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Sechs Wochen hat der sizilianische Unternehmer Giancarlo Cardinale Zeit, die Wahrheit herauszufinden: Will die bezaubernde Natalia wirklich die Ehe seiner Schwester zerstören? Höchstpersönlich kümmert er sich um die junge Dame - und verfällt ihr vollkommen.
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Seitenzahl: 200
IMPRESSUM
Sizilianische Verführung erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2001 by Michelle Reid Originaltitel: „A Sicilian Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1405 - 2002 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Inge-Karin Krusch
Umschlagsmotive: Prikhnenko / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733779146
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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An der Tür zur Direktionskantine blieb Giancarlo Cardinale überrascht stehen.
„Was ist denn hier los?“, fragte er den Mann neben sich und betrachtete die etwa zwanzig Leute, die mit Champagnergläsern in der Hand herumstanden und sich unterhielten.
„Es findet heute eine Präsentation für einen unserer besten Kunden statt. In der Pause haben wir hier den Lunch servieren lassen“, erklärte Howard Fiske steif. „Ich verstehe nicht, warum Edward zu diesem wichtigen Meeting nicht erschienen ist.“ Man sah ihm den Ärger an.
Giancarlo schwieg. Er war aus einem ganz bestimmten Grund nach London gekommen und wusste natürlich, wo Edward war. Es gab da ein Problem, das so rasch wie möglich gelöst werden musste.
Unbemerkt von den anderen, ließ Giancarlo den Blick durch den völlig neu und luxuriös eingerichteten und aufwändig renovierten Raum schweifen. Er hatte viel investiert, um Knight’s, die Firma seines Schwagers, zu modernisieren.
Aber das nützte wenig, wenn sich die Denkweise der Menschen, die hier das Sagen hatten, nicht änderte. Giancarlo sah dieselben steifen Kragen und dieselben seltsam grau wirkenden Gesichter wie vor einem Jahr. Solche Mitarbeiter waren unfähig, auf neue Herausforderungen flexibel zu reagieren, und sie brachten das Unternehmen an den Rand des Ruins.
Irritiert biss er die Zähne zusammen. Als sie im vergangenen Jahr über die Fusion von Knight’s mit der Cardinale Group verhandelt hatten, hatte Edward versprochen, personelle Veränderungen vorzunehmen, sonst hätte Giancarlo den Vertrag nicht unterschrieben. Auch wenn Edward sein Schwager war, durfte er die Cardinale Group nicht für einen Wohltätigkeitsverein halten. Als weltweit agierender Unternehmer konnte Giancarlo sich keine Risiken erlauben.
Edward schien begriffen zu haben, um was es ging, und er hatte allen Bedingungen zugestimmt. Jetzt fragte Giancarlo sich, was mit dem ganzen Geld geschehen war, das er Edward immer wieder überwiesen hatte. Diese leicht gelangweilt aussehenden Männer und Frauen hier schienen nicht daran interessiert zu sein, irgendetwas zu verändern.
Rasch entdeckte er die Frau, die er suchte und auf die die Beschreibung passte, die man ihm gegeben hatte. Sie war jung, rothaarig und wirkte ungemein erotisch, aber auch sehr professionell.
In welcher Hinsicht professionell?, fragte er sich dann spöttisch und betrachtete den jungen Mann mit den verräterisch geröteten Wangen, mit dem sie gerade sprach. Angeblich war sie die persönliche Assistentin des Managing Directors. Aber so, wie die Frau aussah, mit dem außergewöhnlich schönen Gesicht und dieser fantastischen Figur, war es kein Wunder, dass Edward Knight unter dieser Bezeichnung etwas ganz anderes verstand.
Ärgerlich beobachtete er, wie sie mit dem jungen Mann flirtete. Diese schamlose kleine Hexe, dachte er gereizt. Nein, sie ist nicht nur schamlos, sondern offenbar auch sehr offenherzig, fügte er in Gedanken hinzu. Ihr enges weißes Top war so tief ausgeschnitten, dass man den Ansatz ihrer herrlichen Brüste bewundern konnte.
Es war verständlich, dass Edward die Finger nicht von ihr lassen konnte. Giancarlo musste sich eingestehen, dass er selbst gewisse Regungen seines Körpers verspürte, und er zwang sich, sein Verlangen zu unterdrücken.
Auf einmal blickte die Frau ihn an.
Was hatte sie für unglaublich schöne Augen! So etwas durfte es gar nicht geben! Das Blau wirkte irgendwie rauchig und erotisch, und sogleich wurde Giancarlos Fantasie angeregt. Er stellte sich vor, sie würde unter ihm liegen und ihn in höchster Ekstase mit diesen Augen ansehen.
Hatte Edward schon mit ihr geschlafen? Alegra, Giancarlos Schwester und Edwards Frau, bezweifelte es. Sie hatte offen mit ihm über die Unfähigkeit ihres Manns gesprochen, sie noch zu befriedigen. Aber diese Frau hier war so verführerisch und reizvoll, dass Giancarlo alles für möglich hielt.
Aus heiterem Himmel erfasste ihn eine Erregung, die ihn zu überwältigen drohte. Alles in ihm wehrte sich dagegen, sich Edward mit Natalia Deyton im Bett vorzustellen. Kein anderer Mann sollte sie besitzen. Sie wird mir ganz allein gehören, sagte Giancarlo sich plötzlich.
O nein, dachte Natalia, als sie dem leidenschaftlichen Blick des Fremden begegnete. So durchdringend und intensiv hatte sie noch niemand angesehen, obwohl sie an solche Reaktionen der Männer gewöhnt war. Sie machte sich nichts vor und war sich ihrer Wirkung sehr wohl bewusst.
Aber bei diesem Mann war es ganz anders. Sein Blick war so leidenschaftlich, irgendwie zwingend und so besitzergreifend, dass sie das Gefühl hatte, er würde sie völlig und in jeder Hinsicht für sich beanspruchen.
Erschrocken wandte sie sich ab. Doch zu spät. Sie spürte die Erregung, die sich in ihr ausbreitete, während sie vergeblich versuchte, sich auf die Unterhaltung mit den Leuten um sie her zu konzentrieren. Dieser große, schlanke und sehr attraktive Fremde mit dem schwarzen Haar und der gebräunten Haut schien mit seinen Blicken tief in ihr Inneres eingedrungen zu sein. Wer war er? Und warum stand er einfach da und sah sie an?
Oder bildete sie sich das alles nur ein? Hatte sie schon Halluzinationen? Der kleine Schluck Champagner, den sie sich zu trinken erlaubt hatte, konnte ihre Sinne unmöglich so umnebelt haben.
Unauffällig drehte sie sich um und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass der Mann abgelenkt war. Er strahlte Kraft und Stärke aus. Alles an ihm, von der langen, leicht gebogenen Nase über die schlanke, muskulöse Gestalt bis hin zu dem eleganten Designeranzug betonte seinen Sex-Appeal. Er wirkte bedrohlich und anziehend zugleich.
Du liebe Zeit, was sind das für erotische Gedanken?, fragte sie sich plötzlich entsetzt und senkte rasch den Blick.
„Ist alles in Ordnung, Natalia?“, drang in dem Moment eine Stimme wie aus weiter Ferne in ihr Bewusstsein.
„Ja“, antwortete sie und zauberte ein Lächeln auf die Lippen. „Ich glaube, der Champagner zeigt Wirkung.“ Wieder lächelte sie, dieses Mal betont wehmütig, und stellte das Glas hin. „Tagsüber vertrage ich einfach keinen Alkohol. Wenn ich noch einen Schluck trinke, schlafe ich bestimmt ein.“
„Nein, das glaube ich nicht“, antwortete Ian Gant ernsthaft.
Natalia war froh über die Ablenkung. Sie wusste, dass Ian in sie verliebt war, aber damit konnte sie umgehen.
„Wie geht es deiner Verlobten?“, fragte sie. „Ihr heiratet doch in einigen Wochen, oder?“
Als Randall Taylor, Ians zukünftiger Schwiegervater, hörte, um was es ging, beteiligte er sich an der Unterhaltung. Es gelang Natalia, den Fremden eine Zeit lang zu vergessen und sich auf das Geschäftliche zu konzentrieren. Taylor-Gant hatte damit gedroht, Knight’s die Aufträge zu entziehen. Man musste retten, was noch zu retten war.
Als ihr plötzlich jemand auf die Schulter klopfte, drehte sie sich lächelnd um. Howard Fiske, der mit seinen kalten Augen, dem harten Mund und der kurzen, schmächtigen Gestalt immer leicht aggressiv wirkte, packte sie am Arm und zog Natalia von den anderen weg.
„Man erwartet Sie in Edwards Büro“, erklärte er und betrachtete ungeniert ihren tiefen Ausschnitt. „Jetzt sofort“, fügte er hinzu.
„Ist Edward doch noch gekommen?“, fragte sie. Den ganzen Vormittag hatte sie sich seinetwegen Sorgen gemacht, weil niemand wusste, wo er war. Es war nicht das erste Mal, dass er einfach nicht erschien, aber an diesem Tag wäre seine Anwesenheit unbedingt erforderlich. Edward hatte jedoch momentan Probleme mit sich selbst.
„Gehen Sie bitte in sein Büro“, forderte Howard Fiske sie angespannt auf. Als er ihren Arm losließ, berührte er wie zufällig ihre Brüste.
Das war Absicht, dachte Natalia ärgerlich. Sie tat jedoch so, als hätte sie es nicht gemerkt. Ihr war klar, dass es diesem unangenehmen Mann einen ganz besonderen Kick gab, wenn sie sich die plumpen und unverschämten Annäherungsversuche verbat.
Sie nickte, ohne eine Miene zu verziehen, ehe sie sich von jedem einzeln verabschiedete und hinausging.
Plötzlich empfand Howard so etwas wie ein Glücksgefühl: Er war sich ziemlich sicher, dass Natalia Deyton in Giancarlo Cardinale einen ebenbürtigen Gegner finden würde.
Natalia eilte über den Flur. Die Tür zu Edwards Büro war geschlossen, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Nachdem sie kurz angeklopft hatte, stürmte sie ärgerlich ins Zimmer.
„Edward, ich bin sehr zornig“, rief sie aus. „Dein Benehmen ist einfach unmöglich. Wo warst du heute Vormittag? Was ist eigentlich los …?“
„Ich bin nicht Edward“, ertönte auf einmal eine tiefe, ihr unbekannte Stimme.
Natalia war im Begriff, die Tür zuzumachen, und wirbelte herum. Dann blieb sie wie erstarrt stehen. Der Fremde aus der Direktionskantine saß so entspannt in Edwards Sessel am Schreibtisch, als gehörte er dahin.
Er hatte sogar das Jackett seines dunklen Anzugs ausgezogen. Unter dem weißen Seidenhemd zeichneten sich deutlich seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust ab. Sein Anblick verschlug Natalia den Atem, und ihr kribbelte die Haut.
Sie verstand überhaupt nichts mehr, weder ihre Reaktion auf den Fremden noch die Tatsache, dass er Edwards Platz eingenommen hatte. Zu allem Überfluss betrachtete er sie auch jetzt wieder so aufmerksam wie in der Kantine.
„Wer sind Sie?“, fragte sie. „Wer hat Ihnen erlaubt, dieses Büro zu benutzen?“
Statt zu antworten, musterte er sie ungeniert von oben bis unten. Natalia hatte das Gefühl, er würde sie mit Blicken ausziehen, und versteifte sich.
„Ich habe Ihnen eine Frage gestellt“, fuhr sie ihn an.
„Zwei“, antwortete er mit sanfter, rauer Stimme.
Die seltsamsten Regungen stiegen in ihr auf. Hilflos gestand sie sich, dass dieser Mann ihr unter die Haut ging. Aber wer war er, und warum reagierte sie so auf ihn?
Dann fiel ihr auf, wie berechnend sein verführerischer Blick wirkte. „Ich sage dem Sicherheitsdienst Bescheid“, erklärte sie und drehte sich um.
„Drei Fragen, wenn man die für Edward bestimmte hinzurechnet“, fügte er ungerührt hinzu.
Plötzlich begann sie zu begreifen. Als er ihr zum ersten Mal aufgefallen war, hatte er neben Howard gestanden. Und jetzt saß er an Edwards Schreibtisch. Er hatte sogar das Jackett ausgezogen, was nur bedeuten konnte, dass er vorhatte, länger hierzubleiben. Außerdem trug er einen italienischen Designeranzug, und er sprach mit italienischem Akzent.
O nein, das darf nicht wahr sein, dachte sie und bekam eine Gänsehaut. „Giancarlo Cardinale“, flüsterte sie.
„Stimmt genau. Bitte“, er wies auf den Sessel ihm gegenüber, „setzen Sie sich endlich, Miss Deyton. Wir müssen uns unterhalten, und dabei können wir es uns gemütlich machen.“
Natalia dachte gar nicht daran, sich hinzusetzen. Erst brauchte sie Klarheit. „Was ist los mit Edward?“, fragte sie angespannt. „Ist er krank?“
In seinen dunklen Augen blitzte es ärgerlich. „Edward ist nie krank. Ich bin sicher, das wissen Sie selbst“, entgegnete er spöttisch.
Sie versteifte sich. Es überlief sie kalt. „Ist vielleicht Ihre Schwester krank?“ Vor lauter Sorge um Edward merkte sie nicht, auf welch gefährliches Terrain sie sich begab.
Giancarlo Cardinales Miene wurde eisig. „Für eine einfache Angestellte wollen Sie sehr viel wissen.“
„Ich bin keine einfache Angestellte“, protestierte sie.
„Was denn?“
Plötzlich durchfuhr sie ein eisiger Schreck. Sie betrachtete Giancarlo Cardinale prüfend. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wusste er etwa, in welchem Verhältnis sie und Edward zueinander standen?
Zufrieden beobachtete Giancarlo Natalias Mienenspiel. Überraschend schnell war es ihm gelungen, ihr Angst einzujagen.
Wer hätte in so einer Situation keine Angst?, überlegte er. Wahrscheinlich wusste sie, dass er sizilianischer Herkunft war und welchen Stellenwert die Familie für ihn hatte. Deshalb musste Natalia klar sein, dass sie jetzt ein großes Problem hatte.
Doch dann gestand er sich ein, dass ihm ihre Angst nicht behagte, obwohl er noch vor einer Stunde das Gebäude in der Absicht betreten hatte, Natalia Deyton einzuschüchtern. Danach hatte er sie aus der Firma hinauswerfen wollen.
Nachdem er ihr in die Augen gesehen hatte, hatte sich für ihn einiges geändert. Er konnte die sinnlichen Freuden, die sie zu versprechen schien, nicht ignorieren. Er wollte Natalia berühren, sie schmecken und sich mit ihr in wilde Lust stürzen. Ja, er wollte Tage und Nächte und herrliche Wochen damit verbringen, alles mit ihr zu erleben, was er sich vorstellen konnte, ohne irgendetwas auszulassen. Erst dann wollte er sie hinauswerfen.
Aber wenn er sie überzeugen wollte, mit ihm statt mit Edward ins Bett zu gehen, musste sie in ihm einen Freund und nicht einen Gegner sehen.
Natürlich bezweifelte Giancarlo keine Sekunde, dass sie mit ihm schlafen würde. Trotz ihrer Schönheit war sie kühl und berechnend, das war ihm klar. Warum wäre sie sonst die Geliebte von einem so dickbäuchigen Mann mittleren Alters geworden? Sie war geldgierig, das war alles.
Wenn das wirklich stimmte, würde es ihm die Sache erleichtern, denn er war so reich, wie Edward es niemals sein würde. Außerdem war er jünger als sein Schwager und hatte keinen dicken Bauch.
Er hatte jedoch nicht viel Zeit. In den sechs Wochen, die er für seinen Aufenthalt in London eingeplant hatte, musste er sie für sich gewinnen und sich nach allen Regeln der Kunst mit ihr austoben. Dann wäre die Ehre der Familie wiederhergestellt, und er hätte Natalia Deyton eine Lektion erteilt, die sie ihr Leben lang nicht vergessen würde.
Erst muss ich sie außerordentlich liebenswürdig und nett behandeln, die Rache kommt später, sagte er sich und nahm sich vor, sich Natalia behutsam zu nähern.
„Verzeihen Sie mir, Miss Deyton“, begann er, „ich habe Sie offenbar erschreckt. Das wollte ich nicht. Bitte, setzen Sie sich. Ich möchte Ihnen erklären, warum ich hier bin.“
Sie kam näher. Er beobachtete, wie graziös und geschmeidig sie sich mit den langen Beinen und den verführerischen Hüften bewegte. Die Frau wirkte ungemein erotisch und sinnlich. Auch wie sie sich ihm gegenüber an den Schreibtisch setzte, kam ihm irgendwie poetisch vor, eine andere Bezeichnung fiel ihm dafür nicht ein. Ihr Haar war nicht gefärbt, sondern von einem natürlichen Kupferrot. In der Sonne, die hinter Giancarlo zum Fenster hereindrang, glänzte es und schien geradezu zu funkeln. Es betonte ihre verblüffend helle Haut.
Giancarlo entging nichts. Er wollte diese Frau für sich haben und diese weichen, herrlichen Lippen spüren, die zum Küssen einzuladen schienen.
Natalia sah ihn beunruhigt an. Sogleich wünschte er, ihr Blick würde wieder so erotisch wirken wie zuvor in der Direktionskantine. Er lehnte sich über den Schreibtisch, denn er wusste, dass er mit der Körpersprache immer Erfolg hatte.
Interessiert betrachtete Natalia seine muskulöse Brust. Ihr Atem ging schneller, und ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem engen weißen Top. Offenbar war sie genauso erregt wie er.
Er stand auf und lehnte sich mit den schmalen Hüften nur wenige Zentimeter von ihr entfernt an den Schreibtisch. „Edward geht es gut“, versicherte er ihr, während sie den Blick über seine langen Beine gleiten ließ. „Meiner Schwester Alegra auch“, fügte er hinzu. „Momentan genießen sie ihren wohlverdienten Urlaub in der Karibik.“
Verblüfft sah Natalia ihn an. „Aber … Edward hat davon nichts erwähnt.“
„Nein, er hat es selbst nicht gewusst.“ Giancarlo lächelte. „Die Kreuzfahrt habe ich den beiden zur Silberhochzeit geschenkt. Es sollte eine Überraschung sein. Sie wissen sicher, dass Edward und meine Schwester schon fünfundzwanzig Jahre verheiratet sind, oder?“
„Ja“, erwiderte sie.
Genau in diesem Moment hatte er ihr ursprünglich erklären wollen, dass er Bescheid wisse über ihre und Edwards Beziehung. Danach hatte er sie auffordern wollen, aus dem Leben seines Schwagers zu verschwinden. Er hatte sogar einen großzügigen Scheck unterschrieben in der Tasche, um ihr die Trennung von ihrem Geliebten zu versüßen.
Aber dieser Scheck musste dort bleiben, wo er war, und Giancarlo wollte Natalia nicht mehr so leicht davonkommen lassen. Er wollte die Geheimnisse ihres herrlichen Körpers erforschen und den Schlüssel zu ihrem Herzen für immer bei sich behalten.
Das nennt man süße Rache, überlegte er. Als Sizilianer hatte er kein Problem damit, seine Rachegelüste mit seinem Gewissen zu vereinbaren.
„Die Reise wurde ohne Edwards und Alegras Wissen geplant. Erst kurz vor dem Abflug habe ich sie informiert. Zugleich habe ich Edward versprochen, mich während seiner Abwesenheit persönlich um die Firma zu kümmern, sodass er keinen Grund hatte, nicht mit Alegra nach Barbados zu fliegen, wo die Kreuzfahrt beginnt.“
„Auf einem Ihrer Kreuzfahrtschiffe?“, fragte sie.
„Natürlich.“ Wenigstens hat sie jetzt keine Angst mehr vor mir, dachte er und lächelte. „Ihre Sorge um das Wohlergehen der beiden ehrt sie, Miss Deyton“, fügte er heuchlerisch hinzu. „Aber für mich ist es selbstverständlich, ihnen nur das Beste anzubieten nach den tragischen Ereignissen des vergangenen Jahres.“
Als er die Tragödie erwähnte, sprang Natalia auf. Ihr Blick wirkte irgendwie schuldbewusst, was für ihn der Beweis war, dass seine Vermutung stimmte.
Vielleicht sollte ich doch so mit ihr verfahren, wie ich es ursprünglich geplant hatte, und sie sogleich hinauswerfen, überlegte er ärgerlich. Seine Miene verfinsterte sich, als er sich daran erinnerte, wie sehr seine Schwester nach dem Tod ihres einzigen Sohnes gelitten hatte. Er war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Marco war Alegras ganzer Lebensinhalt und ihr Sonnenschein gewesen. Die Familie hatte befürchtet, sie würde den Schmerz nie überwinden.
Dass ihr Mann sich in seinem Kummer von Natalia hatte trösten lassen, die nur halb so alt war wie Alegra, konnte kein Sizilianer, dem die Ehre der Familie noch etwas bedeutete, verzeihen. Er musste sich sehr beherrschen, Natalia Deyton nichts anzutun.
Plötzlich berührte sie ihn sanft an der Schulter. „Es tut mir so leid“, sagte sie leise. „Edward hat mir erzählt, wie nahe Sie und Marco sich gestanden haben. Es muss für Sie und Ihre Familie eine schlimme Zeit gewesen sein.“
Giancarlo war sekundenlang schockiert. Offenbar hielt sie seinen Ärger für Schmerz. Außerdem fand er ihre Berührung abstoßend.
Das stimmt ja gar nicht, gestand er sich sogleich ein. Seine Haut prickelte, weil Natalias Berührung ihm viel zu sehr gefiel. Und dann schlug sein Herz schneller, denn ihr Blick wirkte endlich wieder so erotisch wie zuvor. Prompt änderte er wieder seine Meinung. Er wollte doch lieber nicht an seinem ursprünglichen Plan festhalten, sondern erst seinen Spaß mit ihr haben, ehe er sie dorthin beförderte, wohin sie gehörte.
Momentan gehörte sie seiner Meinung nach in sein Bett. Er malte sich aus, wie sie nackt neben ihm lag und ihn mit ihren schönen Augen einladend und verführerisch anblickte.
Ja, eine solche Rache finde ich viel befriedigender, dachte er. Dass er sich entgegen seiner sonstigen Gewohnheit momentan eher von seiner körperlichen Lust als von seinem Verstand leiten ließ, änderte nichts an seinem Entschluss.
„Danke für Ihr Verständnis“, antwortete er leise und fuhr ihr mit dem Finger sanft über die sinnlichen Lippen.
Ihre Augen schienen plötzlich ganz dunkel zu werden. Giancarlo beugte sich langsam zu ihr hinunter, bis seine Lippen nur noch wenige Millimeter von ihren entfernt waren.
In dem Moment wurde Natalia bewusst, was da mit ihr passierte. Wie betäubt schüttelte sie den Kopf, während sie schnell zwei Schritte zurücktrat und dabei beinah über den Sessel gestolpert wäre, der hinter ihr stand.
Giancarlo beobachtete sie schweigend.
„Wie lange wird Edward weg sein?“, fragte sie betont kühl, nachdem sie sich wieder unter Kontrolle hatte.
Er musste ein Lächeln unterdrücken. „Sechs Wochen“, antwortete er und spürte, wie schockiert sie war.
Wahrscheinlich überlegt sie, wie schwierig es sein wird, sechs Wochen gegen ihre Gefühle anzukämpfen, vermutete Giancarlo. Er versuchte nicht, sein Verlangen vor ihr zu verbergen, sondern blickte sie so viel sagend an, dass sie errötete und sich abwandte.
„Edward hat mir versichert, dass Sie während seiner Abwesenheit in jeder Hinsicht mit mir zusammenarbeiten“, erklärte er sanft und bot rücksichtslos all seinen Charme auf. „Wir beide haben bestimmt kein Problem, miteinander auszukommen, oder?“
„Nein, natürlich nicht“, stimmte sie so sachlich und geschäftsmäßig zu, wie sie konnte. „Kann ich irgendetwas für Sie tun?“ Sie musste unbedingt von hier weg und fing an, den Raum zu durchqueren.
„Ja, ich hätte gern einen Kaffee“, antwortete er. „Schwarz, am liebsten einen italienischen, wenn das möglich ist.“
Natalia nickte und ging weiter.
„Dann brauche ich alle Unterlagen über die wichtigsten Kunden“, fügte er hinzu. „Besonders über die, die Sie heute beim Lunch … so bezaubernd betreut haben.“
„Sie meinen die Leute von Taylor-Gant“, erwiderte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen. Was für eine seltsame Bemerkung, schoss es ihr durch den Kopf, und sie runzelte die Stirn. „Wir entwerfen Marktstrategien für die Designerdessous dieser Firma.“
„Tragen Sie die selbst auch?“ Er merkte, wie sie zusammenzuckte.
„Nein.“ Sie öffnete die Tür.
„Dann kaufen Sie sich welche“, forderte er sie auf. „Wenn man ein Produkt auf den Markt bringen will, muss man es genau kennen.“
„Das gehört nicht zu meinen Aufgaben“, protestierte sie.
„Von jetzt an gehört es sehr wohl dazu“, entgegnete er. „Informieren Sie sich bitte über das gesamte Sortiment. So etwas, Miss Deyton, erwartet man selbstverständlich von der persönlichen Assistentin des Managing Directors.“
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, lächelte Giancarlo zufrieden vor sich hin. Er hatte sie irritiert. Das Spiel hatte begonnen, und er hatte die Fäden in der Hand. Das bezweifelte er keine Sekunde. Natalia Deyton würde ihm gehören. Er würde seinen Spaß mit ihr haben.
Natalia schloss die Tür hinter sich und versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war. Es war nichts Konkretes. Sie hatte nur das beunruhigende Gefühl, sich mit allen Sinnen auf Giancarlo Cardinales Verführungskünste eingelassen zu haben.
Langsam ließ die Spannung nach. Trotzdem ging es Natalia nicht viel besser, wie sie sich eingestand, während sie ihr Büro durchquerte. Erschöpft setzte sie sich auf die Kante ihres Schreibtischs und bemühte sich, die Gedanken zu ordnen.
„Giancarlo Cardinale“, sagte sie laut vor sich hin. Sein Name klang erschreckend und verwirrend, zugleich aber auch aufregend und ausgesprochen verführerisch.
Du liebe Zeit, was ist mit mir los?, dachte sie und schloss die Augen. Doch sogleich stieg sein Bild vor ihr auf. Das dunkle Haar, die gebräunte Haut, die braunen Augen und sein durchdringender Blick fesselten sie ungemein, obwohl sie sich verzweifelt dagegen wehrte. Und seine sinnlichen Lippen schienen ihre wie magisch anzuziehen.
Rasch legte sie sich die Finger auf die Lippen. Aber das machte die Sache auch nicht besser, sondern eher schlimmer, denn plötzlich breitete sich eine verräterische Hitze in ihr aus. Der Mann war das reinste Gift für sie.
Schließlich öffnete sie die Augen wieder. Ja, es stimmte, Giancarlo Cardinale war wirklich Gift für sie. Sie durfte sich nicht mit ihm einlassen, auch wenn er die leidenschaftlichsten Gefühle in ihr wachrief. Sie befürchtete jedoch jetzt schon, dass sie früher oder später schwach werden würde.
Sie erbebte und bekam eine Gänsehaut. Giancarlo Cardinale, dieser große dunkelhaarige und so beunruhigend sexy wirkende Mann war ihr Gegner, und er hatte die Macht, sie zu vernichten. Und das würde er auch tun, falls er jemals die Wahrheit herausfand.
Warum war Edward einfach in Urlaub gefahren? Was, zum Teufel, dachte er sich dabei, sie ohne Vorwarnung in so eine Situation zu bringen?
Sie stand auf und ging ruhelos im Raum auf und ab. Dabei verschränkte sie die Arme und runzelte die Stirn. Das alles machte keinen Sinn. Edward war ihr Leben. Weshalb tat er ihr so etwas an?
Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie drehte sich um und hörte den Anrufbeantworter ab. Edward wäre bestimmt nicht abgeflogen, ohne ihr eine Nachricht oder Erklärung zu hinterlassen.
Zu ihrer Erleichterung hörte sie dann seine tiefe, ziemlich gehetzt klingende Stimme. „Natalia, Liebes, es gibt Neuigkeiten.“
In dem Moment öffnete Giancarlo Cardinale hinter ihr die Verbindungstür und blieb regungslos stehen.