Siri - Elfi Uragg - E-Book

Siri E-Book

Elfi Uragg

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Beschreibung

In einem See bei Klöch, im Südosten Österreichs, zieht ein Schwanenpaar vier Küken groß. Als der Schwanenvater im Spätherbst seine flügge gewordenen Jungen an andere Gewässer bringt, bleibt ein Jungschwan zurück. Er kann nicht fliegen, da er sich durch ein Missgeschick einige Schwungfedern abgerissen hat. So zieht er im See einsam seine Runden. Er muss auch dann noch dort ausharren, als eine dicke Eisdecke den See überspannt. Siri wird von Menschen, die seine Not erkennen, mit Mais gefüttert. Als Ende Jänner seine Eltern zurückkehren und ihr Revier wieder für sich allein beanspruchen, muss der Jungschwan verschwinden. Nachdem Siri ein paar Tage in einem Versteck im Schilf gelebt hat, versucht er, in den Teichen und Tümpeln des angrenzenden Golfplatzes ein neues Zuhause zu finden. Doch auch von dort wird er vertrieben...

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Nur in einem ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne.

Chinesisches Sprichwort

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Siris Revier

Donnerstag, 3. Februar 2022

Freitag, 4. Februar 2022

Samstag, 5. Februar 2022

Sonntag, 6. Februar 2022

Donnerstag, 10. Februar 2022

Freitag, 11. Februar 2022

Samstag, 12. Februar 2022

Sonntag, 13. Februar 2022

Montag, 14. Februar 2022

Dienstag, 15. Februar 2022

Mittwoch. 16. Februar 2022

Donnerstag, 17. Februar 2022

Freitag, 18. Februar 2022

Samstag, 19. Februar 2022

Sonntag, 20. Februar 2022

Montag, 21. Februar 2022

Dienstag, 22. Februar 2022

Mittwoch, 23. Februar 2022

Samstag, 26. Februar 2022

Sonntag, 27. Februar 2022

Montag, 28. Februar 2022

Dienstag, 1. März 2022

Mittwoch, 2. März 2022

Donnerstag, 3. März 2022

Freitag, 4. März 2022

Samstag, 5. März 2022

Sonntag, 6. März 2022

Montag, 7. März 2022

Dienstag, 8. März 2022

Mittwoch, 9. März 2022

Donnerstag, 10. März 2022

Freitag, 11. März 2022

Samstag, 12. März 2022

Sonntag, 13. März 2022

Montag, 14. März 2022

Dienstag, 15. März 2022

Mittwoch, 16. März 2022

Donnerstag, 17. März 2022

Freitag, 18. März 2022

Samstag, 19. März 2022

Sonntag, 20. März 2022

Montag, 21. März 2022

Dienstag, 22. März 2022

Mittwoch, 23. März 2022

Donnerstag, 24. März 2022

Samstag, 26. März 2022

Sonntag, 27. März 2022

Montag, 28. März 2022

Dienstag, 29. März 2022

Mittwoch, 30. März 2022

Donnerstag, 31. März 2022

Samstag, 2. April 2022

Sonntag, 3. April 2022

Mittwoch, 6. April 2022

Donnerstag, 7. April 2022

Freitag, 8. April 2022

Sonntag, 10. April 2022

Dienstag, 12. April 2022

Mittwoch, 13. April 2022

Donnerstag, 14. April 2022

Freitag, 15. April 2022

Samstag, 16. April 2022

Sonntag, 17. April 2022

Montag, 18. April 2022

Dienstag, 19. April 2022

Samstag, 23. April 2022

Donnerstag, 28. April 2022

Freitag, 29. April 2022

Sonntag, 1. Mai 2022

Montag, 2. Mai 2022

Mittwoch, 4. Mai 2022

Freitag, 6. Mai 2022

Dienstag, 24. Mai 2022

Pfingstmontag, 6. Juni 2022

Dienstag, 7. Juni 2022

Mittwoch, 8. Juni 2022

Freitag, 10. Juni 2022

Sonntag, 12. Juni 2022

Montag, 13. Juni 2022

Dienstag, 14. Juni 2022

Mittwoch, 15. Juni 2022

Donnerstag, 16. Juni 2022

Samstag, 18. Juni 2022

Dienstag, 21. Juni 2022

Samstag, 25. Juni 2022

Dienstag, 28. Juni 2022

Mittwoch, 29. Juni 2022

Donnerstag, 30. Juni 2022

Freitag, 1. Juli 2022

Montag, 4. Juli 2022

Mittwoch, 6. Juli 2022

Sonntag, 10. Juli 2022

Montag, 11. Juli 2022

Mittwoch, 13. Juli 2022

Freitag, 15. Juli 2022

Samstag, 16. Juli 2022

Sonntag, 17. Juli 2022

Montag, 18. Juli 2022

Dienstag, 19. Juli 2022

Mittwoch, 20. Juli 2022

Samstag, 23. Juli 2022

Montag, 25. Juli 2022

Dienstag, 26. Juli 2022

Donnerstag, 28. Juli 2022

Freitag, 29. Juli 2022

Samstag, 30. Juli 2022

Sonntag, 31. Juli 2022

Epilog

Mittwoch, 24. August 2022

Donnerstag, 25. August 2022

Freitag, 26. August 2022

Samstag, 27. August 2022

Sonntag, 28. August 2022

Nachwort

Prolog

Ein Schwanenpaar mit Bruterfahrung zieht am beinahe quadratischen See, einem ehemaligen Schotterteich, den die Natur wieder zurückerobert hat und an den ein Golfplatz anschließt, über den Sommer seine Jungen groß. Mitte Mai sind fünf Küken geschlüpft, von denen vier zu prächtigen Jungschwänen herangewachsen sind.

Während der Vertreibungsphase zwischen Oktober und Februar, in der die Schwaneneltern ihren Nachwuchs an andere Gewässer gebracht haben, bleibt ein Jungschwan zurück.

Er schwimmt mit den Schwaneneltern im See, säubert sein Gefieder gleichzeitig mit ihnen, entfernt sich aber immer mehr von seinen Eltern. Unabhängig von seinem braungefleckten Gefieder und dem fleischfarbenen Schnabel erkennt ein Beobachter sofort, welche zwei Schwäne zusammengehören und welcher sich schon von den Eltern abgenabelt hat.

Als der Herbst in den Winter übergeht, ist eines Tages im Dezember das Schwanenpaar verschwunden, an fließendes Gewässer, wo es den Winter verbringen wird. Der Jungschwan zieht seine Runden durchs Wasser, zwei Enten leisten ihm Gesellschaft.

Mitte Dezember wird es so kalt, dass der See fast zur Gänze zufriert. Schneehäufen vom ersten Schnee des Winters, vom Schneepflug zusammengeschoben, türmen sich rund um das zugefrorene Wasser.

Eines Tages bemerke ich, wie der junge Schwan von einem großen toten Fisch, dessen Kopf fehlt, immer wieder Gewebestücke mit dem Schnabel herausreißt und frisst.

Ungläubig betrachte ich ihn genauer, da ich weiß, dass Schwäne Vegetarier sind und sich vorwiegend von Wasserpflanzen ernähren. Sein Hunger muss groß sein. Während mir durch den Kopf schießt, dass bei mir zu Hause noch drei Maiskolben vom Herbst auf einem Zierteller liegen, fällt mein Blick auf die nackten Federkiele in seinem Gefieder, und es fällt mir wie Schuppen von den Augen: Er kann nicht fliegen. Deshalb ist er zurückgeblieben, und Wasserpflanzen gibt es bald keine mehr, da der See mehr und mehr zufriert. Nur eine schmale Wasserrinne am Rand ermöglicht es ihm noch, sich im Wasser fortzubewegen.

Am nächsten Tag bringe ich ihm die Maiskörner, die ich von ihren Kolben gelöst und in einem verschraubten Glasbehälter gesammelt habe. Heißhungrig nimmt er mit dem Schnabel jedes einzelne Korn auf. Er steigt aus dem Wasser heraus und läuft mir nach.

Nach ein paar Tagen liegt ein Dreißig-Kilo-Sack mit Futtermais im Kofferraum meines Wagens, und sobald er das Motorengeräusch meines Autos hört, schwimmt er im Turbo-Modus herbei, um dankbar sein Futter entgegenzunehmen. Ich rufe ihn mit dem Namen Siri, auf den er schnell hört.

Als er sich eines Tages im vorderen Bereich des Sees in der Nähe eines breiten Holzstegs aufhält, bemerke ich rund um ihn eine dicke Eisschicht, so dass ich ihm die Maiskörner hinwerfen muss, da er nicht ans Ufer heranschwimmen kann. Die nahrhaften Körner liegen jetzt vor ihm auf der Eisplatte, wie auf einem Tablett serviert.

Anfrieren können seine Füße mit den Schwimmhäuten zum Glück nicht, da das abwärtsfließende Blut der Schwäne Wärme an das zurück zum Körper fließende Blut abgibt. So sind die Füße gut durchblutet, jedoch mit relativ kaltem Blut, weshalb kaum Wärme verloren geht. Auf diese Weise schmilzt auch das Eis unter Schwanenfüßen nicht weg. Die Füße bleiben kalt und dadurch wird wertvolle Energie gespart.

Auch zwei Mitglieder der Berg- und Naturwacht kommen jetzt regelmäßig an den See, um ihn mit Getreidekörnern und Salat zu versorgen.

Einmal – es ist bereits Jänner – steht er am gegenüberliegenden Ufer. Als ich ihn rufe, steigt er auf die Eisfläche des zugefrorenen Sees und will zu mir herüberfliegen. Er breitet die Flügel aus, stürzt aber nach einem Meter wieder ab, da er mit den fehlenden Schwungfedern nicht hochkommt, versucht es noch einmal, aber auch der nächste Versuch scheitert. Ob er weiß, warum er nicht fliegen kann und dass er eines Tages doch fliegen können wird?

Schließlich will er den weiten Weg über das Eis zu mir herüberwatscheln. Er rutscht auf der spiegelglatten Fläche immer wieder aus, es reißt ihm die Füße auseinander, so dass ich schnell um den See herumlaufe, um ihm das Treffen zu erleichtern. Er dreht wieder um und watschelt mir entgegen. „Quak“ kommt es aus seinem Hals, dann reißt er schnell mit gestrecktem Hals seinen Kopf hoch und beugt ihn nach hinten, um mich mit dem Schwanengruß zu begrüßen.

Siri ist so zutraulich geworden und ich blicke bang dem Tag entgegen, an dem seine Eltern zurückkommen werden, denn bis zur nächsten Balz im Februar müssen die Jungschwäne der vorjährigen Brut aus dem Revier verschwunden sein. Ich fotografiere sein Gefieder mit den nackten Federkielen und berate mich mit einem Vogelexperten, der meint, er sei gegen eine Leitung geflogen, aber bei der nächsten Mauser im Hochsommer würden die fehlenden Schwungfedern gemeinsam mit den anderen Schwungfedern, die ebenfalls ausfallen werden, wieder nachwachsen. Das sei so zwischen Juni und September. Armer Siri! Er ist jetzt acht Monate alt und es wird noch einmal so lange dauern, bis seine Federn nachgewachsen sind.

Manchmal taut ein kleiner Teil des Sees auf, wenn es während des Tages sonnig und warm wird. Dann kommt Siri aus dem Wasser heraus und rennt stürmisch herbei. Schnabelgerecht geschnittene Apfelstückchen mag er nicht, aber mein Bio-Körnerbrot, das sich nur aus verschiedenen Getreidesaaten zusammensetzt, liebt er.

Er schwimmt jetzt häufig zu dem kleinen Zufluss des Sees an dessen Querseite, der auch bei frostigen Nachttemperaturen nicht zufriert. Dort putzt er sich, macht Turnübungen im Wasser und versucht zu fliegen. Etwa drei Meter weit gelingt ihm das auch knapp über der Wasserfläche. Wenn er ins Wasser stürzt, säubert er wie wild sein Gefieder, schlägt seitliche Rollen im Wasser, fast so, als müsse er sich abreagieren, da er erzürnt darüber ist, dass er nicht hochkommt trotz all seiner Anstrengungen.

Eines Tages zieht er sich einen Angelhaken samt Schnur in die Schwimmhaut eines Fußes ein - nicht entsorgter Angelmüll eines Fischers -, den er unter dem Flügel so hält, dass er den auf diese Weise abgestützten Vorderfuß immer wieder ausschütteln kann. Er versucht dadurch, den Fremdkörper loszuwerden. Als das nicht gelingt, versteckt er den schmerzenden Fuß unter dem Gefieder, taucht nur mehr mit dem anderen beim Schwimmen an, so dass er im Wasser wankt, weil er mit einem Fuß nicht gleichmäßig schwimmen kann. Das muss scheußlich wehtun. Leider findet sich niemand, der ihm den Angelhaken entfernt.

Als ich am 31. Jänner mit meinen Walking-Stöcken den See erreiche, sehe ich auf einmal zwei Schwäne im Wasser. Ich bin schockiert, dass sie so früh schon wieder da sind, und rufe Siris Namen, der seinen Hals über den Rand des kleinen Weihers am Golfplatz, gegenüber dem See, in die Höhe reckt. Ich gehe hinüber zu ihm und bringe ihm sein Futter. Jetzt hat er seinen schönen großen See verlassen müssen, da das alteingesessene Schwanenpaar zurückgekehrt ist, um sein Revier wieder für sich allein zu beanspruchen. Vorbei mit der Freiheit der Weite, den unbeschwerten Flugversuchen und der Gesellschaft der Enten. Das Herz zieht sich mir zusammen, wenn ich sehe, wie klein der Weiher ist, wie flach das Ufer an vielen Stellen und wie wenig geschützt Siri darin.

Am nächsten Tag jedoch ist der Weiher verlassen, das Schwanenpaar sitzt vor dem Schilf im See, und als ich Siri beim Namen rufe, schlüpft er augenblicklich aus dem Schilf heraus. Also ist er zurückmarschiert in sein vertrautes einsames Zuhause der letzten zwei Monate. Der Schwan nähert sich ihm sofort drohend mit ausgebreiteten Flügeln, der Jungschwan macht es ihm nach und geht auf den erwachsenen Schwan zu, schwenkt aber im letzten Augenblick ab und verschwindet wieder im Schilf. Deshalb sitzt das Schwanenpaar vor dem Schilf und hält Wache, muss sein Revier verteidigen.

Am nächsten Tag entdecke ich Siris Versteck im Schilf. Es ist ein kleiner zugefrorener Tümpel, der von hohen Schilfwedeln dicht umwachsen ist und ihm sowohl vom See als auch vom vereisten Traktorpfad zwischen Golfplatz und See Schutz bietet.

Siris Revier

Donnerstag, 3. Februar 2022

Das alteingesessene Schwanenpaar schwimmt mir entgegen, freut sich, wenn es in den See geworfene Maiskörner herausfischen kann. Beide Schwäne sind etwas schüchtern, nicht gewohnt, von Menschen etwas zu fressen zu bekommen. Nach jedem Tauchgang mit dem Hals wirft der Schwan nervös einen schnellen Blick zum Schilf hinüber.

Ich gehe weiter und finde Siris Versteck leer, bemerke aber, dass jetzt beide Schwäne vor dem Schilf Position bezogen haben, der männliche Schwan mit aufgeplustertem Gefieder in Drohhaltung. Ich schlendere vorwärts, mein Blick ist auf die kleinen zugefrorenen Tümpel im Schilf gerichtet. Nichts. Da kein Auto beim Haus des Besitzers dieses ursprünglichen Fleckchens Natur an der gegenüberliegenden Seite des Sees steht, beschließe ich, den See zu umrunden. Fast zurück, rufe ich leise Siris Namen.

Als ich wieder vorne am schlammigen Pfad ankomme, kann ich es mir nicht verkneifen, noch einmal an Siris Versteck vorbeizuschauen: Er ist da. Ich werfe ihm Maiskörner aufs Eis, stelle jedoch zugleich fest, dass er immer wieder seinen Hals reckt und durch das Schilf Richtung See linst.

Tatsächlich, beide Schwäne sitzen wieder knapp davor, der männliche Schwan ist zirka fünf Meter von ihm entfernt. Vielleicht, weil er sieht, dass ich mit jemandem kommuniziere, wird er aufmerksam und versucht den kleinen Kanal im Schilf in Richtung Siris Nest zwischen den Eisschollen schwimmend zu überwinden. Der ist kaum mehr als dreißig bis fünfunddreißig Zentimeter breit, und er kommt nur mühsam vorwärts. Anstatt dass Siri sich duckt und sich zu verstecken versucht, macht er seinen Hals ganz lang und späht durch das Schilfrohr, ja, er entfaltet seine Flügel in Drohgebärde und beobachtet den erwachsenen Schwan, der weiter vordringen will, was ihm jedoch nicht gelingt, so dicht ist der Bewuchs. Er dreht sich um und tritt den Rückzug an, wobei ich nicht weiß, ob er von seiner Position im See aus Siri überhaupt sehen konnte. Der Jungschwan hat ihn jedoch genau beobachtet, die ganze Zeit seinen Hals gereckt gehalten und jede Bewegung des Schwanenpaars verfolgt.

Am Nachmittag ist Siris Nest wieder verlassen. Wir, mein Lebensgefährte und ich, wollen es dabei bewenden lassen und orientieren uns bereits Richtung Straße, als plötzlich ein fremdes Schwanenpaar über den See fliegt und einer der beiden ihn im Tiefflug ein weiteres Mal umkreist. Der Schwan reagiert sofort und fliegt dem vermeintlichen Eindringling über den See hinterher, sein Weibchen folgt ihm gleich darauf. Sie landen am Eis und marschieren schlitternd über die glatte Fläche. Das fremde, offenbar den See inspizierende, Schwanenpaar auf Reviersuche ist verschwunden.

Wir umrunden den See und passieren abermals Siris Versteck. Schade, denken wir, als wir ihn nicht sehen. Wieder fragen wir uns, wie es denn möglich sein kann, so einen großen weißen Wasservogel selbst mit dem Feldstecher nicht im derzeit strohfarbenen Schilf zu entdecken. Ich aber bleibe hartnäckig, warte vor seinem Nest, werfe Maiskörner hinein – soweit das bei dieser Entfernung möglich ist – und rufe leise seinen Namen, so leise, dass die anderen beiden Schwäne, die jetzt auch weiter entfernt sind, mich nicht hören.

Dann bemerke ich etwas in besagtem Kanal, sehe zwischen den kahlen Bäumen hindurch, dass sich das Wasser bewegt, und meine, ein gurgelndes Geräusch zu hören. Mein Blick ist auf die schmale längliche Wasseroberfläche gerichtet. Man sieht nichts, ich vermute dort einen Fisch, als plötzlich Siri durch das Schilf bricht und in seinem Versteck landet. Er zwängt sich mühsam unten zwischen den Schilfstängeln hindurch, um unbemerkt in sein Nest zu gelangen. Ganz zerzaust ist der Arme. Er ist entweder unter Wasser im Kanal geschwommen, was Schwänen selten und nur in einer äußersten Notsituation gelingt, oder hat sich unter der Wasseroberfläche zwischen den Eisstücken mit seinen Füßen vorwärtsgeschoben, um unbemerkt in sein Versteck vorzudringen. Was für ein kluges Kerlchen!

Freitag, 4. Februar 2022

Ich bin sehr deprimiert, da mir Siri so leidtut. Das ist doch kein Schwanen-Leben, sich tagelang im dichten Schilf zu verschanzen.

Als ich zu seinem Versteck komme, ist es leer. Doch ich höre ein leises zweimaliges Rufen beziehungsweise Sich-bemerkbar-Machen, dann ist Siri plötzlich da. Er bewegt sich unter Wasser in dem kleinen Kanal vorwärts, um in sein Nest zu schleichen; auf diese Weise kann man ihn auch durch das Schilf nicht sehen.

Sein Versteck ist ein derzeit noch fast zugefrorener Tümpel im Schilf, also ein Teilbereich des Sees von zirka zwei mal vier Metern Grundfläche. Ich werfe ihm zweimal täglich Maiskörner hinein, was sehr schwierig ist, da die Körner immer wieder vom Schilfgras abprallen und dadurch viele nicht auf die Eisfläche des Tümpels fallen.

Ich habe ihn beobachtet: Er frisst zumindest und putzt auch sein Gefieder. Zum Schwimmen kommt er dort jedoch nicht. Und was ist, wenn das Eis schmilzt? Wir denken, dass das Wasser dort noch zu tief ist, um Maiskörner durch Gründeln vom Grund herauszufischen.

Am Nachmittag wiederholt sich dasselbe. Sobald ich vor seinem verlassenen Versteck stehe, macht er sich leise bemerkbar und zwängt sich durch das Schilf hinein. Das Schwanenpaar sitzt vor dem Schilf und hält Wache.

Samstag, 5. Februar 2022

Heute ist etwas Bewegung in die Situation gekommen. Ich bin schon um acht Uhr morgens dort, wieder sind große Teile des Sees bis zum Ufer hin zugefroren, so dass sich auch das Schwanenpaar nicht sehr weit vom Schilf entfernen kann. Plötzlich steht Siri mit gestrecktem Hals in voller Größe nur zirka einen Meter vom See entfernt und für alle sichtbar am Rande des Schilfgürtels. Zuerst sieht ihn das Weibchen und schwimmt in seine Richtung. Als der Schwan ihn bemerkt, schwimmt er in hurtigem Tempo und mit aufgeplustertem Gefieder auf ihn zu. Siri verschwindet augenblicklich im dicht wachsenden Schilfgras. Der Schwan sucht zunächst einen Eingang ins Schilf, lässt es dann aber auf sich beruhen, bezieht nur für eine Weile Stellung mit seinem Weibchen vor dem dichten Bewuchs des vergangenen Sommers. Danach schwimmen sie weiter, nehmen meine Maiskörner an, die ich ihnen ins Wasser werfe.

Am frühen Nachmittag kommen wir noch einmal zurück und freuen uns, dass Siri nach vier bis fünf Tagen das erste Mal wieder im kleinen Weiher am Golfplatz, gegenüber dem See, schwimmend seine Runden zieht. Er taucht kräftig an, um schnell vorwärtszukommen, es scheint fast, als habe er Freude daran, endlich wieder zu schwimmen … Zwischendurch entfaltet er seine Flügel. Er kommt zu mir ans Ufer, um sein Futter entgegenzunehmen, das ich ihm an den Uferrand streue.

Dieser Weiher ist nur zum Teil zugefroren, da ein Bächlein hineinfließt und an einer anderen Stelle den Weiher wieder rauschend verlässt. Allerdings blickt Siri immer wieder in die Richtung, in die sich das Wasser ins Unterholz schäumend ergießt. Hier könnte sich eventuell ein Fressfeind verstecken. Es wirkt fast so, als habe Siri sich arrangiert: Nachts zum Schlafen in sein Versteck und zum Schwimmen in den kleinen Weiher am Golfplatz, wo allerdings irgendwann im März die Golfsaison beginnen wird …

Als kleines Update vom späten Nachmittag kann ich anmerken, dass sich Siri immer noch im kleinen Weiher aufhält und ihn schwimmend durchquert, während der Schwan noch oder schon wieder mit seitlich aufgestellten Flügeln vor dem Schilf im See sitzt und aufpasst, dass kein anderer Schwan in sein Revier eindringt.

Sonntag, 6. Februar 2022

Heute ist die Situation wieder eine andere. Als ich bald nach sieben Uhr morgens am kleinen Weiher ankomme, fällt mir sofort auf, dass Siri etwas zerrupft aussieht, erst noch schlafen will – die Augen fallen ihm immer wieder zu. Er lässt sich im Wasser treiben – vermutlich hat er auch nachts hier im Weiher geschlafen. Danach schenkt er seine ganze Aufmerksamkeit dem kleinen Kanal, der sich sprudelnd in den Weiher stürzt.

Der kleine Weiher liegt auf einer Erhöhung ganz flach in den Boden eingebettet und hat fast am ganzen Uferrand so gut wie keine Böschung, kaum Bäume am Ufer und ist für andere Wildtiere frei zugänglich. Im Frühling brüten Teichrohrsänger im Ufergebüsch.

Als wir am frühen Nachmittag von oben durch den Wald hinunter über den Golfplatz in Richtung des Sees wandern, in dem das alteingesessene Schwanenpaar sein Revier hat, werden wir überrascht. Siri befindet sich auf einmal in dem nierenförmigen Teich unterhalb des Golfhotels, der ein ordentliches Stück vom Weiher entfernt liegt. Das ist weit für ihn, zumal er ja nicht fliegen kann. Schon vor drei Wochen sagte mir ein österreichweit renommierter Vogelexperte, der sich auch besonders mit Schwänen gut auskennt, der Jungschwan werde, wenn das Schwanenpaar ihn nicht duldet, aus dem See heraussteigen und entlang eines Bächleins oder eines Kanals in einen anderen Teich wandern. Genau so dürfte es passiert sein.

Wir setzen unseren Weg zum See fort und gehen danach bewusst dieselbe Strecke auch wieder zurück, diesmal an dem kleinen Bächlein entlang, um Siris Weg nachzuvollziehen.

Plötzlich entdecken wir neben dem Wasser, das lustig vor sich hin rieselt, manchmal plätschert, wenn ein Stein seinen direkten Lauf blockiert, ein Wiesenstück, das über und über mit weißen Federn übersät ist, offenbar Schwanenfedern.

Kann es sein, dass Siri diesen Weg schon letzte Nacht entlanggehen wollte und von einem Fuchs oder einem Marder überrascht und verletzt worden ist? Und trotzdem diesen Weg heute während des Tages noch einmal eingeschlagen hat, um in diesen Teich zu gelangen? Und trotzdem frisst und mich mit einem Ruf freundlich begrüßt und im Teich schwimmt, als sei nichts geschehen? Morgens war er jedenfalls noch im Weiher.

Oder ob er von dem Schwan Prügel bezogen hat, der auch den Weiher als sein erweitertes Revier beansprucht? Ich bilde mir ein, dass er einseitig schwimmt und etwas schwankt, auch sehe ich seinen linken Fuß nicht, aber vielleicht ist das alles nur Einbildung.

Donnerstag, 10. Februar 2022

Siri ist nicht in seinem Revier, dafür aber das Schwanenpaar. Es scheint auch diesen Teich vor dem Golfhotel seinem Revier zugehörig zu betrachten und somit Siri vertreiben zu wollen. Der ist aber recht intelligent, taucht schlammbedeckt wieder auf, sobald das Paar in seinen See zurückgeflogen ist.

Er muss sich wohl wieder „im Untergrund“ versteckt haben, am Ufer halb unter dem Wasser, halb darüber, irgendwo im kargen Ufergebüsch.

Aber er ist es ja mittlerweile gewohnt, sich zu verstecken und „im Untergrund“ zu verweilen, wenn es sein muss, weil das Brutpaar ihn jagt, seine eigenen Eltern.

Freitag, 11. Februar 2022

Auch heute taucht das Schwanenpaar am Teich unterhalb des Golfhotels auf, was ich erst komisch finde, da ich die beiden innerhalb der letzten zwei Jahre nur zweimal in diesem Gewässer gesehen habe.

Als ich Siri nach seinem Untertauchen später oben auf der Wiese vor dem Golfhotel sitzen sehe, weiß ich, dass er verjagt worden ist, weil das alteingesessene Schwanenpaar offenbar alle hier in der Nähe liegenden Teiche, Weiher und Tümpel als sein Revier betrachtet, das ja eigentlich der große schöne See ist.

Siri geht es so schlecht, dass ich denke, man müsse mit ihm einen Tierarzt aufsuchen. Er kann kaum gehen, da er scheinbar auf einem Fuß nicht auftreten kann. Man sieht, dass er Schmerzen hat, er hinkt stark und kommt kaum vorwärts. Er zeigt sich übrigens erst dann vor dem Golfhotel auf der Wiese, nachdem das Schwanenpaar zurückgeflogen ist. Ich denke ernsthaft, er hat sich bei seiner vermutlich hastigen Flucht einen Fuß gebrochen, und fahre schnell nach Hause, mein Handy etwas aufzuladen, zu telefonieren und mit allen möglichen Telefonnummern, wie Tierarzt, Tierrettung, Vogelexperte usw. bestückt, wieder an seinen Teich zurückzukehren.

Aber Siri hat sich doch inzwischen vorwärtsbewegt und befindet sich jetzt im Wasser. Man merkt jedoch, dass er verletzt ist, denn er schwimmt sehr unregelmäßig, taucht nur mit einem Fuß an, den anderen hält er unter dem Flügel versteckt, so dass er beim Schwimmen schaukelt wie ein kleines Boot, das in einen Sturm geraten ist. Aber er bewegt sich im Wasser und nimmt Futter zu sich. Für wie lange Zeit er sich unsichtbar machen musste, weiß ich nicht. Nun hat er den Teich wieder für sich.

Abends fahre ich noch an den See, um für das Schwanenpaar Futter dazulassen, das es daran hindern soll, am nächsten Tag allzu viel Zeit in Siris Teich zu verbringen, da es vielleicht nicht so hungrig ist.

Samstag, 12. Februar 2022

Am Vormittag komme ich zum Parkplatz des Golfhotels. Ich sehe Siri ziemlich weit weg auf der Wiese vor dem Wächterhäuschen mit den Geräten, wo er hurtigen Schrittes voraneilt, so dass ich mich beeilen muss, um ihn zu erreichen. Ich rufe ihn, und als ich nahe genug bin, dass er mich erkennt, dreht er um und kommt auf mich zu. Er kommt so nahe, dass ich ängstlich zurückweiche; er könnte mir mit dem Schnabel in die Brust stoßen, wenn er so ungebremst auf mich zuläuft. Ich stelle fest, dass er heute recht gut gehen kann, er hebt aber den rechten Vorderfuß mit der Schwimmhaut bei jedem Schritt höher an und streckt ihn weiter nach vorne. Immer noch hängen Angelschnur und -haken aus seiner Schwimmhaut. Vielleicht drohte er, sich den Fremdkörper mit der Schnur mit dem anderen Fuß versehentlich schmerzhaft herauszureißen, indem er beim Gehen darauf getreten ist.

Er setzt sich vor mir auf den Boden, frisst abwechselnd Gras und meine mitgebrachten Maiskörner. Dann steigt er auf einen kleinen Hügel auf der Wiese und sieht hinunter in Richtung eines kleinen zugefrorenen Tümpels am Waldrand. Den peilt er an und macht sich auf den Weg dorthin. Er gleitet hinein und rutscht auf dem Eis aus, so dass es ihm die Beine auseinanderzieht. Er kann sich aber helfen und beginnt mit seinem Körper das Eis aufzubrechen, womit er sich ziemlich plagt. Schließlich gelangt er an die Stelle, an der ein Bächlein hineinfließt. Dort kann er etwas schwimmen und ich kann ihm Mais an den flachen Uferrand im Wasser streuen.

Dann entferne ich mich schnell, damit das Schwanenpaar, das sich in Siris Teich aufhält, nicht auf ihn aufmerksam wird.

Ich verweile lange an dem Teich unter dem Golfhotel beziehungsweise dem anschließenden Flachwasser mit den Schilf-Inseln, in dem sich acht Nutrias befinden, die meist paarweise in der Sonne liegen, sich putzen, Wurzeln oder Pflanzenteile fressen, streiten, und schieße eine Unzahl an Fotos. Das Schwanenpaar steigt immer wieder aus dem Wasser, schaut auf mich und geht wieder schwimmen. Ich warte, um die beiden wegfliegen zu sehen, damit ich ihren Start auf der Wiese aufnehmen kann. Sie aber warten vermutlich darauf, dass ich verschwinde, damit sie wegfliegen können. Das wird mir allerdings erst nachher bewusst. Als ich gegen drei Uhr nachmittags endlich den Teich verlasse, in dem sich noch immer das Schwanenpaar befindet, fahre ich mit dem Auto zum See, um einen Behälter voll Mais auf einer kleinen Halbinsel zu verteilen, die die beiden Schwäne bereits kennen.

Am späten Nachmittag komme ich zurück zu Siris Teich. Nun gehört er wieder ihm. Als Spaziergänger mit einem Hund an der Leine am Teich vorbeigehen, wird Siri ganz aufgeregt und schwimmt ihm entlang des Ufers, immer wieder laut quakend, nach. Es wirkt so, als habe er eine Freude daran, ein „tierisches“ Lebewesen zu treffen, nicht immer nur Menschen. Es ist mir deshalb aufgefallen, weil er das vor ein paar Tagen auch schon einmal so gemacht hat und ich mich nicht ausgekannt habe, zumal Schwäne eigentlich Angst vor Hunden haben, wie wir es am See mit dem Schwanenpaar und einem freilaufenden Hund eines Jägers erlebt haben.

Sonntag, 13. Februar 2022

Es hat noch einige Grad unter null, als ich vormittags mein Auto auf dem Parkplatz des Golfhotels abstelle. Sofort nach dem Aussteigen inspiziere ich den Weg beziehungsweise die hügelige Wiese bis hinüber zum Wächterhäuschen vor dem Wald, in dem die Arbeitsgeräte für die Pflege und Instandhaltung des weitläufigen und wunderschön in die Landschaft eingebetteten Golfplatzes untergebracht sind.

Auf dieser Wiese begegnete ich Siri gestern auf seiner Flucht. Ich schlendere seinen letzten Fluchtweg entlang, hinunter zu dem im Schatten liegenden und von Bäumen und Sträuchern eingefassten, fast vollständig zugefrorenen, Tümpel am Waldrand, den Siri gestern aufgesucht hat, weil er den Teich unterhalb des Golfhotels verlassen musste. Kein Schwan dümpelt diesmal vor meinen Augen an der Mündung des Bächleins im flachen Wasser. Ich laufe die Rinnsale und Bächlein entlang, finde vereinzelte weiße Federn und erreiche den See mit dem breiten Holzsteg am Eingang.

Das Wasser ist wieder bis zum Rand zugefroren, nur der hintere Teil des Sees, an dem das Haus des Besitzers steht, ist eisfrei. Auch in seinem ehemaligen Versteck im Schilf finde ich Siri nicht.

Doch plötzlich – es ist eine halbe Stunde vergangen – kommt das Schwanenpaar angeflogen und landet recht hart auf dem Eis. Es bemüht sich, am Ort seiner Landung mit Körper und Schnabel das Eis aufzubrechen, was den beiden nach einiger Anstrengung tatsächlich gelingt. Ich beobachte fasziniert die beiden Eisbrecher aus Fleisch und Blut.

Danach streue ich die Hälfte von Siris Mais, den ich in einem verschraubten Glasbehälter in meiner Jackentasche mit mir trage, auf den ihnen bekannten Futterplatz, quasi einer kleinen mit Gras bewachsenen Halbinsel, die in den See hineinragt. Die Maiskörner, die links und rechts hinunterkullern, bestätigen mir, dass der Uferrand noch beziehungsweise schon wieder nach der frostkalten Nacht zugefroren ist, denn sie sinken nicht ab. Ich denke mir aber, die beiden Schwäne werden sich durch das Eis vorkämpfen, außerdem lenkt sie das Futter davon ab, nochmals den Teich unterhalb des Golfhotels aufzusuchen, in den Siri sich nach seiner Vertreibung aus dem See zurückziehen musste. Auch wird es während des Tages wärmer werden und es wird sicher wieder eine aufgetaute Rinne durch das Eis im See entstehen. Danach wandere ich zurück.

Siri steht vor dem Golfteich. Als ich näherkomme und er mich erkennt, eilt er mir schnellen Schrittes entgegen – er scheint wieder ganz normal laufen zu können – und begrüßt mich mit seinem typischen Laut. Er hat es nicht besonders eilig, ins Wasser zu steigen, zupft Grashalme aus der Wiese, frisst lose herumliegende Stängel oder Hölzchen, ja sogar Laub – und natürlich meine Maiskörner, die ich ihm ins Gras werfe. Erst nach einer Weile wird er durstig und lässt sich in den Teich gleiten. Ich bemerke, dass er beim Schwimmen wieder mit beiden Füßen antaucht, und auch auf der Wiese ist sein Gangbild wieder recht ausgewogen und symmetrisch, was darauf hinweist, dass wohl doch nichts gebrochen ist. Sogar der Angelhaken hängt nicht mehr in der Schwimmhaut seines rechten Fußes. Bleibt zu hoffen, dass an diesem Tag das Brutpaar nicht mehr zurückkehrt und Siri abermals fliehen muss.

Ich besuche Siri ein weiteres Mal am frühen Abend und bringe ihm Körnerbrot und Mais.

Als ich daraufhin am See noch eine Ration Körner für die beiden Schwäne hinterlasse, taucht auf einmal eine Nutria auf und beginnt vor der Futterstelle Kreise im Wasser zu ziehen, während das Schwanenpaar vor dem Schilf sitzt und herüberblickt. Schließlich schwimmt das pelzige Tierchen zügig zur kleinen Halbinsel, klettert heraus, setzt sich mitten auf die Maiskörner und frisst sie weg.

Der Schwan und sein Weibchen beobachten das Geschehen, und vor allem das Männchen schwimmt, so schnell es kann, auf die Futterstelle mit der Nutria zu. Der Schwan bremst davor ab und sieht sie bloß an, und das kleine Pelztierchen flieht im Rückwärtsgang, läuft um kahle Sträucher herum und entfernt sich hastig über das Wasser. Großzügig stocke ich die Ration für die beiden Schwäne auf.

Montag, 14. Februar 2022

Als ich am frühen Vormittag Siris Teich erreiche, liegt er verlassen da und der Jungschwan steht zirka fünf Meter vom Ufer entfernt unbekümmert in der Wiese. Er hat es gar nicht eilig, ins Wasser zu steigen, frisst bloß drei schnabelgerecht geschnittene Stückchen Brot und zwei Maiskörner, dazwischen zupft er fleißig frisches grünes Gras aus der Wiese und verzehrt es. Dann läuft er in einen sogenannten Sand-Bunker und genehmigt sich wieder an dessen Rand einige Grashalme. Nachdem ich ihn etwa zehn Minuten lang beobachtet habe, setze ich meinen Weg in Richtung des Flachwassers fort, in dem sich die Nutria-Pärchen aufhalten und sich auf Schilf-Inseln sonnen. Siri bleibt zufrieden auf der Wiese vor „seinem“ Teich; das alteingesessene Schwanenpaar dürfte erst vor kurzem zu „seinem“ See zurückgeflogen sein.

Ich spaziere weiter und verteile unter den beiden die meisten der eigentlich für Siri bestimmten Maiskörner, die sie sofort heißhungrig verschlingen. Vor allem der Schwan – ich rufe ihn Maxl – scheint großen Hunger zu haben. Sein Weibchen, Minnie, verhält sich noch immer sehr zurückhaltend, kommt aber schließlich auch herbei, um begierig zu fressen.

Dieser Winter mit den eisigen Temperaturen und den allzeit zugefrorenen Gewässern hat sie ausgehungert. Ich werfe einen Teil der Körner ins flache Wasser vor dem Ufer und den anderen Teil auf das zum Seeufer hin umgefallene alte Schilfgras. Das ist eine weitere Futterstelle, die sich zirka in der Mitte der Querseite des Sees befindet, wenn man hier den Pfad entlangwandert, die das Schwanenpaar heute beim Heranschwimmen anpeilt, weil es mich auf meiner Walking-Tour erblickt, so dass ich gar nicht mehr bis zur kleinen Halbinsel neben dem Holzsteg gelange. Das Weibchen fischt den Mais mit seinem Schnabel aus dem Wasser, der Schwan jedoch traut sich auch, mit seinem langen Hals das Futter von weiter oben am Ufer zu schnappen. Minnie faucht mich jedes Mal an, wenn ich mich zum Wasser hin vorbeuge, um Maiskörner nachzulegen. Maxl scheint sich schon daran gewöhnt zu haben, von mir Körner zu bekommen.

Ich wandere bald wieder zurück zu Siris Teich, und als ich auf halbem Weg bin, gleitet Siri endlich ins Wasser. Ich bin immer froh, ihn im Wasser aufgehoben zu sehen, gut geschützt vor Fressfeinden wie zum Beispiel dem Fuchs. Natürlich bekommt er von mir jetzt die restlichen Körner, und ich nehme mir vor, am Spätnachmittag noch einmal zurückzukehren, während ich beobachte, dass Siri sein Gefieder sehr intensiv putzt, sich im Wasser dreht und seine Flügel immer wieder entfaltet. Man meint direkt, seine Freude zu erkennen, sich wieder im Wasser auszutoben.

Als ich nachmittags zum Golfteich komme, steht Siri weit weg auf der Wiese links vom Golfhotel, in „seinem“ Teich schwimmt das Schwanenpaar Maxl und Minnie. Siri blickt immer wieder hinauf in Richtung Straße und verfolgt mit den Augen interessiert die vorbeifahrenden Autos. Er wird doch nicht über die Straße wollen, um auf der gegenüberliegenden Seite einen Teich zu suchen, schießt es mir unwillkürlich durch den Sinn. Ich locke ihn mit Brotstückchen ein paar Meter von der Gefahrenzone Straße weg, laufe zu meinem Auto, das oben auf dem Parkplatz steht, fahre nach Hause, hole mein Handy und rufe, als ich wieder zurück bin, jemanden an, da ich denke, es sei an der Zeit, Siri von diesem Ort wegzubringen, von dem er ständig verjagt wird, so dass er sich selbst in Gefahr begibt, erreiche jedoch niemanden. Später bin ich froh darüber …

Es wird allmählich dunkel. Siri steigt auf einen kleinen Wiesen-Hügel vor dem Golfhotel und schafft es, von dort zirka fünf Meter knapp über dem Boden zu fliegen, das Abheben gelingt ihm jedoch nicht mit seinen abgebrochenen Schwungfedern. Ich denke, er macht sich dazu auf, eine Zeitlang in dem kleinen, noch immer zu einem großen Teil zugefrorenen, Tümpel am Waldrand unterhalb des Wächterhäuschens mit den Geräten auszuharren, abzuwarten, bis er das Schwanenpaar fortfliegen sieht, um dann wieder zu seinem Teich zurückzukehren. Weit gefehlt!

Ich setze meinen Weg in Richtung des Tümpels fort, drehe mich nach Siri um, um zu sehen, ob er mir folgt: Siri ist verschwunden. Ich blicke in alle Richtungen, dann sehe ich ihn mit erhobenem Körper und gestrecktem Hals unten am Fuße des Abhangs – er muss den steilen Hang hinuntergeflogen sein – schnurstracks in Richtung Golfteich marschieren.

Maxl steigt augenblicklich aus dem Wasser heraus, plustert sein Gefieder auf, wobei er seine auf dem Körper aufgestellten Flügel jeweils abwechselnd links und rechts hebt und senkt, was wohl die Drohgebärde noch verstärken soll, und strebt hurtig auf Siri zu. Dieser nähert sich zuerst unerschrocken in seiner aufgerichteten Größe bis auf etwa vier Meter.

Ich bekomme Angst davor, was ich zu erwarten habe, doch als Siri zirka drei Meter vor dem in seiner Erregung aufgeblähten ausgewachsenen Schwan steht, schlägt er doch im letzten Augenblick noch einen Haken und weicht zur Seite aus.

Ich bin erleichtert, denn bei einem Kampf hätte Siri, der erst neun Monate alt ist, gegen den erwachsenen Schwan in jedem Fall den Kürzeren gezogen und wieder mächtig Federn lassen müssen.

Diese Aktion wiederholt sich dreimal, jedes Mal halte ich vor Entsetzen den Atem an. Bis es vollständig dunkel ist. Nur der Vollmond beleuchtet die silbrig glänzende Wasserfläche des Teichs. Als ich schließlich nach Hause aufbrechen will, steht Siri fünf Meter vom Ufer entfernt im Gras und beobachtet das Schwanenpaar, das jetzt wieder im Wasser schwimmt und keine Tendenz zu einem baldigen Aufbruch erkennen lässt. Wachsam blickt er immer wieder nach rechts hinüber zum Wald, um eventuell gegen einen Fuchs, der sich nachts seine Opfer holt, gewappnet zu sein. Es hat hier unten am Golfteich nur mehr ein Grad Celsius, und als ich vom See her ein einzelnes Licht durch die kahlen Bäume blitzen sehe, wird mir unheimlich zumute. Ich kann nicht Tag und Nacht Siris Kindermädchen sein!

Dienstag, 15. Februar 2022

Gegen zehn Uhr vormittags fahre ich am Teich vorbei, gehe schnell bloß für einen kurzen Sprung den Hügel hinunter, denn es bleibt mir nicht viel Zeit zum beschaulichen Verweilen. Als