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Mit seinem neuen Buch führt Wilhelm Schmid die Überlegungen in seinem Bestseller Gelassenheit fort und weist den Weg zu einer echten Freundschaft mit sich selbst: Die Basis der Gelassenheit ist die freundliche, verlässliche Beziehung zu sich. Sie begründet ein Selbstvertrauen, das einen besseren Umgang mit sich selbst ermöglicht und auch ein besseres Miteinander.
Ermutigen kann die Idee der Selbstfreundschaft alle, die sich erschöpft und ausgebrannt fühlen. Balsam kann sie für diejenigen sein, für die das Selbst zur Wunde geworden ist, zugefügt von Anderen, vom Leben, von unguten Verhältnissen. Eine Perspektive kann die Stärkung der Selbstbeziehung denen bieten, die mit sich allein zurechtkommen müssen. Nicht zuletzt kann sie Menschen weiterhelfen, die nur Selbstverzicht und Pflichterfüllung kennengelernt haben und es als Befreiung ihres Lebens empfinden, sich auch um sich selbst kümmern zu dürfen, ohne sich den Gefahren einer übertriebenen Selbstliebe aussetzen zu müssen.
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Seitenzahl: 91
Wilhelm Schmid
Selbstfreundschaft
Wie das Leben leichter wird
Insel Verlag
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eBook Insel Verlag Berlin 2018
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eISBN 978-3-458-75690-3
www.insel-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Informationen zum Buch
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Impressum
Inhalt
Vorwort
1. Sich lieben oder mit sich befreundet sein?
2. Sich wahrnehmen und Selbstkenntnis gewinnen
3. Die Sorge für sich selbst
4. Die Sinnlichkeit des Selbst
5. Die Beseeltheit des Selbst
6. Die Nachdenklichkeit des Selbst
7. Die sieben Punkte der Selbstdefinition
8. Wiederkehrende Fragen: Bin ich schön?
9. Bin ich glücklich?
10. Führe ich ein erfülltes Leben?
Schluss: Was soll aus dem Ich werden?
Fußnoten
Informationen zum Buch
Es war eine Entdeckung, die mich packte und nicht mehr losließ. Die Sätze in diesem Buch elektrisierten mich: Zur Sorge für sich selbst leite die Philosophie an, um mit Überlegung den eigenen Weg zu gehen, sich bei großer Unruhe in sich zurückzuziehen, dann wieder Anderen zuzuwenden, nicht zu hadern mit dem, was geschieht, sondern es zu lieben und den eigenen Fähigkeiten entsprechend tätig zu sein, nicht länger über das Wesen des guten Menschen zu diskutieren, sondern ein solcher zu sein und auf diese Weise »das schönste Leben zu führen«.
Die Sätze halfen mir, Halt zu finden in meinem Leben, das ich bis dahin eher durchirrt hatte, romantisch, idealistisch, introvertiert, melancholisch. Ich hatte nicht so recht gewusst, wohin mit mir, und immer wieder waren hoffnungsvolle Beziehungen zerbrochen. Das Buch wies mir den Weg: Beginne erst einmal bei dir selbst, dies ist dein Leben, mache etwas daraus, woran du dich erfreuen kannst und womit du Andere erfreust. Dabei waren sie doch ziemlich alt, diese »Wege zu sich selbst«, Ta eis heauton, die griechisch geschriebenen Selbstbetrachtungen des Stoikers Marc Aurel aus dem 2.Jahrhundert n.Chr., die mir glücklicherweise in die Hände fielen.
Dann war es wie so häufig: Was ich für meine individuelle Entdeckung hielt, entdeckten auch Andere, auf ihre je eigene Art. Zwei, drei Jahrzehnte später war die Hinwendung zum Selbst zu einer großen Bewegung angewachsen, immer mehr Menschen schlossen sich ihr an. Erst allmählich wurde mir klar, dass daraus nicht etwa die erhoffte maßvolle Selbstkultur hervorging, sondern dass viele zu einem maßlosen Selbstkult hin drifteten. Das Projekt einer Stärkung des Selbst lief aus dem Ruder, vielleicht trug ich dazu auch meinerseits mit einem der vielen Bücher zum Thema bei.[1] Da geriet etwas ins Rutschen, was nicht so gemeint war.
Wenn ich über die Gründe dafür nachdenke, komme ich zum Schluss, dass die schiefe Ebene in der immer ungehemmter propagierten »Selbstliebe« angelegt war, die zum übertriebenen Narzissmus hin offen ist. Hinzu kam die Situation, auf die dies traf: Sinnverlust, zerbrechende Beziehungen und andere Herausforderungen der modernen Welt führen Menschen offenbar dazu, mit einer kräftigen Portion Selbstbehauptung gegenhalten zu wollen. Abgesehen davon dürfte die Übersteigerung der Selbstbeziehung zumindest zum Teil der üblichen Bewegung der Geschichte geschuldet sein: Auf ein Extrem antwortet ein anderes. Auf die Jahrhunderte währende Geringschätzung des Selbst musste also seine Überschätzung folgen. Ebenso ist eine Reaktion auf die starke Betonung der Gesellschaft seit der Studentenbewegung von 1968 denkbar, in deren Schlepptau Menschen zu fragen begannen: »Aber ich – was ist mit mir?« Jede Rede vom Ich wurde ins Abseits gedrängt – und dies umso mehr, je ungehinderter die Propagandisten der ichlosen Gesellschaft selbst einem eitlen Narzissmus huldigten.
Gegen ein wenig Narzissmus ist nicht viel zu sagen: Von einem Menschen, der sich selbst wenigstens ein bisschen mag, geht mehr Frieden aus als von einem Menschen, der mit sich nichts anzufangen weiß, sich womöglich hasst. Wie sonst sollten Menschen sich gerade in schwieriger Zeit orientieren, wenn nicht dadurch, dass sie sich erst einmal auf sich selbst besinnen? In Zeiten der Digitalisierung kann dies helfen, sich in den neuen Möglichkeiten nicht zu verlieren.
Die Schwierigkeiten werden jedoch größer, wenn sich alles nur noch um das eigene Ich dreht, und das ist zu beobachten: Die Schlüsselqualifikation für steile Karrieren in der Wirtschaft scheint ein offen zur Schau gestellter Narzissmus wie im Popgeschäft zu sein. Zerstörerische Ausmaße nimmt er bei jungen Menschen an, die ihr Ich mit Gewalt durchzusetzen bereit sind, sowie bei alternden Präsidenten, die Staaten als Fortsetzung ihrer Ichs mit anderen Mitteln verstehen. Es hat mit dem Fehlen einer Selbstkultur zu tun, wenn irrlichternde Ichs triumphieren und unter dem Vorwand beliebiger Gründe Andere terrorisieren, ganz nach dem Motto: Liebe dich selbst, und es ist egal, was du kaputt machst.
Die übersteigerte Selbstliebe ist ein Irrweg, gleichermaßen kräftezehrend für das Ich, das ein Idealbild seiner selbst realisieren will, wie für Andere, die davon betroffen sind. Nach einer Weile des Erschreckens über die Auswüchse des Narzissmus könnte die Zeit reif dafür sein, einen anderen Weg der Selbststärkung offensiver ins Spiel zu bringen. Die Selbstfreundschaft steht für eine Pflege des Selbst, durch die das Leben leichter wird, da sie einem Menschen ermöglicht, besser mit sich umzugehen und damit umgänglicher auch für Andere zu werden. Die freundliche Beziehung zu sich stellt die Basis der Gelassenheit dar und begründet ein Selbstvertrauen, das von Dauer sein kann. Das haben auch viele im Sinn, die von Selbstliebe sprechen. Aber eine größere begriffliche Klarheit hilft, Missverständnisse zu vermeiden.
Liebe und Freundschaft sind schon bei den Beziehungen zwischen zweien nicht dasselbe, so auch in der Beziehung zu sich selbst. Die Selbstfreundschaft neigt weniger zu leidenschaftlichen Übertreibungen und erlaubt mehr Distanz zu sich selbst. Mit der Selbstfreundschaft wählt ein Ich sich selbst zum Ansatzpunkt für das Bemühen um eine verträglichere Welt, die sich durch mehr humanen Charme und weniger Narzissmus auszeichnet. Ohne Umstände kann das Selbst bei sich selbst mit der Arbeit beginnen und muss nicht ewig auf äußere Verbesserungen warten. Es kann für sich den Beweis antreten, dass sich mit einem veränderten Selbstverhältnis zunächst einmal die Welt, in der es alltäglich lebt, verbessern lässt. Sodann erweist sich die Selbstfreundschaft als ein Weg, vom Ich zum Wir zu kommen, sodass das Selbst mit Anderen in einem bejahenswerteren sozialen Umfeld leben kann. Und schließlich kann es sich mit Anderen zusammentun, um an wünschenswerten Veränderungen auch in der Gesellschaft zu arbeiten, denn die Selbstfreundschaft bleibt nicht beim Selbst und seiner unmittelbaren Umgebung stehen.
Es sind engagierte Einzelne, die eine Gesellschaft und ihre Institutionen bauen und umbauen, bewahren und verändern. Sollte die Gesellschaft ihrer Meinung nach eine andere werden, können sie beim Umgang mit sich und Anderen bereits einen Anfang machen. Die Glaubwürdigkeit des Bemühens um Veränderungen wird größer, wenn die damit verbundene Anstrengung nicht Anderen aufgebürdet wird. Und jede Veränderung gewinnt an Überzeugungskraft, wenn sie von realen Menschen ins Werk gesetzt und nicht nur ideologisch angemahnt wird. Da der Einzelne ein Teil der Gesellschaft ist und alle Teile das Ganze beeinflussen, hat die Art, wie er lebt, ohnehin schon Auswirkungen auf Andere und die Gesellschaft, und seien sie noch so unscheinbar. Die Wirkung mag klein sein, aber dass viele kleine Impulse sich allmählich zu einer großen Bewegung summieren können, brachte die Rückbesinnung auf das Selbst gegen alle anfänglichen Widerstände zum Vorschein.
Die Anregungen für den Weg zur Selbstfreundschaft, die dieses Buch geben will, gingen aus zahlreichen Beobachtungen, Begegnungen, Überlegungen, Erfahrungen und Diskussionen hervor. Dabei hat sich gezeigt, wie hilfreich jeder einzelne Punkt gerade in schwieriger Zeit sein kann und dass der Weg hier bereits das Ziel ist, denn zu keinem Zeitpunkt ist der Prozess der Selbstbefreundung abgeschlossen.
Ermutigen kann die Idee der Selbstfreundschaft alle, die sich erschöpft und ausgebrannt fühlen. Balsam kann sie für diejenigen sein, für die das Selbst zur Wunde geworden ist, aufgerissen von Anderen, vom Leben, von unguten Verhältnissen. Eine Perspektive kann die Stärkung der Selbstbeziehung denen bieten, die mit sich allein zurechtkommen müssen und daran nichts ändern können oder wollen. Nicht zuletzt kann sie Menschen weiterhelfen, die nur Selbstverzicht und Pflichterfüllung kennengelernt haben und es als Befreiung ihres Lebens empfinden, sich auch um sich selbst kümmern zu dürfen, ohne sich den Gefahren einer übertriebenen Selbstliebe aussetzen zu müssen.
Freundschaft ist ein hohes Gut. Das gilt auch für die Freundschaft mit sich selbst, diese freie Form der Selbstbeziehung, die für Beziehungen zu Anderen weit offen bleibt, während bei übermäßiger Selbstliebe das Interesse an Anderen eng an das Eigeninteresse gebunden ist.
Selbstfreundschaft und Selbstliebe: Im wirklichen Leben sind sie selten in reiner Form zu finden, häufig in Mischformen in ein und derselben Person. Welche Form in einem Menschen überwiegt, hat mit seiner Veranlagung und dem sozialen Umfeld zu tun. Aber er muss diesem Einfluss nicht lebenslang ausgeliefert sein. Er kann selbst entscheiden, in welche Richtung er sich entwickeln will und ob er zu einer Auseinandersetzung mit sich bereit ist, um den Schwerpunkt im eigenen Selbst zu verschieben. Daher zielt eine erste Anregung für den Weg zur Selbstfreundschaft darauf, die Form der Selbstbeziehung bewusst zu wählen.
Die Unruhe über die Form der Selbstbeziehung ist nicht neu. In der abendländischen Kultur stritten bereits Platon und Aristoteles darüber, ob die Zuneigung zum Selbst, die philautia, eine übermäßige Selbstliebe begünstige. Platon befürchtete das, aber Aristoteles sah in ihr eine Freundschaft (philia), die auf das eigene Selbst (autos) bezogen wird. In Marc Aurels Buch steht dieses Befreundetsein mit sich, philein heauton, für eine Selbstbeziehung, die auch zur Relativierung des Selbst in der Lage ist.
Als die christlichen Evangelien zur Nächstenliebe aufriefen, setzten sie eine starke Selbstbeziehung voraus: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Gemeint war damit sicher kein Narzissmus, sondern eine Zuwendung zu sich, die die Zuwendung zu Anderen erst ermöglicht. Aus Angst vor Übertreibungen wurde aber bald jede Selbstbeziehung eliminiert, die Nächstenliebe fand sich damit ihrer Basis beraubt. Umso mehr musste sie gepredigt werden, ohne dass sich der erwünschte Erfolg einstellen wollte.
Unterscheidungen könnten weiterführen: Die Selbstliebe