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Shibashi, auch bekannt als die 18 Gesundheitsübungen des Qi Gong, ist Meditation in Bewegung. Es verbindet östliche und westliche Spiritualität, Körper und Seele, Himmel und Erde. Verspannte Muskeln werden locker, der Energiefluss im Körper harmonisiert sich, der Geist wird ruhiger und wacher. Die Shibashi-Lehrerinnen Antoinette Brem und Barbara Lehner stellen eine Kurzform des Shibashi ausführlich vor, leiten in Text und Bild zum Üben an und zeigen, wie es heilsam in den Alltag integriert werden kann. Ein hilfreiches Buch für Shibashi-Übende und Menschen, die auf der Suche sind nach einer Spiritualität, die Körper und Seele verbindet.
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Seitenzahl: 153
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Vorwort
Einleitung
Was ist Shibashi?
Ein Übungsweg der Achtsamkeit und Hingabe
Hinweise für die Übepraxis
Übepraxis
Mich einfinden – Lebendig werden in Gegensätzen Taoistischer Gruß
Mich erden – Ankommen im Jetzt Stehmeditation zum Ankommen
Mich mitten – Heimkommen im Wurzelraum des Beckens Kameraübung als Bewegungsimpuls
Mich öffnen – Mein Dasein wagen Shibashi 1 Frühling: Auf einem Berggipfel die Brust weit machen
Mich entfalten – Die Freiheit des Herzens entdecken Shibashi 2 Sommer: Die Wolken teilen
Mich vertiefen – Im Loslassen in die Fülle wachsen Shibashi 3 Spätsommer: Ein Boot rudern auf dem See
Mich ausrichten – Himmel und Erde verbinden im Jetzt Shibashi 4 Herbst: Den Mond anschauen
Mich lassen – Geborgenheit im Wechsel der Zeiten erfahren Shibashi 5 Winter: Mit den Wellen rollen
Mich einweben – Das Ganze und sein Geheimnis ehren Abschlussgeste »Namaste«: Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir
Hinweise und Arbeitsmaterial zur Vertiefung
Die beschriebene Kurzform des Shibashi
Hinweise zu den 18 Bildern des Shibashi
Literatur
Hinweise auf Shibashi-Kurse
Anmerkungen
Textnachweis
Die Autorinnen
Ruhe und Achtsamkeit erfahren
Vielleicht haben Sie sich über das Wort »erfahren« im Titel gewundert. Wir haben es bewusst gewählt, denn mit diesem ersten Buch zur Bewegungsmeditation Shibashi möchten wir Menschen ermutigen, einen Erfahrungsraum zu betreten und ihn durch eine tägliche Übepraxis mehr und mehr zu bewohnen. Es geht um die Erfahrung von Stille und wachem, achtsamem Dasein. Um eine Hellhörigkeit für die Gegenwart und eine Sensibilität für das, was jetzt gerade ist. Um ein stilles, waches Sein im Hier und Jetzt. Nicht zuletzt, weil wir selbst spüren, wie dies nottut in unserer Zeit. Weil wir Menschen begegnen, die eine tiefe Sehnsucht in sich tragen, sich in dem Vielen zu einen. Aus der Zerstreuung in eine innere Sammlung zu finden. Im Gehetztsein einen Ruhepol in sich zu entdecken.
Lebensimpulse aus dem Qi Gong
Qi Gong ist eine östliche Heil- und Meditationsform, die ihre kulturellen und spirituellen Wurzeln im Taoismus hat. Wir sind von einer westlich-christlichen Tradition geprägt. Inspiriert durch ein körperbezogenes Verständnis von Spiritualität in der feministischen Theologie sowie durch die befreiungstheologische und mystische Tradition des Christentums haben wir uns vor vielen Jahren mit Shibashi als Form des Qi Gong auf einen Weg begeben. Wir entdeckten, dass die Übungen tiefe Wahrheiten enthalten. Dass sie anregen zum Einüben einer lebensfreundlichen Grundhaltung in den Herausforderungen des Lebens. Dass sie spirituelle Weisheiten vertiefen und erden, weil sie durch die Körperübung zur Erfahrung werden. Diese Erfahrung greift tiefer als Worte. Sie hat uns in einen inneren transkulturellen und transreligiösen Dialog zwischen westlicher und östlicher Weisheitstradition, zwischen Körper und Spiritualität eintreten lassen und uns bereichert. Einige Gedanken und Anregungen möchten wir hier weitergeben. Wir denken, dass der gelebte Dialog zwischen verschiedenen religiösen und kulturellen Traditionen unsere Zeit prägt und bereichert. Und dass die spirituellen Traditionen und Meditationsformen sich annähern, je tiefer sie in die konkrete Erfahrung des Absoluten, des Größeren, der letzten Wirklichkeit und des Seins hineinführen. Wohl sind die Zugänge immer noch verschieden, aber wir erkennen Gemeinsamkeiten und erahnen, dass wir alle letztlich von derselben göttlichen Quelle genährt werden.
Absicht und Aufbau des Buches
Dieses Buch will anleiten zu Erfahrungen. Und es will ermutigen, sich auf einen Übungsweg zu begeben. In der Einleitung werden die inneren Grundlinien und die Hintergründe dieses Übungsweges des Shibashi als Meditation in Bewegung beschrieben. Ebenso zeigen wir auf, inwiefern wir Shibashi als spirituellen Übungsweg verstehen, und geben Empfehlungen und Hinweise für das tägliche Üben. Wir erzählen, wie das Unterwegssein mit Shibashi uns inspiriert zu einer lebens- und leibfreundlichen Körperspiritualität, wie Shibashi zu einem Gebet mit unserem Körper werden kann.
Der zweite Teil bildet das eigentliche Herzstück des Buches: die Anleitungen für die eigene Übepraxis. Damit diese möglichst vielen Menschen zugänglich ist, haben wir uns entschieden, uns zu beschränken, den Umfang zu reduzieren, in die Einfachheit hineinzuführen. Deshalb stellen wir hier eine Kurzform des Shibashi vor, die auch die »Fünf Jahreszeiten des Qi Gong, Yin-Form« genannt wird. Darin werden fünf der insgesamt 18 Bilder des Shibashi detaillierter beschrieben. Meister Zhang Hao vom Chi Chinese Healing College in Sydney, Australien hat diese Essenz der 18 Bilder des Taj Ji Qi Gong Shibashi zusammengestellt und von führenden Qi Gong-Meistern und -Schulen in China anerkennen lassen. Diese Einschränkung erlaubt uns, inhaltlich in die Tiefe zu gehen und Grundhaltungen zu vermitteln, die auch auf die 18 Bilder (s. dazu S. 148–168) übertragbar sind.
So finden Sie also in diesem Übungsteil des Buches neben einleitenden und abschließenden Grundübungen die Beschreibung der fünfteiligen Kurzform des Shibashi im Detail. Wir verdeutlichen den spirituellen Inhalt der Übungen durch eine Hinführung, poetische Texte und Anregungen für den Alltag.
Im Anhang finden Sie eine Zusammenfassung dieser Shibashi-Essenz-Form (Fünf Jahreszeiten Qi Gong, Yin-Form) fürs tägliche Üben sowie kurze Hinweise zu den gesamten 18 Bildern des Shibashi. Diese sind für jene gedacht, die die 18-teilige vollständige Form des Shibashi bereits aus einem Einführungskurs kennen, und auch für Shibashi-Lehrende, die sich weiterführend vertiefen wollen. Zudem geben wir Hinweise auf weiterführende Literatur.
Dank und Widmung
»Ich lernte, indem ich lehrte«, sagt Paulo Coelho in seinem Buch »Auf dem Pilgerweg. Tagebuch einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela.« Wir teilen diese Erfahrung. Seit mehr als 15 Jahren unterrichten wir Shibashi in Tages- und Wochenendkursen, in Übungsgruppen, Einzelstunden und im Rahmen unserer Weiterbildung zur Shibashi-Lehrperson. Beim Unterrichten haben wir selber viel gelernt in diesen Jahren: über Grundhaltungen – im Shibashi Qi Gong und im Leben – , über Körperwahrnehmung, über die Möglichkeiten und Grenzen von Korrektur, über Konkurrenz und Gemeinschaft.
Wir sind sehr dankbar für all jene, die uns diesen Lernprozess ermöglicht haben: Unser Dank geht zunächst an unsere erste Shibashi-Lehrerin Mary John Mananzan, die in uns den Keim für die Liebe zu Shibashi gelegt hat. Wir danken unseren Weggefährtinnen und Weggefährten, die mit uns seit Jahren Shibashi geübt haben und üben. Allen voran den Menschen auf den Philippinen, durch die wir Shibashi kennenlernen durften. Unserer Freundin und Kollegin Dorothea Egger Furter danken wir fürs engagierte Gegenlesen des Buchmanuskripts und viele wertvolle Impulse. Mit ihr zusammen haben wir über die Jahre unsere Methodik der Weitervermittlung entwickelt und einige Jahre das Shibashi-Netzwerk in der Schweiz wie auch die Weiterbildungskurse geleitet.
Widmen wollen wir dieses Buch unserer großartigen Meisterin Marimil Lobregat, die den gewachsenen Shibashi-Bäumchen reichlich Nahrung zuführte und dadurch einiges an Verfeinerung, tieferem Verständnis der Form und Korrektur ermöglichte. Marimil Lobregat scheute keine Mühe, um in uns das Feuer der Begeisterung für Shibashi und für die von ihr erlernten weiteren Qi Gong-Formen zu nähren. So hat sie uns auch die Bilder der einzelnen Übungen für dieses Buch bereitwillig zur Verfügung gestellt. Mit ihren, damals über 80 Jahren war sie uns und allen, die sie bei ihren Besuchen in der Schweiz in ihren letzten Lebensjahren kennenlernen durften, eine Quelle lebendiger Inspiration fürs Älterwerden. Auch seit ihrem Tod, anfangs Dezember 2017, bleibt uns ihre Ausstrahlung und ihr Charisma gegenwärtig.
Vor all diesen Menschen, mit denen wir durch dieses Körpergebet verbunden sind, verneigen wir uns und sagen dankbar:
Namaste – das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir.
Antoinette Brem und Barbara Lehner
Luzern, Oktober 2021
Shibashi ist Poesie in Bewegung – die Kunst loszulassen.
MARIMIL LOBREGAT
Der Name Shibashi besteht aus den Silben ›Shi‹ und ›ba‹. Shi (Qi) bedeutet in China die Zahl zehn und »Luft, Atem, Dampf, Gas, Vitalität, Lebensenergie, Geist«. Bá heißt »und, mehr« und die (weibliche) Zahl acht – die in taoistischen Symbolsystemen (wie den acht Triagrammen des I-Ging) ein Bild der kosmischen Ganzheit ist. Frei übersetzt bedeutet also der Name Shibashi soviel wie »die 18 Qi-Übungen« oder »die Lebenskraft, die in der kosmischen Ganzheit fließt«.
Auf die wiederkehrend gestellte Frage, wie Shibashi eigentlich entstanden sei, gibt es eine für uns sehr stimmige poetische Antwort, die der Taj Ji-Meister Chungliang Al Huang aufgeschrieben hat. Die Geschichte spricht zwar vom Taj Ji, sie kann aber sicher genauso für Shibashi gelten:
Ein Märchen, das Wahrheit werden kann
»Es war einmal vor langer Zeit, da saß ein Mensch – Mann oder Frau – auf dem Gipfel eines Berges, irgendwo, in einem beliebigen Teil der Welt, und beobachtete still die Natur. Er fühlte sich so beseelt von den natürlichen Bewegungen in der Welt um sich herum, dass er spontan zu tanzen begann, indem er all jene Elemente der Natur, die er leicht erfassen konnte, in ihren Bewegungen nachahmte. Er öffnete sich vollkommen den Kräften der Natur – er wurde eins mit ihnen: Himmel, Erde, Feuer, Wasser, Bäume, Blumen, Wind, Wolken, Vögel, Fische und Schmetterlinge.
Sein Tanz beglückte ihn so sehr, dass sein ganzes Wesen sich auf das vollkommenste verwandelte. Erfüllt von einem überströmenden Glücksgefühl, gab er jeder Bewegungsfolge einen poetischen Namen: Kosmische Seifenblase, Harmonische Yin-Yang-Schleife, Der weiße Kranich schlägt mit seinen glänzenden Flügeln, Hin- und herwogende Wolkenhände, Goldene Vögel balancieren auf einem Bein, Umarme den Tiger – kehre zum Berg zurück. So wurde dieser Mensch zum Schöpfer des Taj Ji-Tanzes.
Dieser Moment der Schöpfung kann vor vielen tausend Jahren stattgefunden haben – oder gerade eben, jetzt, in diesem Moment, irgendwo – überall auf der Welt.
Dieser Mensch könntest Du sein –
Du bist der mögliche Schöpfer des Tai Ji!
Du bist der Tänzer und der Tanz.
Freue Dich daran!«1
Selbstsorge und Sorge ums Ganze
Unter dem Namen »18 Übungen des Taiji-Qigong-Shibashi« wurde die uns heute bekannte Form 1979 von Professor Lin Housheng aus bewährten Übungen des Taijiquan und typischen Qi Gong-Übungen zusammengestellt. Dabei fanden ursprünglich vor allem medizinische Gesichtspunkte Beachtung.
Shibashi ist über die Philippinen nach Europa gekommen und erfreut sich hier seit den frühen 1990er-Jahren zunehmender Beliebtheit. Interessant ist der Hintergrund, wie und warum Shibashi auf den Philippinen selbst Fuß fassen konnte. Viele der sozial-politisch engagierten philippinischen Ordensleute und ihnen nahestehende Frauen und Männer waren im Widerstand gegen die Diktatur unter Ferdinand Marcos nach jahrzehntelangem Engagement für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden ausgebrannt, erschöpft und orientierungslos. Sie erkannten, dass sie eine spirituelle Verwurzelung und einen Nährboden für ihr politisches Engagement brauchten, und suchten dies in der großen Tradition Asiens. Eine franziskanische Ordensfrau, Marimil Lobregat, die damals bereits in Australien lebte, kam ihnen – ohne es zunächst zu ahnen – zu Hilfe. Sie begann vor 30 Jahren in einem Sterbehospiz zu arbeiten und etwa in derselben Zeit entdeckte sie Taj Ji Qi Gong Shibashi. Während andere Hospiz-Mitarbeitende zunehmend unter Burnout litten, halfen ihr die täglich praktizierten Übungen, immer wieder zu Kräften zu kommen. Gemeinsam mit einer befreundeten philippinischen Ordensfrau, Guadelupe Bautista, und mit ihrer Jugendfreundin Matilde Mosco rief sie ein Programm ins Leben, welches vor allem jenen zugutekommen sollte, die vorwiegend und immer zuerst für andere da sind. Dies war die Geburtsstunde des »Care for Carers Ministry«. Im Kern ist Care for Carers die Verbindung von Selbstsorge, u. a. durch die Praxis von Taj Ji Qi Gong Shibashi, und mitfühlendem Engagement für Menschen in Not und für die gesamte Mitwelt. Care for Carers-Gruppen gibt es mittlerweile auf den Philippinen, in Süd afrika, Mexiko, Italien, der Schweiz und den USA.
Schwester Marimil Lobregat verbindet in ihrer Person östliche und westliche Quellen. Ihre Mutter war Spanierin, der Vater Filipino. In ihrer spirituellen Verwurzelung bezieht sie sich auf christliche Schöpfungsspiritualität ebenso wie auf die Weisheitstraditionen des Taoismus. Sie lebt in Sydney, Australien, und arbeitet heute noch als über 80-Jährige im Sterbehospiz. In ihrer übrigen Zeit unterrichtet sie zusammen mit Master Zhang Hao Akupressur, Taj Ji und Qi Gong am Chi Chinese Healing College. So praktiziert sie selbst beispielhaft das Ineinandergreifen von Selbstfürsorge und Sorge um die Menschen, die ihr anvertraut sind, eben: Care for Carers.
Einbettung in die Qi Gong-Tradition
In Asien spricht man oft von der Chi- oder Qi-Kraft und meint damit eine unerschöpfliche und allgegenwärtige Lebenskraft, die einen grundlegenden Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat. Kann diese Kraft nicht ausreichend und harmonisch im Körper fließen, erkrankt der Mensch. Wie der Fund einer alten Tonscherbe belegt, wird Qi Gong vermutlich schon seit mehr als 10 000 Jahren geübt; das Wort Qi Gong wird allerdings erst seit den 1950er-Jahren für diese Bewegungsformen benutzt.
Was aber ist Qi? Auch wenn Sie noch nie von Qi gehört haben, dürften Sie über Qi-Erfahrungen verfügen. Qi-Bewegung im Körper wird spürbar, wenn Sie zum Beispiel rot werden und plötzlich Wärme in Ihnen aufsteigt oder Sie beim Gähnen eine Gänsehaut überkommt und Ihnen Tränen in die Augen treten. Wenn Sie die Handflächen aneinander reiben und diese warm werden oder ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen spürbar wird, ist dies die Wirkung eines aktivierten Qi-Flusses in Ihren Händen.
Dieselbe Lebenskraft durchströmt nach Ansicht der chinesischen Philosophie den gesamten Kosmos, belebt und verbindet alle Menschen, Wesen, Pflanzen, Steine und Elemente miteinander. Sie hat eine Leben spendende und erhaltende Funktion. Durch sie sind alle Dinge im Kosmos aufeinander bezogen. Auffallend ist, dass in unserem Kulturkreis vor fast 1000 Jahren die Äbtissin, Gelehrte und Mystikerin Hildegard von Bingen mit ähnlichen Worten das Wirken einer alles durchwirkenden Schöpfungskraft, der Grünkraft, beschrieben hat. Die Sancta Viriditas, die »Heilige Grüne« sei die einheitliche Kraft, welche den Mikrokosmos genauso durchwirke wie den Makrokosmos. Die chinesische Philosophie bezeichnet diese Kraft als Qi.2
Unser Körper ist durchlässig für diese Energie und kann an bestimmten Stellen, z. B. Handflächen und Fußsohlen, Qi aufnehmen und abgeben. So ist der Körper mit der Natur, die ihn umgibt, in Verbindung und ständigem Austausch zwischen Mikro- und Makrokosmos. Im Körper fließt das Qi über »Qi-Bahnen«, die im europäischen Sprachgebrauch als Meridiane bezeichnen werden. Sie verbinden Aku punkturpunkte im Körper und stehen mit inneren Organen in Verbindung und Austausch.
Shibashi als Meditation in Bewegung
Shibashi – eine Ergänzung zum Sitzen in Stille
Teilnehmende in Shibashi-Kursen sagen oft: »Ich suche einen Weg in die Stille und möchte gerne regelmäßig meditieren. Aber da ich ein ausgesprochener Bewegungsmensch bin, liegt mir das Sitzen in Stille nicht. Deshalb möchte ich Shibashi kennenlernen.« Andere bemerken: »Ich empfinde Shibashi als gute Ergänzung zum Sitzen in Stille. Die Grundintention ist dieselbe: die innere Einkehr und das achtsame Dasein im Jetzt. Die wiederkehrenden Bewegungsbilder beruhigen meinen Geist und helfen mir, zu einer körperlichen Wachheit und inneren Sammlung zu finden.«
Spirituelle Traditionen der Bewegung als Weg in die Stille
Verschiedenste religiöse Traditionen kennen Bewegungsformen als Technik, die in eine innere Sammlung und Ausrichtung des Geistes und Herzens auf ein Größeres hinführen. So ist der Körper einbezogen in ein seelisch-geistiges Sich-Verbinden mit der letzten Wirklichkeit.
Gebetsgesten und Gebärdengebet
Gesten wie Händefalten, Verbeugungen, Ausbreiten der Hände, Knien oder gar Niederfallen vor einem Heiligtum begleiten das Gebet und vertiefen es. Die Gebetsweisen des heiligen Dominikus sind beispielsweise eine Anleitung für ein ganzheitliches Gebet, das den Körper mit einbezieht.
Unterwegssein und Gehen als Meditation
Die einfachste Form körperlicher Tätigkeit als Meditation ist wohl das Gehen, ausgeführt als Geh-Meditationen wie das Kinhin im Zen-Buddhismus oder als spiritueller Übungsweg der Achtsamkeit, wie sie der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh vermittelt. In dieser Tradition wird übrigens das achtsame Tun selbst zur Meditation. Alltägliche Verrichtungen wie der Geschirrabwasch oder das Gießen von Pflanzen können so zur Meditation werden.
Gehen kann zum Gebet werden. In Bitt-Prozessionen wird symbolisch das Heilige in Form von Bildern, Statuen oder dem »Allerheiligsten Sakrament« durch die Straßen einer Ortschaft oder durch eine Landschaft getragen, damit die Gegenwart Gottes mit Schutz und Segen über allem wache.
Äußeres Unterwegssein entspricht innerem Sich-auf-den-Weg-Machen. Viele Religionen kennen das Pilgern, das religiös motivierte Reisen und Wallfahren zu einem heiligen Ort, an dem betend und eine Gabe opfernd die eigenen Herzensanliegen dargebracht werden. Für fromme Muslime ist die Pilgerfahrt nach Mekka eine religiöse Pflicht. Hindus möchten einmal in ihrem Leben am heiligen Fluss Ganges stehen. Christen pilgern nach Jerusalem oder nach Santiago de Compostela.
Meditation des Tanzes
Seit Menschengedenken gilt zudem der Tanz als Mittel des lebendigen Dialogs mit dem Göttlichen und als ein Mittel, sich einzusenken in diese Wirklichkeit. Denken wir an die ekstatischen Tänze gewisser Naturvölker, den Derwisch-Tanz im Sufismus der islamischen Mystik, die Tänze mit der heiligen Schriftrolle, der Tora, im chassidischen Judentum oder an die meditativen Kreistänze, die seit bald 30 Jahren wieder aufleben und aus verschiedensten kulturellen und religiösen Traditionen stammen.
Was umfasst der Begriff Meditation?
Die Meditation (lateinisch meditatio, Ausrichtung zur Mitte) ist eine in vielen Kulturen und Religionen ausgeübte spirituelle Praxis. Durch sich wiederholende Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen wird der menschliche Geist beruhigt und gesammelt.
Neben dem Sich-Einfinden in göttlicher Wirklichkeit sind hellwaches, klares Gewahrsein und tiefste innere Ruhe und Entspannung Ziel der Meditation.
Äußerlich lassen sich Meditationstechniken in zwei Gruppen einteilen: in die passive, betrachtende Meditation, die im stillen Sitzen ausgeübt wird, und in eine aktive Meditationspraxis, zu der körperliche Bewegung, achtsames Handeln oder gar lautes Rezitieren von sogenannte Mantras, von heiligen Silben, Wörtern oder Texten gehört. Innerlich-geistig können beide Grundformen sowohl aktive Aufmerksamkeitslenkung wie auch ein sich Einsenken, Loslassen und Geschehenlassen beinhalten.
Christliche Formen der Meditation
Die christliche Tradition und das Zweite Vatikanische Konzil erkennen die Meditation als eine Form des Gebets und somit als ein Mittel an, um »die Wirklichkeit Gottes zu erreichen, die auch dem Alltag zugrunde liegt«. Die jüdische Meditation kennt das innerliche Murmeln des Gesetzes. In Anlehnung daran wurde in frühchristlichen und benediktinischen Gemeinschaften das Wiederholen und somit innere Wiederkäuen eines Schriftwortes im »Mund des Herzens« (sogenannte ruminatio) als ständiges Hinhören auf Gott und sein Wort praktiziert.