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Der Reitsport ist relativ gefährlich. Dennoch ist es für viele verwunderlich, dass die meisten Unfälle mit Pferden nicht beim Reiten, sondern im Umgang mit dem Pferd passieren. Dieses Buch zeigt dem Leser, wie man einem Pferd mehr Ruhe und Gelassenheit antrainiert und die FN-Prüfung "Gelassenheit" erfolgreich absolvieren kann.
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Seitenzahl: 105
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Die Autorin, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus den in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab.
Copyright © 2005 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
3. Auflage 2014
Gestaltung und Satz : Ravenstein + Partner, Verden
Titelfoto: Renate Ettl
Fotos im Innenteil: Renate Ettl
Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten.
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eISBN 978-3-8404-6235-1
Inhalt
Der Traum vom coolen Pferd
Mehr Gelassenheit im Pferdesport
Das natürliche Verhalten des Pferdes
Das Heil in der Flucht
Schutz durch Artgenossen
Unfallsituationen
Das Gespenst im Gebüsch
Laute Maschinen und Straßenverkehr
Was das Pferd nicht kennt …
Die Idee der Gelassenheitsprüfung
Mehr Sicherheit für Mensch und Tier
Was der Gelassenheitspass bringt
Nutzen für den Reiter
Wettkampf auch für Nichtreiter
Profit für den Züchter
Welche Pferde sind geeignet?
Typen, Rassen und Charaktere
Das Gelassenheitstraining
Die Ausrüstung für die Bodenarbeit
Halfter und Führstrick
Sinnvolle Kleidung
Zusatzausrüstung
Heranführen an furchterregende Hindernisse
Reaktionen unterschiedlicher Pferdetypen
Wie nimmt man dem Pferd die Angst?
„Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!“
Leitstute Mensch
Wer ist der Boss im Ring?
Problemfälle
Fütterungs- und Haltungsfehler
Schlechte Erfahrungen
Die Arbeit an Hindernissen
Hindernisse übertreten
Stangentraining
Die Brücke und die Wippe
Alles was raschelt
Tüten, Planen und Flatterbänder
Gegenstände nachziehen
Was es sonst noch alles gibt
Bälle und Ballons
Besen, Mülltonnen, Pferdehänger …
Gerüche und Geräusche
Dasselbe Hindernis – neue Gefahr?
Wenn die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut
Vielfältige Veränderungen
Die Hindernisse der Gelassenheitsprüfung und deren Training
Das Vortraben
Tipps für einen besseren Trab
Die Luftballons
Schwierigkeit des Hindernisses
Das Stangenkreuz
Häufige Fehler und wie man sie verhindert
Die Müllpassage
Schwierigkeitsgrad langsam erhöhen
Bälle aus der Hecke
Unverhofft kommt oft
Das Rückwärtsrichten
Wer das Sagen wirklich hat
Die Regenschirme
Richtig heranführen
Die Plane
Übung macht den Meister
Der Rappelsack
Gefahr in Verzug
Das Stillstehen
Ein Blick ins Westernlager
Der Trainingsplan für zu Hause
Tägliche Bodenarbeit
Disziplin und Gehorsam
Das Hindernis-Training
Ab ins Trainingslager!
Wie steht s mit der eigenen Gelassenheit?
Zur Ruhe kommen
Das autogene Training
Die progressive Muskelentspannung
Andere Entspannungstechniken
Der Traum vom coolen Pferd
Der Traum vom coolen Pferd
Den Wunsch, ein eigenes Pferd zu besitzen, kann sich heutzutage fast schon jeder erfüllen. Doch die kühnen Jugendträume bewahrheiten sich damit noch lange nicht: Wer hätte nicht von einem heißblütigen schwarzen Hengst geträumt, mit dem man ohne Zaum über die Hügel galoppieren kann? Oder von der „goldenen Stute“, die auf großen Turnieren einen Pokal nach dem anderen gewinnt? Wer hat sich nicht schon auf einem feurigen, aber sanftmütigen und coolen Rassepferd reiten sehen, während einem die Zuschauerränge zujubeln – und sei es nur auf einem Reiterumzug des örtlichen Reitvereins?
Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Auch wenn der Traum vom eigenen Pferd in Erfüllung gegangen ist, kann er sich schnell zum Alptraum wandeln. Das Rassepferd ist ein ausrangierter Traber, ein fauler Haflinger, ein hypernervöses Araberpony oder ein schwerfälliger Warmblüter. Und natürlich ist es anfällig für Koliken, hat ein Überbein, Sehnenprobleme oder Sommerekzem. Von Stellungsfehlern ganz zu schweigen und Rückenprobleme sind einem auch nicht fremd.
Das alles wäre ja noch akzeptabel, wenn sich das Pferd wenigstens anständig reiten ließe und nicht vor jeder Kleinigkeit buchstäblich in die Luft ginge. Schon beim kleinen Breitensport-Turnier verliert es die Nerven, und im Gelände ergreift es die Flucht, wenn es im Gebüsch nur raschelt. Dann wird das Reiten zum Stress anstatt zur Entspannung und die Freude am lockeren Ausritt zur lästigen Pflicht, das Pferd bewegen zu müssen.
Abhilfe kann nur ein fundiertes und fachkundiges Training schaffen, damit die Verständigung zwischen Reiter und Pferd besser funktioniert und sich das Vertrauen festigt. Man kann vielleicht nicht alle Wünsche wahr machen, aber wenn man sich realistische Ziele setzt, geht der eine oder andere Traum doch noch in Erfüllung.
Ein Weg zu diesem Ziel ist die Arbeit mit dem Pferd vom Boden aus. Ein spezielles Ausbildungsgebiet ist hierbei das Training der Gelassenheit, denn nur ruhige Pferde sind aufmerksam und aufnahmefähig. Dies wiederum ist die Voraussetzung für jedes weiterführende Training.
Die FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung) hat erkannt, dass gelassene Pferde nicht nur für eine bessere Leistungsfähigkeit ein entscheidender Faktor sind, sondern auch für die Sicherheit im Reitsport allgemein. Darum hat die FN zusammen mit der Zeitschrift „Cavallo“ die Gelassenheitsprüfung – kurz GHP – ins Leben gerufen, um das Training zur Scheufestigkeit zu fördern.
Mehr Gelassenheit im Pferdesport
Mehr Gelassenheit im Pferdesport
Der Reitsport ist aufgrund des Faktors Pferd – ein Lebewesen – relativ gefährlich. Dennoch wundert sich mancher, dass die meisten Unfälle mit Pferden nicht beim Reiten, sondern im Umgang mit dem Pferd passieren. Tritte und Schläge von Pferden stehen dabei ganz oben auf der Liste, nicht selten werden auch Bisse als Verletzungsursache verzeichnet. Obwohl man annehmen sollte, dass die größte Gefahr im Reitsport darin liegt, vom Pferd zu fallen, steht dieser Aspekt erst an zweiter Stelle der Unfallliste.
Umgang gefährlicher als Reiten
Beim Umgang mit dem Pferd passieren laut Unfallstatistik von Versicherungen mehr Unfälle als beim Reiten selbst. Deshalb ist eine fundierte Ausbildung im Umgang mit dem Pferd wichtig, um mehr Sicherheit zu erlangen. Dabei kann die Bodenarbeit in all ihren Facetten sehr wertvoll sein.
Aus dieser Statistik lässt sich schließen, dass der Umgang mit dem Pferd gefährlicher ist als das Reiten an sich. Warum ist das so?
Unfälle und daraus resultierende Verletzungen werden zum einen durch geeignete Schutzmaßnahmen (Reithelm, Handschuhe, Stiefel und anderes Zubehör) verhindert, zum anderen durch eine entsprechend fundierte Ausbildung. Die Ausbildung im Sattel lässt – je nach Reitschule und Ehrgeiz des jeweiligen Reiters – häufig zu wünschen übrig, die Ausbildung der Reiter im Umgang mit dem Pferd vom Boden aus wird in den konventionellen Reitschulen so gut wie nicht praktiziert.
In den seltensten Fällen lehren Reitschulen das korrekte Führen eines Pferdes. Es scheint wichtiger zu sein, den Reitschülern beizubringen, wie man einen Oxer richtig anreitet. Doch die Ausbildung des Reiters im Umgang mit dem Pferd wird vernachlässigt. Gerade dies wäre aber nicht nur im Sinne der Unfallverhütung wichtig, sondern ist auch ein entscheidender Aspekt für die Kommunikation mit dem Pferd. Erst wenn man die natürlichen Verhaltensweisen eines Pferdes kennt, kann man dessen Reaktionen einschätzen und entsprechend reagieren.
Das natürliche Verhalten des Pferdes
Sehr deutlich zu spüren bekommt der Mensch spezielle artspezifische Eigenschaften des Pferdes sowohl im Umgang mit dem Pferd als auch beim Reiten. Dies sind zum einen der Herdentrieb und zum anderen die Flucht-bereitschaft des Pferdes. Weitere Verhaltensweisen lassen sich erklären, wenn man sich vor Augen führt, dass das Pferd nicht nur ein Herden- und Fluchttier ist, sondern auch ein Dauerfresser und Steppenbewohner, der auf Futtersuche ständig in Bewegung ist.
Pferde sind Flucht- und Herdentiere. Erschrickt ein Pferd, ergreifen alle gemeinsam die Flucht.
Zudem sollte man wissen, wie das Pferd seine Umwelt wahrnimmt, um die Reaktionen des Vierbeiners einerseits zu verstehen und andererseits möglicherweise vorherzusehen.
So hat das Pferd ein völlig anderes Sichtfeld als der Mensch. Die Anordnung der Augen lässt es zu, dass das Pferd fast einen Rundumblick hat. Nur ein kleiner Bereich hinter ihm und vor ihm ist für das Pferd nicht einsehbar. Bereiche, die das Pferd nur mit einem Auge erblicken kann (alle seitlichen Bereiche), kann es nicht dreidimensional erfassen. Somit ist das Einschätzen von Entfernungen schwierig. Auch sieht das Pferd nicht optimal scharf, was die Scheuneigung verstärkt, dafür kann es Gegenstände in weiter Entfernung ausmachen.
Hör- und Geruchssinn eines Pferdes sind wesentlich besser ausgeprägt als die des Menschen. So kann das Pferd auf Dinge reagieren, die es riecht oder hört und von denen der Reiter zunächst gar keine Kenntnis hat. Man fragt sich dann, weshalb das Pferd ein bestimmtes Verhalten zeigt.
Das Heil in der Flucht
Die Tierwelt lässt sich ganz grob in zwei Kategorien von Tierarten einteilen: Das eine sind Raubtiere, das andere Fluchttiere. Menschen, Katzen und beispielsweise auch Hunde gehören zur ersten Kategorie. Pferde, Kaninchen oder Antilopen – um wiederum nur einige zu nennen – zur zweiten. Raubtiere haben gelernt, ihre Fähigkeiten für die Jagd und den Angriff immer weiter zu verbessern. Fluchttiere hingegen müssen ihrerseits ihre Fluchteigenschaften stetig verfeinern, wenn sie eine Überlebenschance haben wollen.
Hierzu gehört unter anderem die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit, also der Schreckhaftigkeit in Verbindung mit der anschließenden schnellen Flucht. Je schneller ein Pferd vom ruhigen Grasen zum rasanten Davonlaufen umschalten kann, desto weniger Chancen hat ein Raubtier, das Pferd zu erlegen. Pferde haben diese Fähigkeit perfektioniert. Und dies ist letztendlich für den Reiter ein Problem.
Umwelt und Lebensbedingungen haben sich für Pferde komplett geändert, ihre Instinkte jedoch sind dieselben geblieben. Deshalb veranlassen unbekannte Geräusche, Gerüche oder Bewegungen ein Pferd vorsichtshalber zur Flucht. Lieber einmal zu oft weggelaufen als einmal zu wenig!
Würde sich das Pferd zuerst vergewissern, ob es sich möglicherweise doch nur um einen harmlosen Vogel handelt, der im Gebüsch raschelt, könnte es in seinem natürlichen Lebensraum kaum überleben. Viel zu oft wäre es wahrscheinlich doch ein Raubtier gewesen, was den Tod des Huftiers bedeutet hätte.
Der Fluchtinstinkt erklärt, weshalb Pferde selbst bei geringstem Anlass Hals über Kopf die Flucht ergreifen können. Dass dieses Verhalten in seinem heutigen (unnatürlichen) Lebensraum eher gefährlich ist, kann es selbstverständlich nicht verstehen. Das Pferd denkt ja nicht darüber nach, ob es fliehen soll oder nicht, es tut es instinktiv.
Deshalb sind Pferde auch heute noch sehr schreckhaft und immer bereit zur Flucht. Da es sich um einen Urinstinkt handelt, wird man ihn weder züchterisch noch ausbildungstechnisch vollständig auslöschen können. Dennoch kann man ihn durch fundiertes Training weitestgehend unter Kontrolle bringen.
Nichts wie weg!
Die Schreckhaftigkeit und die Bereitschaft zur Flucht sind Eigenschaften, die zu den Urinstinkten des Pferdes gehören und für das Überleben der Art notwendig waren. Man kann sie weder durch die Zucht noch durch Ausbildung vollständig auslöschen, aber man kann sie unter Kontrolle bringen.
Schutz durch Artgenossen
Ein weiterer Urinstinkt des Pferdes ist der Herdentrieb, der so manchem Pferdebesitzer zu schaffen macht. So genannte Kleber sind Pferde, die sich nicht oder nur sehr schwer von ihren Artgenossen trennen lassen. Manche Pferde sind nur unter großen Schwierigkeiten von der Gruppe wegzureiten, andere weigern sich, alleine den Hof zu verlassen, und wieder andere machen aus ihrer Box Kleinholz, wenn sie alleine im Stall bleiben sollen. Diese Reaktionen sind nur natürlich, denn die Herde ist für das Pferd ein lebenswichtiger Schutz. Das Bedürfnis, sich innerhalb einer Herde aufzuhalten, ist darum sehr groß. Es ist für ein Pferd noch schwieriger, sich in einem unnatürlichen Lebensraum ohne Artgenossen sicher zu fühlen. Auch hierzu gehörtviel Training, das von Verständnis, Geduld und Einfühlungsvermögen geprägt sein muss.
Die Herde bietet dem einzelnen Pferd die größtmögliche Sicherheit
Der Mensch muss in der Lage sein, sich dem Pferd als „Ersatzherde“ anzubieten, was allerdings nicht gerade einfach ist, da er sich oft genug als Raubtier zu erkennen gibt. Da muss man schon viel Pferdeverstand mitbringen, um das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen und somit dessen Schutzbedürfnis zu befriedigen.
Unfallsituationen
Die natürlichen Verhaltensweisen und Instinkte des Pferdes sind meist daran beteiligt, wenn es zu Unfällen mit Pferden kommt. Jedes für das Pferd unbekannte Ereignis löst Angst und schließlich Flucht aus. Der Reiter ist nicht mehr in der Lage, die Situation zu beherrschen, indem er das Pferd von der Ungefährlichkeit der Lage überzeugen oder es über Zwangsmaßnahmen (beispielsweise ein scharfes Gebiss) dazu bringen kann, nicht zu fliehen.
Fast alle Freizeitreiter bewegen ihre Pferde im Gelände. Gerade in Feld und Wald kommt es immer wieder zu unvorhergesehenen Situationen, die zu Unfällen führen können. Wenn die Ausbildung von Reiter und Pferd zu wünschen übrig lässt, kann der Ausritt zu einem unkalkulierbaren Risiko werden.
Das Gespenst im Gebüsch
Das berühmte „Gespenst im Gebüsch“ kann überall und vor allem plötzlich auftreten. Es handelt sich um unbekannte Geräusche, Bewegungen oder Gerüche, welche sofort den Schutzmechanismus „Flucht“ auslösen. Hat das Pferd jedoch gelernt, seinem Reiter zu vertrauen, wird es nicht zwangsläufig sofort die Flucht ergreifen, wenn es mit Unbekanntem konfrontiert wird.
Natürlich gibt es dennoch Situationen, in denen das Pferd erschrickt. So kann ein Fasan auffliegen oder ein Feldhase läuft unvermittelt über den Weg. Nach der ersten Schrecksekunde erkennt das Pferd aber, dass es sich bei diesen Tieren um keine Gefahr handelt. Es wird sich also wieder beruhigen.