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Die Liebesnacht mit Curtis wäre besser nie passiert, denn Kaylee wird schwanger und flieht Hals über Kopf. Jahre vergehen, ehe die Physiotherapeutin den attraktiven Rodeo-Reiter als Patienten wiedersieht. Bis die Gefühle zurückkehren, dauert es dann aber nur Sekunden ...
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Seitenzahl: 191
IMPRESSUM
Sehnsucht und heiße Küsse erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2003 by Kathie DeNosky Originaltitel: „Lonetree Ranchers: Colt“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1298 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Eleni Nikolina
Umschlagsmotive: bowie15/GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733747336
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Kaylee Simpson ordnete gerade Verbandsmull und Heftpflaster auf einem Rollwagen im Trainingsraum an, der nun als Sanitätsraum diente, als sich plötzlich Stille im Publikum des Ford Centers ausbreitete. Erschrocken hielt Kaylee den Atem an. Es konnte nur einen Grund dafür geben, dass die Fans der professionellen Bullenreiter so ruhig wurden – einer der Reiter lag auf dem Boden und rührte sich nicht.
Sie schloss die Augen und versuchte, sich nichts allzu Unangenehmes vorzustellen, während sie nervös auf den Applaus wartete, der anzeigte, dass man dem abgeworfenen Reiter auf die Beine half. Aber mit jeder weiteren Minute, die vorüberging, schwand die Wahrscheinlichkeit dafür immer mehr. Als sie dann das Geräusch von eiligen Schritten hörte, die den Gang zum Trainingsraum herunterkamen, wusste sie, dass sie den Reiter auf einer Trage zu ihr brachten.
Lieber Gott, bitte lass es nicht jemand sein, den ich kenne, betete sie stumm.
„Prüfen Sie alle lebenswichtigen Funktionen“, wies Dr. Carson sie an, als er den Raum betrat. Ihm folgten mehrere Männer mit der Trage. Vorsichtig hoben sie den Verletzten auf den Untersuchungstisch.
Kaylee griff nach den nötigen Geräten, und ihre Hände zitterten, als sie zu dem bewusstlosen Cowboy trat. Aber kaum hatte sie das attraktive Gesicht des verwundeten Bullenreiters gesehen, schlug ihr Herz wild gegen ihre Rippen, und sie wurde blass vor Schreck.
„Curtis!“, flüsterte sie entsetzt.
Das Blutdruckmessgerät fiel ihr aus den zitternden Fingern auf den Boden, doch sie merkte es kaum.
„Sie kennen den Mann?“, fragte einer der Sanitäter und hob das Gerät auf.
Offenbar war er neu und kannte die Bullenreiter nicht. Aber Kaylee kannte sie. Sie konnte nicht sprechen, weil ihre Kehle auf einmal wie zugeschnürt war, aber sie nahm ihm das Messgerät ab, schloss die Augen und nickte. Sie war im Umfeld der professionellen Bullenreiter aufgewachsen, und bis vor drei Jahren waren die meisten Bullenreiter wie Brüder für sie gewesen.
Aber der eine Cowboy, der vor ihr auf dem Untersuchungstisch lag, war immer etwas Besonderes gewesen. Sie kannte Curtis Wakefield seit der Zeit, als er sechzehn und sie zehn Jahre alt gewesen war. Er war der beste Freund ihres Bruders gewesen, ihre die erste große Liebe und der Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte.
„Kaylee, wenn Sie ihm nicht den Blutdruck messen wollen, gehen Sie zur Seite und lassen Sie es jemand anders tun“, sagte Dr. Carson ungeduldig, während er Curtis’ Kopf untersuchte.
Der scharfe Ton des Arztes riss sie aus ihrem Schockzustand, und sie nannte ihm den Wert.
„Gut. Helfen Sie mir, ihn aus seiner Reiterkluft zu schälen und sein Hemd zu öffnen, damit wir sehen können, was wir hier haben“, wies Dr. Carson an.
Kaylee holte tief Luft und öffnete den Reißverschluss der schwarzen Schutzlederweste und dann den strapazierfähigen Klettverschluss an Curtis’ rechter Schulter, während Dr. Carson die linke Seite übernahm. Kaylee zwang sich weiterzumachen, schob das schwere Leder beiseite und knöpfte sein Cowboyhemd auf, damit der Arzt ihn untersuchen konnte.
Aber als sie Curtis’ muskulöse Brust und seinen Waschbrettbauch sah, erschauerte sie und wurde an vergangene Dinge erinnert, die sie drei Jahre lang, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen waren, verzweifelt versucht hatte zu vergessen. Ohne zu überlegen, berührte sie seine glatte, warme Haut mit den Fingerspitzen. Das letzte Mal, als sie ihn ohne Hemd gesehen hatte – also das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte – war die Nacht nach der Beerdigung ihres Bruders gewesen, in der sie beieinander Trost und Beistand gesucht hatten und in der sie schließlich …
„Kaylee?“
Curtis’ Stimme ließ sie zusammenzucken. Er hatte das Bewusstsein wiedererlangt, ohne dass sie es gemerkt hatte. Sie sah ihm in die blauen Augen und hatte plötzlich Schwierigkeiten zu atmen. „Hi, Curtis.“
Als sie ihn vor vierzehn Jahren kennengelernt hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass er der süßeste Junge war, den sie je gesehen hatte. Aber sein gutes Aussehen damals war nur eine schwache Andeutung des verteufelt attraktiven Mannes gewesen, zu dem er sich schließlich entwickelt hatte. Mit seinem rabenschwarzen Haar und den strahlend blauen Augen hatte er ihr immer den Atem genommen. Leider war nur allzu deutlich, dass die Zeit Curtis’ Wirkung auf sie nicht verringert hatte.
Kaylee beschloss zu der freundschaftlichen Beziehung zurückzufinden, die zwischen ihnen bestanden hatte, bevor all jene Ereignisse über sie hereingebrochen waren, die ihr Leben veränderten. „Wie ich sehe, machst du immer noch deinen berühmten Kopfsprung beim Absteigen.“
Seine schmalen bleichen Wangen bekamen ein ganz klein wenig Farbe. „Und wie ich sehe, bist du immer noch dieselbe freche Göre wie früher“, konterte er mit einem mutwilligen Glänzen in den Augen, das seinen Worten die Spitze nahm.
„Da irrst du dich aber, Cowboy“, sagte sie und lächelte traurig. „Wie du dich vielleicht erinnerst, musste ich vor etwa drei Jahren ziemlich schnell erwachsen werden.“
Curtis hatte das Gefühl, sie hätte ihn in den Magen geboxt mit ihrer geheimnisvollen Bemerkung. Er war nicht sicher, ob sie sich auf Mitchs Tod bezog oder darauf, dass er, Curtis, am Morgen nach der aufregendsten Nacht seines Lebens verschwunden war, ohne sich ein einziges Mal wieder bei ihr zu melden. Die Schuldgefühle, die ihn seit drei Jahren quälten, regten sich auch jetzt in ihm, und er glaubte, an ihnen ersticken zu müssen.
„Wie ist es dir inzwischen ergangen, Kaylee?“, fragte er, da ihm nichts anderes einfiel.
Sie schob sich eine kastanienbraune Locke hinter das Ohr und schien einen Augenblick über seine Frage nachzudenken.
„Ich habe überlebt. Im letzten Jahr habe ich endlich meinen Abschluss gemacht.“
Er runzelte die Stirn. „Warum hast du so lange gebraucht? Vor ein paar Jahren hattest du doch nur ein Jahr vor dir.“
Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen. „Etwas kam dazwischen, und ich musste die Ausbildung unterbrechen.“ Sie wischte ihm mit einem feuchten Tuch den Schmutz vom Gesicht. „Und was ist mit dir, Curtis? Wie geht es dir?“
Er wollte mit den Schultern zucken, aber der bohrende Schmerz in seiner linken Schulter zuckte bis zu seinem Nacken hoch, und er stöhnte laut auf. Wie demütigend, dass Kaylee ihn in diesem geschwächten Zustand sehen musste! Er biss die Zähne zusammen und sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam: „Es ginge mir viel besser, wenn du nicht wie ein Aasgeier über mir stehen würdest.“ Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, schimpfte Curtis sich innerlich einen Mistkerl. Er würde lieber seinen rechten Arm verlieren, als Kaylee noch mehr wehzutun, als er es sowieso schon getan haben musste. Er sah ihrem hübschen Gesicht deutlich an, dass sie verletzt war.
Er wollte sich bei ihr entschuldigen, aber Dr. Carson brach die Stille. „Es sieht so aus, als hätten Sie ein gebrochenes Schlüsselbein und eine leichte Gehirnerschütterung, Curtis. Aber um sicherzugehen, schicke ich Sie noch zum Röntgen ins Krankenhaus.“
Curtis starrte ihn fassungslos an, als ihm die Bedeutung der Diagnose allmählich klar wurde. „Wie lange werde ich außer Gefecht sein?“
„Das hängt davon ab, wie schlimm der Bruch ist. Ich würde sagen, Sie müssen mit acht bis zwölf Wochen rechnen, bevor Sie wieder zum Rodeozirkus zurückkommen können.“
Das war das Letzte, was Curtis hören wollte. In diesem Jahr hatte er Platz drei erreicht, und war er damit dicht genug an die Spitze vorgerückt, um gute Chancen zu haben, Champion zu werden. Wenn er jedoch den letzten Teil der regulären Saison verpasste, konnte er jede Hoffnung auf den Titel vergessen. Das Beste, was er jetzt noch erwarten konnte, war, es vielleicht noch bis ins Finale im November zu schaffen.
„Ich habe den Krankenwagen gerufen, damit du ins Krankenhaus gebracht werden kannst“, hörte er Kaylee vom anderen Ende des Raums zu ihm sagen.
Sie hatte sich vom Untersuchungstisch entfernt, während der Arzt mit ihm sprach. Curtis konnte es ihr nicht übel nehmen. Man sollte ihn auspeitschen, dass er so mit ihr gesprochen hatte, und er musste sich unbedingt bei ihr entschuldigen.
„Kaylee?“
Ein Mann in marineblauem Sanitäteranzug kam näher. Auf der Brusttasche war der Name Forrester eingestickt. „Suchst du das süße kleine Ding mit den tollen …“
„Pass auf, was du sagst, Kumpel“, warnte Curtis ihn wütend. Solange er in der Nähe war, würde er niemandem erlauben, sexistische Sprüche über Kaylee loszulassen. Sie verdiente den größten Respekt, und Curtis würde dafür sorgen, dass man ihr den entgegenbrachte. „Das Mädchen ist zufällig die Schwester meines besten Freundes.“
Der Mann zuckte die Achseln. Curtis’ Zustand flößte ihm nicht gerade Angst ein. „Komisch. Ich finde nicht, dass sie wie ein Mädchen aussieht.“
Curtis knirschte gereizt mit den Zähnen, als er den lüsternen Ausdruck des Mannes sah. „Und wie sieht sie deiner Meinung nach aus, Forrester?“
„Wie eine Frau mit allem Drum und Dran“, antwortete Forrester mit einem anzüglichen Grinsen.
Wenn Curtis nicht flach auf dem Rücken gelegen und noch dazu starke Schmerzen gehabt hätte, hätte er den Kerl windelweich geprügelt. Aber so sehr es ihn auch drängte, ihm Manieren beizubringen, er wusste, dass noch eine ganze Weile vergehen würde, bevor er wieder einem Faustkampf gewachsen war.
„Keine Sorge, Cowboy. Sie war auf dem Weg nach draußen, als ich hereinkam“, sagte Forrester, während er und sein rundlicher Partner Curtis auf die Trage hoben, die sie neben den Untersuchungstisch gerollt hatten. „Sie wird uns wahrscheinlich ins Krankenhaus folgen.“
Curtis sagte nichts auf der Fahrt zum Krankenhaus. Er wusste sehr gut, dass Kaylee nicht da sein würde, wenn er das Krankenhaus erreichte. Nach allem, was vor drei Jahren geschehen war, und seinem unverzeihlichen Benehmen heute konnte er von Glück sagen, wenn sie jemals wieder mit ihm sprach.
Einen Monat nach Curtis’ Unfall beim Wettbewerb der professionellen Bullenreiter ertappte Kaylee sich immer noch dabei, wie sie über die Begegnung mit ihm nachgrübelte. Curtis war der letzte Mensch auf Erden, den sie hatte sehen wollen. Nach seiner Reaktion zu schließen – das war so deutlich wie die Nase in ihrem Gesicht – ging es ihm genauso.
Sie schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein, ging ins Wohnzimmer hinüber und machte es sich in einer Ecke des Sofas bequem. Ihre Begegnung hatte so viele schmerzliche Erinnerungen in ihr geweckt und ihr gezeigt, dass sie immer noch nicht über ihn hinweg war, obwohl sie das geglaubt hatte. Aber offenbar hatte sie sich geirrt.
Im Lauf der Jahre war es zur Tradition geworden, dass Kaylee Curtis und ihren Bruder bei den Wettkämpfen anfeuerte. Sie war auch dabei gewesen an jenem schicksalhaften Wochenende vor drei Jahren in Houston. Aber was als ein typischer Samstagabend begonnen hatte, an dem sie den beiden Männern, die sie am meisten liebte, beim Bullenreiten zusah, war von einer Sekunde zur nächsten zu einer fürchterlichen Tragödie geworden.
Curtis hatte den Stier, den er gelost hatte, erfolgreich geritten und hatte Mitch beim Besteigen seines Stiers geholfen. Aber schon in dem Moment, als der Bulle die Arena betrat, hatte Kaylee gewusst, dass Mitch in großen Schwierigkeiten war. Der erste Sprung des Tiers war so wild gewesen, dass er Mitch nach vorn katapultiert hatte und er mit dem Kopf so hart gegen den Nacken des Stiers schlug, dass er das Bewusstsein verlor. Die „Stierkämpfer“ – auch oft als Rodeoclowns bezeichnet – kamen sofort herbeigelaufen, aber bevor sie den Stier ablenken konnten, war Mitch auf dem Boden genau vor den gefährlichen Hufen des wütenden Stiers gelandet.
Kaylees Augen füllten sich mit Tränen, als sie noch einmal die fürchterlichen Momente durchlebte, die dann folgten. Die Stierkämpfer hatten das Tier rechtzeitig genug abgelenkt, um ihm keine Zeit zu lassen, Mitch mit seinen Hörnern aufzuspießen, aber als das Tier über Mitch hinwegsprang, um zu den Stierkämpfern zu kommen, landeten seine Hinterhufe mit voller Wucht mitten auf Mitchs Brust.
Ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit hatte Curtis sich über den Schutzzaun geschwungen und war zu ihrem Bruder gelaufen. Nachdem er sicher gewesen war, dass man sich um Mitch kümmerte, war er zu ihr gekommen. Er hatte sie ins Krankenhaus begleitet und mit ihr gewartet, während Mitch operiert wurde. Und später hatte er sie gehalten, als man ihnen mitteilte, dass ihr einziger Bruder – ihr einziger Verwandter – auf dem Operationstisch gestorben war.
„Mommy!“, rief ein leises Stimmchen vom anderen Ende des Flurs.
Kaylee war froh über die Unterbrechung, die sie aus ihren beklemmenden Gedanken riss. Offenbar war ihre kleine Tochter aufgewacht. Kaylee stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch und stand auf. Während sie den Flur hinunterging, um nach Amber zu sehen, trocknete sie sich die tränenfeuchten Wangen. Jetzt musste sie an Amber denken. Sie hatte nicht die Zeit, sich über die Vergangenheit Sorgen zu machen, die sie sowieso nicht ändern konnte.
„Hattest du einen schlechten Traum, meine Süße?“, fragte sie und nahm das kleine Mädchen in den Arm.
Amber schüttelte verschlafen den Kopf, steckte einen Finger in den Mund und barg das Gesicht am Hals ihrer Mutter.
„Es ist schon gut, mein Engel. Mommy lässt nicht zu, dass dir etwas passiert“, sagte Kaylee und drückte ihre Tochter fest an sich.
Sie stand auf und wollte ins Wohnzimmer gehen und sich mit Amber in den Schaukelstuhl setzen, aber in diesem Moment klingelte es an der Tür und sie machte einen Umweg, um zu sehen, was für ein Vertreter es war und was man ihr diesmal verkaufen wollte. Sie stellte den Kassettenrekorder an, der auf dem Tisch neben der Tür stand und lächelte Amber augenzwinkernd zu, als das Geräusch eines knurrenden Schäferhunds den Raum erfüllte.
„Irgendwann in nächster Zeit wird Mommy einen echten Hund kaufen – mit riesigen Zähnen und einem unstillbaren Hunger nach lästigen Vertretern.“ Sie vergewisserte sich, dass die Sicherheitskette vorgelegt war, holte tief Luft und drückte den Türgriff hinunter. „Aber jetzt schauen wir erst mal, wie wir diesen Knaben loswerden.“
Während Curtis vor der Tür zur Wohnung im ersten Stockwerk wartete, rückte er die Schlinge zurecht, die seinen linken Arm fest an seinen Körper presste, und sah sich im schäbigen Gebäude um. Was machte Kaylee nur hier? Warum lebte sie nicht auf ihrer Ranch in Oklahoma?
Die ganze Zeit im vergangenen Monat, als er sich von seinen Verletzungen erholte, hatte er eingehend sein Gewissen geprüft und war zu der Erkenntnis gekommen, dass er Kaylee finden und die Dinge wieder in Ordnung bringen musste. Er schüttelte den Kopf. Er war nahe davor gewesen, dem Sanitäter an die Gurgel zu gehen, weil er respektlos über Kaylee gesprochen hatte, aber zu seiner Schande musste er zugeben, dass er selbst sich nicht viel besser verhalten hatte. Er hatte Kaylee angefahren, einfach nur weil sie Zeuge seines demütigenden Zustands gewesen war.
Aber sobald er wieder auf den Beinen war, war er zur Lazy-S-Ranch gefahren. Dort hatte er erfahren, dass Kaylee nur kurze Zeit nach Mitchs Tod die Ranch verkauft und nach Oklahoma City gezogen war. Curtis hatte das Telefonbuch zu Hilfe nehmen müssen, um sie zu finden. Aber glücklicherweise gab es nur eine einzige Kaylee Simpson in der Gegend.
Die Tür wurde plötzlich geöffnet, so weit es die Sicherheitskette zuließ. „Es ist mir egal, was Sie verkaufen wollen. Ich möchte kein …“ Kaylee brach abrupt ab. „Curtis?“
Er schob seinen Cowboyhut mit dem Daumen aus der Stirn, schluckte nervös und lachte über die Aufnahme mit dem knurrenden Hund. „Schafft die Kassette mit Cujo es wirklich, die Vertreter zu verjagen?“
Sie sah ihn immer noch fassungslos an, als könnte sie ihren Augen nicht trauen. „Was tust du denn hier?“
Ihr barscher Ton ließ ihn zusammenzucken. Sie machte wirklich nicht den Eindruck, als freue sie sich, ihn wiederzusehen. Und wenn man es recht bedachte, konnte er es ihr wohl nicht übel nehmen.
Er hoffte, sie mit freundlichem Necken in bessere Stimmung zu bringen. „Dir auch einen guten Tag, du wilde Range. Möchtest du Cujo nicht abschalten, jetzt wo du weißt, dass ich es bin und kein Vertreter, der dir einen Staubsauger andrehen will?“
Sie wandte sich ab, und der knurrende Hund verstummte. „Entschuldige. Hallo, Curtis.“
„Will sehen“, sagte eine kleine Stimme, und dann erschienen winzige Finger am Rand der Tür, als wollten sie sie weiter aufmachen.
Curtis runzelte die Stirn. „Hast du Besuch?“
„Nein, aber jetzt ist wirklich keine gute Zeit“, sagte Kaylee und löste die Finger des Kindes von der Tür.
Die panische Angst, die er plötzlich in ihren veilchenblauen Augen sah, beunruhigte ihn sehr. „Ist alles in Ordnung, Kaylee?“
Sie nickte. „Ja, warum nicht?“
„Will sehen, Mommy“, drängte das kleine Stimmchen wieder. „Will sehen.“
„Nicht jetzt, Süße“, erwiderte Kaylee sanft.
Curtis hatte das Gefühl, man hätte ihn in den Magen geboxt. Kaylee hatte ein Kind? War sie verheiratet?
„Wir müssen uns unterhalten“, sagte er ernst.
Er stellte sich vor, dass Mitch von ihm verlangt hätte, nach seiner kleinen Schwester zu sehen. Aber wenn er ehrlich war, wollte er selbst wissen, was hier vor sich ging.
„Ich kann mir nicht denken, worüber.“ Sie zuckte die Achseln, aber er hörte ihrer Stimme an, dass sie aus irgendeinem Grund verteufelt nervös war.“
„Komm schon, Kaylee“, sagte er und betrachtete sie aufmerksam. „Ich bin den ganzen Weg von der Lonetree Ranch hergefahren, um mit dir zu reden. Das Mindeste, was du mir zugestehen kannst, sind fünf Minuten deiner Zeit.“
Die Resignation in ihrem Ausdruck machte ihn noch unruhiger. Es war nur allzu deutlich, dass hier etwas vorging, und Curtis war entschlossen herauszufinden, was es war.
„Kaylee?“
Sie schloss die Tür, löste die Kette und öffnete sie dann weit, damit Curtis in die kleine Wohnung kommen konnte. „Entschuldige die Unordnung“, sagte sie und wies auf das vor dem Sofa verstreute Spielzeug. „Ich war nicht auf Besuch vorbereitet.“
Curtis wollte ihr sagen, dass er daran gewöhnt war, in den Häusern seiner Brüder über herumliegendes Spielzeug zu stolpern, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Das Kind auf Kaylees Hüfte war ein kleines Mädchen mit rabenschwarzen Locken. Sie hatte das Gesicht schüchtern an Kaylees Hals versteckt, aber etwas an dem Kind ließ ihn erschauern und brachte seinen Puls zum Rasen.
„Ist das deine Tochter?“, fragte er atemlos.
Kaylee sah ihn lange stumm an, wie ihm schien, bevor sie schließlich nickte. „Ja. Das ist meine Tochter Amber.“
Das Mädchen sah auf, als sie seinen Namen hörte, aber als sie Curtis’ Blick auf sich gerichtet sah, steckte sie den Daumen in den Mund und barg wieder das Gesicht an Kaylees Schulter.
Es war nur ein kurzer Blick gewesen, aber er hatte gereicht, damit Curtis sehen konnte, dass die Augen des kleinen Mädchens von einem intensiven Blau waren. Seine Schwägerinnen Annie und Samantha nannten es scherzhaft das „Wakefield-Blau.“
Sein Herz klopfte wild in seiner Brust, und es fiel ihm plötzlich schwer zu atmen. Das Kind musste etwa im gleichen Alter sein wie Zach, der kleine Junge seines Bruders Burt. Er brauchte nur ein wenig zu rechnen …
Er schluckte mühsam. „Sie ist mein Kind, nicht wahr, Kaylee?“
Sie biss sich auf die Unterlippe, die plötzlich verräterisch zu zittern begonnen hatte. Er kannte die Antwort, aber er musste sie von ihr hören.
„Kaylee?“
Sie holte tief Luft und begegnete herausfordernd seinem Blick. „Ja, Curtis. Amber ist unsere Tochter.“
„Verdammt, Kaylee, warum hast du es mir nicht gesagt?“, verlangte Curtis zu wissen. Die widersprüchlichsten Gefühle bestürmten ihn, und er musste ein paar Mal tief durchatmen, um sich ein wenig zu beruhigen. „Meinst du nicht, dass ich das Recht habe zu wissen, dass ich eine Tochter habe?“
Kaylees Augen blitzten verärgert auf. „Nein.“
Curtis war nicht sicher, was für eine Antwort er erwartet hatte, aber Kaylees hitziger, abweisender Ton überraschte ihn. Er hatte sie noch nie so wütend erlebt. „Warum nicht?“, fragte er gereizt. Wenn jemand das Recht hatte, wütend zu sein, dann war er das. Kaylee hatte ihm etwas so Wichtiges wie die Existenz seiner Tochter verheimlicht.
Das Kind fing an, leise zu weinen, und klammerte sich ängstlich an seine Mutter. Offenbar machten ihr die lauten Stimmen Angst.
„Möchtest du ein bisschen Saft haben, mein Liebling?“, fragte Kaylee mit sanfter, beschwichtigender Stimme und streichelte den Rücken ihrer Tochter.
Die Kleine nickte.
„Lass mir nur etwas Zeit, sie zu beruhigen.“ Kaylees Stimme blieb ruhig, aber der Blick, den sie Curtis zuwarf, war immer noch herausfordernd und kühl. „Dann können wir reden.“
„Darauf kannst du wetten“, sagte er leise und sah ihr nach, wie sie ihre Tochter – seine Tochter – in die kleine Küche trug.
Seine Tochter.
Ein Gefühl, wie er es noch nie empfunden hatte, schnürte Curtis die Kehle zu. Er war der Vater eines zweijährigen Mädchens, das ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war. Der Gedanke war so überwältigend, dass ihm schwindelig wurde. Allmählich sank die Wahrheit ein, und Fragen wirbelten ihm im Kopf herum. Wie hatte Kaylee ihm so etwas antun können? Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie in ihrer einzigen gemeinsamen Nacht schwanger geworden war?
Curtis war nicht sicher, welche Gründe sie gehabt hatte, aber er war entschlossen, sie herauszufinden. Er nahm seinen Hut ab und legte ihn neben den Kassettenrekorder auf dem Tisch neben der Tür. Er würde nirgendwo hingehen, bevor Kaylee ihm nicht all seine Fragen beantwortet hatte. Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. Und wenn sie wusste, was gut für sie war, würde sie darauf achten, ihm sehr gute Antworten geben.
Kaylee ging an ihm vorbei und setzte Amber auf den Boden. Curtis wartete, bis sie der Kleinen ein Plastikglas gegeben hatte, bevor er fragte: „Hattest du vor, es mir jemals zu sagen?“
Kaylee nahm einen Becher vom Kaffeetisch. „Nein.“