Spermidin - Jörg Conradi - E-Book

Spermidin E-Book

Jörg Conradi

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Beschreibung

Warum Spermidin der lang gesuchte Schlüssel für ein aktives und gesundes Leben bis ins hohe Alter ist.

Manchmal dauert es lange, bis potenzielle Heilmittel von der Medizin wahrgenommen werden und ihren Beitrag zur Gesundheit des Menschen leisten können. Das war schon beim Penicillin so, und Johanniskraut brauchte sogar mehrere Jahrhunderte, bis es von Omas Geheimtipp zum wissenschaftlich anerkannten Arzneimittel avancierte. Jetzt gibt es wieder einen Stoff, dem ein ähnliches Schicksal widerfährt - und es ist kein Zufall, dass er gerade zu Zeiten der Corona-Krise seinen Durchbruch findet. Denn der Stoff mit dem eigentümlichen Namen hat offenbar eine unvergleichliche Bedeutung für unseren Organismus.

Spermidin wirkt wie Heilfasten, nur ohne zu hungern.

So steht mittlerweile fest, dass er eine Schlüsselrolle in einem physiologischen Prozess spielt, den man als Selbstreinigungsprozess unserer Körperzellen bezeichnet: die Autophagie. Es handelt sich dabei um eine Art Recyclingsystem, das überflüssige oder beschädigte Bestandteile der Zelle abbaut und wiederverwertet. Durch diesen molekularen Aufräummechanismus bleiben die Zellen fit und gesund, man kann ihn am besten mit einem entgiftenden Heilfasten ohne Hungern vergleichen. Mit zunehmendem Alter gerät die Autophagie ins Stocken. Doch mit Spermidin kommt sie wieder ordentlich in Schwung.

Dieser Boosting-Effekt auf die Recycling-Prozesse in unseren Zellen hat eine enorme Wirkung auf unsere Gesundheit.

  • Unterstützt die Zellerneuerung und den Immunschutz
  • Sorgt für gesunde Knochen und beschwerdefreie Gelenke
  • Stärkt die Muskeln und verjüngt die Gefäße
  • Erleichtert die Gewichtskontrolle
  • Lässt ungesundes Bauchfett schmelzen
  • Stoppt Haarausfall und regt das Haarwachstum an
  • Aktiviert den Stoffwechsel und die Hirnleistung


Dr. Jörg Conradi zeigt eindrucksvoll, dass Spermidin über eine breite Palette von Anti-Aging- und Gesundheitseffekten verfügt. Es ist auch nicht schwer, den Pegel dieser Substanz in seinem Körper zu erhöhen. Zunächst einmal ist dies über die Ernährung möglich, da neben Weizenkeimen auch andere Lebensmittel erstaunliche Mengen an Spermidin enthalten können. Außerdem sind bestimmte Bakterien unserer Darmflora imstande, größere Mengen des Stoffes zu produzieren - man muss sie nur davon »überzeugen«. Und nicht zuletzt kann auch der Lebensstil dazu beitragen, den Level zu erhöhen. Bei Männern heißt das vor allem: viel Sex. Was ja nicht erstaunlich ist bei einem Stoff, der im Sperma entdeckt wurde. Und bei Frauen? Lassen Sie sich überraschen ...

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1. Auflage November 2021 2. Auflage Januar 2023

Copyright © 2021, 2023 bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Swantje Christow

Covergestaltung: Nicole Lechner Satz und Layout: Gabriele Karas, kh Grafik Design, Wien

ISBN E-Book 978-3-86445-863-7 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Vorwort

»Spermidin? Was ist das denn schon wieder?« Wenn man als Autor zum Thema »natürliche beziehungsweise komplementäre Heilverfahren« arbeitet, wird man immer wieder mit neuen Trends auf diesem Gebiet konfrontiert. In den 1980er-Jahren etwa boomte der Apfelessig, dann kamen Johanniskraut und der grüne Tee und etwas später sein südafrikanisches Pendant, der Rotbuschtee (auch Rooibostee genannt). Ayurveda, Osteopathie und Homöopathie können sich über eine beständig wachsende Anhängerschaft erfreuen, während die große Zeit von Kristall- und Urintherapie vorüber zu sein scheint. Unter den Vitaminen boomte vor 30 Jahren das Vitamin C, danach kamen Vitamin E und Betacarotin, und derzeit sind die Vitamine D3 und K2 im Trend. Letzteres gilt auch für MSM (Methylsulfonylmethan), H2O2 (Wasserstoffperoxid), CBD (Cannabidiol) und kolloidales Silber, und die Liste ließe sich noch weiter und immer weiterführen.

© Adobe Stock: hailey_copter

Bei jeder neu aufkommenden Therapie frage ich mich, was an ihr dran ist und ob sie halten kann, was ihre Vertreter von ihr behaupten. Als Orientierungshilfe zum Beantworten dieser Frage dienen Ärzte- und Patientenerfahrungen sowie die Geschichte eines Heilmittels beziehungsweise einer Heilmethode. So hat etwa die Phytotherapie eine sehr lange Tradition, und das gilt natürlich auch für uralte Heilslehren wie Ayurveda und die Traditionelle Chinesische Medizin, wobei die Letztgenannte weitaus mehr aus Heilpflanzenkunde besteht als aus der – hierzulande deutlich bekannteren – Akupunktur. Die Homöopathie hat eine vergleichsweise recht junge Geschichte, aber sie kann auf die mannigfaltigen Erfahrungen von profunden und couragierten Ärzten zurückgreifen, die teilweise sogar den Selbstversuch gewagt haben, die Wirkweise der einzelnen Substanzen zu ermitteln. Auch die diesbezüglichen Patientenerfahrungen sind in unüberschaubarer Fülle vorhanden. Vermutlich kennt jeder irgendjemanden, der schon mal positive Erfahrungen mit einem homöopathischen Mittel gemacht hat. Und wer hat nicht selbst schon mal einen Versuch mit Aconitum oder Ähnlichem unternommen, wenn die Erkältung in den Atemwegen hochkroch?

Als eine weitere Orientierungshilfe dient aber auch die wissenschaftliche Datenlage, womit wir bei einem recht heiklen Thema sind. Die Wissenschaften werden nämlich in ihrer Beweiskraft für die Wirksamkeit einer Heilmethode oder eines Heilmittels von den Anhängern der konventionellen Medizin gerne überschätzt. Wie fragil und vorübergehend, wie interessengeleitet und selektiv ihre Erkenntnisse sind, hat man bei der Corona-Pandemie wieder ein ums andere Mal erkennen müssen. So wurden etwa die Mund-Nasen-Masken zunächst als entbehrlich eingeschätzt, um später geradezu zum Königsweg in den Lockdowns zu werden. Der Impfstoff von AstraZeneca wurde zunächst nur für jüngere Menschen bis zum Alter von 60 Jahren empfohlen, um später für diese Altersgruppe vehement ausgeschlossen zu werden. Die wissenschaftliche Medizin ist nicht das Nonplusultra, wenn es um den Nachweis für die Wirksamkeit einer medizinischen Methode geht – dies wurde in den letzten Jahren deutlicher denn je. Daran ändern auch vollmundige Begriffe wie »randomisiert«, »kontrolliert« und »evidenzbasiert« nur wenig.

Nichtsdestoweniger sollte man die Aussagekraft wissenschaftlicher Studien auch nicht unterschätzen. Sie sind ein wichtiger Erkenntnisweg, sofern sie methodisch, akribisch und unabhängig durchgeführt werden. Egal, ob man ein Medikament an einer speziellen Zellkultur testet oder an Knock-out-Mäusen, bei denen man ein bestimmtes Gen ausgeschaltet hat. Egal, ob man epidemiologisch erfasst, ob Menschen, die ein bestimmtes Nahrungsmittel öfter oder seltener verzehren, älter oder jünger werden als der Bevölkerungsdurchschnitt eines Landes, oder sich ein Medikament in einer klinischen Untersuchung gegen ein wirkungsloses Placebo behaupten muss. All diese Arbeiten tragen dazu bei, dass sich die Hinweise für die Effektivität einer medizinischen Methode verdichten. Und das tun sie letzten Endes auch, wenn sie es nicht direkt verdichten, wenn sie also die ursprüngliche Wirkungshypothese nicht stützen können. Allein die Tatsache, dass zu etwas auf einem hohen Niveau geforscht wird, zeigt bereits, dass an dem jeweiligen Studienprojekt etwas dran ist. Denn sonst würde kein seriöser Wissenschaftler seine Zeit darauf verschwenden.

© Adobe Stock: H_Ko

Fakten, Fakten – und trotzdem spannend wie ein Roman

Was bedeutet das alles nun im Hinblick auf Spermidin? Als ich vor einigen Jahren erstmalig auf diese Substanz aufmerksam wurde, war ich zunächst skeptisch, denn eine lange medizinische Tradition gibt es dafür nicht. Die Entdeckung von Spermidin geht zwar zurück auf das 17. Jahrhundert und den legendären Mikroskopiker Antoni van Leeuwenhoek, doch der Fundort der Substanz – das menschliche Sperma – schien nicht dazu geschaffen, ihr eine Perspektive in der Medizin zu prophezeien. Ja, sie war offenbar wichtig für die männliche Fruchtbarkeit. Und ja, man fand sie in den 1920er-Jahren auch in anderen Körperflüssigkeiten. Aber sollte von einem Stoff, der durch seinen Namen »Spermidin« auf ewig mit seinem ersten Fundort verbunden ist, tatsächlich irgendetwas ausgehen, das mit Muskel- und Haarwachstum, mit dem Schutz von Blutgefäßen, Knochen und Hirnzellen und nicht zuletzt mit Langlebigkeit zu tun hat? Wenn ich ehrlich bin, erschien mir das seinerzeit schwer vorstellbar. Ich dachte mir: »Ist wahrscheinlich wieder eine dieser angeblichen Panazeen (Wunder- oder Allheilmittel), die sich bei näherem Hinsehen als hanebüchene Mogelpackung herausstellen.« So kann man sich täuschen.

Schon ein erster Blick in die medizinischen Datenbanken förderte über 13000 Studien zutage. Davon wurden rund siebzig in Form klinischer Arbeiten am Menschen vollzogen. Ein weiterer Blick offenbarte, dass man die Studien überall in der Welt durchgeführt hatte, so etwa in Japan und China, Israel und Russland, in Europa sowie in den USA. Diese globale Verteilung ist nicht unwesentlich für die Qualität des wissenschaftlichen Arbeitens. Ist es nämlich der Fall, dass zu einem Heilmittel oder einer Heilmethode nur in einem Land oder sogar nur in ein oder zwei Universitäten geforscht wird, dann verweist das auf eine besondere Interessenlage der Studienautoren, die nicht gerade für die Unabhängigkeit und Überprüfbarkeit des wissenschaftlichen Arbeitens steht.

Nicht zu vergessen schließlich die Zeitschriften, in denen die Studien publiziert wurden. Da sind auch renommierte Zeitschriften wie Nature, PLOS ONE, The Lancet und das British Medical Journal zu finden. Kurzum: Als Autor, der nicht nur über Komplementärmedizin schreibt, sondern es auch gerne hat, wenn wissenschaftliche Daten dazu vorliegen, gab es in puncto Spermidin für mich nichts auszusetzen. Im Gegenteil. Der Verlag und ich haben bei diesem Buch großen Wert auf die Quellenhinweise und die zur Verfügung stehende Literatur gelegt. Dem Leser ergibt sich dadurch die Möglichkeit, sein Wissen hinsichtlich Spermidin in Eigenregie zu vertiefen.

Womit wir bei einem weiteren Punkt sind, der das Buch und sein Thema auszeichnet: die Story. Sie sorgt dafür, dass der Leser nicht nur informiert, sondern auch in den Bann gezogen wird: fesselnd, spannend und voller überraschender Wendungen. Der entscheidende physiologische Prozess hinter Spermidin ist nämlich die Autophagie. Hierbei handelt es sich um einen Selbstreinigungsprozess der Zelle, mit angeschlossenem Recycling. Wenn es etwas gibt, das physiologisch dem Begriff der Entschlackung nahekommt, dann ist es genau dieser Prozess. Autophagie heißt: Die Zelle sorgt für einen internen Kehraus, bevor sie dazu gezwungen wird, sich als Ganzes zu verabschieden. Nach dem Muster: Bevor ich mich selbst umbringe, beseitige ich alles in mir, was mir schaden und mich töten könnte. Es handelt sich dabei um einen genialen Prozess der Selbstverjüngung, der durch Fasten und Nahrungsentzug ausgelöst werden kann – und durch Spermidin, welches die Zelle glauben lässt, dass der Körper gerade fastet und zu wenig zu essen bekommt.

Wir haben es also mit einer Selbstverjüngung zu tun, die durch eine Substanz angestoßen wird, die so tut, als würden wir hungern. In dieser Story steckt etwas Magisches und irgendwie auch etwas betrügerisch Kriminelles. Nur dass es eben keine Fiktion ist, sondern auf wissenschaftlichen Fakten basiert. Und zudem unserer Gesundheit sowie der Verlängerung des Lebens dient.

Ich wünsche allen Lesern, dass sie nach der Lektüre dieses Buches die gleiche Begeisterung für Spermidin empfinden, die es bei mir geweckt hat.

Dr. Jörg Conradi

Vom Kristall zum Heilmittel: Die Geschichte von Spermidin

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»Menschenlarven« unter dem Mikroskop

Als Antoni van Leeuwenhoek am 24. Oktober 1632 im südholländischen Delft geboren wurde, war dies in einer Epoche, die Historiker heute als das Goldene Zeitalter der Niederlande bezeichnen. Oder anders gesagt: Dem Land der Tulpen ging es so gut wie nie zuvor in der Geschichte. Und so wuchs auch der kleine Antoni im Wohlstand auf. Allerdings starb sein Vater 5 Jahre nach seiner Geburt, sodass sich seine Mutter gezwungen sah, ihren Sohn zu einem Onkel zu geben. Dort erlernte der Junge die Grundlagen der Mathematik und Physik, was sich ihm später in seiner wissenschaftlichen Laufbahn noch als sehr nützlich erweisen sollte. Bevor diese jedoch begann, kam Antoni 1648 erst einmal zu einem Tuchhändler in die Lehre, bei dem er zum Kaufmann ausgebildet wurde. Er erwies sich dabei als durchaus talentiert, weswegen man ihn dort nur zu gerne übernahm, damit er sich um die Buchhaltung des florierenden Geschäftes kümmerte. Dass er auch das zur allseitigen Zufriedenheit bewerkstelligte, versteht sich von selbst. Doch dann geschah etwas, das dem Leben des jungen Mannes eine neue Wendung geben sollte. Er traf nämlich den Amsterdamer Biologen Jan Swammerdam – und fortan war Antoni mit dem hartnäckigen Virus der Forscherleidenschaft infiziert.

© Adobe Stock: amazing studio

1654 kehrte er zurück nach Delft, und er sollte die beschauliche Kleinstadt zwischen Den Haag und Rotterdam nie wieder verlassen. Wozu auch? Antoni van Leeuwenhoek brauchte die große und weite Welt nicht mehr, weil er sein Leben mehr und mehr dem Allerkleinsten widmete. Er wurde zum größten und eigentlich einzigen ernsthaften Mikroskopiker seiner Zeit.

Leeuwenhoek entwickelte und baute Mikroskope mit einer Vergrößerungsleistung, die weit über das 200-Fache hinausging.1 Für damalige Zeiten war das absolut revolutionär, und Fachleute rätseln noch heute, wie ihm diese Erfindungen im Rahmen der damaligen technischen Möglichkeiten überhaupt gelingen konnten. Nicht weniger spektakulär waren aber auch die Entdeckungen, die ihm seine Geräte ermöglichten. So entdeckte Leeuwenhoek rund 200 Protozoen, Bakterien, Algen und andere Mitglieder des lebendigen Mikrokosmos. Er beschrieb die »dünnen, kleinen Füße oder Beine« oder auch »kleinen Pfoten« der Pantoffeltierchen und das eigentümliche »Zusammenziehen und Strecken« der Glockentierchen. Als er mit einer Pinzette ein Essigälchen zum Platzen brachte, stellte er zu seiner Verzückung fest, dass lauter neue, winzige Älchen daraus hervorschlüpften. Tatsächlich legen diese zu den Würmern gehörenden Tiere, wie man heute weiß, keine Eier, sondern bringen ihren Nachwuchs lebend, sozusagen als Miniwürmer zur Welt.

Leeuwenhoek legte aber auch Säfte und Körperteile des Menschen unter seine Vergrößerungslinsen. Dabei entdeckte er die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) unseres Blutes, die Bakterien in unserem Zahnbelag und Schuppen auf unserer Haut, die er für eine verkümmerte Version der Fischschuppen hielt. 1677 brachte ihm ein Medizinstudent den Harnröhrenausfluss eines an Gonorrhö Erkrankten. Mit dem Hinweis, dass man darin unter dem Mikroskop »lebende Tierchen« gesehen hätte, die vermutlich durch Fäulnis der Samenflüssigkeit entstanden seien. Doch Leeuwenhoek legte auch sein eigenes Sperma unters Mikroskop – und dabei entdeckte er genau die gleichen »lebenden Tierchen«. Und im Sperma von Hasen, Ratten, Hunden, Fischen, Muscheln, Vögeln und Insekten fand er sie ebenfalls. Also zog er den richtigen Schluss, dass diese Zellen – sie wurden erst 1826 als Spermatozoen bezeichnet – nicht etwa durch einen krankheitsbedingten Verfall der Samenflüssigkeit entstehen, sondern deren normaler Bestandteil sind. Allerdings zog der holländische Mikroskopiker auch einen falschen Schluss, und zwar, dass es sich bei den Zellen um Menschenlarven handeln müsse, in denen der Nachwuchs bereits vorgebildet sei und nur noch heranwachsen müsse. Die Mutter spielte also in seinem Modell der Kindesentstehung lediglich die Rolle derjenigen, die den Miniaturmenschen austragen darf. Für diese verwegene These wurde Leeuwenhoek zum Teil – auch von seinem ursprünglichen Inspirator Jan Swammerdam – heftig kritisiert. Allerdings muss man ihm zugestehen, dass die mütterliche Eizelle damals noch nicht entdeckt war (das geschah erst 150 Jahre später). Um die Spermien zu finden, hatte sich Leeuwenhoek – beispielsweise nach dem ehelichen Beischlaf – bloß an seinem eigenen primären Geschlechtsorgan bedienen müssen, was ihm schon peinlich genug war. An die Eizelle einer Frau hingegen kommt man ja nicht so leicht. Der Vorgang der Befruchtung, also das Eindringen der Spermazelle ins mütterliche Ei, wurde mikroskopisch erstmals im Jahre 1843 beobachtet.2 Wohlgemerkt an Kaninchen und nicht am Menschen.

© Adobe Stock: blackboard

Doch auch wenn Leeuwenhoek die Rolle der Frau bei der Kindesentstehung geflissentlich ignorierte, so untersuchte er das Sperma des Mannes beziehungsweise sein eigenes Sperma dafür umso ausgiebiger. Dabei machte er 1678 die Entdeckung, dass sich nämlich in der Flüssigkeit, sofern man sie eine Zeit lang stehen lässt, eigentümliche Kristalle ausbilden. Doch der Forscher verlor schon bald das Interesse an ihnen, denn Kristalle sehen zwar ganz nett unter dem Mikroskop aus, aber sie bewegen sich nicht. Da waren die Spermatozoen mit ihrem unermüdlichen Bewegungsdrang schon erheblich attraktiver für jemanden, dem es bereits die beharrlich paddelnden Pantoffeltierchen angetan hatten.

Also begnügte sich Leeuwenhoek damit, seine Spermakristalle in einem Brief an die Royal Society3 zu erwähnen, doch ansonsten kümmerte er sich nicht mehr darum. Und das sollte so bleiben, bis zu seinem Tode im August 1723. Wobei sein Sterbedatum auch schon wieder als ein Wink mit dem Zaunpfahl gesehen werden kann. Leeuwenhoek wurde bei bester Gesundheit fast 91 Jahre alt, was für damalige Verhältnisse kaum weniger spektakulär war als seine mikroskopischen Entdeckungen. Vielleicht lag es ja daran, dass in seinem Körper besonders große Mengen jener Substanz kursierten, deren Kristalle er in seinem Sperma gesehen hatte.

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Urmotor des Lebens

Es sollte mehr als 100 Jahre dauern, bis sich mit Louis-Nicolas Vauquelin ein weiterer Forscher den Kristallen widmete.4 Der französische Chemiker hielt sie für Phosphatsalze, die sich aus einer bisher unbekannten Substanz herausgebildet hätten. 1878, also noch einmal viele Jahre später, identifizierte der deutsche Agrarchemiker Philipp Schreiner diese Substanz als ausgesprochen basisch (Lauge).5 Was ja auch vor dem Hintergrund der Fortpflanzung durchaus Sinn macht, da männliche Samenzellen im sauren Milieu der weiblichen Scheide nur überleben können, wenn sie basisch gepuffert werden. Mit anderen Worten: Ohne die betreffende Substanz würden die Spermien einfach weggeätzt werden, und wir wären zum Aussterben verdammt. Es war daher nur konsequent, sie auf den Namen »Spermin« zu taufen.

Vielsagende Zusatznamen

In der organischen Chemie ist es üblich, wichtige Substanzen nicht nur bei ihrem Hauptnamen zu nennen. Oft werden sie auch mit Zweit-, Dritt- oder sogar Viertnamen ausgestattet – und diese geben nicht selten schon wichtige Hinweise darauf, welche Rolle die betreffenden Substanzen in unserem Körper spielen.

So fallen im Zusammenhang von Spermin und Spermidin auch die Namen Gerontin, Musculamin und Neuridin. Man kann sie als Eselsbrücken nutzen, um sich die Wirkung der beiden Substanzen zu merken. Denn sie beeinflussen tatsächlich das Altern unserer Zellen, die Reparaturen in unserer Muskulatur sowie die Erregbarkeit der Neuronen und Gliazellen in unserem Gehirn.

Es sollte aber wiederum relativ lange dauern, nämlich bis zu den 1920er-Jahren, als ein Forscherteam um den englischen Biochemiker Otto Rosenheim die exakte Formel für diese Substanz herausfand: C10H26N4. Und weil man so schön im Forschungsflow war, wurde gleich noch eine Base entschlüsselt, aus der die Spermakristalle bestehen: C7H19N3. Als Namen dafür wählte man: Spermidin. Dabei war das Interessante an dieser Substanz, dass man sie eben nicht nur in der männlichen Samenflüssigkeit nachweisen konnte. Man fand sie auch in anderen Körperflüssigkeiten und in allen möglichen tierischen und menschlichen Organen, von der Leber bis zum Hirn. Selbst in Pflanzen und Bakterien wurde man fündig. Spermidin musste also weit mehr sein als bloß eine Schutzbase für Spermazellen. Es musste etwas sein, auf das jedes Lebewesen angewiesen ist, unabhängig davon, ob es über Sperma verfügt oder nicht. Quasi ein Urbestandteil allen Lebens, das auf dieser Welt existiert.

Nachdem nun die chemischen Strukturen von Spermin und Spermidin bekannt waren, ging man in den 1950er-Jahren dazu über, ihre Funktionen zu klären. Als Erstes wurden Untersuchungen zu Bakterien durchgeführt, wobei sich zeigte, dass Spermin das Wachstum einiger Bakterien anregt. Spermidin hingegen hemmt das Wachstum von grampositiven Bakterien wie etwa den berüchtigten Streptokokken, Staphylokokken und Listerien.

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Im Jahre 1970 veranstaltete die New York Academy of Sciences einen wissenschaftlichen Kongress zu den Polyaminen, also jener übergeordneten Stoffgruppe, zu der Spermin und Spermidin gehören. Im Mittelpunkt standen nun nicht mehr die Wirkungen auf Bakterien, sondern auf mehrzellige Lebewesen und Organe. Eine bleibende Erkenntnis aus dem Kongress war: Wenn es bei Lebewesen irgendwo um Wachstum geht, findet man auch größere Mengen an Spermidin. Also beispielsweise bei der Wundheilung oder im Anschluss an einen Organschaden, während der Schwangerschaft sowie beim Heranwachsen vom jungen zum erwachsenen Tier. Besonders beeindruckt zeigten sich die Forscher von den Spermidinwerten in heranwachsenden Hühnerküken.6 Sollte dieses Polyamin also eine Art Motor allen Lebens sein?

Vom Zerfall zum blühenden Leben

Spermidin gehört chemisch zur Substanzgruppe der Polyamine. Darunter versteht man in der Chemie organische Verbindungen mit endständigen Aminogruppen, die in den Organismen sehr unterschiedliche Funktionen übernehmen können. Spermidin hat drei solcher Gruppen, Spermin vier. Aber die Aminogruppen können auch von einem Polyamin zum anderen wandern, was dann natürlich Auswirkungen auf den Organismus hat.

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So ist der Ursprungsstoff von Spermidin ein Polyamin mit zwei Aminogruppen, mit Namen Putrescin. Bei diesem ist man eigentlich ganz froh, wenn es nicht zu viel davon gibt, weil es beim Verwesen von Fleisch durch die Zersetzung von Aminosäuren entsteht und einen süßlich-ätzenden Fäulnisgeruch verbreitet. Pflanzt man ihm jedoch eine zusätzliche Aminogruppe auf den Buckel, verliert es seinen Stinkcharakter und wird zu Spermidin. Wenn man diesem auch noch eine Aminogruppe aufsattelt, dann entsteht Spermin. Diese beiden sind das krasse Gegenteil von Putrescin, da sie unser Erbgut schützen und insbesondere Spermidin auch noch eine Schlüsselrolle im Wachstum und der Abfallentsorgung der Zellen spielt. Man kann also durchaus sagen, dass der Umbauprozess von Putrescin zu Spermidin und Spermin zuverlässig anzeigt, wie lebendig wir sind.

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Unter Verdacht!

Einen Dämpfer erhielt diese positive These in den 1960er-Jahren, als Spermidin im Zusammenhang mit der Entstehung von Krebserkrankungen diskutiert wurde. Wobei man schon sagen muss, dass dieser Verdacht nahelag. Denn wenn eine Substanz immer dann in großen Mengen auftaucht, wenn es um ein zügiges Wachstum geht, muss man sie auch beim Krebs erwarten. »Tumorzellen wachsen besonders schnell«, erklärt Molekularbiologe Professor Uriel Bachrach von der Hadassah Medical School in Jerusalem. »Es ist daher nicht verwunderlich, dass man in ihnen besonders viele Polyamine gefunden hat.«

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Anfang der 1970er-Jahre entdeckten US-Forscher, dass Krebsgeschwüre große Mengen an Spermidin und anderen Polyaminen ausschütten, die man auch im Blut und im Urin nachweisen kann.7 »Also begann man natürlich daran zu forschen, ob man den Polyaminwert in Urin und Blut beispielsweise dazu einsetzen kann, um herauszufinden, ob eine Krebstherapie anschlägt oder nicht«, so Bachrach. Zudem wurde ein Wirkstoff namens Eflornithin entwickelt, um die Polyamine auszuschalten, mit der Hoffnung, dadurch das Wachstum von Tumoren verlangsamen zu können. Dies war allerdings nicht der Fall. Heute wird Eflornithin nicht etwa als Krebstherapeutikum eingesetzt, sondern bloß noch zur Therapie der afrikanischen Schlafkrankheit sowie zur Behandlung von extrem starkem Haarwuchs. Denn bei den extrem schnell wachsenden Erregern der Schlafkrankheit und den gleichfalls sehr rasch wachsenden Haarfollikelzellen mag es sinnvoll sein, ihnen den Polyaminhahn zuzudrehen. Doch beim Krebs gilt das allenfalls für Polyamine wie Putrescin und das gleichsam bei Fäulnisprozessen auftretende Cadaverin, dessen Name bereits Schlimmes beziehungsweise wenig Vitalisierendes erahnen lässt. Aber Spermin und vor allem Spermidin sollte man partout nicht als Tumorbooster einschätzen. Sie sind das genaue Gegenteil davon.

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