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Der Sehnsucht des Herzens folgen
„Das Licht des Himmels in dir“ zeigt anhand von Märchen, Weisheiten und Meditationen, wie es gelingt, die Achtsamkeit auf das zu lenken, was wirklich zählt. Im Alltagsgetriebe verengt sich unser Horizont. So überhören wir leicht die Stimme unseres Herzens und damit das, was unserem Leben Sinn gibt. Indem wir lernen, auch mitten im Alltag den Himmel nicht zu vergessen, werden wir gelassener und glücklicher leben. Indem wir unseren Geist öffnen, werden wir Freude, Klarheit und Erfüllung finden. Dieses Buch hilft, die Aufmerksamkeit auf die Qualitäten zu richten, für die der Himmel steht – auf Weite, Licht, innere Freiheit und Gelassenheit.
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Seitenzahl: 250
Das Buch
Was ist wirklich wichtig in deinem Leben? Wohin soll dich deine Reise führen – welchen Aufgaben möchtest du dich zuwenden?
Richten wir die Aufmerksamkeit auf die Qualitäten des Himmels, gewinnen wir
• Klarheit, um uns auf die Kraft des Lichts auszurichten und unsere Herzensziele zu entdecken;• Weite, um uns von alten Mustern und Einschränkungen zu befreien und Neues zu wagen;• Offenheit, um mitfühlend und mit kindlicher Neugier auf Menschen und Dinge zuzugehen;• Unendlichkeit, die uns daran erinnert, dass wir Kinder der Ewigkeit sind;• Stille und Ruhe, die uns im Alltag tragen und uns Gleichmut und Gelassenheit schenken.Mit vielen kleinen Inspirationen, Meditationen und bezaubernden Geschichten, die dich dazu einladen, dir die Kraft des Himmels bewusst zu machen und in dir wachsen zu lassen.
Die Autoren
Ronald Schweppe und Aljoscha Long vermitteln ganzheitliche Lebenskunst auf leicht verständliche Art und Weise. Ihre Schwerpunkte sind die Themen Achtsamkeit, Lebenszufriedenheit und Gelassenheit. Moderne Psychologie, zeitgemäße Philosophie und östliche Spiritualität fließen in ihren Werken harmonisch zusammen. Ronald Schweppe ist Orchestermusiker und Meditationslehrer, Aljoscha Long Psychologe, Komponist und Taiji-Lehrer. Bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen sowie Auftritte in Funk und Fernsehen.
Aljoscha Long · Ronald Schweppe
Das Licht des Himmels in dir
Meditationen und Märchen über den Sinn des Lebens
Kösel
Inhalt
Der Himmel – weit und klar
Die Sehnsucht des Herzens
Von dem, was ist
Der Sog des Alltags – Dunkle Wolken am klaren Himmel
Das Leben nicht erledigen
Sorgen, Ängste, Unzufriedenheit – Flügel aus Blei
Von dem, was sein sollte
Nichts als offene Weite
Ruhiges Verweilen im Augenblick
Flügel aus Licht
Der Himmel in dir
Die Ausrichtung nach oben
Vom Erledigen zum Sein
Der Weg: Innehalten und loslassen
Die Kraft des Gelübdes – Die richtige Entscheidung treffen
Im Sturm Ruhe bewahren
7 Wege ins Licht
1. Erweitere deinen Raum und öffne deinen Geist
2. Bleib gelassen und heiter, egal, was passiert
3. Folge dem Weg deines Herzens
4. Lade das Schöne in dein Leben ein
5. Öffne dich für das Wunder des Jetzt
6. Verwandle Gebundensein in Verbundensein
7. Vergiss den Himmel nicht
Die Reisenden
Weitere Bücher der Autoren
»Halt an – wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir: Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.«
Angelus Silesius
Das Licht des Himmels ist immer da. So, wie unser Atem immer da ist, oder so, wie das Jetzt immer da ist. Das mag zwar tröstlich sein, hilft uns aber nicht, solange unser Denken und Fühlen ausschließlich um oberflächliche, irdische Dinge kreist. Auch wenn das Glück nur einen kleinen Schritt weit entfernt ist, können wir es eben doch nur spüren, wenn es uns gelingt, uns für die Gegenwart zu öffnen. Die unendliche Weite und Klarheit des Himmels können wir nur erfahren, wenn wir lernen, innezuhalten und auch nach oben zu blicken …
Das Licht des Himmels in dir ist kein Buch zum Durchlesen. Eher eins, in das du immer wieder einmal hineinschauen kannst. Viele kleine Inspirationen, Meditationen und Geschichten sowie kurze Übungen laden dich dazu ein, dir die Kräfte des Himmels bewusst zu machen, sie in deinem Geist wiederzuentdecken und in dir wachsen zu lassen.
Folge beim Lesen deiner Lust. Nicht alles ist immer und auch nicht für jeden hilfreich – aber manches zu einem bestimmten Zeitpunkt genau für dich. Probiere selbst aus, was du im Augenblick gebrauchen kannst.
Sei dir selbst das Licht, das dich erleuchtet.
Der Himmel – weit und klar
Der Himmel, wo die Vögel fliegen und die Wolken ziehen, wo Regen, Wind und Sonne ihre Heimat haben, ist wundervoll – und wie wir noch sehen werden, sollten wir ihm sehr viel mehr Beachtung schenken. Aber natürlich ist der Himmel, von dem wir in diesem Buch sprechen werden, nicht der Himmel, der sich uns von der Erde aus zeigt, wenn wir in Richtung Weltall blicken, sondern vielmehr der geistige Himmel in uns selbst.
Manche sprechen von »Gott«, andere von der »Quelle des Seins«, dem »Dao« oder dem »Universum«, doch wir haben uns für »Himmel« entschieden, wohlwissend, dass kein Wort ausreicht, um zu beschreiben, was größer als alle Worte ist. Begriffe können immer nur Wegweiser sein – aber immerhin … Wegweiser sind uns auf dem Weg zum Ziel oft sehr behilflich.
Die alten Weisen Chinas nannten Erleuchtete »Wesen, die das Licht des Himmels ausstrahlen«. Und das Vaterunser, das meistgesprochene Gebet der Christen in aller Welt, beginnt mit den Worten: »Vater unser, der du bist im Himmel …« Wenn Christen, Daoisten oder auch Buddhisten vom »Himmel« sprechen, meinen sie nicht den Himmel über unseren Köpfen.
Aber was meinen sie dann?
»Klarheit und Stille, Weite und Offenheit –
Dies sind die Qualitäten des Himmels.
Menschen, die sich diese zu eigen machen, sind offen und frei, ruhig und unbeschwert.
Obwohl sie nicht eingreifen, bleibt doch nichts ungetan.
Obwohl sie nicht scheinen wollen, strahlen sie doch das Licht des Himmels aus.«
Laozi
Klarheit, Weite, Offenheit, Unendlichkeit, Stille und Ruhe – dies sind die Eigenschaften des Himmels:
• Die Klarheit des Himmels erinnert uns daran, uns auf die Kraft des Lichts in uns auszurichten und uns nicht von den kleinen und größeren Katastrophen des täglichen Lebens verwirren zu lassen.• Die Weite des Himmels erinnert uns daran, uns von Einschränkungen und Zwängen zu befreien, die unseren Geist einengen, und unseren inneren Horizont stattdessen weit werden zu lassen.• Die Offenheit des Himmels erinnert uns daran, ohne vorgefertigte Meinungen auf Menschen und Dinge zuzugehen und dem Neuen in unserem Leben mit kindlicher Neugier zu begegnen.• Die Unendlichkeit des Himmels erinnert uns daran, dass wir nicht nur in der messbaren Zeit leben, sondern ebenso Kinder der Ewigkeit sind.• Die Stille und Ruhe, die der Himmel ausstrahlt, erinnern uns daran, innerlich still zu werden und unerschütterlich in uns selbst zu ruhen.Vor 1500 Jahren begegnete Kaiser Liang Wu Di dem Bodhidharma, dem ersten Patriarchen der Zen-Meditationslinie. Er wollte ihn mit seinen Leistungen beeindrucken.
Der Kaiser sprach: »Ich ließ viele Tempel erbauen. Ich ließ die Predigten des Buddha hundertfach abschreiben und zahllose Mönche weihen. Welche Verdienste habe ich mir nun dadurch erworben?«
Bodhidharma antwortete: »Das alles sind nur wertlose Dinge. Sie gleichen Schatten, die der Gestalt folgen, und sind ganz und gar unwesentlich.«
Der Kaiser sprach erstaunt: »Worin bestehen wahre Verdienste denn sonst?«
Bodhidharma erwiderte: »Es ist das reine Wissen, geheimnisvoll und wunderbar. Sein Wesen ist Leere und Stille. Durch weltliches Tun lässt es sich nie erlangen.«
Daraufhin fragte Liang Wu Di: »Welches ist der höchste Sinn deiner Lehre?«
Bodhidharma antwortete: »Offene Weite – nichts Heiliges darin.«
Offenheit, Weite, Licht, Ewigkeit und Stille sind nicht »heilig«. Sie sind an sich überhaupt nichts Besonderes. Wenn unser Geist zur Ruhe kommt, kehrt er zu seiner wahren Natur zurück. Dann erscheinen all diese Qualitäten ganz von selbst. Wenn da nur nicht die Unzufriedenheit wäre …
Die Sehnsucht des Herzens
Der Sohn des Fürsten hatte alles, was sich Menschen so wünschen. Er genoss die feinsten Speisen, den besten Wein, die Leute verneigten sich vor ihm, wenn sie ihm begegneten, die Jünglinge bewunderten ihn, die Mädchen wurden rot und warfen ihm scheue und begehrliche Blicke zu. Und doch war er nicht zufrieden. Er hatte das Gefühl, dass ihm etwas fehle in seinem Leben, auch wenn er nicht so recht wusste, was das wohl sein könnte – denn hatte er nicht eigentlich schon alles?
Schließlich wagte er es, mit seinem Vater zu sprechen, der nicht nur der Fürst, sondern auch ein kluger und erfahrener Mann war. Sein Vater runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und meinte: »Was dir fehlt, mein Sohn, ist Verantwortung. Und am besten ist es, du suchst dir eine gute Frau und zeugst ein Kind – dann wirst du keine Zeit für Unzufriedenheit mehr haben.«
Nun war sein Vater zwar wohl ein kluger Mann, und sicherlich war Verantwortung zu tragen, eine Frau und ein Kind zu haben gut und recht. Doch er spürte in seinem Innersten, dass davor noch etwas kam, dass er für Frau und Kind noch nicht bereit war und dies auch nicht die Wurzel seiner Unzufriedenheit sein konnte.
Er sprach mit seinen Kameraden, doch die lachten ihn nur aus. »Such dir ein Mädchen, besser noch zwei, trink einen guten Wein, und du wirst sehen, dass deine Unzufriedenheit dahinschmilzt wie Schnee in der Frühlingssonne.« Er sagte nichts dazu und lächelte ein wenig traurig. Nein, die Mädchen waren sicherlich süß, ihre Küsse und Umarmungen noch köstlicher – doch das war es auch nicht, was ihm fehlte.
Schließlich dachte er an seinen alten Lehrer, der schon seines Vaters Lehrer gewesen war. Der alte Weise lebte in einer Hütte in dem verwilderten Wald, der an den Fürstenpalast grenzte. Vor diesem Alten hatte er großen Respekt – ja, sogar sein Vater begegnete dem alten Lehrer mit Ehrfurcht. Konnte er es wagen, jenen Meister mit seinen kleinlichen Sorgen und seiner dummen Unzufriedenheit zu belästigen? Eine Weile rang er mit sich. Doch dann machte er sich auf den Weg und klopfte bald darauf an die Tür der Hütte.
Der Alte öffnete sogleich, als hätte er ihn bereits erwartet. Er bat ihn herein, hieß ihn, Platz zu nehmen, und setzte ihm eine Schale duftenden Tees vor. So saßen sich die beiden Männer eine Weile schweigend und Tee trinkend gegenüber, und der alte Lehrer lächelte den Fürstensohn sanft und voller Mitgefühl an. Schließlich fasste sich der Jüngling ein Herz und sprach von seiner Unzufriedenheit, von seinem Leben in Überfülle, das ihn nicht befriedigte, von dem Gefühl, dass ihm etwas Wichtiges fehle, und von der Scham darüber, unzufrieden zu sein, obwohl es ihm doch so gut gehe. Der alte Lehrer nickte dann und wann verständnisvoll, und so öffnete ihm der Fürstensohn sein ganzes Herz.
Als er geendet hatte, legte ihm der Alte die Hand auf die Schulter und lächelte. »Mein Lieber, ich weiß wohl, was dir fehlt – doch sagen kann ich es dir nicht.«
Enttäuscht schlug der Jüngling die Augen nieder, aber schon fuhr der Alte fort: »Doch ich weiß einen, der dir Rat geben kann.« Er erhob sich und bedeutete dem jungen Mann, ihm zu folgen. Hinter der Hütte befand sich ein kleiner Garten mit Kräutern und einer Wiese, auf der ein kleiner Esel graste. »Dies ist mein Freund Faris«, sprach er, während er auf den Esel deutete. »Erzähl ihm, was du mir anvertraut hast.«
Der Fürstensohn machte große Augen. »Wem? Dem Esel?«
Der alte Lehrer lachte und nickte, und der kleine Esel blickte auf und sah die beiden Menschen mit seinen großen, klugen Augen an.
»Ja, dem Esel. Faris. Und in einer Woche kannst du mich wieder besuchen und mir berichten, was du gelernt hast.« Damit wandte er sich um und ging zurück in seine Hütte.
Der Jüngling blieb ratlos zurück. War das die ganze Weisheit des Weisen? Vielleicht war sein alter Lehrer schon ein wenig verwirrt.
Er sah den Esel an und sagte spöttisch: »Dir also soll ich von meinem Kummer erzählen, worauf der alte Lehrer keine Antwort wusste?« Er lachte laut auf, da es fast so aussah, als ob der Esel genickt hätte. »Nun gut – dann sind es eben zwei Esel …« Und so erzählte er ihm all das, was er dem Lehrer erzählt hatte. Seltsamerweise fiel ihm das gar nicht schwer, denn der kleine Esel sah ihn mit seinen großen Augen ruhig an und schien jedes Wort zu verstehen. Und allein das machte sein Herz ein wenig leichter.
Doch wie erstaunt war er, als der Esel, nachdem er geendet hatte, schließlich sprach: »Ja, mein Fürstensöhnchen, deinem Herzen musst du folgen, wenn du Zufriedenheit erlangen willst!«
Der Jüngling stand mit offenem Mund da. Der Esel konnte sprechen – oder er selbst war verrückt geworden. Und doch: Was der kleine Esel da gesagt hatte, brachte eine Saite in seiner Seele zum Schwingen. »Deinem Herzen musst du folgen!« Er spürte, dass das die Wahrheit war. Doch was nun? Wie ging das überhaupt, seinem Herzen folgen?
Noch bevor er sich dazu durchringen konnte, den Esel zu fragen, sprach dieser: »Nun mach erst einmal den Mund zu, Söhnchen, sonst verschluckst du noch eine Fliege! Ja, ja, deinem Herzen musst du folgen, das ist wohl klar. Doch zuvor musst du lernen, genau hinzusehen: Was ist da?«
Der Fürstensohn schloss mit Mühe den Mund, nur um ihn gleich wieder zu öffnen. »Wo?«, fragte er.
Der Esel schüttelte den Kopf. »Denk nach. Komm morgen wieder, wenn du nachgedacht hast.« Damit wandte er sich wieder dem saftigen Gras zu. Und der Jüngling ging nachdenklich und immer noch zutiefst verblüfft zurück zum Palast seines Vaters.
»Was ist da?«, murmelte er vor sich hin und fand keine Antwort.
* * *
Von dem, was ist
»›Ist das hier wirklich? Oder passiert es in meinem Kopf?‹›Natürlich passiert es in deinem Kopf – aber warum um alles in der Welt sollte das bedeuten, dass es nicht wirklich ist?‹«
Joanne K. Rowling
Das, was ist – all die Dinge, die ständig in unserem Leben geschehen –, können wir kaum verändern. Eines aber können wir sehr wohl verändern: unseren Geist oder, besser gesagt, die Richtung, in die wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Die Richtung unserer Aufmerksamkeit entscheidet darüber, ob wir Licht oder Dunkelheit, Klarheit oder Verwirrung, Weite und Offenheit oder aber Enge und Angst erfahren. Das, worauf wir unseren Blick richten, prägt unsere Einstellung, unsere Neigungen und schließlich unser Wesen. Ob Himmel oder Hölle, das ist keine Frage des Zufalls.
Buddha meinte, Leben ohne Leiden sei nicht möglich, was auch der Grund für unsere Unzufriedenheit sei. Irgendetwas scheint immer zu fehlen. Irgendetwas scheint immer »falsch« zu sein. Auch heutzutage: Wir stehen im Stau, obwohl wir einen wichtigen Termin haben. Wir streiten uns mit unseren Kindern oder Eltern über marginale Angelegenheiten, die uns dennoch aus der Fassung zu bringend drohen. Wir schlafen unruhig, haben Probleme im Job oder spüren auf einmal, dass wir jeden Tag älter werden.
Und je tiefer wir im Grau des Alltags versinken, desto mehr sehnen wir uns nach etwas, was jenseits aller Probleme und jenseits aller Dunkelheit liegt – wir sehnen uns nach unserer Quelle, nach Gott, nach den Farben des Himmels.
Wenn du unzufrieden oder unglücklich bist mit dem, was ist, wird es Zeit, etwas zu verändern. Doch das, was du verändern solltest, ist nichts Äußeres, sondern etwas Inneres: Es ist das, was du tust, was du sagst, und vor allem das, was du – und zwar auch über dich selbst – denkst. Es sind deine geistigen Gewohnheiten oder Glaubenssätze, die du verändern solltest.
Glaubst du, dass die Dinge so, wie sie sind, nicht gut genug sind? Und dass du dein Leben »in den Griff« bekommen musst?
Glaubst du, dass du so, wie du bist, nicht ausreichst? Dass du irgendwie besser oder perfekter sein musst, damit andere dich schätzen und respektieren können?
Glaubst du, dass es ständig furchtbar viel zu erledigen gibt und du immer zu wenig Zeit hast?
Denkgewohnheiten wie diese sind weit verbreitet. Und doch sind es eben nur Gewohnheiten. Verwechsle sie nicht mit der Wirklichkeit. Sie sind nur eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen – eine von vielen …
Denkgewohnheiten umprogrammieren
Setz dich entspannt hin. Schließ die Augen. Lass deinen Atem einfach kommen und gehen – immer wieder, so lange, bis du innerlich ein wenig zur Ruhe gekommen bist.
Denk dann mehrmals die folgenden Sätze; flüstere sie ganz leise, oder sprich sie innerlich aus:
• »So, wie sie sind, sind die Dinge vollkommen in Ordnung. Ich muss nichts in den Griff bekommen. Das Leben lebt von ganz allein.«• »So, wie ich bin, bin ich vollkommen in Ordnung. Ich muss nichts an mir ändern – es reicht völlig, zur Ruhe zu kommen und mich selbst zu erkennen.«Sprich die Worte innerlich ganz langsam und ruhig. Bleib in deinem Atemrhythmus und wiederhole sie abwechselnd immer wieder. Mach längere Pausen zwischen den Sätzen, in denen du das sanfte Ein- und Ausströmen des Atems beobachtest und den Sinn der Worte wirken lässt.
Die Worte, die du zu dir selbst sagst, haben große Macht. Wenn du diese Übung über längere Zeit regelmäßig ausführst, wirst du neue, befreiende Denkgewohnheiten schaffen.
»Nichts ist so mächtigwie die Macht der Gewohnheit.«
Ovid
Als der Jüngling am nächsten Morgen erwachte, lachte er. »Was für ein seltsamer Traum!«, rief er. »Ein sprechender Esel …« Doch je wacher, desto nachdenklicher wurde er, und sein Lachen verstummte. Ganz sicher war er sich zwar immer noch nicht, doch seine Erinnerungen glichen nicht denen eines Traums. Er war bei dem alten Lehrer gewesen und hatte tatsächlich mit dem Esel gesprochen … Wie war sein Name? Faris? … Er lächelte. Ob nun Traum oder Wirklichkeit – es war zum Lachen. Vielleicht war seine ganze Unzufriedenheit eine Farce? Der Esel hatte gesagt: »… deinem Herzen musst du folgen, wenn du Zufriedenheit erlangen willst!« Das war ein guter Rat, das fühlte er deutlich. Doch was war mit dieser Frage »Was ist da?«?
Das war doch eine überaus seltsame Frage. Alles war da. Das Schloss. Die Menschen. Er selbst. Die Luft. Die Tiere. Alles eben. Der Esel? Er zweifelte ein wenig, doch nein: Auch der alte Lehrer und der Esel waren da. Seine Unzufriedenheit war auch da. Wirklich? Kurz schien es fast so, als wäre sie nicht da. Doch jetzt, wo er an sie dachte, war sie ganz deutlich da. Lag darin das Geheimnis?
Oje. Er seufzte und sprang aus dem Bett. Was ganz sicher da war, war der Hoflehrer, der ihn in Sprachen, Geschichte, Geografie, Politik, Recht und Philosophie unterrichten sollte und der gewiss schon ungeduldig auf ihn wartete …
Der Hoflehrer war mittelalt, mittelmürrisch, mittelklug und mittelmäßig, doch das machte er mit einem großen Respekt vor sich selbst wett. Und er konnte es nicht leiden, wenn andere diesen Respekt nicht zeigten, insbesondere dann, wenn es der Fürstensohn war, der zu spät kam, den er aber nicht zu schelten wagte.
»Was ist da?«, fragte der Fürstensohn.
Unwirsch schnappte der Lehrer: »Dumme Frage, Euer Gnaden. Natürlich das, was man sehen, hören und spüren kann!«
»Aber ich sehe eine dunkle Zukunft, höre meine Gedanken und spüre, dass das nicht alles ist …«
»Es ist ganz einfach: Wenn etwas messbar ist, dann ist es da. Wenn nicht, dann sind es Hirngespinste und Fantastereien und Gefühlsduselei. Wir aber«, und er sah Pentho – denn so hieß der Fürstensohn – streng an, »wollen uns nun mit der Geschichte des Reiches und nicht mit Einbildungen beschäftigen.«
Der Fürstensohn erkannte, dass das Messbare nicht alles, aber immerhin ein Anfang war. Und während der Hoflehrer über die Geschichte des Reiches dozierte, überlegte Pentho, was denn alles Mess- und Zählbare war, das er besaß. Und da gab es viel zu zählen.
Ganz gleich, was der Hoflehrer sagte – es gab sehr viel mehr, was da war: seine Pflichten, seine Stellung, seine Erwartungen und Wünsche … Und seine Unzufriedenheit. Die war bestimmt da, das fühlte er deutlich.
* * *
»Wer Seelenfrieden sucht, kann ihn doch niemals finden, solange die Ursache der Unzufriedenheit in ihm selbst liegt.«
Ignatius von Loyola
Was wir sehen und messen können, ist nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit. Ebenso sind aber auch unsere Pflichten, Sorgen und Alltagsprobleme nur ein kleiner Teil. Die Wirklichkeit ist unendlich viel größer als das, was vor unserer Nase erscheint.
Nur wenn du auch mitten im Alltag den Himmel nicht vergisst, nur wenn du bewusst entscheidest, auf was du deinen Geist ausrichtest, kannst du von der Oberfläche zum Wesentlichen, von der Unzufriedenheit zur Zufriedenheit finden und das, »was ist«, wirklich erkennen.
Der Sog des Alltags – Dunkle Wolken am klaren Himmel
Am nächsten Morgen begab sich der Fürstensohn zum Esel, von dem er nicht ganz sicher war, ob es ihn überhaupt gab. Wie sich schnell herausstellte, gab es ihn sehr wohl. Bedächtig Gras rupfend, stand er nach wie vor hinter der Hütte des alten Lehrers und zuckte als Willkommensgruß mit dem linken Ohr.
»Guten Morgen, Esel«, fing er an. »Ich …«
»Faris.«
»Wie bitte?«
»Ich heiße Faris.«
»O ja. Guten Morgen, Faris. Ich habe die …«
»Ich? Wer ist ich?«
Der Fürstensohn verdrehte die Augen. »Also gut, Faris, ich heiße Pentho. Und ich habe über die Frage nachgedacht, die du mir gestellt hast: ›Was ist da?‹ Ich habe die Frage meinem Hauslehrer gestellt, und er sagt: ›Nur was man anfassen kann, ist da.‹ Doch das kann ich nicht glauben. Meine Gedanken, meine Pflichten, meine Unzufriedenheit sind doch auch da!«
Faris schüttelte den Kopf. »Ja klar. Und die Ameisen und die Wolken und die Flöhe am Hintern des Hofhunds … sie alle sind da. Aber was von dem, was da ist, macht dich denn so unzufrieden?«
»Ach, wenn ich das nur wüsste. Ich habe ja mehr als die meisten Menschen, und dennoch …«
»Vielleicht ist es ja, dass du zu viele Dinge besitzt?«
»Wieso sollte mich das unzufrieden machen? Du bist wirklich ein Esel.«
»In der Tat. Und damit ein klein wenig schlauer als die meisten Menschen. Du glaubst, dass Dinge, die du besitzt, dich nicht unzufrieden machen können? Weißt du denn nicht, dass alles, was du besitzt, dich wiederum besitzt?«
Pentho blickte den Esel fragend an.
»Na, dann erzähl ich dir mal eine kleine Geschichte«, sagte der Esel.
»Kommen Esel darin vor?«
»Nein.«
»Also gut. Dann erzähl mal.«
DerWunschwöchler
Ein armer Mann wünschte sich, wie wohl die meisten armen Männer, ein reicher Mann zu sein. Im Gegensatz zu vielen anderen Armen war er allerdings ein Glückspilz, denn er war genügsam und mit dem wenigen, das er hatte, recht zufrieden. Was er als Tagelöhner verdiente, reichte für das Nötigste und zudem dann und wann für einen kleinen Krug Wein, den er mit Freunden zusammen leerte. Die Freunde luden wiederum ihn ein, und so war er doch öfter als nicht ganz glücklich mit seinem Leben. Niemand verlangte etwas von ihm, er musste keine Frondienste leisten, er war ein braver Bürger und kein Verbrecher und er musste nicht im Gefängnis darben.
Eines Abends jedoch, als er von einem Umtrunk mit seinen Freunden nach Hause wankte, stolperte er in ein Gebüsch und fand dort eine kleine goldene Flasche. Er rappelte sich auf und rieb erst seine Hände, dann das Fläschchen sauber. Doch kaum hatte er zu reiben begonnen, entstieg dem Fläschchen ein Dschinn, hoch wie eine Tanne. Der Dschinn räusperte sich, dass es nur so donnerte, blickte aus Baumwipfelhöhe auf den Mann herab und sprach: »Ich danke dir, o mein Retter. Du hast mich aus der Flasche befreit. Dafür gewähre ich dir eine Gabe: An jedem ersten Tag der Woche wirst du von nun an das bekommen, was du dir gerade wünschst.«
Der Arme konnte sein Glück kaum fassen. Von drei Wünschen hatte er ja schon gehört. Aber jede Woche? »Jede Woche? Was ich mir wünsche?«, fragte er sicherheitshalber.
»Nun«, sprach der Dschinn. »Damit du keinen Unsinn anstellst, man kennt es ja von euch Menschen, darfst du dir nur Dinge wünschen – und du darfst keine Dinge wegwünschen.«
»Oh«, sagte der Arme. »Das geht in Ordnung.«
Und mit einem Mal waren Dschinn und Flasche verschwunden. Der Arme rieb sich die Augen. Hatte er das nur geträumt? War es der Wein? Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, ging nach Hause und legte sich ins Bett. Am nächsten Tag verdingte er sich wieder als Tagelöhner und auch den Tag darauf. Den Dschinn hatte er schon bald vergessen. Am siebten Tag erwachte er, streckte sich, gähnte und seufzte: »Ich wünschte, ich hätte ein weicheres Bett!« Unter ihm bewegte es sich, und er lag auf einem wunderbaren Federbett, so sanft und weich, wie es nur sein konnte. Verdattert betrachtete der Arme das Wunder. Dann fiel ihm der Dschinn wieder ein. »Verflixt! Den Wunsch für die Woche habe ich jetzt vergeudet. Das passiert mir nicht wieder.«
Sein Wunsch für die folgende Woche, nur um den Zauber auszuprobieren, war eine Truhe Gold. Jeden Tag machte er einen Strich auf dem Tisch, und als sechs Tage vergangen waren, schlief er schlecht in der Nacht. Sobald der siebte Tag anbrach, sprach er: »Ich wünsche mir eine Truhe Gold!« Da fiel ihm siedend heiß ein, dass er die Größe der Truhe nicht bestimmt hatte; doch der Wunsch war der Wunsch, den er gedacht, nicht nur das, was er in Worten gesagt hatte. Und so erschien eine Truhe in der Ecke des Zimmers, nicht zu groß, nicht zu klein, ganz so, als wäre sie schon immer da gewesen. Bangen Herzens öffnete er sie: Und tatsächlich war sie angefüllt mit schweren, glänzenden Goldstücken.
Der Arme war nun kein Armer mehr. Er kaufte erst einmal gutes Essen ein, all die feinen Dinge, die er sich bisher nie leisten konnte. Dann ging er zu Schneider und Schuster, um sich Gewand und Schuhe anfertigen zu lassen. Als er von den Einkäufen erschöpft nach Hause kam, hatte er gerade einmal drei der Goldstücke ausgegeben, und die Truhe war noch fast voll. Da erkannte er, dass er wirklich unermesslich reich war. Jede Woche könnte er sich nicht nur eine solche Truhe wüschen, sondern eine viel größere noch, ja, einen Palast mit einer Schatzkammer … Ein Wunsch jagte den nächsten. Völlig erschöpft von seinen ins Riesenhafte gewachsenen Wünschen schlief er ein und träumte wirre Träume.
Als er am Morgen erwachte, war die Truhe verschwunden, und die Tür war aufgebrochen. Diebe hatten vom plötzlichen Reichtum des Mannes gehört und waren ihrem Beruf fleißig nachgegangen. Nun war der arme Mann wieder arm. Nicht nur arm, sondern auch wütend: Dieses Gesindel hatte sein Gold, das rechtmäßig ihm gehörte, gestohlen! Nach einer Weile beruhigte er sich, als ihm einfiel, dass er nächste Woche wieder wünschen dürfte. Und diesmal würde er es richtig machen! Aber die Diebe – wenn er die in die Finger bekäme!
Am Wunschtag der folgenden Woche wünschte er sich einen Palast mit gefüllter Schatz- und Speisekammer, mit allem Drum und Dran … Und kaum war der Wunsch ausgesprochen, fand er sich in dem Palast vor, genau so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Nur Menschen fehlten. Nun ging die Arbeit los. Er musste Diener, Köche, Mägde, Unterhalter anheuern. Wie machte man das? Er begab sich mit einem Beutel Gold auf den Weg zum Markt. Schließlich hatte er ein ganzes Gefolge – zwei Dutzend Bedienstete – und begann, es sich gemütlich zu machen. Jetzt war es schon etwas besser. Die Woche ging im Flug vorbei. Ein neuer Wunsch! Aber was? Er wünschte sich noch größere und wertvollere Schätze, von allem nur das Feinste! Und sein Wunsch ward ihm erfüllt.
Immer wieder suchten ihn ganze Diebesbanden heim, die ihm nicht viel ausmachten, konnte er sich doch alles aufs Neue wünschen. Aber er bekam es mit der Angst zu tun und heuerte eine ganze Schar alter Soldaten als Leibwächter an. Mittlerweile hatte er überhaupt keinen Überblick mehr, wie viele Bedienstete er hatte, was jeder an Lohn bekommen sollte, wann die Zahlung fällig war. Auch die vielen Handwerker, der Schneider, der Schuster, der Metzger, der Bäcker … An alle musste gedacht werden. Es war viel Arbeit, reich zu sein. Da konnte er es überhaupt nicht leiden, dass seine alten Freunde aus den vergangenen Zeiten, als er noch arm war, zu ihm kamen und dreist Wünsche äußerten. Für so einen Unsinn hätte er nun keine Zeit, sagte er und ließ sie aus dem Palast weisen.
Und schon wieder war eine Woche herum und ein Wunsch war fällig. Er hätte sich gern Frieden, Fröhlichkeit, Zufriedenheit und Ruhe gewünscht. Auch hätte er gern etwas von dem gewaltigen Überfluss weggewünscht. Doch genau diese beiden Ausnahmen hatte der verfluchte Dschinn gemacht! Er durfte nur Dinge herbei- und nichts wegwünschen. Nun waren all die Diener da, die bezahlt werden wollten. Und man musste ihnen sagen, was zu tun sei, selbst wenn man keinerlei Ahnung hatte, was zu tun wäre. Der Steuereinnehmer kam und forderte den Tribut des Königs. Bettler, Bittsteller, Betrüger und Beutelschneider umlagerten seinen Palast.
Der arme reiche Mann aber saß in seinem Bett in seinem Palast und weinte, als ihm klar wurde, dass er bis an sein Lebensende jede Woche einen Wunsch erfüllt bekäme.
Der Fürstensohn hatte nachdenklich zugehört. War es mit ihm nicht so ähnlich? Bekam er nicht fast alles, was er sich wünschte – und war doch nicht zufrieden?
Faris schüttelte den Kopf. »Menschen … Warum machen sie immer alles gleich, auch wenn sie wissen, dass sie etwas anders machen sollten?«
Der alte Lehrer war unbemerkt zu ihnen getreten. »Ja, die Menschen sind meist nicht so genügsam wie du, Faris«, lachte er, »und deshalb sind sie meist auch unglücklicher. Aber dass sie nicht aufhören können, etwas Dummes zu tun, jeden Tag aufs Neue … Das ist der Sog des Alltags. Es ist wie bei einem Wasserstrudel. Wer hineingerät, muss sich ein wenig anstrengen, wenn er nicht im Strudel mitgerissen werden will.«
Pentho spürte deutlich, dass der alte Lehrer wieder etwas sehr Wichtiges gesagt hatte. Der Sog des Alltags hatte etwas mit seiner Unzufriedenheit zu tun, das wusste er. Dieser Sog war nicht die Ursache der Unzufriedenheit selbst – doch dass alles so blieb, wie es war, das war der »Sog des Alltags«, von dem der Lehrer gesprochen hatte.
Je eintöniger unser Alltag wird, desto schläfriger wird unser Geist. Um das Wesentliche zu erkennen, brauchen wir jedoch einen Geist, der klar und weit ist. Sonst besteht die Gefahr, dass wir die gleichen Fehler immer wieder aufs Neue wiederholen und uns schließlich ganz im Strudel der Alltäglichkeiten verlieren.
Nimm dich in Acht vor der Routine des täglichen Lebens – sie wirkt vielleicht harmlos, ist es aber nicht: So, wie dunkle Wolken das Licht des Himmels verdecken, verdeckt die Alltagsroutine dir die Sicht auf deine wahre Natur.
»Ruhe oder Unrast unserer Seele hängen weniger von besonderen Ereignissen ab als von der gelungenen oder ungenügenden Ordnung unseres Alltagslebens.«
François de La Rochefoucauld