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Ganz langsam beugt sich Felix Marquard über den Tisch und streichelt der bezaubernden Celine über die Wange. Es ist das erste Mal, dass sie nicht zurückzuckt, sondern seine Berührung zulässt. Geduldig und liebevoll wirbt Felix schon so lange um sie, aber noch ist es zu früh für sie, ihm mehr zu geben! Noch immer fühlt Celine sich an ihren toten Mann gebunden ... "Wir haben alle Zeit der Welt, mein Herz", hört sie nun Felix sagen, und seine Worte wecken eine leise Hoffnung auf ein neues Glück in ihr. Doch am selben Abend muss Celine zu Hause eine böse Überraschung erleben: Die Vergangenheit holt sie auf schaurige Weise ein - und macht eine Zukunft mit Felix unmöglich ...
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Seitenzahl: 111
Cover
Impressum
Spuren, die bleiben
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / Air Images
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-3786-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Spuren, die bleiben
Eindringlicher Roman um das Schicksal einer jungen Witwe
Von Martina Linden
Ganz langsam beugt sich Felix Marquard über den Tisch und streichelt der bezaubernden Celine über die Wange. Es ist das erste Mal, dass sie nicht zurückzuckt, sondern seine Berührung zulässt.
Geduldig und liebevoll wirbt Felix schon so lange um sie, aber noch ist es zu früh für sie, ihm mehr zu geben! Noch immer fühlt Celine sich an ihren toten Mann gebunden …
»Wir haben alle Zeit der Welt, mein Herz«, hört sie nun Felix sagen, und seine Worte wecken eine leise Hoffnung auf ein neues Glück in ihr.
Doch am selben Abend muss Celine zu Hause eine böse Überraschung erleben: Die Vergangenheit holt sie auf schaurige Weise ein – und macht eine Zukunft mit Felix unmöglich …
»Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich vermisse, Richard!« Celine Bergner berührte sehnsüchtig die roten Schleifen, die den herzförmigen Kranz aus Moos und Blumen schmückten, den sie auf das Grab ihres Mannes gelegt hatte. Seit seinem Tod vor über einem Jahr hatte es nicht einen Tag gegeben, an dem sie nicht an ihn gedacht hätte.
Sie konnte noch immer nicht fassen, dass Richard nicht mehr lebte. So irrsinnig es ihr auch erschien, sie hoffte auf ein Wunder, das seinen Tod ungeschehen machte. Manchmal, wenn sie frühmorgens in ihrem Bett lag, stellte sie sich vor, wie es sein würde, wenn ihre tastende Hand nicht ins Leere griffe.
Es war alles so schnell gegangen. Richard war ziemlich erschöpft von einer Geschäftsreise zurückgekehrt. Er hatte über Kopf- und Gliederschmerzen geklagt, sich jedoch geweigert, einen Arzt aufzusuchen. Er hatte sich selbst mit allerlei Schmerz- und Erkältungsmitteln behandelt und war nicht einmal bereit gewesen, wenigstens für ein paar Tage im Bett zu bleiben.
»Du hättest ihn zwingen müssen, zum Arzt zu gehen, Celine«, hatte ihr seine Schwester Jutta vorgeworfen. »Wenigstens einer von euch hätte vernünftig sein müssen.«
Jutta hatte gut reden! Man hatte Richard noch nie zu etwas zwingen können, was er nicht wollte. So gut hätte sie eigentlich ihren Bruder kennen müssen.
Trotzdem machte Celine sich Vorwürfe. Als Richard nach einem Zusammenbruch endlich zugestimmt hatte, dass sie den Arzt anrief, war es zu spät gewesen. Die harmlose Erkältung, von der er immer gesprochen hatte, hatte sich als schwere Influenza erwiesen. Nicht einmal die Einweisung ins Krankenhaus hatte sein Leben retten können.
»Ich wünschte, du hättest auf mich gehört, Liebling«, flüsterte die junge Frau den Tränen nah.
Ein Rascheln in ihrer Nähe ließ sie zusammenzucken. Erschrocken drehte sie sich um und sah gerade noch, wie ein Eichhörnchen den Stamm des Ahornbaumes, der seitlich von ihr stand, hinaufrannte.
Unwillkürlich umspielte ein Lächeln Celines Lippen. Sie musste an den letzten Urlaub denken, den sie zusammen verbracht hatten. Jeden Morgen, wenn Richard und sie auf der Terrasse ihres Ferienhäuschens beim Frühstück gesessen hatten, hatte sich ein vorwitziges Eichhörnchen in ihre Nähe getraut und darauf gewartet, dass sie es fütterten.
In jenem Urlaub hatten sie auch davon gesprochen, nicht mehr allzu lange mit Kindern zu warten.
Celine seufzte auf. Sie bedauerte zutiefst, dass sie nicht einmal ein Kind von Richard hatte. Das wunderbare Heim, das sie gemeinsam geschaffen hatten, war nach seinem Tod leer. So leer, dass sie manchmal glaubte, die Stille um sich herum nicht mehr ertragen zu können.
Sie griff nach der Gießkanne, die sie neben sich gestellt hatte, warf einen letzten Blick auf Richards Grabstein und wandte sich dem Ausgang des Friedhofs zu. Niedergeschlagen schloss sie das schmiedeeiserne Tor hinter sich. Ihr Wagen stand nur ein paar Meter entfernt.
»Einstein! Einstein, sofort kommst du her!«
Celine schaute auf. Auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes rannte ein etwa fünf Jahre altes Mädchen mit einer blauen Leine in der Hand einem schwarz-weißen Border Collie hinterher, der überhaupt nicht daran dachte, dem Befehl der Kleinen zu folgen.
»Einstein, es reicht!«
Erst jetzt bemerkte Celine den blauen Kombi, der mit offener Heckklappe unter einer Birke stand. Sein Besitzer, ein brünetter, schlanker Mann in Cordhosen und einem hellen T-Shirt, nickte grüßend zu ihr hinüber.
Einstein stoppte. Langsam wandte er sich dem Mann zu, doch bereits im nächsten Moment begann er erneut zu rennen, dieses Mal direkt auf Celine zu. Bevor sie es noch verhindern konnte, sprang er sie bereits an.
Celine mochte Hunde.
»Na, was willst du denn von mir?«, fragte sie und kraulte ihm den Kopf.
»Sie sollten ihn nicht noch loben«, sagte der Mann und entschuldigte sich bei ihr. Er befestigte die Leine, die ihm das Kind reichte, an Einsteins Halsband. »So etwas macht er sonst eigentlich nicht. Ich meine, jemanden anspringen.«
Einstein zeigte nicht die geringste Reue. Unternehmungslustig wedelte er mit dem Schwanz.
»Tut mir leid.« Die Kleine machte ein betretenes Gesicht. »Ich hätte Einstein nicht von der Leine lassen dürfen.«
»Es ist ja nichts passiert«, erwiderte Celine.
»Doch. Er hat Ihre Jacke schmutzig gemacht.« Der Mann wies auf die beiden Pfotenabdrücke, die sein Hund auf Celines heller Jacke hinterlassen hatte. »Selbstverständlich komme ich für die Reinigung auf.«
»Ach was, das ist nicht nötig«, versicherte Celine. »Ich kann die Jacke in der Waschmaschine waschen. Das geht völlig problemlos.«
»Darf ich Sie wenigstens zu einer Tasse Kaffee einladen?«
»Nein, danke.« Celine schüttelte den Kopf. »Ich muss nach Hause.« Sie beugte sich über Einstein und strich dem Hund über den Kopf. »Für mich wird es Zeit«, sagte sie. »Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen«, antwortete der Mann. »Danke, dass Sie nicht gleich nach der Polizei gerufen haben.« Er grinste. »Es gibt nicht viele Leute, die für Einsteins Eskapaden Verständnis aufbringen.«
Celine hob die Hand zum Gruß und stieg in ihren Wagen. Während sie vom Parkplatz fuhr und in die Straße einbog, sah sie im Rückspiegel, wie Einstein auf die Ladefläche des Kombis sprang und sein Besitzer die Heckklappe schloss.
Was für ein netter Mann, dachte sie. Und die Kleine war einfach reizend. Sie hatte sich immer ein Töchterchen gewünscht. Sie … Erneut spürte sie einen tiefen Schmerz in ihrem Herzen. Nicht einmal ein Kind war ihr von Richard geblieben!
Ihr Haus lag etwas außerhalb von Burghausen. Auf der Fahrt dorthin kam Celine am Katharinenschlösschen vorbei, das vor einigen Jahren von der Stadt verkauft worden war. Es lag hinter einer hohen, zum Teil mit efeubewachsenen Mauer. Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass im Schlosshof demnächst ein Konzert stattfinden sollte.
Seit Richards Tod hörte sie kaum noch Musik. Sie müsste endlich wieder unter Menschen gehen, das Haus nicht nur zu kurzen Einkäufen und den Besuchen auf dem Friedhof verlassen. Ihre Schwiegermutter versuchte ständig, sie aus ihrer selbst gewählten Isolation zu locken. Celine überlegte, ob sie das Konzert besuchen sollte.
Nein, ich brauche noch Zeit, dachte sie. Allein schon der Gedanke an die vielen Menschen, die an diesem Nachmittag den Schlosshof bevölkern würden, machte ihr Angst. Am liebsten war sie allein, allein mit sich und ihrer tiefen Trauer um Richard.
***
Am nächsten Morgen machte sich Celine gleich nach dem Frühstück daran, im Garten Unkraut zu zupfen. Während sie auf dem Boden kniete, wanderten ihre Gedanken automatisch zu ihrem verstorbenen Mann. Wie sie hatte Richard die Gartenarbeit geliebt. Oft hatten sie den Samstag damit verbracht, Blumen zu pflanzen, Rosen zu beschneiden oder den Rasen zu mähen. Verstohlen strich sie sich über das Gesicht.
Vor dem Haus hielt ein Wagen. Gleich darauf hörte Celine die Klingel. Sie richtete sich auf, strich sich die Hände an der Gartenschürze ab und ging um das Haus herum. Vor der Gartentür stand der Bote eines Blumengeschäftes.
»Guten Morgen«, grüßte sie etwas irritiert.
»Guten Morgen«, antwortete der junge Mann. »Frau Bergner?« Als Celine bejahte, reichte er ihr den Blumenstrauß, den er in den Händen hielt. »Es liegt ein Umschlag bei.«
»Das muss ein Irrtum sein«, meinte Celine verwirrt. Wer sollte ihr Blumen schicken? Sie öffnete das Papier, das die Blumen verhüllte, und zog den blauen Umschlag heraus, der zwischen ihnen steckte. Nein, es war kein Irrtum! Auf dem Umschlag stand mit schwarzer Tinte ihr Name. »Bitte warten Sie einen Augenblick.« Sie eilte ins Haus, um ein Trinkgeld zu holen.
Kaum war der Blumenbote abgefahren, öffnete sie den Umschlag und zog ein Foto des Hundes heraus, der sie am Vortag angesprungen hatte.
»Einstein«, flüsterte sie fassungslos. Sie drehte das Foto herum. »Ein kleiner Gruß von Einstein, Janina und mir«, stand auf der Rückseite. »Felix Marquard.«
Woher weiß er meinen Namen und meine Adresse?, überlegte Celine.
Ihre Finger zitterten etwas, als sie die Blumen aus ihrer weißen Hülle wickelte. Es war ein bunter Frühlingsstrauß. Tief sog die junge Frau den Duft der Narzissen und Glockenblumen ein. Wie aufmerksam von Herrn Marquard! Sie hatte nicht damit gerechnet, jemals wieder von ihm zu hören.
Nachdem sie die Blumen ins Wasser gestellt hatte, suchte sie im Telefonbuch nach der Nummer der Marquards, um sich zu bedanken. Erst nachdem sie die Nummer bereits gewählt hatte, fiel ihr ein, dass Felix Marquard um diese Zeit vermutlich auf seiner Arbeit war, aber sie konnte ja auch seine Frau bitten, ihm ihren Dank auszurichten.
»Marquard«, meldete sich eine tiefe Männerstimme.
»Oh! Schön, dass Sie zu Hause sind«, sagte Celine, nachdem sie ihren Namen genannt hatte. »Ich möchte mich für die Blumen bedanken. Sie sind wunderschön, und ich habe mich sehr gefreut. Nötig wäre es nicht gewesen.«
»Darüber wollen wir uns nicht streiten«, erwiderte Felix Marquard.
»Woher kennen Sie eigentlich meinen Namen und meine Adresse?«
Felix lachte und gestand dann: »Ich kannte Ihr Autokennzeichen, und wenn man Freunde an den richtigen Stellen hat …«
Celine stimmte in sein Lachen ein. »Auf diese Idee muss man erst einmal kommen«, meinte sie. Es gefiel ihr, dass er sich die Mühe gemacht hatte, ihren Namen und ihre Adresse herauszufinden. »Wie geht es Einstein?«
»Gut! Momentan strolcht er im Garten herum. Wie ich ihn kenne, überlegt er, was er alles so anstellen kann.«
»Und Ihre Kleine?«
»Janina habe ich vorhin in den Kindergarten gebracht.« Felix räusperte sich. »Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir erneut einen Korb hole, möchte ich Sie zum Kaffee eingeladen. Hätten Sie, sagen wir, so gegen fünfzehn Uhr ein wenig Zeit? Sie kennen bestimmt das ›Café Weller‹ in der Beethovenstraße? Dort gibt es auch einen Kinderspielplatz. Janina und ich sind schon öfters in diesem Café gewesen.«
»Ich komme gerne«, hörte sich Celine zu ihrer eigenen Überraschung sagen. Bereits im nächsten Moment wollte sie ihre Zustimmung zurückziehen, doch da war es schon zu spät.
»Ich freue mich«, erklärte Felix. »Wir werden auch Einstein mitbringen. Ich verspreche hoch und heilig, dass er Sie diesmal nicht anspringen wird.«
»Warten wir es ab«, meinte die junge Frau. Erst nachdem sie aufgelegt hatte, fiel ihr ein, dass sie nicht einmal wusste, ob Felix Marquard verheiratet war. Allerdings war das auch nicht so wichtig. Schließlich trafen sie sich in einem öffentlichen Café.
Während des ganzen Vormittags überlegte Celine, ob es nicht besser sein würde, Felix Marquard anzurufen, um ihm zu sagen, dass sie seine Einladung zum Kaffee ausschlagen musste, weil ihr etwas dazwischengekommen war. Andererseits wäre das eine Lüge gewesen, und sie hasste es, grundlos zu lügen. Wiederum wäre es nicht einmal grundlos gewesen, denn ihr wurde ganz flau bei dem Gedanken, ein Café aufzusuchen. Seit Richards Tod hatte sie das nicht mehr getan.
Es kostete Celine Mut, sich für das Treffen mit Felix und Janina ein wenig zurechtzumachen. Als sie das Haus schließlich in einem dunkelblauen Kleid und einer dazu passenden Jacke verließ, kam es ihr fast wie ein Treuebruch an Richard vor. Sie wusste selbst, dass das Unsinn war und dass ihr verstorbener Mann der Letzte gewesen wäre, der ihr ein wenig Freude missgönnte, doch sie konnte nicht über ihren Schatten springen.
Fünfzehn Minuten später parkte sie vor dem Café. Felix Marquard wartete bereits auf sie. Er ging ihr entgegen.
»Schön, dass Sie gekommen sind, Frau Bergner.« Er bot ihr die Hand. »Halb und halb befürchtete ich, Sie könnten im letzten Moment absagen.«
»Um ehrlich zu sein, ich habe mit diesem Gedanken gespielt«, gab sie zu.
»Es wäre sehr schade gewesen.« Wie selbstverständlich nahm er ihren Arm und führte sie ins Café. »Janina und Einstein sind im Garten«, sagte er. »Ein sehr idyllischer Platz. Außerdem gibt es hier den besten Kuchen von Burghausen.«
»Ich war früher oft mit meinem Mann hier«, bemerkte Celine und fügte hinzu: »Er ist vor etwas über einem Jahr gestorben.«
»Das tut mir leid.« Felix drückte flüchtig ihren Arm.
»Danke.«
Im Garten rutschte Janina von ihrem Stuhl. Sie schenkte Celine ein strahlendes Lächeln.
»Guten Tag«, sagte sie wohlerzogen und deutete sogar einen Knicks an, als sie der jungen Frau die Hand reichte. »Dieses Mal ist Einstein richtig brav.« Sie wies auf den Border Collie, der so mit einem Kauknochen beschäftigt war, dass er für Celine nur ein schwaches Wedeln seines Schwanzes hatte.
»Magst du Schokolade?« Die junge Frau wandte sich an Felix: »Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich Ihrer Tochter eine Tafel Schokolade schenke?«
Janinas Augen wurden groß. »Das ist nicht mein Papa, das ist Onkel Felix«, stellte sie richtig.