anders machen. Wir üben uns in der Kunst des Glücklichseins. Und da haben wir auch schon etwas, was wir aufschreiben können.« Er kramte in seinen Manteltaschen und machte ein langes Gesicht. »Wenn wir nur Papier hätten …«
Max runzelte die Stirn und strich sich über die dunklen Locken. »Du willst doch nicht so schnell das Handtuch werfen!«, rief er. »Ich lauf geschwind hinüber in die Trafik und kaufe ein Heft …« Und schon war er aus der Tür.
Balduin musste nicht lange warten. Triumphierend warf Max das schwarze Schulheft auf den Tisch. Sein Freund zog seinen alten Füller aus der Tasche, öffnete das Heft bedächtig und schrieb oben auf die erste Seite:
Das Buch vom Glück.
Und darunter:
Glücklichsein kann man üben.
Und darunter:
Wenn man dem Glück hinterherläuft, ist es fort, wenn man ankommt.
Max sah ihm über die Schulter, während Balduin schrieb.
»Gut!«
Balduin und Max hatten das Gefühl, dass sie einen wichtigen Schritt getan hatten. Sie lächelten und schüttelten sich die Hände.
Und schon fühlten sich die beiden ein wenig glücklicher.
Liliane war eine alte Freundin von Balduin. Obwohl sie gar nicht alt war. Nur kannten sie sich eben schon viele Jahre. Doch trotzdem Balduin sie schon lange kannte, wusste er nie, in welcher Stimmung sie sich gerade befand. Lili war sehr wechselhaft. Manchmal strahlte sie, dass das Leuchten ihrer grünen Augen die ganze Umgebung aufhellte; dann wiederum war sie so traurig, dass ihre hellblonden Wuschelhaare dunkler zu werden schienen und man selbst ganz schnell traurig wurde.
Ihre Traurigkeit hatte freilich einen Grund. Genaugenommen sogar viele Gründe. Als sie ein ganz kleines Mädchen war, starb ihre Mutter. Sie konnte sich an ihre Mutter nur als dünne Frau erinnern, die mit gelbem Gesicht im Krankenhaus lag, und daran, wie ihr Vater immerzu weinte, wenn sie sie besuchten. Sie vermisste ihre Mama sehr. Und Papa war fortan nur noch traurig und mürrisch. Trotzdem liebte sie ihn über alles, denn er war nun alles, was sie noch hatte. Dann kam sie in die Schule. Sie ging nicht so gern dorthin, weil die anderen Kinder immer von ihren Eltern erzählten und sie noch mehr an ihre Mutter denken musste und daran, dass sie keine mehr hatte.
Als sie eines Tages von der Schule nach Hause kam, stand ein Polizeiauto vor der Tür. Auch Tante und Onkel, die sie nur einmal kurz gesehen hatte, waren dort und sprachen mit der Polizei. Ihr Vater habe einen Autounfall gehabt und sei jetzt bei Mama, sagte die Tante. Und Lili würde jetzt bei ihr und dem Onkel wohnen. Lili wollte es nicht glauben und schrie lange Zeit. Aber Tante und Onkel nahmen sie mit nach Hause, und Papa kam nicht wieder.
Sie sollte Mama zur Tante sagen. Der Onkel aber wollte nicht Papa sein, sondern Lilianes bester Freund. Manchmal, vor allem wenn Tante weg war, wollte er bei Lili im Bett schlafen, um mit ihr Papa und Mama zu spielen. Lili fand das erst blöd, dann eklig und dann ganz schrecklich. Aber sie traute sich nicht, irgendjemandem etwas zu erzählen, weil der Onkel sagte, dass sie dann ins Waisenhaus müsse, wo es nur trockenes Brot und Grießbrei zu essen gäbe und die Kinder geschlagen würden.
Als Lili sechzehn Jahre alt war, lief sie fort.
Und so war es eigentlich kein Wunder, dass Liliane oft sehr traurig war. Dafür war es aber vielleicht ein kleines Wunder, dass sie manchmal so fröhlich war und mit ihrer Fröhlichkeit andere Menschen ansteckte.
Wie machte sie das nur, wo sie doch viel Trauriges erlebt hatte? Balduin wollte das zu gern wissen – denn wenn Liliane glücklich sein konnte, kannte sie vielleicht ein Glücksgeheimnis, das es wert war, in das Glücksbuch geschrieben zu werden.
»Lili, du strahlst heute ja wieder!«, begrüßte Balduin sie, als sie am folgenden Tag im Café Hawelka auftauchte. »Setz dich doch mal zu mir. Ich muss dich etwas fragen.«
»Ja, gern. Aber nur kurz. Ich muss gleich weiter. Also schieß los.«
»Das ist keine leichte Frage …« Balduin suchte nach den richtigen Worten und entschied sich dann, nicht lange herumzureden. »Wie machst du es, so zu strahlen? Du wirkst wirklich glücklich!«
Liliane lachte. »Danke, das ist wohl als Kompliment gemeint. Aber schwierig ist die Frage wirklich. Warum ich heute glücklich bin?«
»Naja, nicht nur heute. Aber gut: Warum bist du heute glücklich?«
»Heute bin ich glücklich, weil ich nicht traurig bin.« Liliane zwinkerte ihm zu.
Balduin sah sie an. Sie lächelte nicht nur, sondern sie strahlte. Es war nicht etwa so, dass die traurige Lili nur ein fröhliches Lächeln aufgesetzt hatte. Und trotzdem musste die traurige Lili irgendwo sein, oder? Das war jedoch etwas, das er sie lieber nicht fragen wollte. Er freute sich natürlich, dass sie glücklich war. Oder sollte er sie doch auf ihre Vergangenheit ansprechen? Nein, das wäre keine gute Idee.
Liliane sah Balduin forschend an. Er spürte gleich, dass sie ihn durchschaut hatte. »Du fragst dich wohl, warum ich manchmal glücklich bin, obwohl es mir im Leben nicht immer besonders gut gegangen ist?«
Balduin nickte vorsichtig.
Ein kleiner Schatten stahl sich auf Lilis Gesicht. Aber gleich erschien das Strahlen wieder. »Eigentlich genau aus dem Grund, den ich dir genannt habe: Ich bin glücklich, weil ich nicht traurig bin. Also wenn ich nicht an Tante und Onkel denke. Es ist schön, etwas Unschönes zu vergessen.«
»Und jetzt habe ich dich dran erinnert!«, erwiderte Balduin bedrückt.
»Ach, Balduin, jetzt zerbrich dir bloß nicht den Kopf. Das macht gar nichts. Manchmal bin ich einfach in Vergesslichkeitsstimmung, und dann geht’s mir gut. Ich frage mich, ob ich die Vergesslichkeit nicht üben sollte …«
Lili brach in Lachen aus, und Balduin lachte mit. Vergesslichkeit üben!
Aber tatsächlich vergaßen sie kurz darauf, über was sie gesprochen hatten, als Max ins Kaffeehaus kam und von seiner Idee erzählte, einen Zirkus zu gründen. Wieder einmal eine seiner verrückten Ideen! Max hatte jedoch schon ganz genaue Vorstellungen, die er nun vor ihnen ausbreitete.
Plötzlich sprang Lili auf. »Mensch, Leute, ich hab ganz die Zeit vergessen. Ich muss jetzt sausen. Ciao ciao!« Und schon wirbelte sie aus dem Café.
»Lili war ja heute gut drauf!«, meinte Max.
»Ja. Und deshalb habe ich sie gleich nach ihrem Geheimnis gefragt. Und sie hat gesagt: ›Ich bin glücklich, wenn ich nicht traurig bin.‹ Ich bin mir nicht sicher, ob das etwas für unser Glücksbuch ist.«
»Naja, das ist doch eher so, als wenn du wissen möchtest, was Lila ist und jemand sagt dann: ›nicht Gelb und nicht Grün‹.«
»Hm, ich weiß nicht. Aber sie hat eigentlich noch etwas anderes gesagt. Was war das noch mal? Ah ja: ›Ich frage mich, ob man Vergesslichkeit üben kann.‹«
Max lachte nicht, sondern legte die Stirn in Furchen. »Hm … das klingt erst einmal absurd. Aber weißt du, ich glaube da hat sie etwas ganz Wichtiges gesagt. Vielleicht kann man tatsächlich üben, Schlimmes zu vergessen. Und das wäre doch wirklich ein großer Teil des Glücks!«
»Mensch, Max, ich glaube, du hast recht!«, rief Balduin und zog das Heft heraus und schrieb:
Wer sich darin übt, das Schlechte zu vergessen, erinnert sich an das Glück.
»Danke, Max. Du bist eben doch der Schlauere von uns beiden!«
»Ach Quatsch, vergiss es …«
Als Balduin ins Café Hawelka kam, sah er zu seiner Verwunderung, dass Max puterrot im Gesicht war und ihm die Tränen übers Gesicht liefen. Beunruhigt trat er zu seinem Freund und fasste ihn an der Schulter.
»Was ist los, Max? Ist etwas Schlimmes passiert?«
Max sah ihn an und prustete. Da erst merkte Balduin, dass sein Freund nicht traurig war und die Tränen und das rote Gesicht ganz im Gegenteil von unterdrücktem Lachen herrührten.
»Ich habe gerade einen Witz gehört«, brachte Max schließlich heraus.
»Erzähl!«
»Eigentlich ist er ziemlich albern. Aber …« Max begann zu kichern. Als er sich wieder beruhigt hatte, erzählte er: »Gendarm Moser macht seine übliche Patrouille, als er einen Mann mit einem Pinguin an der Hand sieht. Die beiden kommen direkt auf ihn zu. ›Entschuldigen’s Herr Wachtmeister, hätten Sie vielleicht eine Idee, wohin ich mit meinem Pinguin gehen könnt?‹ Moser muss nicht lang überlegen. ›Na, bringen’s ihn doch nach Schönbrunn, in den Tiergarten!‹ ›Ach ja, das ist eine gute Idee! Vielen Dank!‹ Der Mann zieht seinen Hut und geht mit seinem Pinguin in Richtung Zoo. Am nächsten Tag staunt Moser nicht schlecht, als er wieder dem Mann mit seinem Pinguin begegnet. ›Geh hörn S’, ich dachte Sie wollten gestern Ihren Pinguin in den Zoo bringen?‹ ›Ja‹ strahlt der Mann. ›Da waren wir gestern. Und heut gehn wir ins Kino!‹« Max prustete wieder los, und Balduin lachte laut auf. Die anderen Gäste des Café Hawelka guckten schon, und der Ober schüttelte den Kopf.
»Jetzt musst du aber auch einen Witz erzählen!«, forderte Max, als sie sich wieder beruhigt hatten.
»Hmm, ich weiß nicht … Naja, ein ganz kurzer fällt mir ein: Muffek trifft seinen Nachbarn. Der schaut ihn böse an und sagt: ›Haben Sie gestern nicht gehört, wie wir stundenlang gegen die Wand gehämmert haben?‹ Muffek darauf: ›Ach, mein Lieber, das macht doch gar nichts – wir haben eh gerad kräftig gefeiert!‹«
Max traten die Tränen in die Augen. Nun war er wieder an der Reihe, einen Witz zu erzählen. »Jesus geht durch die Wüste. Da sieht er plötzlich einen alten blinden Mann mit wallendem weißen Haar und Bart. ›Ich suche meinen geliebten Sohn!‹ Jesus bietet an, bei der Suche zu helfen: ›Wie sieht dein Sohn denn aus, woran kann man ihn erkennen?‹ Der Alte darauf: ›Er hat Löcher an Händen und Füßen, dort, wo man die Nägel hineingeschlagen hat!‹ Jesus: ›Vater!‹ Der Alte: ›Pinocchio!‹«
Balduin prustete los.
Und so ging das eine ganze Weile.
Schließlich meinte Max: »Weißt du, was auch komisch ist? Dass ich heute, als ich ins Hawelka kam, schlechte Laune hatte. Meine Tante rief mich heute morgen an, und ich musste mir stundenlang anhören, welcher Nachbar wieder nicht höflich genug war, dass sie die Leber wieder zwickt und dass ich sie viel zu selten besuche. Aber nachdem ich den Pinguin-Witz gehört habe, war meine schlechte Laune wie weggeblasen.«
»Ja, mir geht es ähnlich. Ich hatte ein bisschen Kopfschmerzen. Und dann sah ich dich mit rotem Gesicht und Tränen in den Augen und dachte sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein müsste. Aber als du mir den Witz erzählt hast, war meine Stimmung gleich viel besser. Und die Kopfschmerzen sind inzwischen auch weg.«
»Vielleicht sollten wir das in unser Glücksbuch schreiben?«
»Du hast recht.« Balduin zog das Heft heraus. »Aber was schreibe ich? Witze machen glücklich? Das klingt albern.«
»Aber wenn’s doch stimmt!«
»Nicht so voreilig. Sind es die Witze oder ist es nicht eher das Lachen?«
»Aber das ist doch eins wie’s andere.«
»Nein«, beharrte Balduin. »Man kann auch lachen, ohne dass man einen Witz hört.«
»Du meinst, wenn man einfach so, ohne Grund, lacht?«
»Das habe ich jetzt eigentlich nicht gemeint. Aber du hast schon recht: Wie wäre es, wenn man einfach mal ohne Grund lacht?«
»Das ist albern.«
»Probieren wir es doch einfach mal aus!«
»Na gut. Du fängst an.«
»Du kannst das besser.«
»Quatsch. Nun lach schon!«
Balduin und Max sahen sich an. Plötzlich mussten beide loslachen.
Und das fühlte sich gut an.
Balduin schrieb in sein Heft:
Lachen macht glücklich.
Dabei musste er lächeln. Und er schrieb:
Lächeln auch.
Als er abends zu Bett ging, dachte er noch einmal darüber nach und schlief zufrieden, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, ein.
Ferdinand war berüchtigt dafür, dass er an allem etwas auszusetzen hatte. Wenn es regnete, war seine Stimmung trüb, wenn die Sonne schien, klagte er über die Gefahren von Hautkrebs. Der Kaffee war entweder zu heiß, zu kalt, zu süß oder zu bitter. Seine Freundinnen waren nie lange mit ihm zusammen. Was ihm ganz recht war, denn sie waren zu dünn, zu dick, zu schüchtern, zu laut, zu dumm, zu intellektuell, zu groß, zu klein, zu häuslich, zu sehr auf Partys aus, geldgierig oder geizig. Aber nicht nur Frauen, sondern alle Menschen waren in seinen Augen Spinner, Dummköpfe, Besserwisser, Kapitalisten, Kommunisten, blauäugig oder zu skeptisch. Ferdinand war kein glücklicher Mensch, das war klar. Allen, außer ihm selbst: Er behauptete über sich selbst, nur ein Realist mit offenen Augen zu sein.
»Warum lässt er dieses ständige Hadern nicht einfach?«, meinte Balduin zu Max. »Er macht sich doch nur das Leben schwer.«
»Wenn das so einfach wäre! Schau doch mal uns beide an: Ich werde viel zu schnell wütend, und du hast selbst gesagt, dass du zu faul bist.«
»Ja, das stimmt schon. Aber immer nur negativ zu sein – das muss doch wehtun.«
»Natürlich macht negatives Denken unglücklich! Das sollten wir in unser Buch schreiben.«
Balduin zog das Heft heraus, doch dann zögerte er. »Was schreibe ich denn? Negatives Denken macht nicht glücklich? Das ist aber nicht sehr positiv.«
»Dann schreib halt: Positiv denken macht glücklich.«
»Aber das habe ich schon. Weißt du noch …?«
In diesem Moment öffnete sich die Tür. »Schau mal, da kommt ja der Ferdinand!«