129,99 €
<p><strong>F&uuml;r mehr Sicherheit, Qualit&auml;t und eine bessere Patientenversorgung</strong></p> <p>SOPs in der Neurophysiologischen Diagnostik helfen bei der Frage, welche Untersuchung wann sinnvoll ist, wie sie ausgef&uuml;hrt wird und wie sie bewertet werden sollte. In diesem Buch finden Sie klare und direkt in die Praxis umsetzbare Handlungsempfehlungen, konkrete Informationen und Vorgaben f&uuml;r die praktische Durchf&uuml;hrung. Dadurch ist es Ihnen leichter m&ouml;glich, Sicherheit, Effizienz und Qualit&auml;tsmanagement im Klinikalltag zu verfolgen und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gew&auml;hrleisten.</p> <p>Das Themenspektrum umfasst folgende Methoden:<br />EEG, EMG, NLG, Evozierte Potenziale (visuelle, somatosensible, motorische, akustische), Myografie, Neurovegetative Diagnostik, Okulografie, Doppler- und Duplexsonografie.</p> <p>Alle relevanten SOPs und Arbeitsabl&auml;ufe in der klinischen Neurophysiologie werden umfassend beschrieben:</p> <ul> <li>handlungs-, problem- und zielorientiert</li> <li>ausgehend von den Leitsymptomen, den Indikationen bzw. dem Krankheitsbild</li> <li>mit ausf&uuml;hrlicher Bewertung aller Befunde</li> </ul> <p>Die stringente Gliederung und die stichwortartige und damit kompakte und &uuml;bersichtliche Darstellung erm&ouml;glichen ein gezieltes Nachschlagen und rasches Auffinden aller wesentlichen Inhalte. Flussdiagramme in jeder SOP geben Orientierung auf einen Blick.</p> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verf&uuml;gung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 460
SOPs Neurophysiologische Diagnostik
Herausgegeben von
Christian Bischoff, Helmut Buchner
Unter Mitarbeit von
Hubertus Axer, Reinhard Dengler, Martin Eicke, Alexander Grimm, Stefan J. Groiss, Klaus Gröschel, Carl-Albrecht Haensch, Judith Ulrike Harrer-Haag, Elisabeth Hartl, Christian Hartmann, Anna Heidbreder, Wolfgang Heide, Reinhard Kiefer, Stefan Knecht, Helmar C. Lehmann, Anke Lührs, Cordula Matthies, Volker Milnik, Georg Neuloh, Soheyl Noachtar, Oliver Pogarell, Julian Prell, Stefan Quasthoff, Christian Ritter, Christian Roth, Ulf Schminke, Alfons Schnitzler, Wilhelm Schulte-Mattler, Peter Schwenkreis, Jörn Peter Sieb, Andrea Szelényi, Martin Tegenthoff, Peter P. Urban, Uwe Walter, Julia Wanschitz, Lars Wojtecki, Peter Young
123 Abbildungen
Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Anfänger, Erfahrene und Experten in der Klinischen Neurophysiologie!
Der eine oder andere wird bei dem Titel stöhnen, muss das sein, haben wir nicht schon genug Regelungen? Sollen wir weiter in unseren Freiheiten und Entscheidungen beschnitten werden. Dies ist sicher nicht die Zielsetzung dieses Buches und nicht die Idee der Standard Operating Procedures (SOP).
SOPs werden zumeist definiert als Beschreibung der Abläufe von Vorgängen, der Prüfung von Ergebnissen und deren Dokumentation. Etabliert sind SOPs überall dort, wo kritische und komplexe Abläufe eingehalten werden müssen. Am bekanntesten sind die SOPs in der Luftfahrt, mit Checklisten für alle Abläufe, sie finden aber auch immer mehr in der Medizin Verbreitung. In der Anästhesie, Chirurgie und Notfallmedizin sind SOPs seit längerem erfolgreich in Benutzung.
Trotz mancher Bedenken bringt die Einführung von SOPs viele Vorteile:
Optimierung von Abläufen und deren Standardisierung
Schaffung von Transparenz in den Abläufen
bietet durchdachte Abläufe mit Begründungen
schafft Ordnung („Unordnung zieht den Brumm an.“ [Originalzitat: Prof. Dr. med. Detlef Claus])
dient der Qualitätssicherung
vereinfacht die Einarbeitung neuer Mitarbeiter
bietet Hilfestellung für Aus-, Fort- und Weiterbildung
Die Einführung von SOPs birgt aber auch Hindernisse und Probleme:
„Durchdringung“, d. h. die Umsetzung im Alltag muss erreicht werden
„Kochbuch“ ist gut, aber passt nicht immer – Wie mit Grenzfällen umgehen?
Was ist, wenn es keinen „Goldstandard“ gibt?
Die Autoren der SOPs waren gehalten, sich auf Abläufe und Regeln festzulegen und diese auch zu begründen. Bewusst wurde auf eine Konsensus-Bildung unter Beteiligung vieler Experten verzichtet, weil es in der Medizin und speziell in der Klinischen Neurophysiologie kaum einen Goldstandard und auch nur wenige international konzertierte Verfahren und belastbare Studien gibt. Die international bedeutendste Übereinkunft dürfte wohl die Einführung des 10/20-Systems bei der Elektrodenlokalisation für das EEG gewesen sein [Jasper, 1958].
Von der International Federation of Clinical Neurophysiology (IFCN) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) wurden Empfehlungen für einige Anwendungen entwickelt und veröffentlicht [www.ifcn.info, www.dgkn.de]. Von adhoc-Komitees und Experten bei Konsensuskonferenzen zu verschiedenen Themen wurden Festlegungen und Standards vorgeschlagen.
In diesem Buch finden Sie SOP-Vorschläge für Festlegungen im eigenen Vorgehen. Klinische Neurophysiologie ist kein rein technisches Verfahren. Sie besteht zwar aus hoch komplexen, individuell anzupassenden etablierten Untersuchungen und ist über die Zeit instabile Medizin, aber braucht dennoch nicht ständiges Neuerfinden.
SOPs schaffen Eindeutigkeiten – „It is worthwhile to do the right things right!“ [Fugelsang-Frederiksen A, Pugdahl K; 2011]
Ziel dieses Buches ist es dem Einsteiger schnell und übersichtlich die Grundlagen und das Handwerkszeug für die Anwendung neurophysiologischer Techniken nahezubringen. Der erfahrene Anwender findet darin klare Handlungsanweisungen bei bestimmten Fragestellungen, die er aber seinen Bedürfnissen anpassen sollte. Nicht die Gängelung der Anwender ist das Ziel, sondern Vorgehensweisen und Begriffe schärfer zu fassen. Aus diesem Grunde hoffen wir auch auf rege Diskussion aus dem Kreis der Leser und Anwender, die dann möglicherweise zum Nutzen aller in eine spätere Auflage eingehen können. Alle Verfahren sind nicht starr, sondern müssen den Gegebenheiten angepasst werden.
Wir bedanken uns bei den Autoren der Kapitel, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrung eingebracht haben und gewillt waren, die Inhalte in das etwas andere Denken der SOP umzusetzen.
Hilfreich für die Erstellung der SOP waren die vielen praktisch relevanten Fragen, die uns zahlreiche Teilnehmer bei Fortbildungen gestellt haben. Wir hoffen viele davon mit diesem Buch zu beantworten.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Thieme Verlags gilt der Dank für den Mut, mit diesem Buch Neuland zu betreten.
Christian BischoffHelmut BuchnerMünchen und Recklinghausen im März 2018
Vorwort
Abkürzungen
1 Kompressionssyndrome peripherer Nerven
1.1 Definition
1.2 Übersicht über Kompressionssyndrome
1.3 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
1.4 Spezielle Fragestellungen
1.4.1 Karpaltunnelsyndrom
1.4.2 Loge de Guyon (distale N.-ulnaris-Läsion)
1.4.3 Kubitaltunnelsyndrom / Kompression des N. ulnaris am Ellbogen
1.4.4 Supinatorlogensyndrom
1.4.5 N.-radialis-Kompression am Oberarm – Fallhand
1.4.6 Incisura-scapulae-Syndrom
1.4.7 Meralgia paraesthetica
1.4.8 ▶ Plexusläsion/TOS
1.4.9 N.-peronaeus (-fibularis)-Kompression – Fallfuß
1.4.10 Tarsaltunnelsyndrom
1.4.11 Literatur
2 Radikuläre und Plexusläsionen
2.1 Definition
2.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
2.3 Spezielle Fragestellungen
2.3.1 Radikulopathien
2.3.2 Neuritis des Plexus brachialis (neuralgische Schulteramyotrophie)
2.3.3 Neuritis des Plexus lumbosacralis
2.3.4 Diabetische Radikuloplexopathie
2.3.5 Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS)
2.3.6 Radiogene Läsion des Plexus brachialis
2.3.7 Neoplastische Läsion des Plexus brachialis
2.4 Literatur
3 Polyneuropathie
3.1 Definition
3.2 Allgemeines diagnostisches Vorgehen und klinische Klassifikation
3.3 Neurophysiologie
3.3.1 Wahl der Methoden
3.3.2 Bewertungen
3.3.3 Weitere Typisierung nach Bestätigung einer PNP
3.4 Spezielle Fragestellungen
3.5 Literatur
4 Nerventrauma
4.1 Definition
4.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
4.3 Literatur
5 Myopathie
5.1 Definition
5.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zu Therapie
5.3 Spezielle Fragestellungen
5.3.1 Entzündliche Myopathien
5.3.2 Critical-Illness-Myopathie
5.3.3 Muskeldystrophien
5.3.4 Distale Myopathien
5.3.5 Metabolische Myopathien
5.3.6 Asymptomatische HyperCKämie
5.4 Literatur
6 Neuromuskuläre Übertragungsstörungen
6.1 Definition
6.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
6.3 Spezielle Erkrankungen
6.3.1 Myasthenia gravis
6.3.2 Lambert-Eaton-Syndrom
6.3.3 Botulismus
6.3.4 Kongenitale Myasthenie-Syndrome
6.4 Literatur
7 Muskelsteife/Myotonie
7.1 Definition
7.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
7.3 Literatur
8 Motoneuron-Erkrankungen
8.1 Definition
8.2 Allgemeines Vorgehen
8.3 Spezielle Diagnostik des unteren Motoneurons
8.3.1 Nadel-EMG
8.3.2 Neuromuskulärer Ultraschall (US)
8.3.3 Elektroneurografie (ENG)
8.4 Spezielle Diagnostik des oberen Motoneurons
8.4.1 Threshold-Tracking (TMS)
8.4.2 Triple-Stimulation
8.5 Literatur
9 Hirnnervenläsionen
9.1 Definition
9.2 Allgemeines Vorgehen – zur Diagnose
9.3 Spezielle Fragestellungen
9.3.1 N. olfactorius (I)
9.3.2 N. opticus (II)
9.3.3 N. oculomotorius, N. trochlearis und N. abducens (N. III, IV, VI)
9.3.4 N. trigeminus (V)
9.3.5 N. facialis (VII)
9.3.6 N. vestibulocochlearis (VIII)
9.3.7 N. glossopharyngeus (IX)
9.3.8 N. vagus (X)
9.3.9 N. accessorius (XI)
9.3.10 N. hypoglossus (XII)
9.4 Literatur
10 Neurovaskuläre Erkrankungen – Ultraschalldiagnostik
10.1 Definition
10.2 Allgemeines Vorgehen
10.3 Spezielle Erkrankungen
10.3.1 Ultraschall bei akutem Schlaganfall
10.3.2 Ultraschall in der Sekundärprophylaxe des akuten Schlaganfalls
10.3.3 Ultraschall in der Primärprophylaxe von Schlaganfällen
10.3.4 Andere Erkrankungen
10.4 Literatur
11 Epilepsie und Enzephalopathie
11.1 Epilepsie – Definition
11.1.1 Klassifikation der Epilepsien
11.1.2 Differenzialdiagnose paroxysmaler Ereignisse
11.2 Spezielle Indikationen und Stellenwert des EEG
11.2.1 Sensitivität und Spezifität des EEG bei Epilepsie
11.2.2 EEG-Syndrombestimmung
11.2.3 Indikation für Aktivierungsmaßnahmen
11.3 Enzephalopathie – Definition
11.4 Enzephalopathie – Schweregrad
11.5 Status epilepticus
11.6 Literatur
12 Zentral demyelinisierende Störungen
12.1 Definition, Übersicht, Systematik
12.2 Allgemeines Vorgehen – zur Diagnose
12.3 Spezielle Fragestellungen
12.3.1 Multiple Sklerose
12.3.2 Retrobulbärneuritis
12.3.3 Neuromyelitis optica spectrum disorder (NMOSD)
12.3.4 Adrenomyeloneuropathie
12.3.5 Demyelinisierende Störung zentraler Bahnen zusammen mit peripheren Nerven
12.4 Literatur
13 Erkrankungen des Rückenmarks
13.1 Definition
13.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
13.3 Spezielle Fragestellungen
13.3.1 Traumatische Rückenmarksverletzung
13.3.2 Vaskuläre Rückenmarkserkrankungen
13.3.3 Entzündliche Rückenmarkserkrankungen
13.3.4 Zervikale Myelopathie
13.3.5 Psychogene Querschnittslähmung
13.4 Literatur
14 Bewegungsstörungen – Tremor
14.1 Definition
14.2 Klassifikation
14.2.1 Tremoreigenschaften
14.2.2 Anamnestische und klinische Information
14.3 Allgemeines Vorgehen ( ▶ Abb. 14.1)
14.4 Charakteristika der häufigsten Tremorsyndrome
14.4.1 Essenzieller Tremor (ET)
14.4.2 Verstärkter physiologischer Tremor
14.4.3 Medikamentös/toxisch induzierter Tremor
14.4.4 Tremor bei Parkinson-Syndromen
14.4.5 Primärer orthostatischer Tremor
14.4.6 Aufgaben- und positionsspezifische Tremores
14.4.7 Zerebelläre Tremorsyndrome
14.4.8 Holmes-Tremor
14.4.9 Kortikaler Tremor
14.4.10 FXTAS
14.4.11 Psychogener Tremor
14.5 Spezielle Fragestellungen
14.5.1 Myoklonien
14.5.2 Epilepsia partialis continua
14.5.3 Klonus
14.6 Therapie verschiedener Tremorsyndrome
14.7 Literatur
15 Bewegungsstörungen – Parkinsonsyndrome
15.1 Definition
15.2 Allgemeines Vorgehen
15.3 Spezielle Fragestellungen
15.3.1 Elektromyogramm (EMG)
15.3.2 Autonome Diagnostik
15.3.3 Okulografie
15.3.4 Transkranielle Magnetstimulation / Motorisch evozierte Potenziale
15.3.5 Evozierte Potenziale
15.3.6 Long-Loop-Reflexe
15.3.7 Elektroenzephalografie
15.3.8 Posturografie
15.3.9 Transkranielle Sonografie des Hirnparenchyms
15.3.10 Optische Kohärenztomografie (OCT)
15.3.11 Extrakranielle und transkranielle Doppler-/Duplexsonografie der hirnversorgenden Gefäße
15.4 Literatur
16 Schwindel und Störungen der Blickmotorik
16.1 Definition und Differenzialdiagnose Schwindel
16.1.1 Vestibulärer Schwindel (Vertigo)
16.1.2 Differenzialdiagnostik Vertigo
16.2 Definition und Differenzialdiagnose von Augenbewegungsstörungen
16.2.1 Infranukleäre Augenbewegungsstörungen:
16.2.2 Supranukleäre Augenbewegungsstörungen
16.3 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
16.3.1 Schwindel
16.3.2 Augenbewegungsstörungen
16.4 Spezielle Fragestellungen
16.4.1 Differenzialdiagnose des Nystagmus
16.4.2 Topische Diagnose häufiger Okulomotorikstörungen bei Hirnstammläsionen
16.5 Literatur
17 Autonome Störungen
17.1 Definition
17.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
17.3 Spezielle Krankheitsbilder
17.3.1 Passagerer Bewusstseinsverlust – Transient Loss of Consciousness (TLOC)
17.3.2 Synkopen
17.3.3 Orthostatische Intoleranz
17.3.4 Parkinson-Syndrome
17.3.5 Diabetes mellitus
17.3.6 Guillain-Barré-Syndrom
17.3.7 Neurogene Blasenentleerungsstörungen
17.3.8 Small-Fiber-Neuropathie
17.4 Literatur
18 Schlafstörungen (Polysomnografie)
18.1 Definition
18.2 Allgemeines Vorgehen von der Diagnose zur Therapie
18.3 Spezielle Fragestellungen
18.3.1 Leitsymptom „Tagesschläfrigkeit“
18.3.2 Leitsymptom „Schlaf-Apnoe“
18.3.3 Leitsymptom „Exzessive Tagesschläfrigkeit mit oder ohne Kataplexie“
18.3.4 Leitsymptom „Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie)“
18.4 Literatur
19 Kognitive Störungen bei Demenz und Delir
19.1 Definition
19.1.1 Differenzialdiagnose
19.1.2 Neurophysiologische Klassifikation und Kriterien
19.2 Allgemeines Vorgehen
19.3 Spezielle Fragestellungen
19.4 Literatur
20 Intraoperatives Monitoring
20.1 Definition
20.2 Allgemeine Anforderungen
20.3 Vorbereitung und Durchführung des Neuromonitorings
20.4 Technische Empfehlungen
20.5 Spezielles Neuromonitoring der jeweiligen Bahnsysteme und besondere Techniken
20.5.1 Direkte Stimulationsverfahren und Spontanes EMG
20.5.2 Evozierte Potenziale
20.6 Literatur
21 Intensivmedizin – Diagnostik, Monitoring, Prognose
21.1 Definition
21.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
21.2.1 Diagnose, Verlaufsuntersuchungen, Therapiekontrolle und Prognose
21.2.2 Besonderheiten der Untersuchungstechniken auf der Intensivstation
21.2.3 Spezielle Fragestellungen / spezielle Erkrankungen
21.3 Literatur
22 Neurorehabilitation
22.1 Definition
22.2 Allgemeines Vorgehen – von der Diagnose zur Therapie
22.3 Spezielle Fragestellungen
22.3.1 Reaktionslose Wachheit
22.3.2 Rückenmarksschädigung
22.3.3 Bein- oder Armplegie
22.4 Literatur
23 Hirntod-Diagnostik
23.1 Definition
23.2 Elektroenzephalografie (EEG)
23.3 Frühe akustisch evozierte Potenziale (FAEP)
23.4 Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP)
23.5 Doppler-/Duplexsonografie
23.6 Perfusionsszintigrafie
23.7 Computertomografische Angiografie (CTA)
23.8 Selektive arterielle Angiografie
23.9 Literatur
24 Methodik der Neurografie – motorische und sensible Neurografie
24.1 Indikationen
24.2 Allgemeine Anforderungen
24.3 Spezielle Techniken
24.3.1 Motorische Neurografie
24.3.2 F-Welle
24.3.3 Sensible Neurografie ( ▶ Abb. 24.4)
24.4 Befunde
24.4.1 Leitungsblock
24.4.2 Demyelinisierung
24.4.3 Axonale Läsion
24.4.4 Befundinterpretation
24.5 Repetitive (Serien-) Stimulation
24.6 Literatur
25 Methodik der Myografie
25.1 Indikationen
25.2 Allgemeine Anforderungen
25.3 Einzelfaser-EMG
25.4 Literatur
26 Methodik der Nervensonografie
26.1 Indikation
26.2 Allgemeine Anforderungen
26.3 Technische Empfehlungen
26.4 Auswertung und Normalwerte
26.5 Literatur
27 Methodik Muskelsonografie
27.1 Allgemeine Anforderungen
27.2 Technische Empfehlungen
27.3 Auswertung und Normalwerte
27.4 Literatur
28 Methodik der Untersuchung von Hirnnerven und Hirnstammreflexen
28.1 Allgemeine Anforderungen
28.2 Literatur
29 Methodik Doppler-/Duplexsonografie
29.1 Extrakranielle Doppler-/Duplexsonografie
29.2 Intrakranielle Doppler-/Duplexsonografie
29.3 Literatur
30 Methodik EEG: Stellenwerte und technische Voraussetzungen der EEG-Untersuchung
30.1 Indikationen
30.2 Allgemeine Anforderungen
30.3 Fehler und Artefakte erkennen und beseitigen
30.4 Technische Empfehlungen
30.5 Auswertung und Normalbefunde
30.6 Literatur
31 Methodik evozierte Potenziale – VEP / SEP / AEP / MEP
31.1 Allgemeine Anforderungen
31.2 Technische Empfehlungen
31.3 Visuell evozierte Potenziale (VEP) ( ▶ Abb. 31.1)
31.3.1 Parameter
31.3.2 Indikation
31.3.3 Anforderungen
31.3.4 Häufige Fehlerquellen und ihre Vermeidung
31.3.5 Wertung von Befunden
31.4 Akustisch evozierte Potenziale (AEP)
31.4.1 Parameter
31.4.2 Indikationen
31.4.3 Anforderungen
31.4.4 Häufige Fehlerquellen und ihre Vermeidung
31.4.5 Wertung von Befunden
31.5 Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP) ( ▶ Abb. 31.3)
31.5.1 Parameter
31.5.2 Indikationen
31.5.3 Allgemeine Anforderungen
31.5.4 Häufige Fehlerquellen und ihre Vermeidung
31.5.5 Wertung von Befunden
31.6 Magnetisch evozierte motorische Potenziale (MEP) ( ▶ Abb. 31.6, ▶ Abb. 31.7)
31.6.1 Parameter
31.6.2 Indikationen
31.6.3 Anforderungen
31.6.4 Häufige Fehlerquellen und ihre Vermeidung
31.6.5 Wertung von Befunden
31.7 Literatur
32 Methodik Oberflächen EMG – Tremorregistrierung
32.1 Indikation
32.2 Voraussetzungen
32.3 Durchführung
32.4 Nachbearbeitung
32.5 Auswertung
32.6 Literatur
33 Methodik Hirnparenchym – Sonografie
33.1 Definition
33.2 Allgemeine Anforderungen
33.3 Auswertung und Normalwerte
33.4 Literatur
34 Methodik der Nystagmo-/ Okulografie
34.1 Okulografische Methoden
34.1.1 Elektro-Okulografie
34.1.2 Search-Coil-(Magnetspulen)-Systeme
34.1.3 Video-Okulografie (VOG)
34.2 Klinische Anwendung und Indikationen
34.3 Vorbereitung, Randbedingungen und Ausführung der Untersuchung
34.4 Untersuchungsablauf und Auswertung
34.5 Literatur
35 Methodik der autonomen Testung
35.1 Prinzipien autonomer Testung
35.2 Kipptischtestung
35.3 Herzfrequenzvariabilität bei vertiefter Respiration
35.4 Valsalva-Manöver
35.5 Quantitativer Sudomotor-Axon-Reflextest
35.6 Nuklearmedizinische Untersuchung der Innervation des Herzens
35.7 Sympathische Hautreaktion
35.7.1 Literatur
36 Methodik der Polysomnografie
36.1 Definition
36.2 Generelle Parameter
36.2.1 Einteilung der Schlafstadien
36.2.2 Arousal Events/Weckreaktionen
36.2.3 Kardiale Parameter und Ereignisse
36.2.4 Bewegung
36.2.5 Respiratorische Ereignisse
36.3 Allgemeine Anforderungen
36.3.1 Geräte und Raum
36.3.2 Vorbereitung und Ausführung
36.3.3 Technische Empfehlungen
36.4 Auswertung und Normwerte
36.5 Literatur
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum
Christian Bischoff (München), Wilhelm Schulte-Mattler (Regensburg), Ulf Schminke (Greifswald)
Übersicht/Systematik
Periphere Nerven können entlang des gesamten Verlaufs von der Wurzel bis zur terminalen Nervenaufzweigung geschädigt werden. Kommt es an einer physiologischen Engstelle, an einer Stelle mit sehr oberflächlichem Nervenverlauf oder in einem fibrösen Tunnel zu einer Nervenschädigung, so spricht man von einem Nervenkompressionssyndrom. Dies kann durch äußere Ursachen hervorgerufen werden oder endogen sein.
Nervenkompressionssyndrome können durch akuten, intermittierenden, repetitiven oder anhaltenden Druck entstehen ▶ Abb. 1.1. Sie sind gekennzeichnet durch Reizerscheinungen (Parästhesien, seltener Schmerzen), sensible Ausfälle und/oder Paresen.
Pathophysiologie der Nervenkompression.
Abb. 1.1
N. medianus
▶ Karpaltunnelsyndrom
N.-interosseus-anterior-Syndrom (selten Kompression)
Pronator-Syndrom
N. ulnaris
▶ Loge de Guyon
Kompressionssyndrom am Ellbogen – ▶ Kubitaltunnelsyndrom
N. radialis
proximale N. radialis-Läsion
distale N.-radialis-Läsion
Supinator-Logensyndrom (N. interosseus posterior Syndrom)
Ramus-superficialis-Syndrom (Wartenberg-Syndrom)
N.-suprascapularis-Läsion
▶ Thoracic-Outlet-Syndrom
Notaglia paraesthetica
▶ Meralgia paraesthetica (N. cutaneus femoris lateralis)
N.-ilioinguinalis-Syndrom
N.-obturatorius-Syndrom
N.-femoralis-Kompression
N. peronaeus
Kompression am Fibulaköpfchen
vorderes Tarsaltunnelsyndrom
N. tibialis
▶ Tarsaltunnelsyndrom
proximale Nervenkompression
Ursachen
Druck von außen
lokaler Druck wie Schienen, Verbände
Druck von innen
Schwellung (Ödem, Blutung)
knöcherne Veränderungen (Exostosen)
Ganglien (arthrogen, intraneural)
Engstellen
hereditäre Neigung zu Druckparesen
Anamnese
Vorgeschichte/Zeitpunkt des Auftretens (Druck von außen?)
Nervendruckschädigungen betreffen in aller Regel einen Nerv, d. h., je nach betroffenem Nerv finden sich Parästhesien und/oder sensible Ausfälle und/oder motorische Ausfälle, die sich auf das Versorgungsgebiet des Nervs beschränken.
Ziel der elektrophysiologischen Diagnostik (soweit möglich)
Lokalisation der Schädigung
Art und Ausmaß der Schädigung (Leitungsblock, demyelinisierend, axonal)
Zeitpunkt der Schädigung
Aussagen zur Prognose
Abgrenzung von anderen Störungen
Periphere Nervenkompressionssyndrome: allgemeines Vorgehen.
Abb. 1.2
Differenzialdiagnose
radikuläre Schädigungen
Immunneuropathie (MMN, Lewis-Sumner-Syndrom)
hereditäre Neigung zu Druckparesen (HNPP)
Methoden:
▶ motorische und sensible Neurografie
▶ EMG
▶ Nervensonografie
Neurophysiologische Typen (siehe ▶ Abb. 1.3)
Leitungsblock (Neurapraxie)
Amplitudenabnahme bei supramaximaler Stimulation proximal der vermuteten Druckstelle
prognostisch günstig
Fallen/Probleme
erst nach Abschluss der Waller’schen Degeneration (bis zu 11 Tage) sicher
submaximale Stimulation (bes. bei tiefer liegenden Nerven)
Verwechslung mit Anastomosen
Bei Leitungsblöcken distal der distalen Stimulationsstelle kann kein Amplitudensprung erfasst werden (z. B. Läsion am Handgelenk).
Bei der sensiblen Neurografie ist eine Amplitudenabnahme mit zunehmender Distanz zwischen Stimulation und Ableitung physiologisch.
Demyelinisierung
Abnahme der Nervenleitgeschwindigkeit (auf <70% des unteren Normalwerts) im betroffenen Segment
Aufsplitterung des Potenzials proximal der Schädigungsstelle infolge der temporalen Dispersion
oft Zeichen einer chronischen bzw. wiederholten Kompression, prognostisch meist ohne Bedeutung (niedrige Nervenleitgeschwindigkeiten haben kein klinisches Korrelat)
Fallen/Probleme
Niedrige Nervenleitgeschwindigkeiten:
auch bei axonalen Schädigungen
bei niedriger Temperatur in Nervennähe
bei Messfehlern der Strecke (Distanz zwischen den Reizorten)
Axonale Läsion
Amplitudenabnahme oder Amplitudenverlust an allen Stimulationsstellen
Bestätigung mit dem ▶ EMG
Fallen/Probleme
keine Unterscheidung zwischen Axonotmesis und Neurotmesis möglich
Lokalisation des Schädigungsortes damit nicht möglich
Sensible Potenziale bleiben bei präganglionären Schädigungen unverändert erhalten.
Amplitudenabnahme erst nach Abschluss der Waller’schen Degeneration (bis zu 11 Tage) verwertbar
niedrige Amplituden auch bei
axonalen Prozessen anderer Genese
submaximaler Stimulation
Muskelatrophie, z. B. bei Inaktivität
Neurografie bei V. a. Nervenkompressionssyndrom.
Abb. 1.3
Definition/Ursachen
Kompression des N. medianus im Karpalkanal. Zusätzliche exogene Faktoren wie Schwellungen bei Traumen und Tendovaginitis, Ganglien, Hypothyreose, Diabetes mellitus u. a.
Symptome Brachialgia nocturna, Hypästhesie der Finger 1–3, spät Atrophie und Parese des M. abductor pollicis brevis
Grundprogramm
motorische Neurografie N. medianus bds.
Vergleich DML N. medianus vs. N. ulnaris (Thenar vs. Hypothenar oder M. lumbricalis versus IOD im 2. Interdigitalraum; ▶ Abb. 1.4
sensible Neurografie des N. medianus bds. zum am schwersten betroffenen Finger
sensible Neurografie eines Vergleichsnervs auf der schwerer betroffenen Seite (N. ulnaris oder Ramus superficialis n. radialis)
Neurografie Vergleich N. medianus vs. N. ulnaris.
Abb. 1.4
Vergleichsmessung N. medianus vs. N. ulnaris. Ableitung aus dem Interossealraum.
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
fraktionierte sensible Neurografie über den Karpalkanal
motorische Stimulation distal des Karpalkanals (bei distalem Leitungsblock)
Nervensonografie
Nachweis von Anomalien, Raumforderungen
immer bei Rezidiv oder postoperativ bei Komplikation
Pathologische Befunde
Verlängerung der DML des N. medianus
Erniedrigung der sensiblen NLG über dem Karpalkanal bei normaler NLG des N. ulnaris
Nervensonografie
Zunahme der Nervenquerschnittsfläche unmittelbar proximal des Karpaltunnels im Querschnittsbild (siehe ▶ Abb. 1.5a )
Zunahme des Quotienten der Nervenquerschnittsflächen des N. medianus im Vergleich zu der am Unterarm unmittelbar proximal des Karpaltunnels
Abnahme des Durchmessers des Nervs im Karpalkanal im Längsschnittbild (siehe ▶ Abb. 1.5b )
Sonografie des N. medianus.
Abb. 1.5 Sonografie des N. medianus bei einem Karpaltunnelsyndrom. Das Querschnittsbild (a) zeigt den N. medianus unmittelbar proximal des Karpaltunnels unter dem echoarmen Retinaculum flexorum (schwarze Pfeile). Die Nervenquerschnittsfläche (umrandet) ist mit 14mm2 erhöht. Das Längsschnittbild (b) zeigt die Kompression des N. medianus (weiße Pfeile) innerhalb des Karpaltunnels, während proximal und distal des Karpaltunnels das Kaliber des Nervs erhöht ist.
Abb. 1.5
Fallen/Probleme
DML ist streckenabhängig (Messung immer bei vorgegebener Distanz)
auf Temperatur bei der Untersuchung achten (bei Hauttemperatur<34 °C und pathologischen Befunden aufwärmen)
in der Frühphase oft alle Befunde unauffällig
niedrige MSAP können auch Zeichen eines distalen Leitungsblocks sein (bes. bei aufgesplitterten Potenzialen)
geringe Korrelation MSAP-Amplitude und EMG-Befund
häufig auch pathologische Befunde an der klinisch nicht betroffenen Hand
Differenzialdiagnose
Wurzelkompression C6 → EMG M. biceps brachii
Therapie (je nach Stadium und Befund)
Entlastung mittels volarer Unterarmhandschiene
Cortison: lokale Injektion oder per os
Dekompressions-OP (bei sensiblen, anhaltenden Störungen und/oder therapieresistenten Schmerzen)
Definition/Ursachen
Kompression des N. ulnaris am Handgelenk
lokaler Druck, Ganglien, Frakturen
Symptome Es werden 3 Typen unterschieden je nach Ort der Schädigung:
Typ 1: Hypästhesie am Kleinfinger volar und ggf. ulnaren Anteil des Ringfingers (nicht am Handrücken!), Parese der Fingeradduktoren und des M. abductor dig. minimi
Typ 2: wie Typ 1, allerdings ohne sensible Störung
Typ 3: Parese der Fingeradduktoren ohne Parese des M. abductor digiti minimi
Grundprogramm
motorische Neurografie N. ulnaris
fraktioniert um den Ellbogen
Ableitung vom M. abductor digiti minimi und M. interosseus dorsalis manus I
Vergleich DML N. ulnaris vs. N. medianus (am besten wie in ▶ Abb. 1.4)
sensible Neurografie des N. ulnaris zum Kleinfinger
EMG: M. abductor digiti minimi und M. interosseus dorsalis manus I
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Ramus dorsalis n. ulnaris (normal)
Nervensonografie
Nachweis von Anomalien, Raumforderungen
Pathologische Befunde:
Typ 1
Verlängerung der DML des N. ulnaris zu Hypothenar und IOD 1
normale motorische Neurografie am Ellbogen
pathologische sensible Neurografie zum Kleinfinger
normale sensible Neurografie des Ramus dorsalis n. ulnaris
Typ 2
Verlängerung der DML des N. ulnaris zu Hypothenar und IOD 1
normale motorische Neurografie am Ellbogen
normale sensible Neurografie zum Kleinfinger
normale sensible Neurografie des Ramus dorsalis n. ulnaris
Typ 3
Verlängerung der DML des N. ulnaris zum M. interosseus dorsalis manus I bei normaler NLG zum Hypothenar
normale motorische Neurografie am Ellbogen
normale sensible Neurografie zum Kleinfinger
normale sensible Neurografie des Ramus dorsalis n. ulnaris
Merke
Pathologische Befunde der Nervensonografie:Nachweis von Ganglienzysten oder anderen Raumforderungen, die den N. ulnaris am Handgelenk komprimieren, oder Nachweis von fokaler Zunahme der Nervenquerschnittsfläche entweder des gesamten Nervs proximal der Aufteilung oder der einzelnen Äste distal der Aufteilung in R. profundus und R. superficialis.
Fallen/Probleme
DML ist streckenabhängig (Messung immer bei vorgegebener Distanz)
auf Temperatur bei der Untersuchung achten
Niedrige MSAP können auch Zeichen eines distalen Leitungsblocks sein (bes. bei aufgesplitterten Potenzialen).
geringe Korrelation MSAP-Amplitude und EMG-Befund
Differenzialdiagnose
Wurzelkompression C8 (EMG paravertebral, M. flexor pollicis longus)
▶ N.-ulnaris-Kompression am Ellbogen
▶ Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS)
sensible Neurografie des N. cutaneus antebrachii medialis
sensible Neurografie des N. medianus
EMG M. flexor pollicis longus
Therapie
beim Leitungsblock: Ruhigstellung, abschwellende Maßnahmen
bei axonaler Schädigung: operative Dekompression
bei Raumforderungen oder Ganglien: chirurgische Therapie
Definition/Ursachen
Schädigung des N. ulnaris unterhalb, im oder oberhalb des Sulcus n. ulnaris am Ellbogen
Ursachen lokaler Druck, Frakturen und knöcherne Fehlstellungen, gewohnheitsmäßiges Abstützen, Lagerungsschaden
Symptome
Atrophie und Parese der vom N. ulnaris versorgten kleinen Handmuskeln (positives Froment-Zeichen)
oft Parese des M. flexor carpi ulnaris
Hypästhesie am Kleinfinger und ulnaren Anteil des Ringfingers palmar und dorsal
Grundprogramm
fraktionierte motorische Neurografie N. ulnaris mit Ableitung vom M. abductor digiti minimi und M. interosseus dorsalis manus I (häufiger betroffen)
sensible Neurografie des N. ulnaris zum Kleinfinger
EMG M. abductor digiti minimi und/oder M. interosseus dorsalis manus I
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Inching (Untersuchung in kleinen Abständen) am Ellbogen ( ▶ Abb. 1.6)
Ramus dorsalis n. ulnaris (immer pathologisch, selten notwendig)
Nervensonografie zum Nachweis von Anomalien, Raumforderungen
Inching bei Kompression des N. ulnaris.
Abb. 1.6
Inching-Untersuchung des N. ulnaris am Ellbogensegment mit einem Leitungsblock (zwischen 3. und 4. Spur)
(nach Schünke, Schulte, Schumacher. Prometheus LernAtlas der Anatomie – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Thieme; 2014. Grafiker: Karl Wesker)
Pathologische Befunde
motorische Neurografie
Leitungsblock am Ellbogen (bei pathologischem Befund immer Stimulation des N. medianus in der Ellenbeuge mit Ableitung vom Hypothenar zum Ausschluss einer Martin-Gruber-Anastomose)
NLG-Verminderung über dem Ellbogen >18 m/s im Vergleich zum distalen Segment
Potenzialkonfigurationsänderung bei Stimulation proximal der Schädigungsstelle
Sensible Neurografie
bei Ableitung vom Kleinfinger und distaler Stimulation erniedrigte Amplitude oder Potenzialverlust
erniedrigte NLG über dem Ellbogen (schwer zu messen)
EMG
je nach Ausmaß der axonalen Komponente
pathologische Spontanaktivität und/oder ▶ chronisch neurogene Potenzialveränderungen
Nervensonografie
Nachweis einer fokalen Zunahme der Nervenquerschnittsfläche unmittelbar proximal des Kubitaltunnels (d. h. in Höhe des Epicondylus medialis humeri)
Nachweis akzessorischer Muskelbäuche, die den Nerv bei Beugung im Ellbogengelenk gegen den Epicondylus drängen
Nachweis einer Subluxation des N. ulnaris aus dem Sulcus ulnaris mit „reitendem“ Nerv auf dem Epicondylus medialis
Merke
Immer Vergleich mit der Gegenseite!
Fallen/Probleme
Distanzmessung um den Ellbogen schwierig
großer Messfehler
Abstand zwischen den Stimulationsstellen möglichst 10 cm
Martin-Gruber-Anastomose
supramaximale Stimulation unterhalb des Ellbogens wegen der tiefen Nervenlage schwierig
Veränderungen zum und im M. interosseus dorsalis manus I meist ausgeprägter als zum Hypothenar
normale NLG bei rein axonalen Schädigungen
niedrige NLG hat kein klinisches Korrelat (Parese oder sensible Störung)
Sonografie: bei tangential angeschnittenem N. ulnaris am Epicondylus medialis wird scheinbar vergrößerte Nervenquerschnittsfläche gemessen
Differenzialdiagnose
Wurzelkompression C8
EMG paravertebral, M. flexor pollicis longus
normale sensible Neurografie des N. ulnaris
▶ Plexus-Läsion/TOS
sensible Neurografie des N. cutaneus antebrachii medialis
sensible Neurografie des N. medianus
EMG M. flexor pollicis longus
Therapie
beim Leitungsblock: Ruhigstellung, abschwellende Maßnahmen, Abpolsterung, ggf. Schiene
bei axonaler Schädigung, Paresen oder knöchernen Veränderungen: Dekompression
Definition/Ursachen
Kompression des N. radialis bei seinem Durchtritt durch den M. supinator.
seltene Störung durch lokalen Druck (Schiene, OP, Ganglien, selten endogen)
Symptome
Fallfinger
Schwäche der ulnaren Handstreckung (Aussparung des M. ext. carpi rad.)
keine sensible Störung
Grundprogramm
EMG M. extensor digitorum und M. extensor carpi radialis
motorische Neurografie fakultativ, da nur proximal der Kompressionsstelle möglich (Seitenvergleich!)
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Nervensonografie
Pathologische Befunde
EMG des M. extensor digitorum pathologisch
EMG des M. extensor carpi radialis unauffällig
motorische Neurografie: im Seitenvergleich DML verlängert, Amplitude u. U. erniedrigt
Nervensonografie: fokale Verdickung des R. profundus n. radialis unmittelbar proximal des Eintritts in die Loge zwischen den Muskelbäuchen des M. supinator. Selten Nachweis eines Lipoms in der Supinatorloge.
Fallen/Probleme
oft mit einem Schmerzsyndrom am Ellbogen verwechselt
MSAP haben oft einen initial positiven Abgang.
Differenzialdiagnose
inkomplette höhere N.-radialis-Kompression
Therapieselten operative Dekompression notwendig (außer bei anatomischen Hindernissen wie paraostalem Ganglion)
Definition/Ursachen
Kompression des N. radialis am Oberarm
Schlafdrucklähmung, Frakturen
Symptome
Fallhand und Fallfinger
Schwäche des M. abductor pollicis longus
Hypästhesie im Versorgungsgebiet des Ramus superficialis n. radialis
Bei der akuten Fallhand ist eine Abgrenzung von der zentralen Monoparese wichtig.
Grundprogramm
EMG eines Fingerstreckers
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
fraktionierte Neurografie des N. radialis (siehe Schema ▶ Abb. 1.7)
Ramus superficialis n. radialis
Nervensonografie zum Nachweis von Anomalien, Raumforderungen
EMG bei akuter Fallhand.
Abb. 1.7
Pathologische Befunde
motorische Neurografie
Leitungsblock am Oberarm
Potenzialkonfigurationsänderung bei Stimulation proximal der Schädigungsstelle
sensible Neurografie
oft niedrige Amplitude oder nicht ableitbar (außer bei reinem Leitungsblock)
EMG
pathologisch je nach Ausmaß der axonalen Komponente und Zeitpunkt der Untersuchung (s. Tabelle in Technik EMG, ▶ Tab. 25.4)
Nervensonografie (immer im Seitenvergleich)
bei akuter externer Kompression häufig kein pathologischer Befund, bei chronischer Druckeinwirkung fokale Verdickung im Canalis spiralis
bei Knochenbrüchen Nachweis einer Kompression durch Knochensplitter oder Osteosynthesematerial
Merke
Immer Vergleich mit der Gegenseite!
Fallen/Probleme
motorische Neurografie
Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit wegen der Distanzmessung schwierig, aber auch entbehrlich
Leitungsblock erst nach Abschluss der Waller’schen Degeneration (etwa 1 Woche) verlässlich diagnostizierbar
oft positiver Abgang des MSAP
hohe Stimulationsstärke notwendig
EMG
Befund abhängig vom Zeitpunkt der Untersuchung in Bezug zur Schädigung
Nervensonografie bei akuter Drucklähmung häufig nicht pathologisch
Differenzialdiagnose
Wurzelkompression C7
EMG paravertebral, M. pectoralis
normale sensible Neurografie des Ramus superficialis n. radialis
zentrale Fallhand
normale Entladungsfrequenz der Potenziale motorischer Einheiten (siehe Schema ▶ Abb. 1.7)
Therapie
beim Leitungsblock: Physiotherapie und Kontrakturvermeidung (Schiene)
bei axonaler Schädigung, Neuronotmesis oder intraoperativer Schädigung: OP
Definition/Ursachen
Kompression des N. suprascapularis beim Durchtritt durch die Incisura scapulae
repetitive Überkopfbewegungen des ausgestreckten Arms (Volleyballspiel), Ganglien
Symptome
dumpfer Schmerz über der Scapula
Parese und Atrophie des M. infraspinatus (Außenrotation)
oft auch Parese des M. supraspinatus (Armhebung bis 30°)
Grundprogramm
EMG
M. infraspinatus
M. supraspinatus
M. deltoideus
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
motorische Neurografie
nur im Seitenvergleich
weniger Aussagekraft als EMG-Untersuchung
Pathologische Befunde
pathologisches EMG in Abhängigkeit vom Stadium/von der Zeitdauer ( ▶ Tab. 25.4)
Fallen/Probleme
Der M. infraspinatus liegt unter dem M. trapezius, daher ist er bei Atrophie schwer zu finden.
Differenzialdiagnose
neuralgische Myatrophie
Wurzelkompression C5
Therapie In der Regel operative Dekompression (Neurolyse)
Definition/Ursachen
Kompression des N. cutaneus femoris lateralis unter dem Leistenband
Gewichtszunahme, beengende Kleidungsstücke, idiopathisch, Knochenspanentnahme
Symptome
Hypästhesie, Parästhesie und Schmerzen im Versorgungsgebiet des Nervs
Merke
Klinische Diagnose; neurophysiologische Bestätigung schwierig und in der Regel entbehrlich
Grundprogramm
SEP aus dem Versorgungsgebiet des Nervs
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
sensible Neurografie orthodrom oder antidrom
EMG des M. quadriceps
Nervensonografie
Pathologische Befunde
SEP
Latenzdifferenz bzw. Amplitudenabnahme der Antworten
sensible Neurografie
Latenzdifferenz bzw. Amplitudenabnahme des SNAP
Nervensonografie
fokale Verdickung des Nervs in Höhe der Spina iliaca superior anterior proximal des Leistenbandes
Fallen/Probleme
sensible Neurografie schwierig
Ableittechnik
kleine SNAP
Sonografie:
variabler Verlauf des Nervs
bei Adipösen oft nicht einsehbar
physiologische Kaliberzunahme proximal des Leistenbandes
Differenzialdiagnose
N.-femoralis-Läsion
EMG M. quadriceps
Wurzelkompression L4
EMG paravertebral, M. quadriceps
Therapie
Gewichtsabnahme
wiederholte Injektion eines Lokalanästhetikums an der Durchtrittsstelle am Leistenband
bei Therapieresistenz Neurolyse
Definition/Ursachen
Schädigung des N. peronaeus communis oder eines seiner Endäste am Fibulaköpfchen
Druck von außen, Gewichtsverlust, Exostosen, Ganglien
Symptome
Parese der Fuß- und Zehenhebung
Atrophie am Schienbein
Parese der Eversion
Hypästhesie im 1. Zwischenzehenraum
Tibialis-posterior-Reflex erhalten
Grundprogramm
fraktionierte motorische Neurografie des N. peronaeus (im Seitenvergleich)
EMG M. tibialis anterior/extensor hallucis longus, M. peronaeus, Caput breve, M. bicipitis femoris
sensible Neurografie des N. peronaeus superficialis
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Nervensonografie
Pathologische Befunde
EMG
in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf pathologischer Befund ( ▶ Tab. 25.4)
motorische Neurografie:
Leitungsblock über dem Fibulaköpfchen
Amplitudenabnahme und ggf. Aufsplitterung des MSAP bei Stimulation in der Fossa poplitea
NLG kann in dem Abschnitt erniedrigt sein
sensible Neurografie:
beim Leitungsblock normal
beim axonalen Schaden Amplitude erniedrigt oder nicht darstellbar (Seitenvergleich!)
Nervensonografie (immer im Seitenvergleich):
Nachweis einer fokalen Verdickung des Nervs proximal des Fibulaköpfchens
Nachweis intraneuraler Ganglien
Fallen/Probleme
motorische Neurografie:
Bei hohen Stromstärken wird in der Kniekehle oft der N. tibialis aktiviert → Leitungsblock kann übersehen werden.
in den ersten 7 Tagen keine Unterscheidung zwischen Leitungsblock und ▶ Axonotmesis , während dieser Zeit aber auch bei Axonomesis Lokalisation möglich
asymptomatische NLG Veränderung über dem Fibulaköpfchen
Messfehler bei der Distanzmessung über dem Fibulaköpfchen
Anastomose: N. peronaeus tertius (Stimulation am Außenknöchel)
bei Atrophie des M. extensor digitorum brevis Ableitung vom M. tibialis anterior
sensible Neurografie:
bei PNP auch niedrige Amplituden oder fehlend → immer im Seitenvergleich
bei reinem Leitungsblock oder reiner Demyelinisierung über dem Fibulaköpfchen (HNPP) normal
bei Plexusläsionen ebenfalls pathologischer Befund
Bei N.-ischiadicus-Läsionen kann auch überwiegend der N. peronaeus betroffen sein (hohe Teilung)
Sonografie:
häufig keine pathologischen Befunde
bei tangential angeschnittenem N. peronaeus wird scheinbar vergrößerte Nervenquerschnittsfläche gemessen
Differenzialdiagnose ( ▶ Tab. 1.1)
Wurzelkompression L5:
EMG M. gluteus medius oder M. tibialis posterior, paravertebral
normale sensible Neurografie
N.-ischiadicus-Läsion
motorische Neurografie inkl. F-Welle des N. tibialis
sensible Neurografie des N. suralis
EMG N.-tibialis-versorgter Muskeln
zentrale Fußheberparese
EMG mit normaler Entladungsrate
Tab. 1.1
Neurophysiologische Befunde zur Differenzierung von N.-peronaeus-, N.-ischiadicus-, Plexus-lumbosacralis-Läsionen und einer Wurzelkompression L5 mit dem Leitsymptom Fallfuß (Quelle: Bischoff C, Dengler R, Hopf HC. EMG-NLG. Stuttgart: Thieme; 2014
▶ [3]
).
Befund
N. peronaeus communis
N. ischiadicus
Plexus lumbosacralis
Wurzel L5
Neurografie
Leitungsblock am Fibulaköpfchen1
vorhanden
nein
nein
nein
MSAP-Abnahme N. peronaeus2
ja
ja
ja
mitunter
MSAP-Abnahme N. tibialis2
nein
ja
mitunter
möglich3
SNAP-Abnahme N. peronaeus2
ja
ja
ja
nein
SNAP-Abnahme N. suralis2
nein
ja
ja
nein
EMG-Veränderungen
M. tibialis anterior
ja
ja
ja
ja
M. extensor hallucis longus
ja
ja
ja
ja
M. tibialis posterior
nein
ja
ja
ja
M. biceps femoris (Caput breve)
nein
ja
ja
ja
M. gluteus medius
nein
nein
ja
ja
M. tensor fasciae latae
nein
nein
ja
ja
Paravertebralmuskeln
nein
nein
nein
ja
1 überwiegend demyelinisierende Schädigung2 überwiegend axonale Schädigungen3 bei Beteiligung von S1-Fasern
Therapie
beim Leitungsblock: Druckvermeidung, ggf. Schiene, Physiotherapie
bei axonaler Schädigung oder Nachweis von Raumforderungen: Dekompression
Definition/Ursachen
Schädigung des N. tibialis am Malleolus internus
selten als endogenes Kompressionssyndrom (überdiagnostiziert!), eher durch lokale Raumforderungen (Ganglion, Exostose), selten bei rezidivierenden Distorsionen, Arthrose
Symptome
Schmerz an der Fußsohle und am Innenknöchel
Gefühlstörung an der Fußsohle (N. plantaris medialis und/oder lateralis)
Atrophie der kleinen Fußmuskeln
Grundprogramm
fraktionierte motorische Neurografie des N. tibialis am Malleolus internus mit Ableitung vom medialen und lateralen Fußrand (immer im Seitenvergleich)
sensible Neurografie des N. plantaris medialis und lateralis (immer im Seitenvergleich)
EMG der Fußbinnenmuskulatur
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Nervensonografie
Pathologische Befunde
EMG
in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf ▶ pathologischer Befund , ▶ Tab. 25.4
motorische Neurografie:
Latenz- oder Amplitudensprung bei Ableitung vor und hinter dem sog. Tarsaltunnel
Amplitudenerniedrigung des MSAP im Seitenvergleich
sensible Neurografie:
fehlendes Potenzial oder im Seitenvergleich um >50% reduzierte Amplitude
Nervensonografie
Nachweis von Ganglien oder Exostosen
Fallen/Probleme
sensible Neurografie:
Amplituden meist sehr klein (Mittelwertbildung oft erforderlich)
bei bds. fehlenden Antworten keine Aussage möglich
NLG wird nicht bestimmt bzw. bewertet (exakte Distanzmessung nicht möglich)
bei PNP auch niedrige Amplituden oder fehlend → Untersuchung immer im Seitenvergleich
Bei gleichzeitiger PNP ist keine Aussage möglich.
EMG:
Pathologische Veränderungen in der kleinen Fußmuskulatur kommen auch bei asymptomatischen Personen vor (Seitenvergleich!).
Differenzialdiagnose
Wurzelkompression L5:
EMG M. gluteus medius oder M. tibialis posterior, paravertebral
normale sensible Neurografie
N. ischiadicus Läsion
motorische Neurografie inkl. F-Welle des N. tibialis
sensible Neurografie des N. suralis
EMG N. tibialis versorgter Muskeln
TherapieBei axonaler Schädigung oder lokalen knöchernen Veränderungen und Raumforderungen: Dekompression
[1] Asmus H, Antoniadis G, Hrsg. Nervenkompressionssyndrome. 3. Aufl. Berlin: Springer; 2015
[2] Bischoff C, Schulte-Mattler W. Das EMG-Buch. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2016
[3] Bischoff C, Dengler R, Hopf H-C. EMG – NLG. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014
[4] Frimer M, Brushart TM, Cornblath DR et al. Entrapment Neuropathies. In: Medell JR, Kissel JT, Cornblath DR. Diagnosis and management of peripheral nerve disorders. Oxford: Oxford University Press; 2001
[5] Stewart JD. Focal peripheral neuropathies. 4th ed. West Vancouver: JBJ Publishing; 2010
Christian Ritter (Köln), Helmar C. Lehmann (Köln), Christian Bischoff (München)
Übersicht/Systematik
Schädigungen der Nervenwurzeln sowie der Plexus haben verschiedene Ursachen. Radikulopathien treten häufig kompressionsbedingt durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule auf, seltener sind entzündliche Prozesse oder neoplastische Syndrome ursächlich. Plexopathien hingegen sind meist entzündlicher oder traumatischer Genese, können aber auch druck- oder radiogen bedingt sein.
Klinisch stehen bei Radikulopathien und Plexusläsionen sensible und motorische Ausfälle sowie je nach Ätiologie auch Schmerzen der betroffenen Extremität im Vordergrund. Ziel der neurophysiologischen Diagnostik ist eine Differenzierung zwischen einer Radikulopathie oder einer Plexusläsion sowie die Zuordnung zu den betroffenen Myotomen bzw. zu den Anteilen der Plexus brachialis bzw. lumbosacralis.
Übersicht über Radikulopathien und Plexusläsionen
zervikale und lumbale Radikulopathie
zervikale und lumbale Plexusneuritis
Thoracic-Outlet-Syndrom
diabetische Radikuloplexopathie
neoplastische Plexopathie
radiogene Plexopathie
Ursachen
Druckschädigung
exogen (Lastentragen, Lagerungen bei Operationen)
endogen (degenerative Veränderungen, Schwellungen, Engstellen)
tumorös
idiopathisch entzündliche Prozesse
erregerbedingte Entzündungen (Borreliose, Zoster)
traumatische Läsionen
metabolisch (Diabetes mellitus)
Anamnese
Vorgeschichte (Vorausgehende Schmerzen? Schmerzcharakter? Sensible Defizite? Paresen?)
Wurzelschädigungen betreffen häufig eine bzw. benachbarte Nervenwurzeln. Entsprechend finden sich klinisch myotomale Ausfälle. Plexusläsionen betreffen häufiger den Plexus brachialis und aufgrund seiner geschützten Lage seltener den Plexus lumbosacralis.
Ziel der elektrophysiologischen Diagnostik (soweit möglich)
Art und Lokalisation der Schädigung (Radikulopathie vs. Plexusläsion)
Ausmaß der Schädigung (monoradikulär/polyradikulär? Welcher Trunkus/Faszikel?)
Abgrenzung von anderen Störungen
Differenzialdiagnose
Nervenkompressionssyndrome
Immunneuropathien
amyotrophe Lateralsklerose
Hirayama-Erkrankung
Methoden
motorische und sensible Neurografie
EMG
Magnetresonanztomografie
Liquor- und Labordiagnostik
Definition/UrsachenHäufig kompressionsbedingt durch degenerative Veränderungen im Bereich der Bandscheiben oder knöcherne und ligamentäre Stenosierungen. Seltener auch tumorös-neoplastisch oder entzündlich bedingt.
Symptome Initial häufig bewegungsabhängige ausstrahlende Schmerzen i. S. von Zervikobrachialgien bzw. Lumboischialgien mit Sensibilitätsstörungen im entsprechenden Dermatom. Im weiteren Verlauf Paresen der segmental versorgten Muskulatur.
GrundprogrammAbhängig von der klinischen Präsentation (EMG) der von der entsprechenden Nervenwurzel, aber von unterschiedlichen peripheren Nerven versorgten Muskulatur ( ▶ Tab. 2.1). Darüber hinaus EMG benachbarter, aber von anderen Nerven innervierter Muskulatur sowie der paravertebralen Muskulatur.
Tab. 2.1
Kennmuskulatur der Nervenwurzeln.
Nervenwurzel
Kennmuskel(n)
C5
Mm. rhomboidei
C5 (C6)
M. infraspinatus
C5 (C6)
M. deltoideus
(C5) C6
M. biceps brachii
(C5) C6
M. brachioradialis
(C6) C7
M. triceps brachii
(C6) C7
M. pronator teres
(C6) C7
M. extensor carpi radialis
(C6) C7
M. flexor carpi radialis
(C7) C8
M. flexor carpi ulnaris
C8
M. extensor indicis
C8 (Th1)
M. flexor pollicis longus
C8 (Th1)
M. abductor digiti minimi
C8 (Th1)
M. interosseus dorsalis manus I
C8
M. flexor digitorum profundus
(C8) Th1
M. abductor pollicis brevis
L2/3(L4)
M. iliopsoas
(L2) L3/4
M. adductor longus
(L2) L3/4
M. rectus femoris
(L3) L4
M. vastus medialis
(L4) L5
M. tibialis anterior
L5 (S1)
M. tensor fasciae latae
L5 (S1)
M. gluteus medius
L5 (S1)
M. tibialis posterior
L5 (S1)
M. extensor digitorum brevis
(L5) S1
M. extensor hallucis longus
(L5) S1
M. gluteus maximus
(L5) S1
M. biceps femoris
(L5) S1
M. gastrocnemius
S1 (S2)
M. soleus
S1/2
M. abductor hallucis
Ggf. ergänzende Untersuchungen
sensible Neurografie mit unauffälligem Befund
Abgrenzung von der Plexusläsion (Amplitudenabnahme der SNAP, mitunter auch erniedrigte sNLG)
motorische Neurografie
Abgrenzung von Kompressionssyndromen (Leitungsblock)
Bildgebung (MRT)
Nachweis degenerativer Veränderung und neuroforaminaler Stenosen
Pathologische Befunde
im EMG Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der myotomal versorgten Muskulatur, bereits frühzeitig auch in der paravertebralen Muskulatur
Je nach Ausmaß der Schädigung erniedrigtes MSAP und pathologische F-Wellen (bes. bei polyradikulären Prozessen) in der motorischen Neurografie. In der sensiblen Neurografie bei Wurzelläsion normale Befunde.
Fallen/Probleme
Häufig sind nicht alle Muskeln eines Myotoms betroffen. In der Frühphase oft nur Nachweis in der paravertebralen und proximalen Muskulatur.
Paravertebrale Muskulatur nicht immer sicher beurteilbar (bei Operationen z. T. lebenslang pathologische Spontanaktivität; häufig ungenügende Entspannung des Patienten); eine fehlende pathologische Spontanaktivität schließt eine Radikulopathie nicht aus.
Paravertebrale pathologische Spontanaktivität ist auch bei Radikulitiden, Myopathien, bei Motoneuronerkrankungen und bei der diabetischen Radikuloplexopathie nachweisbar.
Bei gleichzeitig vorliegender Polyneuropathie kann die Differenzierung unmöglich sein.
Bei klinisch fehlenden Paresen kann das EMG normal sein, häufiger aber ist trotz fehlender Paresen pathologische Spontanaktivität nachweisbar.
Differenzialdiagnose
Plexusläsionen
Amplitudenabnahme der SNAP, mitunter auch erniedrigte sNLG
verlängerte F-Wellen-Latenz oder verminderte F-Wellen-Persistenz
Nervenkompressionssyndrome
Karpaltunnelsyndrom: DML und sensible Neurografie des N. medianus pathologisch
N.-ulnaris-Kompression: DML und fraktionierte motorische und sensible Neurografie
N.-peroneus-Kompression: fraktionierte motorische Neurografie mit Leitungsblock (siehe ▶ Tab. 1.1)
Therapie
konservative Physio- und symptomatische Schmerztherapie
bei höhergradigen Spinalkanalstenosen bzw. neuroforaminaler Engen ggf. operative Dekompression
Definition/UrsacheSporadische entzündliche (autoimmunologische) Erkrankung, selten hereditäre Genese. Am häufigsten sind die oberen Anteile des Plexus brachialis betroffen, selten die unteren Abschnitte.
Symptome Neuropathischer Schmerz über Tage bis Wochen, gefolgt von einer atrophen, schlaffen Parese. Gelegentlich sensible Defizite, selten vegetative und trophische Störungen.
Grundprogramm EMG der betroffenen Muskeln (oft betroffen: M. deltoideus, M. serratus anterior, M. biceps brachii, M. flexor pollicis longus).
Ggf. zusätzliche Untersuchungen Neurosonografie und MR-Neurografie der betroffenen Region.
Pathologische Befunde Im EMG Nachweis pathologischer Spontanaktivität und neurogen veränderter Potenziale (je nach zeitlichem Verlauf, siehe ▶ Tab. 25.4) in Muskeln, die von den entsprechenden Plexusanteilen innerviert werden. Paravertebral meist keine pathologische Spontanaktivität .
Differenzialdiagnose
zervikale Radikulopathie
Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der paravertebralen Muskulatur C5–C6
proximale diabetische Radikuloplexopathie
(erhöhter Blutglukosewert)
Neuroborreliose
oft in Kombination mit einer peripheren Fazialisparese
anamnestisch Zeckenstich
Pleozytose im Liquor
Therapie Kortisontherapie
Definition/Ursache Sporadische entzündliche Erkrankung des Plexus lumbosacralis, meist autoimmunologisch, auch postoperativ (etwa 4 Tage nach einer OP auftretend).
SymptomeNeuropathischer Beinschmerz über Tage bis Wochen, gefolgt von einer Parese der vom N. ischiadicus, N. glutaeus superior und N. glutaeus inferior versorgten Muskulatur. Abgeschwächte bzw. erloschene Muskeleigenreflexe. Häufig Hypästhesien im Versorgungsgebiet des N. saphenus. Gelegentlich trophische und vegetative Störungen.
Grundprogramm
sensible Neurografie des N. saphenus und N. suralis (vgl. unten, pathologische Befunde)
EMG zur Erfassung des Ausmaßes der Schädigung der segmentalen Anteile L3–S1 (insbesondere M. gluteus medius, M. quadriceps femoris, M. gastrocnemius, M. adductor magnus und M. tibialis anterior; ggf. erweitern)
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
motorische Neurografie des N. peroneus und N. tibialis
CT/MRT des Beckens
gynäkologische Untersuchung
Lumbalpunktion
Pathologische Befunde
je nach Schweregrad erloschene oder in der Amplitude erniedrigte SNAP bzw. gering verminderte sNLG (in Abgrenzung von der lumbalen Radikulopathie)
im EMG Nachweis pathologischer Spontanaktivität in Muskeln, die aus den Segmenten L3–S1 entstammen, ohne Nachweis paravertebraler Spontanaktivität
in der motorischen Neurografie verlängerte DML mit verminderter mNLG und vermindertem MSAP, je nach Schweregrad auch erloschene Reizantwort
Fallen/Probleme
Bei gleichzeitiger Polyneuropathie kann die Differenzierung unmöglich sein (Seitenvergleich).
Fehlender Nachweis paravertebraler Spontanaktivität schließt eine Radikulopathie nicht aus.
Differenzialdiagnose
lumbosakrale Radikulopathie
Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der paravertebralen Muskulatur L3–S1
proximale diabetische Radikuloplexopathie
häufig Nachweis erhöhter Blutglukosewerte
Polyneuropathien
Läsion des N. ischiadicus
M. gluteus medius und M. gluteus maximus nicht betroffen
Läsion des N. femoralis
M. adductor longus nicht betroffen
Therapie Intensive Physiotherapie, ggf. Cortisontherapie
Definition/UrsacheHäufig Affektion des Plexus lumbosacralis, vorwiegend Diabetes mellitus Typ II innerhalb der ersten 5 Erkrankungsjahre, Insulin-Neuritis.
Symptome Initial neuropathischer Beinschmerz vor allem im Hüft- und Oberschenkelbereich mit proximalen Paresen.
Grundprogramm
motorische Neurografie des N. peroneus und ggf. N. femoralis bds.
sensible Neurografie des N. suralis und N. saphenus im Seitenvergleich
EMG insbesondere der vom N. femoralis und N. obturatorius versorgten Muskulatur und des N. tibialis; darüber hinaus EMG der paravertebralen Muskulatur L2–4
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
Labordiagnostik (erhöhte Blutglukosespiegel, HbA1c-Werte?)
Liquor (erhöhtes Liquoreiweiß)
Pathologische Befunde
Im EMG zumeist Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der vom N. femoralis und/oder N. obturatorius versorgten Muskulatur. Paravertebrale Muskulatur L2–4 häufig mitbetroffen.
DML-Verlängerung des N. femoralis mit ggf. vermindertem MSAP der betroffenen Seite
verminderte sNLG als Hinweis auf eine distale diabetogene Polyneuropathie
Fallen/Probleme
Nachweis paravertebraler Spontanaktivität auch bei Radikulopathien
Mitstimulation des M. sartorius bei Reizung des N. femoralis führt zu Artefakten, die die Beurteilung der DML erschweren
Differenzialdiagnose
lumbalsakrale Radikulopathie
Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der paravertebralen und peripheren myotomal versorgten Muskulatur
Polyneuropathien
lumbosakrale Plexusneuritis
Therapie Normalisierung der Blutzuckerwerte
Definition/UrsacheKompression des Plexus brachialis in der Skalenuslücke oder infraklavikulär in Form eines kostoklavikulären Syndroms durch eine Halsrippe, einen verbreiterten Ansatz des M. scalenus anterior oder ein fibröses Band zwischen Halsrippe und 1. Rippe.
Symptome Schmerzen und Parästhesien an der Hand und am medialen Unterarm, gefolgt von sensiblen Störungen (meist ulnar) und Paresen der kleinen Handmuskulatur und der langen Fingerbeuger entsprechend einer unteren Armplexusläsion. Beschwerdeverstärkung durch Manöver (z. B. Adson-Manöver), die zu einer Dehnung und/oder Verengung der Skalenuslücke oder des Kostoklavikularraumes führen; ist unspezifisch, da auch bei Gesunden oft positiv.
Grundprogramm
sensible Neurografie des N. ulnaris, N. cutaneus antebrachii medialis und N. medianus
motorische Neurografie mit F-Wellen-Untersuchung des N. ulnaris und N. medianus
EMG des M. flexor pollicis longus, M. interosseus dorsalis I, M. extensor digitorum communis, M. abductor digiti V und M. abductor pollicis brevis sowie paravertebral
Ggf. zusätzliche Untersuchungen Neurosonografie, MRT der oberen Thoraxapertur
Pathologische Befunde
In der sensiblen Neurografie N. cutaneus antebrachii medialis und N. ulnaris auf betroffener Seite häufig nicht ableitbar. N. medianus meist normal.
häufig erniedrigtes MSAP und verlängerte F-Wellen des N. ulnaris und/oder N. medianus
Im EMG pathologische Spontanaktivität und neurogen veränderte Potenziale motorischer Einheiten, die nicht auf den N. ulnaris bzw. N. medianus beschränkt sind. Paravertebral keine pathologische Spontanaktivität.
Fallen/Probleme
Normale F-Wellen des N. ulnaris schließen eine Kompression des unteren Armplexus nicht aus.
Differenzialdiagnose
zervikale Radikulopathie C8
Nachweis pathologischer Spontanaktivität in der paravertebralen Muskulatur
Kompression des N. ulnaris
normale sensible Neurografie des N. cutaneus antebrachii medialis
Plexusneuritis
Therapie
bei leichten bis mittelschweren Kompressionssyndrom ohne vaskuläre Defizite: konservative Physiotherapie
bei Paresen und vaskulärer Komponente: Operation
Definition/Ursache Radiogene Schädigung des Plexus brachialis. Auftreten frühestens nach 3 Monaten, häufiger nach mehreren Jahren.
Symptome Initial ausgeprägte Hyp- und Dysästhesien, im Verlauf können zusätzlich Schmerzen auftreten, die aber meist geringer sind als bei einer tumorösen Infiltration. Später auch Paresen. Häufig ausgeprägtes Lymphödem.
Grundprogramm Abhängig von der klinischen Präsentation Beurteilung der Ausdehnung und des Ausmaßes der Schädigung im EMG (chronisch neurogen veränderte PME, häufig komplex repetitive Entladungen [KRE], Myokymien).
Ggf. zusätzliche Untersuchungen MRT des Plexus brachialis
Pathologische Befunde
insbesondere Nachweis ausgeprägter KRE i. S. von nieder- bis hochfrequenten Entladungsserien (auch in noch nicht paretischer Muskulatur)
Nachweis pathologischer Spontanaktivität in von mehreren peripheren Nerven versorgten Muskeln
Nachweis von MRT Veränderungen
Fallen/Probleme
KRE nicht pathognomonisch für radiogene Schädigung.
Therapie Intensive Physiotherapie und ggf. Lymphdrainage bei Ödem.
Definition/UrsacheKompression oder Infiltration von Plexusanteilen. Am häufigsten sind untere Anteile des Plexus brachialis betroffen, z. B. beim Pancoast-Tumor.
Symptome Initial ausgeprägtes Schmerzsyndrom in der Schulter und im Arm, mit Schmerzausstrahlung in den ulnaren Unterarm sowie in die Hand. Im Verlauf meist Schwäche der kleinen Handmuskulatur sowie Hypästhesie ulnar an der Hand und im Unterarm.
Grundprogramm Siehe ▶ TOS.
Ggf. zusätzliche Untersuchungen
MRT des Plexus brachialis
Röntgen Thorax
Pathologische Befunde
siehe ▶ TOS.
im MRT häufig T2-hyperintense Plexusstruktur; Kontrastmittelaufnahme
Fallen/Probleme
Bildmorphologische Veränderungen des Plexus müssen nicht zwingend vorliegen.
Differenzialdiagnose
TOS
zervikale Radikulopathie
Therapie Behandlung des Primärtumors
[6] Alfen N van. Clinical and pathophysiological concepts of neuralgic amyotrophy. Nat Rev Neurol 2011; 7: 315–322
[7] Bischoff C. Neurophysiologische Diagnostik bei radikulären Syndromen. Klin Neurophysiol 1999; 30: 1–8
[8] Bischoff C, Schulte-Mattler W. Das EMG Buch. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2016
[9] Evens BA, Stevens JC, Dyck PF. Lumbosacral plexus neuropathy. Neurology 1981; 31: 1327–1330
[10] Ritter C, Wunderlich G, Macht S et al. Differenzial diagnostics of diseases of the brachial plexus. Nervenarzt. 2014; 85(2): 176–88
Helmut Buchner (Recklinghausen), Reinhard Kiefer (Rotenburg)
Übersicht/Systematik
Polyneuropathien sind generalisierte Erkrankungen des peripheren Nervensystems.
Hiervon abgegrenzt werden nicht-systemische Erkrankungen peripherer Nerven aufgrund einer lokalen Schädigung durch Kompression, Infiltration oder andere äußere Einflüsse.
Zum peripheren Nervensystem gehören alle außerhalb des Zentralnervensystems liegenden Teile der motorischen, sensiblen und autonomen Nerven mit ihren Schwann-Zellen und ganglionären Satellitenzellen, ihren bindegewebigen Hüllstrukturen (Peri- und Epineurium) sowie den sie versorgenden Blut- und Lymphgefäßen.
Polyneuropathien sind eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen. Auf dem Weg zur Diagnose folgen erfahrene Kliniker einem diagnostischen Pfad, der mit Anamnese und Befund beginnt, gefolgt von einer differenzierten neurophysiologischen Diagnostik. In der Regel erst dann kommen weiterführende Untersuchungsverfahren zur Anwendung (Laboruntersuchungen, Liquordiagnostik, genetische Diagnostik, Bildgebung, Biopsie).
Folgende Fragen müssen sequenziell beantwortet werden:
Liegt überhaupt eine Erkrankung peripherer Nerven vor?
Welches klinische Syndrom lässt sich anhand von Anamnese und Befund beschreiben, und welche Differenzialdiagnosen ergeben sich daraus?
Wie sind die Ergebnisse der neurophysiologischen Diagnostik und wie wird die klinische Differenzialdiagnose durch die Neurophysiologie weiter eingegrenzt?
Welche Diagnostik kann zur weiteren Eingrenzung und definitiven Diagnosestellung tatsächlich beitragen und soll in welcher Reihenfolge veranlasst werden?
Welche therapeutisch relevanten Erkrankungen finden sich dann noch in der Differenzialdiagnose und bedürfen ggf. einer diagnostisch motivierten probatorischen Therapie?
Folgende Informationen sollten nach Anamnese und klinischer Untersuchung vorliegen:
Klinische Präsentation
Art der Beschwerden
sensible Reiz- und Ausfallsymptome; neuropathischer Schmerz
motorische Ausfallsymptome; Faszikulationen und Krampi
Symptome autonomer Störungen
Dauer und Verlauf der Beschwerden
akut
subakut
chronisch progredient
rezidivierend
lebenslang
Manifestationstypen (Lokalisation)
distal symmetrischer Manifestationstyp (längenabhängig)
sensibel dominant
motorisch dominant
sensomotorisch
mit oder ohne autonome Störungen
proximal symmetrischer Manifestationstyp
asymmetrischer Manifestationstyp
Mononeuropathia-multiplex-Typ (Störungen einzelner peripherer Nerven)
Schwerpunkt-PNP (einzelne periphere Nerven oder Plexus überlagert eine symmetrische PNP)
Erkrankungsalter
Begleiterkrankungen
Familienanamnese
hereditäre vs. sporadische PNP
Die neurophysiologische Diagnostik gibt dann differenziertere Informationen, die zur Typologie der PNP genutzt werden können:
Neurophysiologie
axonale PNP
kontinuierlich demyelinisierende PNP
diskontinuierlich demyelinisierende PNP
ohne Zuordnung, gesicherte PNP, die aber nicht eindeutig klassifiziert werden kann
Differenzialdiagnose
Bestehen nach der neurophysiologischen Untersuchung Zweifel an der Diagnose einer Polyneuropathie, müssen die Differenzialdiagnosen zur PNP geprüft werden. Die wichtigsten sind:
Alternative Funktionsstörungen
z. B. multiple (lumbale) Wurzelläsionen, multiple Engpasssyndrome ohne PNP; Überprüfen der Lokalisation in den Untersuchungsbefunden
Myopathie
Verminderte Amplitude der MAP; normale NLG, normale F-Welle, normale sensible Neurografie mit normaler Amplitude der SNAP, EMG mit ggf. Denervierung und verminderte Amplituden der motorischen Potenziale und des Aktivitätsmusters.
Neuromuskuläre Übertragungsstörung
Verminderte Amplitude der MAP nach Belastung; normale NLG, normale F-Welle, normale sensible Neurografie mit normaler Amplitude der SNAP; EMG Normalbefund oder (pseudo-)myopathisch bei schweren Formen, Sondersituation LEMS: niedrige distale motorische Amplituden in Ruhe, Anstieg nach kurzer Anspannung.
Zentrale Störungen
Keine peripheren neurophysiologischen Auffälligkeiten, in der zentralen Leitungsbahn pathologische SEP und/oder MEP.
Achtung: F-Wellenverlust bei akutem spinalem Querschnittsyndrom
Erkrankung des 2. Motorneurons
Diese können in der Neurophysiologie aussehen wie eine motorische axonale Neuropathie. Die sensiblen Nerven sind dann nicht oder nur gering ▶ betroffen.
Psychogene Störungen
neurophysiologische Normalbefunde
▶ Abb. 3.1 zeigt die Systematik der neurophysiologischen Diagnostik, an deren Ende eine syndromatologische Diagnose steht. Diese liefert eine differenzierte Basis für die weitere ätiologische Diagnostik, dazu wird hier verwiesen auf die spezielle Literatur ▶ [13], ▶ [15], ▶ [16].
Neurophysiologische Diagnostik bei Polyneuropathien.
Abb. 3.1
Cave
Eine qualifizierte Untersuchung ist erforderlich mit: (A) optimierten Stimulations- und Ableitorten, (B) sicher supramaximaler Stimulation, (C) dokumentierter Armlänge und Körpergröße, (D) dokumentierter Mindesttemperatur. (E) Für den Vergleich mit Normwerttabellen muss festgelegt sein, ob die Amplituden base-to-peak oder peak-to-peak bestimmt werden.
Temperatur
Wenn die Temperatur zu niedrig ist, ist Aufwärmen erforderlich. Kranke Nerven zeigen keinen linearen Zusammenhang zwischen NLG und Temperatur, weshalb Korrekturalgorithmen fehlerhaft sind. Wir bevorzugen Rotlichtlampen und/oder Gelkissen, die in der Mikrowelle erwärmt werden können, wegen der leichteren Handhabung gegenüber Wasserbädern. Es muss lange genug erwärmt werden, ca. 20 min, um einen Effekt in der Tiefe zu erreichen. Der Temperaturfühler darf nicht im Strahlfeld der Rotlichtlampe sein. Für die Diagnostik einer CIDP wird eine Temperatur von mind. 33 °C in der Handfläche und 30 °C am Außenknöchel gefordert ▶ [18].
Die neurophysiologische Diagnostik soll ergänzend zu Anamnese und klinischem Untersuchungsbefund folgende Fragen beantworten:
PNP bestätigen: Liegt überhaupt eine neurophysiologisch fassbare Polyneuropathie vor?