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Was gibt es Schöneres als ausgerechnet Weihnachten die große Liebe zu finden? Oder wenigstens davon zu träumen? „Glühwein und Weihnachtsgans“, „Der Pralinenstand“ und zwölf weitere Kurzgeschichten laden dazu ein, sich die Weihnachtszeit mit Schmökern zu versüßen.
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Inhaltsverzeichnis
Glühwein und Weihnachtsgans
Der Pralinenstand
Ballträume
Die Weihnachtsüberraschung
Weihnachtsmann gesucht
Ein Leidensgenosse in der Bahn
Schneekatastrophe zu Weihnachten
Der kümmerliche Rest des Weihnachtsbaumstands
Ein Zusammenstoß
Der süße Weihnachtsmann
Hindernisse beim Schautanz
Bummel über den Weihnachtsmarkt
Nichts fährt mehr
Flucht vor der Verwandtschaft
Die Autorin
Schneegestöber, Tannenduft und Sternenglitter
Liebesgeschichten zur Weihnachtszeit
von Eva Joachimsen
Impressum
Eva Joachimsen
c/o Papyrus Autoren-Club,
R.O.M. Logicware GmbH
Pettenkoferstr. 16-18
10247 Berlin.
Copyright © 2016 Eva Joachimsen
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: ScriptLounge
Bild: © Dmytro Smaglov - Fotolia.com
Covergestaltung: TomJay / bookcover4everyone - www.tomjay.de
Cindy hetzte durch die Stadt. In beiden Händen trug sie volle Plastiktüten. Eine Woche vor Weihnachten und erst jetzt hatte sie Zeit, sich um die Weihnachtsgeschenke zu kümmern. Es war zum Verzweifeln. Aber auf der Arbeit gab es so viel zu tun, dass sie jede Menge Überstunden schob. Und wenn sie dann endlich nach Hause ging, war sie viel zu müde, um sich noch durch die Geschäfte zu schieben oder in Ruhe im Internet zu stöbern. Letzten Samstag wollte sie einkaufen, aber nachdem sie ausgeschlafen hatte, stand ihre kleine Schwester vor der Tür.
„Hallo Cindy, ich dachte, du brauchst jemanden, der dich aus deinem Trübsinn reißt.“ Karo war eine spontane Studentin. Ein paar Semester mehr oder weniger regten sie nicht auf. Allerdings musste Cindy ehrlich zugeben, dass Karo ihrer Mutter nicht mehr auf der Tasche lag, sondern sich ihren Unterhalt selbst verdiente. Kein Job war ihr zu schlecht. Weder Babysitter, Kellner, Nachhilfelehrer, Hundesitter noch Verkäufer. Selbst bei der Obsternte hatte sie schon zwischen den Apfelbäumen gestanden. „Lohnt sich überhaupt nicht, davon kann ich ja gerade einmal die Semesterferien überstehen“, meinte sie hinterher.
„Du, ich muss heute unbedingt Weihnachtsgeschenke kaufen“, sagte Cindy und wollte sie schon hinauswerfen.
„Kein Problem. Ich liebe Weihnachtsmärkte.“
Sie hatte nicht übertrieben. Jede Kleinigkeit interessierte sie. Überall blieb sie stehen und spielte mit den ausgestellten Waren. Das Ende vom Lied war, dass Cindy am Abend völlig erledigt war, weil sie von Stand zu Stand geschoben wurden, zwischendurch Glühwein, Krapfen, Bratwurst und gebrannte Mandeln in sich hineingestopft hatten. Dafür hatte sie kein einziges Geschenk besorgt. Schließlich hatte Karo nicht zugelassen, dass sie früh ins Bett gingen, sondern hatte sie auch noch ins Kino und hinterher in die Disko gezerrt.
„Ich bin müde. Ich hatte eine anstrengende Woche.“ Vergeblich. Ihre Argumente hatten ihr nicht geholfen. Gegen ihre kleine Schwester war sie machtlos.
„Wenn ich schon einmal in der Großstadt bin, will ich auch etwas erleben.“ Und weil es in ihrer Universitätsstadt keine großen Kunstausstellungen gab, scheuchte sie Cindy auch noch am Sonntagvormittag aus dem Bett und schleppte sie zu den modernen Malern.
„Du bist überhaupt nicht mehr informiert. Meine Güte, es gibt doch auch ein Leben außerhalb deiner Firma“, klagte sie, während sie von Bild zu Bild schlenderten.
Cindy atmete am Abend auf, als Karo ihren Rucksack packte und wieder verschwand. Sie freute sich fast auf ihr Büro. Trotzdem ging sie die nächsten drei Tage so früh wie möglich ins Bett. Und jetzt hatte sie nur noch sechs Tage Zeit für alles, einschließlich des Gänsebratens, denn Karo und ihre Mutter hatten sich wie gewohnt bei ihr eingeladen. Sie seufzte. Warum fühlte sie sich bloß für die Familie verantwortlich? Sie hatte ihren Vater schließlich nicht mit ständigen Vorwürfen aus dem Haus getrieben. Andererseits hatte sie damals die Rolle des Familienoberhaupts übernommen. Eine viel zu große Verantwortung für eine Sechzehnjährige, aber ihre Mutter war dazu nicht in der Lage gewesen. Und sie hatte auch auf das erhoffte Studium verzichtet, um ihrer Mutter nicht länger zur Last zu fallen.
In Gedanken schob sie sich durch die Menschen, die vor den Weihnachtsbuden standen, ohne auf sie zu achten. Sie wollte in den Fotoladen, der sich ein paar Meter weiter die Straße hinab befand. Überall stieß sie mit ihren breiten Tüten an und kam kaum durch die schmalen Gassen, die die Leute widerwillig bildeten. Sie nahm den rechten Arm vor die Brust und trug jetzt die Taschen vor ihrem Körper, um schmaler zu sein. Plötzlich drehte sich ein Mann um und prallte gegen sie, als sie gerade vorbeiging.
„Aua, können Sie nicht aufpassen?“, fauchte sie. Ihre beige Wolljacke färbte sich dunkelrot vom Glühwein. Entsetzt betrachtete sie ihren Ärmel. Wochenlang hatte sie genau diese Jacke gesucht, und jetzt kippte so ein Depp seinen Wein über das kostbare Stück.
„Oh, entschuldigen Sie, das tut mir leid“, stammelte der Mann. Seine Wangen und seine Nase waren gerötet. Wer weiß, wie viel er schon intus hatte?
„Glühwein sollte man nicht auf der Straße trinken. Hier laufen doch viel zu viele Menschen vorbei.“ Cindy grollte noch immer. Sicher würde der Fleck nicht mehr aus der Jacke gehen. Aber er sollte die Reinigung wenigstens bezahlen.
„Ich komme für den Schaden auf“, sagte der Mann.
„Das will ich auch hoffen. Haben Sie eine Visitenkarte?“, fragte Cindy.
Der Mann griff an seine Brusttasche, doch er trug nur einen Troyer, dann fasste er an seine Gesäßtasche. Aber er zog seine Hand wieder zurück und machte ein bedauerndes Gesicht. „Leider nein, ich bin etwas vorsintflutlich. Haben Sie etwas zum Schreiben?“
Cindy schüttelte ihren Kopf.
„Dann gehen wir am besten in den Laden und ich schreibe es Ihnen auf.“ Er drehte sich weg und verschwand in der Menschenmenge.
Mist, jetzt macht er sich aus dem Staub und ich bleibe auf dem Schaden sitzen, fluchte Cindy. Doch der Mann sprach mit ein paar Bekannten und kam dann wieder auf sie zu.
„Ich musste mich nur noch abmelden, sonst werde ich vermisst“, sagte er und grinste sie kläglich an. „Es tut mir wirklich leid. Ihre schöne Jacke. Sie haben recht, ich werde nie wieder auf der Straße Glühwein trinken.“ Er zog ein großes Stofftaschentuch hervor und rieb heftig auf ihrem Arm herum.
„Aua, wollen Sie mich jetzt auch noch umbringen?“
Erschrocken zog er seine Hand zurück und reichte ihr das Tuch. Hoffentlich war es sauber. Cindy lehnte es ab und zog lieber eine Packung Papiertaschentücher aus der Handtasche.
„Die fusseln doch nur.“ Unbeholfen stand er daneben und sah zu, wie sie den Fleck bearbeitete. „Ich bin haftpflichtversichert“, erklärte er schließlich.
Endlich hörte sie mit dem Reiben auf. Es brachte sowieso nichts. Sie folgte ihm in den Fotoladen. Dort bat er um einen Zettel und einen Stift. Dann schrieb er ihr seinen Namen und die Adresse auf. Er wohnte in ihrem Stadtteil.
„Kann die Reinigung Ihnen die Rechnung schicken?“, fragte Cindy.
„Meinetwegen, aber ich zweifle, dass die eine Rechnung schreiben. Da müssen Sie doch gleich bezahlen. Kann ich Sie nach Hause bringen? Wo wohnen Sie?“
„Ich muss noch ein paar Einkäufe erledigen“, antwortete sie.
„Dabei sind Sie jetzt schon so bepackt.“ Doch nach einem Blick auf ihr Gesicht hielt er den Mund, entschuldigte sich ein weiteres Mal und verabschiedete sich.
Cindy kaufte die kleine Kamera für ihre Mutter und einen Radiowecker für Karo. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hatte sie alles besorgt. Mit einer weiteren Tüte in der Hand lief sie vorsichtig zum Bahnhof. Um jede größere Menschengruppe versuchte sie, einen Bogen zu machen.
Natürlich bekam sie in der S-Bahn keinen Sitzplatz mehr. Ihre Tüten waren ein wirkliches Hindernis. Sie stand im Gang und blockierte alles. Keiner konnte an ihr und ihren Tüten vorbei. Und in das Gepäcknetz passten sie auch nicht mehr, so dick, wie sie waren. Außerdem wäre bei dem Versuch der Inhalt wohl heruntergefallen. Warum gab es auch keine Gepäckabteile in der S-Bahn?
Endlich kam ihre Haltestelle und sie quetschte sich zum Ausgang. Auf der Treppe passierte es dann. Ein Griff riss und der Inhalt rutschte die Treppe zum Bahnsteig hinunter. Sie bückte sich und sammelte die Teile wieder ein. Hoffentlich war alles heil geblieben.
„Ihre Fotos.“ Ein Mann reichte ihr die Fototüte. Sie sah auf und erstarrte. Vor ihr stand der Unglücksrabe mit dem Glühwein.
Er sagte nichts, sondern half ihr kommentarlos, Nüsse, Marzipan, Socken und Dessous einzusammeln.
Erst als sie versuchte, die nun trägerlose Tüte unter den Arm zu klemmen, meinte er: „Vielleicht sollte ich Sie doch lieber nach Hause bringen. Mein Auto steht im Parkhaus.“
Eigentlich wollte Cindy nicht, doch ihre Vernunft siegte. Ohne Hilfe würde sie es mit der kaputten Tüte nie nach Hause schaffen und die Läden hatten inzwischen geschlossen, sodass sie keine neuen Tüten oder Taschen kaufen konnte.
„Danke, Sie haben recht, allein schaffe ich es nicht.“ Sie grinste ihn verlegen an. „Eigentlich wollte ich auch mehrmals zum Einkaufen, aber am Samstag ist mir etwas dazwischen gekommen.“
Er nahm ihr die zerrissene Tüte ab und lief vorneweg. „Wenn die Wäscherei noch offen hätte, könnten wir die Jacke gleich abgeben.“
Das hätte Cindy am liebsten getan. Aber es half nichts, sie musste in den nächsten Tagen diesen Extraweg gehen.
Vor einem BMW-Coupé blieb er stehen, legte die Tüte auf die Motorhaube und zog den Schlüssel aus der Hosentasche, dann packte er Cindys Einkäufe auf die Rücksitze. Für einen Großeinkauf war dieser Schlitten sicher nicht geschaffen. Ob er eine Familie hatte? Die fuhr dann bestimmt mit dem Landrover oder einem Bus einkaufen. So vornehm war Cindy noch nie gefahren.
„Arbeiten Sie in der Stadt?“, fragte er, wohl um Konversation zu machen.
„Ja, seit der Schulzeit. In den Vororten gibt es nicht so viele Arbeitsplätze.“
„Ein paar schon. Ich habe heute meinen freien Tag, normalerweise bin ich frühestens gegen acht zu Hause.“
Es interessierte sie überhaupt nicht, aber das konnte sie ihm schlecht sagen, daher antwortete sie mit einem Hm.
Es folgte ein Versuch über das Wetter.
„Wie gut, dass es das Wetter gibt, sonst hätten wir nichts zu erzählen“, meinte sie.
Er warf ihr einen bösen Blick zu und schwieg den Rest der Strecke. Er hatte Glück, dass es vor ihrem Haus keinen Parkplatz gab, und er sie deshalb unmöglich bis zur Wohnungstür bringen konnte.
„Sie kommen wirklich alleine klar?“, fragte er zum dritten Mal.
„Natürlich. Ich stelle die Tüten hinter der Haustür ab. Bei uns im Haus kennt jeder jeden, da wird nicht geklaut.“ Ganz sicher nicht. Sie wohnte in einer vermieteten Eigentumswohnung. Und die befand sich in einem anständigen Haus, in dem jeder Herrenbesuch beäugt wurde, laute Musik nur in seltenen Ausnahmefällen geduldet und ansonsten jeder Schritt beobachtet wurde. Aber die Wohnung war schön und lag sehr gut. Dicht an Bahnhof und Bushaltestelle und dem kleinen Einkaufszentrum. Und nur zehn Minuten entfernt gab es einen Park zum Spazierengehen. Daher ertrug sie die Nachteile.
Also brachte er sie noch bis zur Haustür, ließ sie aufschließen und stellte die Tüte in den Flur, während sein Auto mit eingeschaltetem Warnblinklicht mitten auf der Straße stand.
„Danke! Ich schicke Ihnen dann die Rechnung für die Reinigung“, sagte Cindy, nickte ihm kurz zu und ließ die Tür hinter sich zufallen. Anschließend trug sie die Tüten in die vierte Etage. Der größte Nachteil der Wohnung war, dass es keinen Fahrstuhl gab.
Drei Tage später ging Cindy mit ein paar Kollegen ins Theater. Ihre diesjährige Weihnachtsfeier. Natürlich ärgerte sie sich, dass sie ihre neue Jacke nicht tragen konnte, da sie immer noch in der Reinigung war. Allerdings ärgerte sie sich noch mehr, als ihre Kollegin Marion sie in der Pause auf einen Mann hinwies. „Kennst du den gutaussehenden Mann mit den schwarzen Haaren dahinten?“, fragte sie. „Er schaut dich schon die ganze Zeit unverwandt an.“
Cindy drehte sich um und sah den Glühweinheini. „Oh nein, der hat mir den Glühwein über die Jacke gegossen.“
„Das ist ein bekannter Marathonläufer. Über den steht öfter einmal etwas in der Zeitung“, sagte Gerd, der Marions Arm gefolgt war. „Hartmut Wolgast oder so.“
„Ich interessiere mich nicht für Sport“, sagte Cindy. Wie konnte man bloß so blöd sein und zweiundvierzig Kilometer laufen? Ein normaler Mensch nahm bei dieser Entfernung doch das Auto oder wenigstens ein Fahrrad.
„Ein Hobby braucht der Mensch.“ Gerd schaute Cindy herausfordernd an. Er hatte sie schon öfter zum Bowling eingeladen, aber dazu hatte sie nie Lust gehabt.
„Früher war ich im Gospelchor, aber jetzt habe ich keine Zeit mehr dazu“, meinte Cindy.
Marion nickte. „Seit die Firma verkauft wurde, schieben wir Überstunden ohne Ende. Meine Kinder beschweren sich, dass ich nie Zeit für sie habe.“
„Und wer dankt es euch?“ Gerd schaffte es fast immer, pünktlich nach Hause zu gehen. Dafür arbeiteten Marion und Cindy seinen Berg mit ab.
Als es klingelte, ging Hartmut Wolgast neben Cindy in den Zuschauersaal zurück.
„Sie mögen Theater?“, fragte er.
„Oh, das ist unser Betriebsweihnachten. Normalerweise habe ich fürs Theater keine Zeit.“ Cindy nickte ihm zu und folgte ihren Kollegen zu ihren Plätzen.
„Magst du ihn nicht?“ Marion hatte beobachtet, wie kurz Cindy ihn abgefertigt hatte.
„Leute, die meine neue Lieblingsjacke ruinieren, mag ich nicht.“
Marion lachte. „Dann zieh keine weiße Jacke an, wenn du über den Weihnachtsmarkt gehst. Es hätte auch eine Bratwurst oder ein Liebesapfel sein können.“
„Oder Zuckerwatte“, ergänzte Gerd.
„Und wann soll ich die Jacke sonst anziehen?“ Cindy war sauer. Warum hatte sie die Veranstaltung nicht abgesagt und war stattdessen früher ins Bett gegangen? Doch sie wusste, dass sie dann im Büro geblieben wäre, weil da noch die japanischen Bestellungen auf sie warteten.
Nach der Vorführung tranken sie ein Glas Wein bei dem Italiener nebenan und anschließend brachte Gerd sie nach Hause.
„Wollen wir am nächsten Samstag zum Gospelchor gehen?“ Gerd zog einen Flyer heraus.
„Oh, ich muss noch immer ein paar Geschenke besorgen, Lebensmittel und einen Baum, meine Mutter und meine Schwester kommen.“ Sehnsüchtig schaute sie sich den Flyer an. Sie hatte die Vorankündigung schon gesehen. Bis vor anderthalb Jahren hatte sie in dem Chor gesungen. Doch dann wurde die Firma umstrukturiert und sie hatte keine Zeit mehr. Zuerst hatte sie gedacht, es wäre nur während der Einlernphase so stressig, doch es ging ständig so weiter.
„Können die nicht helfen und auch etwas besorgen?“ Gerd schaute sie besorgt an. „Du brichst demnächst zusammen, wenn du so weitermachst.“
„Keine Sorge, so schwächlich bin ich nicht.“ Cindy lachte ihn aus.
Doch dann überredete Gerd sie, ihn mit Karo zu der Vorführung zu begleiten. „Es ist doch schon am Abend und wenn deine Schwester dir bei den Vorbereitungen hilft, kannst du dich am Abend entspannen und die Musik genießen.“
Tatsächlich kam Karo schon am Freitagabend. Und am Samstag krempelte sie die Ärmel hoch, nachdem sie gegen dreizehn Uhr ausgeschlafen hatte.
„Hast du schon einen Weihnachtsbaum?“, fragte sie.
„Nein, du hast mir doch vorgestern versprochen, ihn zu kaufen.“
Karo ließ das Frühstück stehen und marschierte los. Eine Stunde später war sie zurück. Cindy briet inzwischen die alljährliche Gans im Ofen. Dabei vertrug ihre Mutter kein fettes Essen. Aber sie bestand auf diesen blöden Familienbrauch. Vorsichtshalber hatte Cindy Korn und Magenbitter und noch ein paar Gallentropfen aus der Apotheke besorgt.
Als sie Karo die Tür öffnete, schluckte sie. Der Baum war größer als Karo, dafür aber auch dünner. Was etwas hieß, denn Karo trug Kleidergröße 36.
„Die Auswahl war nicht mehr so groß, ich habe den Schönsten genommen“, sagte sie. „Mit etwas Lametta fällt es nicht so auf, wie dürr er ist.“
„Lametta habe ich noch nie gehabt. Die Letzte, die es benutzt hat, war Oma.“
„Und hast du nicht ihre Weihnachtsdekoration geerbt?“
„Die Glaskugeln, ja.“ Gemeinsam hievten sie den Baum in den viel zu kleinen Baumständer.
„Vielleicht sollten wir lieber einen großen Eimer mit Sand nehmen“, schlug Karo vor, denn der Baum wackelte gefährlich.
„Wo nimmst du den Sand her?“
Karo grinste. „Auf dem Marktplatz ist so eine große Streusandkiste.“
„Nein, du klaust nicht. Wir binden ihn an das Bücherregal und ...“ Cindy schaute sich um. „An den Haken für die Deckenlampe.“
Sie hoben den kleinen Esstisch in die Mitte des Raums und stellten den Baum in die Ecke, wo der Tisch sonst stand. Dann holte Cindy eine rote Wäscheleine. „Etwas Besseres habe ich leider nicht.“
Karo kletterte auf die Leiter und band die Leine unter den zweiten Astquirl und dann an den Haken, an dem schon die Lampe hing. Eine zweite Leine zog Cindy vom unteren Drittel des Baums zu ihrem Buchregal.
„Hoffentlich stolpert niemand darüber.“ Karo betrachtete die Konstruktion misstrauisch.
„In der Ecke hat niemand etwas zu suchen.