Sonne, Strand und Federwolken - Eva Joachimsen - E-Book
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Sonne, Strand und Federwolken E-Book

Eva Joachimsen

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Beschreibung

Was gibt es Schöneres, als ein paar freie Tage an der See zu verbringen? Am Strand zu liegen und von der großen Liebe zu träumen. Bis man sie gefunden hat, lässt sich die Wartezeit herrlich mit Urlaubslektüre verkürzen. Die Kurzgeschichtensammlung ist nicht nur für die Ferien geeignet. 13 kurzweilige Liebesgeschichten von der Ostsee, unterhaltsam und flüssig zu lesen

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Inhaltsverzeichnis

Sonne, Strand und Federwolken

Simones Traumtyp

Kuraufenthalt an der See

Der Strandkorb

Urlaubsbekanntschaft

Regen und Sturm statt Sonnenschein

Quallenalarm

Mit Oma auf Reise

Dauerregen

Endlich Urlaub

Pension „Susanne“

Omas Häuschen

Allein auf Rügen

Die Autorin

Sonne, Strand und Federwolken

Liebesgeschichten von der Ostsee

von Eva Joachimsen

Impressum

Eva Joachimsen c/o Papyrus Autoren-Club, R.O.M. Logicware GmbH Pettenkoferstr. 16-18 10247 Berlin

Copyright © 2017 Eva Joachimsen

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: ScriptLounge

Bild: © rcfotostock - Fotolia.com

Covergestaltung: TomJay - bookcover4everyone - www.tomjay.de

Simones Traumtyp

Simone streifte sich ihr Kleid über den Kopf, dann griff sie zur Sonnenmilch und cremte sich gründlich ein. Sie genoss den herrlichen Tag. Sonnenschein, Strand und blauer Himmel. Ihr Herz hüpfte. Obwohl sie alleine Urlaub machte, weil ihre Freundin Lena krank geworden war. Die drei Tage an der See würde sie auf jeden Fall auskosten. Neben ihr sonnte sich ein braungebrannter Mann. Neidisch musterte sie ihn. So schön braun würde sie nicht werden. Ihre Haut war viel zu hell und rötete sich schnell. Daher musste sie stets aufpassen und benutzte den höchsten Lichtschutzfaktor. Sie legte sich auf ihre Decke und nahm sich ihr Buch. Vorsichtshalber hatte sie gleich mehrere Wälzer ihrer Lieblingsautorin eingepackt.

Einmal fasste sie, ohne hochzusehen, ihr Badelaken und zog es über ihren Rücken. Erst als sie das Buch durchgelesen hatte, sah sie wieder auf. Inzwischen hatte sich der Strand gefüllt. Rundherum wuselten kleine Kinder, bauten Sandburgen oder plantschten in der See. Ihr gebräunter Nachbar erhob sich, dehnte sich und lief zum Wasser. Gut sah er aus. Seine Brust- und Bauchmuskeln hoben sich deutlich ab. Das helle Haar war sonnengebleicht. Gedankenverloren schaute Simone ihm hinterher. Sie wartete etwas, bevor sie aufstand und ihm folgte. Brrr, war die Ostsee kalt. Ihr Traummann schwamm bereits weit draußen, als sie noch immer im kniehohen Wasser stand und sich nicht tiefer hinein traute, während um sie herum die Kinder mit Wasser spritzten. Ab und zu bekam sie Tropfen ab, die sie frösteln ließen. Langsam tastete sie sich weiter. In Bauchhöhe wurde es unerträglich. Entschlossen warf sie sich in die Brandung und paddelte hektisch los. Nach einer Weile hatte sie sich an die Temperatur gewöhnt und genoss sogar das Schwimmen.

Sie hatte sich schon längst abgetrocknet, bevor ihr Nachbar erschien. Er nahm sich nicht die Zeit, sich richtig abzutrocknen, sondern eilte gleich zum Surfbrettverleih. Simone konnte sich nicht auf ihre Illustrierte konzentrieren. Fortwährend schielte sie über den Rand der Zeitschrift zu den Surfern hinüber. Ihr Schönling baute ein Brett auf, dann schob er es in die See. Einen Augenblick später stand er auf dem Surfbrett und ließ sich elegant vom Strand wegtreiben. Erst nachdem er meilenweit entfernt war, verlor Simone ihn aus den Augen. Endlich konzentrierte sie sich wieder auf ihre Zeitschrift.

Auch als er nach Stunden zurückkam und sich neben sie legte, fiel ihr kein Grund ein, ihn anzusprechen. Sie packte ihre Sachen zusammen und lief möglichst dicht an ihm vorbei. Leider schaute er nicht auf.

Vor dem Abendessen stöberte sie in den Ständen an der Promenade herum. Ein Geschäft bot Badeanzüge und Bikinis an. Ein Hauch von Nichts gefiel ihr besonders. Das Rot würde ihr bestimmt gut stehen. Der Preis war exorbitant. Aber die Ausgabe würde sich hoffentlich lohnen. Sie nahm ihn und probierte ihn an. Angezogen sah er noch besser aus, als sie es sich vorgestellt hatte. Er schien für sie gemacht. Er betonte ihre schlanken Hüften und ihre langen Beine. Das Oberteil hob ihre kleinen Brüste an, sodass sie viel voller wirkten. Eine Weile begutachtete sie sich im Spiegel, dann beschloss sie, in den folgenden Tagen ausschließlich in der Imbissbude zu essen und sich dafür dieses Teil zu leisten.

Mit ihrer Strandtasche in der Hand ging sie zur Fischbude und bestellte Kartoffelsalat mit Seelachsfilet. Der junge Verkäufer betrachtete sie wohlwollend.

„Sind Sie zum ersten Mal hier?“

„Ja, und ich habe super Glück. So ein traumhaftes Wetter.“ Sie strahlte ihn an, dabei fand sie ihn überhaupt nicht sympathisch. Sein rundes Gesicht war mit Sommersprossen übersäht, dazu besaß er kurze widerspenstige, rote Haare.

Am nächsten Tag erschien sie früh morgens am Strand. Es war noch kühl, daher zog sie ihr Minikleid nicht aus, sondern legte ihre Decke, das Handtuch und die Tasche auf den Platz vom Vortag. Anschließend spazierte sie am Ufer entlang und suchte Muscheln.

Die Surfer waren bereits im Gange. Autos fuhren vor. Die Umstehenden entluden die Bretter und das Zubehör. Männer und Frauen in Neoprenanzügen bauten ihre Surfbretter auf. Einige segelten schon weit draußen in einer Reihe. Dazwischen zuckelten kleine Motorboote. Bestimmt ein Anfängerkurs, mit den Lehrern in den Booten, damit die Schüler im Notfall schnell gerettet werden konnten.

Gegen Mittag wurde es etwas wärmer. Inzwischen waren viele Leute am Strand. Simone lief zu ihren Sachen. Je mehr sie sich ihrem Platz näherte, desto stärker betonte sie ihren Hüftschwung. Ihr Traummann lag leider nicht auf demselben Platz wie am Vortag neben ihr.

Enttäuscht kramte sie ihre Kekse hervor und knabberte ein paar. Dabei blickte sie prüfend über den Strand. Nach längerem Suchen entdeckte Simone den Braungebrannten bei den Surfern. Er montierte sein Surfbrett zusammen. Simone legte sich auf das Handtuch und nahm sich ein neues Buch vor. Ab und zu schaute sie auf. Als er das Brett ins Wasser trug und aufstieg, sah sie ihm zu. Geschickt drehte er das Segel in den Wind und verließ die Bucht. Sie las weiter. Erst als die Sonne ihren Höchststand erreichte, ging sie baden. Später bummelte sie durch die Läden, ohne Geld zum Kaufen zu haben.

Am Nachmittag lauerte sie dem Mann erneut auf. Endlich wurde ihre Geduld belohnt. Er kehrte zurück. Nachdem er sein Surfbrett abgeliefert hatte, erschien er am Badestrand. Simone zog ihr Kleid aus und schlenderte in ihrem neuen Bikini an ihm vorbei. Dummerweise hielt er die Augen geschlossen. Auch als sie nass wie eine Nixe nach einer halben Stunde zurücklief, beachtete er sie nicht, sondern beobachtete die Optimisten auf der See. Leider verstand Simone nichts von Segeln und Surfen, daher fiel ihr keine intelligente Bemerkung zu den Booten und den kleinen Seglern ein. Deshalb lief sie schweigend zu ihrer Decke und ärgerte sich über sich selbst, weil sie die Gelegenheit nicht nutzte.

Am folgenden Tag bewunderte sie den Kerl nur aus der Ferne. Wieder flanierte sie Hüfte schwingend im aufreizenden Bikini an ihm vorbei. Und wieder schaute er knapp an ihr vorbei. Es half nichts. Sie beschloss, einen Tag dranzuhängen. Die Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen. Sie würde sich bei ihrer Chefin krankmelden.

Morgens stand sie früh auf, rief in der Firma an und nahm die Genesungswünsche entgegen. Dann lief sie nach einem üppigen Frühstück, das Einzige, was sie an diesem Tag zu sich nehmen konnte, denn ihr Restgeld brauchte sie für das Zimmer, zur See. Den ganzen Tag saß sie an ihrem Platz und wartete auf ihren Traummann. Mehrmals marschierte sie den langen Strand ab. Doch er kam nicht. Selbst die anderen Surfer waren verschwunden. In der Bucht befanden sich nur einzelne Segel. Sicher war der Kurs beendet.

Simone überlegte, ob sie einen weiteren Tag bleiben sollte. Kurz vor Ladenschluss hatte sie fürchterlichen Hunger, sie konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie beschloss deshalb, am nächsten Tag nur die Karte für den Regionalzug zu kaufen und daheim in der S-Bahn schwarzzufahren. Also ging sie wieder zu dem Imbiss. Der Junge füllte ihr reichlich auf.

„Die Surfer sind abgereist”, sagte er, als er ihr die Pommes reichte.

„Wieso? Fängt nicht anschließend der nächste Kurs an?”, fragte sie.

Er lachte. „Das war kein Surfkurs, sondern die deutsche Meisterschaft. Sie ist vorbei. Und unser braungebrannter Lokalmatador ist nur Vorletzter geworden.” Es schien ihn zu freuen.

Simone schluckte.

„Hast du heute Abend Zeit? Ich habe gleich Feierabend, dann können wir in die Disko gehen”, bot er an.

„Ich bin pleite”, gestand sie.

„Darf ich dich einladen? In diesem Sommer habe ich hier gut verdient.” Er grinste sie an. „Dank der Meisterschaft waren viel mehr Leute hier als sonst. Und die Sportler haben auch bei mir gegessen.“

Simone war so gefrustet, dass sie die Einladung annahm. So schlecht sah er eigentlich nicht aus. Außerdem war er nicht so arrogant wie dieser gebräunte Sportler.

Kuraufenthalt an der See

Seit Monaten drängte der Arzt Frederike, endlich einmal zur Kur zu fahren.

„Sie sind völlig erschöpft. Außerdem sollten Sie mindestens zwanzig Kilogramm abnehmen“, sagte er jedes Mal, wenn sie in seiner Praxis erschien.

„Keine Zeit“, lehnte Frederike ab.

„Bei Ihrem Bluthochdruck müssen Sie unbedingt kürzer treten, sonst schädigen Sie sich.“

Aber Frederike bearbeitete in der Firma wichtige Projekte und mochte nicht unnötig fehlen. Schließlich weiß man in der heutigen Zeit nie, wie lange man noch beschäftigt ist. Vor allem, wenn es brennt und die Existenz des Betriebs auf dem Spiel steht. Frederikes Kollegin, die mit ihr auf Grafiken spezialisiert war, ging bald in Rente, dazu hatte sie daheim einen schwerkranken Ehemann. Dadurch fiel sie häufig aus und erledigte nicht mehr so viel wie früher. Notgedrungen machte Frederike ständig Überstunden. Jeder Auftrag, den sie schafften, sicherte letztendlich ihren Arbeitsplatz und den ihrer Kollegen.

Doch dann wurden sie verkauft. Der Käufer war nicht gerade zimperlich. Um das Unternehmen konkurrenzfähig zu machen, wie er es nannte, entließ er ein Drittel der Belegschaft. Dabei hatten sie in den vorherigen Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben, selbst wenn sie keine großen Gewinne erwirtschaftet hatten. Der Druck war künstlich erzeugt worden, um das Letzte aus den Mitarbeitern herauszuquetschen. Das wurde Frederike erst klar, als aus ihrer Bronchitis, die sie nicht ernst genommen hatte, eine Rippenfellentzündung geworden war.

„Sie sollten eine Kur beantragen“, sagte ihr Arzt mal wieder. Diesmal ging sie auf seinen Vorschlag ein.

„Fahren Sie an die See, damit sich Ihre Bronchien erholen. Nebenbei können Sie Gewicht verlieren und Ihren Blutdruck normalisieren, sonst erleiden Sie einen Herzinfarkt, bevor Sie vierzig sind. Auch Ihre Gelenke werden es Ihnen danken.“

Frederike grinste, eigentlich wollte sie schon seit Ewigkeiten abnehmen. Aber sie kam oft nicht einmal zum Mittagessen und abends war es immer spät, bis sie daheim war. Deshalb schob Frederike sich häufig nur eine Pizza in die Mikrowelle. In der Firma aß sie zwischendurch, wenn der Hunger zu groß wurde, kleine Snacks. Sie bildete sich ein, das fettige Essen in der Kantine würde sie nur dick machen.

Drei Wochen waren für die Kur veranschlagt. Die Krankenkasse bewilligte sie sofort. Dass sie nach den vierzehn Tagen Krankheit zusätzlich den Kuraufenthalt dranhängen würde, störte Frederike nicht mehr. Lieber jetzt, als in ein paar Jahren an einer Herzattacke zu sterben. Und wer weiß, vielleicht würde sie sogar in nächster Zeit gefeuert werden, dann musste sie belastbar und schnell einsetzbar sein.

Sie suchte sich eine schöne Klinik an der Ostsee aus. Etwas abgelegen, doch Ruhe würde sicher nicht schaden. Vorsichtshalber nahm sie einige Bücher mit.

Die Ärztin, die die Eingangsuntersuchung machte, war nicht so freundlich wie ihr Hausarzt.

„Sie müssen unbedingt abnehmen. Dreißig Kilo wenigstens.“

„Oh, ich dachte, zwanzig reichen“, versuchte Frederike zu verhandeln.

Die Ärztin schaute sie streng an. „Sie sind viel zu jung, um so beträchtliches Übergewicht zu haben. Sie verkürzen Ihre Lebenserwartung damit dramatisch.“

Frederike sollte Diätkost erhalten und eine Ernährungsberatung, zudem psychotherapeutische Gespräche. Ihre Bronchien interessierte hier anscheinend niemand. Dabei fühlte sie sich noch immer ziemlich schlapp. Einmal sprach sie es an.

„Ihre Lungen werden sich hier von allein erholen. Außerdem ist die Bronchitis inzwischen ausgeheilt.“

Der erste Tag bestand aus Untersuchungen und einer Liste mit Anwendungen, die Frederike in der folgenden Woche besuchen sollte. Unter anderem Walken und Gymnastik. Durch ihre Hartnäckigkeit wurden ihr Massagen versprochen.

Morgens durfte sie ein Knäckebrot mit Quark und ein bisschen Putenfleisch essen. Mittags trockenes Gemüse mit gedünstetem Fisch oder Geflügel und abends gab es eine kleine Scheibe Schwarzbrot. Eine Woche kasteite Frederike sich. Nachts konnte sie vor Hunger kaum schlafen. Ihre Laune war auf den Nullpunkt gesunken. Ihre Leidensgenossen waren mindestens zwanzig Jahre älter als sie und genauso schlecht gelaunt.

Zum Dank meckerte die Ärztin: „Wenn Sie Ihre Diät eingehalten hätten, hätten Sie abgenommen. Stattdessen wiegen Sie ein Kilogramm mehr. Am liebsten würde ich meine Patienten einsperren. So etwas Unvernünftiges.“

„Nein, ich habe wirklich nur ...“ Frederike brach ab, als sie den Gesichtsausdruck der Ärztin sah. Dabei hatte sie sich ehrlich an alle Vorschriften gehalten. Sie ärgerte sich, nicht heimlich Lebensmittel eingeschmuggelt zu haben, und spielte mit dem Gedanken, die Kur abzubrechen. Musste sie dann der Krankenkasse die bisher entstandenen Kosten erstatten? Die Sorge darüber hielt sie vom Kofferpacken zurück, hob aber nicht gerade ihre Laune.

Die Bücher hatte sie inzwischen ausgelesen. Leider gab es im Kiosk im Dorf nur Groschenromane, Illustrierte und regionale Zeitungen. Vor Verzweiflung kaufte Frederike sämtliche Liebesromane, die sie führten. Anschließend rief sie ihre beste Freundin an. „Tanja, du musst mich retten, ich sterbe vor Hunger und Langeweile. Kannst du mir bitte ein paar Romane schicken?“

Tanja versprach es sofort. Sie überraschte Frederike am Wochenende mit einem Besuch. Am Freitagabend stand sie vor der Tür. Die beiden Frauen setzten sich auf die Terrasse und unterhielten sich. Zur Feier des Tages schwänzte Frederike am Samstag in der Kurklinik das Frühstück und traf sich mit Tanja in einem Restaurant, das ein Frühstücksbüffet anbot. Ausgehungert schlug Frederike kräftig zu. Sie nahm sich heißhungrig von allem etwas. Natürlich viel zu fettig und kohlenhydratreich, aber das war ihr völlig egal.

„Sie haben ja einen gesunden Appetit“, meinte ein junger Mann, der neben ihr seinen Teller mit Rührei füllte.

„Ich bin hier schon seit zwei Wochen am Verhungern. Jetzt hat mein Überlebenswille gesiegt“, erklärte Frederike und langte noch nach einem Becher Pudding.

„Oh, kuren Sie hier auch?“, fragte er.

Sie nickte. „Wieso, Sie auch? Ich habe Sie hier noch nie gesehen.“

Er lachte. „Nein, bloß mein Vater.“ Er nickte zu dem älteren Herrn am Fenster. „Er beklagt sich auch über das Essen. Zum Glück hat er es jetzt überstanden und darf nach Hause.“

„Oh, ich beneide ihn, ich soll noch drei Wochen hierbleiben, weil die Ärzte eine Verlängerung beantragt haben. Dabei bin ich doch wegen meiner Rippenfellentzündung hergekommen und nicht, um hier zu verhungern.“

Er lachte. „Wenn Sie sich heimlich hierher schleichen, muss die Kur wohl noch mehrmals verlängert werden.“

„Davon lebt der Ort sicherlich. Ansonsten ist nichts los.“

Er nickte. „So viel Ruhe könnte ich gut gebrauchen.“

Frederike ging mit ihrem Pudding zu Tanja. Nach der Gymnastik am Vormittag hatte sie frei und lief mit Tanja über die Promenade. „Lass uns morgen Fahrräder ausleihen, dann können wir die Gegend erkunden“, schlug Tanja vor.

Am Abend konnte Frederike sich nicht mehr davonschleichen, denn vor dem Essen hatte sie noch Wassergymnastik und anschließend war die Gruppengesprächstherapie.

Die Therapeutin versuchte, ihr schon vom ersten Treffen an zu erklären, dass sie übermäßig aß, um eine frühkindliche Vernachlässigung auszugleichen. Dummerweise hatte Frederike ihr in der ersten Sitzung erzählt, dass ihre Eltern einen Lebensmittelladen gehabt hätten und dadurch wenig Zeit für ihre Kinder. Dabei war Frederike bis zum Ende ihrer Ausbildung immer schlank und rank gewesen und ihre Brüder waren eher hager. Vernachlässigt hatten sie sich auch nie gefühlt. Schließlich konnten sie jederzeit in den Laden zu ihrer Mutter gehen. In Notfällen sprangen außerdem die Großmütter ein und hüteten sie. Etwa wenn sie krank waren oder Ferien hatten.

Am nächsten Morgen traf Frederike sich wiederum mit Tanja im Restaurant. Diesmal verhielt sie sich disziplinierter und aß nur mageren Schinken, Obst und ein gekochtes Ei.

Als der junge Mann sich an den Nachbartisch setzte und einen Blick auf ihren Teller warf, meinte Frederike: „Heute bin ich nicht mehr ganz so ausgehungert wie gestern.“

Sein Vater nickte. „Ich glaube nicht, dass diese radikale Diät etwas bringt.“

„Der gefürchtete Jo-Jo-Effekt?“, fragte Frederike und löffelte das Ei.

„Ja, ich war schon mehrmals hier. Mit einigen Kurgästen habe ich noch immer Kontakt. Sie haben zu Hause schnell wieder zugenommen.“

Seine Erfahrungen motivierten Frederike nicht gerade, mit der Kur weiterzumachen.

„Du spinnst, du bekommst garantiert Ärger mit der Krankenkasse“, versuchte Tanja sie zu überreden. Doch erst als Frederike an den Stress in der Firma dachte, wurde sie unsicher.

---ENDE DER LESEPROBE---