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Beschreibung

Koscher in den Bergen Der Semmering – beliebte Sommer frischeregion seit dem 19. Jahrhundert. Mit jüdischen Gästen verbindet ihn eine lange Geschichte, die vom Mittelalter, als Handelswege jüdischer Kaufleute durch das Gebiet führten, bis heute reicht. Nach dem Ausbau der Eisenbahn gibt es bald koschere Hotels, jüdische Mediziner:innen sowie eine eigene Sport- und Freizeitkultur am Semmering, der so zu einem Ziel des Gesundheitstourismus und zum Mittelpunkt des Gesellschaftslebens wird: Prominente wie Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Berta Zuckerkandl u. a. kommen zur Sommer frische, bewohnen Villen und kleiden sich in örtliche Trachten als Zeichen ihrer Zugehörigkeit. Doch unbeschwerte Ferientage werden immer mehr durch Antisemitismus getrübt, der schließlich in die Vertreibung und Enteignung durch die Nationalsozialisten mündet. Ein unverzichtbares Werk, das erstmals das jüdische Leben am Semmering beleuchtet. / Kulturregion Semmering aus einem besonderen Blickwinkel / Mit Beiträgen renommierter Autor:innen: Danielle Spera, Martha Keil, Georg Markus, Oliver Rathkolb, Agnes Meisinger, Christian Maryška, Herwig Czech, Georg Gaugusch, Richard Weihs u. v. a. / Deutsche und englische Ausgabe erhältlich

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Stammgäste

JÜDINNEN UND JUDEN AM SEMMERING

Herausgegeben von Danielle Spera

Inhalt

Vorwort

Johanna Mikl-Leitner

Ein schöner Moment

Danielle Spera

«Das ist kein Ort und kein Kurort, sondern es ist eben der Semmering.»

Danielle Spera

«Der Sömmering ist kein Maulwurfshügel»

Reiseweg und Handelsstraße vom Mittelalter bis zum Eisenbahnbau

Martha Keil

«Die Lokomotive schrie heiser auf: Der Semmering war erreicht.»

Günter Dinhobl

«… dass der Traum wirklich einen Sinn hat»

Freud, Schnitzler, Altenberg, Farkas, Zuckerkandl, Herzl u. v. a. zwischen Rax und Semmering

Georg Markus

Dort spüre ich die Nähe meiner Mutter

Michael Hacker im Gespräch mit Danielle Spera

Emanzipation 1000 Meter über dem Meeresspiegel

Handlungsräume jüdischer Frauen am Semmering

Elisa Heinrich

Ein Glück, eine Jüdin zu sein

Hanni Haber im Gespräch mit Danielle Spera

(Ver-)Kleidung für die Sommerfrische

Trachtenmode und ihre jüdischen Trägerinnen und Träger rund um den Semmering

Merle Bieber

Eine jüdische Aufstiegsgeschichte

Anita Pollak im Gespräch mit Danielle Spera

«Ich fahre eben auf den Semmering … Komm mit!»

Beliebte Hotels und Pensionen des jüdischen Publikums

Theresa Absolon

Wir waren eine große Familie

Martin Engelberg im Gespräch mit Danielle Spera

«Onkel aus Amerika» oder «lettischer Jude»?

Die vielen Mythen über William D. Zimdin

Oliver Rathkolb

Es war eine Weltreise

Michael Horowitz im Gespräch mit Danielle Spera

Wiens umkämpfter Kurort

Medizin und Gesundheitstourismus am Semmering

Josef Hlade, Herwig Czech

Jeder war gleich

Peter Teichner im Gespräch mit Danielle Spera

Jüdische Sport- und Bewegungskulturen am Semmering

Matthias Marschik

Der Eindruck der großen Welt

Edek Bartz im Gespräch mit Danielle Spera

«Erstklassig und streng rituell geführt»

Die Bewerbung des Semmerings in der jüdischen Presselandschaft von 1900 bis 1938

Agnes Meisinger

Wien wurde auf den Semmering verlegt

Marika Lichter im Gespräch mit Danielle Spera

Die Semmering-Plakate von Hermann Kosel

Christian Maryška

Melancholie in der Luft

Robert Liska im Gespräch mit Danielle Spera

Nationalsozialistischer Terror und die «Arisierung» des Semmerings

Richard Weihs, Julia Windegger

Hunger auf das Leben

Victor Wagner im Gespräch mit Danielle Spera

Zeuginnen der Geschichte

Enteignete jüdische Villen im Semmeringgebiet – eine Auswahl

Richard Weihs, Julia Windegger

Eine heimische Atmosphäre

Viktor «Wolvi» Klein im Gespräch mit Danielle Spera

Koscher in den Bergen

Mein jüdischer Semmering

Fritz Rubin-Bittmann

Sich ein bisschen Freude gönnen

Irma Neufeld im Gespräch mit Danielle Spera

Die Gäste – ein biografisches Glossar

Georg Gaugusch

Anhang

Autorinnen und Autoren

Literatur über den Semmering

Endnoten

Personenregister

Bildnachweis

Impressum

Der Semmering gehört zu den kulturhistorisch interessantesten Landschaften Niederösterreichs. Der Bau der Semmeringbahn Mitte des vorletzten Jahrhunderts führte dazu, dass sich diese Region von einzigartiger Naturschönheit rasch zu einem bedeutenden touristischen Ziel für Bourgeoisie und Adel aus der gesamten Habsburgermonarchie entwickelte. Entlang der neuen Bahnstrecke wurde der Semmering erschlossen, Grand Hotels wurden ebenso im charakteristischen «Semmeringstil» errichtet wie private Landhäuser und Villen. Dort logierte die intellektuelle Elite des Fin de Siècle und begründete seine besondere Bedeutung, für deren Entwicklung in der Region die jüdische Bevölkerung eine Hauptverantwortung trug. Durch den Zweiten Weltkrieg verlor der Semmering jedoch an Bedeutung. Das Land Niederösterreich hat sich zum Ziel gesetzt, durch konkrete kulturtouristische Schwerpunktsetzungen die Region Semmering wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.

Jeder Neubeginn erfordert aber auch einen analytischen Blick in die Vergangenheit. Das beabsichtigt diese wichtige Publikation, in der die vielfältigen Facetten jüdischer Geschichte am Semmering aufgearbeitet werden – für ihre Herausgabe gibt es keine bessere Wahl als Dr. Danielle Spera. Die Publikation ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Dokumentation der Kulturgeschichte Niederösterreichs und auch der Geschichte der jüdischen Bevölkerung.

Johanna Mikl-LeitnerLandeshauptfrau von Niederösterreich

Danielle Spera

EIN SCHÖNER MOMENT

Anfang 2022 wurde ich zu einem Termin bei der niederösterreichischen Landeshauptfrau gebeten. Dabei erhielt ich Einblicke in die Pläne von Johanna Mikl-Leitner für die Semmeringregion – eine Region, die schon lange im Zentrum meiner Aufmerksamkeit stand, da ich es seit Jahrzehnten bedauert hatte, wie tief das Gebiet, das früher als der Urlaubsort für die österreichisch-jüdische Kultur- und Wissenschaftsprominenz galt, in den Tiefschlaf verfallen war. Die engagierten Pläne zur Wiedererweckung des Semmerings begeisterten mich. Gleichzeitig wartete Landeshauptfrau Mikl-Leitner mit einem Angebot auf: Sie bat mich, ein Forschungsprojekt über den jüdischen Blickwinkel auf den Semmering zu initiieren, das in der Folge in die Herausgabe eines Buches münden sollte. Zunächst dachte ich, dass es ohnehin schon ausreichend Literatur über den Semmering gebe. Tatsächlich findet zwar das Faktum, wie sehr Jüdinnen und Juden den Semmering und seine Umgebung geprägt haben, immer wieder Erwähnung, doch stand es nie selbst im Mittelpunkt einer Publikation. So sagte ich mit großer Leidenschaft zu, dieses Forschungsvorhaben zu übernehmen. Ich bin Landeshauptfrau Mikl-Leitner sehr dankbar, dass sie dieses enorme Vertrauen in mich gesetzt hat. Umgehend begannen die Gespräche mit der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich, mit Hermann Dikowitsch und Gabriele Ecker, mit denen mich nun bereits eine fruchtbare Zusammenarbeit verbindet. Hier darf ich mich ebenso bedanken, wie auch beim Büro der Landeshauptfrau, bei Andrea Schwarzbauer und bei Max Wolf.

Mein erster Weg führte jedenfalls zu meinem langjährigen ORF-Kollegen und früheren Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, der durch seine intensive Forschung und seine zahlreichen Publikationen zu Recht als Experte und ausgewiesener Kenner des Semmerings gilt. Er stand mir zwar mit seiner Expertise zur Seite, schlug aber bedauerlicherweise meine Bitte nach einem Textbeitrag als Einführung in das Thema aus – mit den Worten: «Ich brauche jetzt einmal eine Semmering-Pause.» Wolfang Kos hat jedenfalls durch seine langjährige Beschäftigung mit der «exzentrischen Landschaft»1 Meilensteine gelegt.

Es war wesentlich für dieses Projekt, einen weitreichenden Überblick über die Geschichte des Semmerings im Spiegel der jüdischen Gäste zu skizzieren und in der Detailplanung verschiedene Forscherinnen und Forscher bzw. Autorinnen und Autoren zur Mitarbeit einzuladen. An dieser Stelle bedanke ich mich für die Redaktion, das gesamte Publikationsmanagement und ihren Beitrag bei Agnes Meisinger, ohne deren akribischen Einsatz dieses Buch vermutlich nicht so rasch zustande gekommen wäre.

Es war eine große Freude, dass alle angefragten Autorinnen und Autoren spontan bereit waren, sich diesem Forschungsprojekt anzuschließen. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. So hat Martha Keil den Reiseweg und die Handelsstraße zum Semmering vom Mittelalter bis zum Eisenbahnbau beleuchtet; Günter Dinhobl beschäftigte sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Eisenbahnbau und der Entwicklung der Region. Georg Markus spürte der Kultur nach und berichtet über die Künstlerinnen und Künstler am Semmering, von Peter Altenberg bis Bertha Zuckerkandl. Theresa Absolon setzte sich mit den vom jüdischen Publikum beliebten Hotels und Pensionen auseinander und zeichnete zusätzlich für die aufwändige Arbeit im Backoffice verantwortlich. Oliver Rathkolb porträtiert William D. Zimdin und die vielen Mythen, die sich um den einstigen Besitzer des Hotel Panhans ranken. Mit den jüdischen Medizinern am Semmering beschäftigten sich Herwig Czech und Josef Hlade. Die jüdische Sport- und Bewegungskultur stand im Mittelpunkt des Beitrags von Matthias Marschik. Agnes Meisinger betrachtete die Bewerbung des Semmerings in der jüdischen Presselandschaft. Christian Maryška legte sein Augenmerk auf die Semmering-Plakate des bedeutenden österreichischen Grafikdesigners Hermann Kosel, die bis heute beeindrucken. Den Semmering als weiblichen Emanzipationsort erforschte Elisa Heinrich; Merle Bieber widmete sich der (Ver-)Kleidung für die Sommerfrische und sah sich die Trachtenmode für Jüdinnen und Juden am Semmering an.

Das touristische Leben am Semmering, das von den jüdischen Stammgästen geprägt war, fand 1938 ein jähes Ende und bedeutete für die ganze Region eine Zäsur. Daher bildet das Kapitel über antisemitische Agitation und nationalsozialistische Verfolgung den Kern dieses Buchs. Hier sind wir im Lauf der Recherchen durch Heidi Prüger, die sich mit aller Kraft für die Erinnerungskultur in Payerbach einsetzt, auf Richard Weihs gestoßen, der nicht nur das Schicksal seiner eigenen Familie akribisch erforscht, sondern sich schon über Jahrzehnte mit der Geschichte der jüdischen Familien in der Region befasst. Ihm bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, auch dafür, dass er sein Haus für mich geöffnet hat.

Zu Beginn der Arbeiten an diesem Projekt hat sich Michaela Vocelka mit der Geschichte der Villen am Semmering befasst, der ich für ihre Mitarbeit danken möchte. Diese Recherche hat dankenswerterweise Julia Windegger übernommen. In einem gemeinsamen Beitrag mit Richard Weihs stellt sie anhand einer exemplarischen Auswahl die Besitzerinnen und Besitzer von Villen in der Semmeringregion vor. Ihre Schicksale werden ebenso thematisiert wie die «Arisierung» der Häuser und die mühevollen Restitutionsverfahren. Julia Windegger danke ich auch für die Unterstützung bei der Literaturrecherche und Bildredaktion.

Damit, dass der Semmering nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die «neue» jüdische Gemeinde wieder zum Leben erweckt wurde, befasst sich Fritz Rubin-Bittmann. Einige andere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dieses Revivals der jüdischen Stammgäste nach 1945 durfte ich in Interviews zu ihren Erinnerungen an das Leben in der Sommer- und Winterfrische befragen. Zwölf damalige Stammgäste – Edek Bartz, Martin Engelberg, Hanni Haber, Michael Hacker, Michael Horowitz, Viktor Klein, Marika Lichter, Robert Liska, Irma Neufeld, Anita Pollak, Peter Teichner, Victor Wagner – stehen pars pro toto und zeichnen ein Stimmungsbild des Nachkriegsösterreich. Ihnen möchte ich dafür danken, dass sie ihre ganz privaten Erinnerungen mit den Leserinnen und Lesern teilen. Manuel Butschek danke ich für die Aufnahmen, Fabian Gaida für das Einspringen und die kontinuierliche Unterstützung. Georg Gaugusch hat es übernommen, ein Glossar zu den Gästen aus der Zeit der Hochblüte des Semmerings zusammenzustellen, wofür ich ihm herzlich dankbar bin. Sina Will danke ich für das Lektorat des Buchmanuskripts.

In zahlreichen Aufenthalten am Semmering wurde ich bei unserer Arbeit von Bürgermeister Hermann Doppelreiter, Vizebürgermeister Kurt Payr, Elfriede Mathois und Andrea Beran-Aichinger vom Gemeindeamt Semmering bzw. vom Tourismusbüro unterstützt, wofür ich mich herzlich bedanke. Roman Zehetmayer, Florian Fichtinger und Stefan Eminger vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und vom Landesarchiv haben uns mit unzähligen Akten versorgt, Eduard Aberham hat sein Wissen über das Hotel Panhans mit uns geteilt und Abbildungen zur Verfügung gestellt. Cathy Fiskus hat mir ihr Fotoarchiv zugänglich gemacht. Paulus Manker hat einige seiner Fotos mit mir geteilt. Stefan Fuhrer hat nicht nur die Grafik für dieses Buch wie immer so großartig gestaltet, sondern auch viel in der Region fotografiert. Yvonne Oswald möchte ich herzlich für ihre Fotos danken, Kerstin Ogris (SÜDBAHN Museum, Mürzzuschlag) sowie Hans Peter Wipplinger (Leopold Museum) für ihre Unterstützung. Friederike Grießler (Kunst-Kultur-Gemeindechronik, Marktgemeinde Reichenau an der Rax), Christoph Rella (Archiv der Gemeinde Payerbach), Li Gerhalter (Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien), Monika Pessler und Sarah Hönigschnabel (Sigmund Freud Museum), Elisabeth Foissner, Paul Laschitz und Eduard Völker haben uns mit historischem Bildmaterial geholfen. Wichtige Hinweise erhielten wir von Lisa Fischer, Jutta Fuchshuber und Barbara Sauer – vielen Dank dafür. Michael Hacker danke ich für die vielen guten Gespräche und das Interview, das ich mit ihm führen durfte, Sabine Maierhofer, die sich liebevoll der Hacker-Villa annimmt, für ihre Gastfreundschaft.

Last but not least danke ich Carola Lindenbauer dafür, dass ich immer wieder in ihrem Haus, der früheren Villa von Karl Farkas, zu Gast sein darf. Es ist ein außergewöhnliches Haus, in dem man der Aura der Semmeringer Stammgäste bis heute nachspüren kann. Meine Dankesworte möchte ich enden mit der Hoffnung, dass die Semmeringregion so bald wie möglich wieder den Stellenwert erhält, der ihr gebührt, und dass sie eine neue Blütezeit erlebt als Gesundheitsoase, Inspirationsraum und Sehnsuchtsort – wie Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler schrieb: «Es ist so ein schöner Moment in der Landschaft!»2

Die Villa von Anny (geb. Hán, 1896–1979) und Karl Farkas (1893–1971). Ein außergewöhnliches Haus, in dem man der Aura der Semmeringer Stammgäste dank der liebevollen Erhaltung durch Carola Lindenbauer bis heute nachspüren kann, 2023.

Danielle Spera

«DAS IST KEIN ORT UND KEIN KURORT, SONDERN ES IST EBEN DER SEMMERING.»

Der Wiener Feuilletonist und Kulturjournalist der Neuen Freien Presse, Ludwig Hirschfeld (1882–1942), hat als einer der pointiertesten Beobachter den Semmering und seine Stammgäste immer wieder trefflich analysiert, wie auch der Titel dieses Beitrags, der aus einem der beliebtesten Reiseführer der 1920er stammt, verdeutlicht.1 Was genau ist die Semmeringregion, wo definiert man ihre Grenzen, und was macht den Reiz dieses Gebietes aus? Das sogenannte Tor zu den Alpen, das durch den Bau der Semmeringbahn bequem von Wien aus erreichbar war und ist, geht weit über den auf etwa 1000 Meter hoch gelegenen Pass hinaus. Eine gleichermaßen anziehende wie dramatische Landschaft, die sich von Orten in Niederösterreich wie Payerbach, Reichenau, Edlach, Gloggnitz, Küb, den Ort Semmering selbst über Spital bis nach Mürzzuschlag erstreckt und zum Anziehungspunkt für die Wiener Gesellschaft in den verschiedenen Ausformungen und Zeitabschnitten wurde.

«Trotz seiner Entfernung und seiner tausend Meter ist er gleichsam eine Bergvorstadt Wiens, eine mit allem Komfort versehene alpine Einsamkeit, in die man sich im Sommer und namentlich im Winter begibt, wenn man es in der Stadt nicht mehr aushält, wenn man überarbeitet, nervös ist oder hustet. In all diesen Fällen macht man einen Sprung auf den Semmering.»2 Ludwig Hirschfeld bezeichnete den Semmering nicht nur als Bergvorstadt, sondern rühmte in verschiedenen seiner Feuilletons und Leitartikel dessen Vorzüge und hier immer wieder auch die «echte, unverfälschte Luft», wie er in seiner «Semmeringschwärmerei» schreibt.3

Hirschfeld steht pars pro toto für das Publikum der Semmeringregion, da sein Schicksal und das seiner Familie doch repräsentativ für viele jüdische Stammgäste des Semmerings ist. Seine Eltern Alexander und Henriette Hirschfeld waren Mitte des 19. Jahrhunderts von Ungarn in die Reichshaupt- und Residenzstadt zugewandert. Der Vater baute in Wien ein erfolgreiches Unternehmen für Rollgerste auf. Die Hirschfelds zählten bald zu den gut situierten bürgerlichen jüdischen Industriellenfamilien Wiens. Ludwig brach sein Studium der Chemie zugunsten einer künstlerisch-journalistischen Laufbahn ab und wurde zu einem wichtigen und angesehenen Chronisten des Alltagslebens seiner Zeit. Nach seiner Freilassung aus der Gestapo-Haft kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten flüchtete er 1938 gemeinsam mit seiner Familie nach Frankreich, wurde dort interniert und schließlich in Auschwitz ermordet.

Wolfgang Kos prägte für den Semmering den Begriff der «exzentrischen Landschaft». Südbahnhotel, 2022

Ludwig Hirschfeld, um 1921

Thalhof in Reichenau an der Rax, 2022

Die Stadt so oft wie möglich zu verlassen, das war für lange Zeit ein Vorrecht der Aristokratie. Mit dem Bau der Eisenbahn war die Voraussetzung geschaffen, dass sich auch weniger privilegierte Menschen einen Ausflug zum Durchatmen in die nun nicht mehr allzu ferne Landschaft gönnen konnten. War eine Fahrt zum Semmering vor dem Bau der Eisenbahn ein unerschwinglicher und schwer erreichbarer Luxus, so konnte man ab 1842 mit der Bahn von Wien nach Gloggnitz gelangen. 1854 wurde der Bau der ersten Hochgebirgseisenbahn der Welt finalisiert. Die Eröffnung der Bahnstation Payerbach mit eigenem Wartesalon für das Kaiserhaus machte auch den Ort Reichenau besser zugänglich. «Den Koffer packen für Reichenau, das Billett nehmen, aus der düsteren, angenehm kohleduftenden Halle hinausfahren, […] näher, näher, immer näher, die Luft immer frischer, gebirgiger, endlich Payerbach. Im Fiaker nach Reichenau, ‹Thalhof›», schreibt einer der Semmering-Stammgäste, Peter Altenberg.4

Der Bau der Semmeringbahn galt als eine technische Meisterleistung, ein einzigartiges Infrastrukturprojekt. Noch nie zuvor war eine Bergregion derart gut erschlossen worden. So wurde der Plan gefasst, den Ort Semmering zum Kur- und Ferienort auszubauen. Der damalige Generaldirektor der Südbahn, Friedrich Julius Schüler (1823–1894), setzte die Idee um, Hotels entlang der Eisenbahnstrecke zu bauen. Als Erstes wurde 1882 das Semmeringhotel errichtet. Von Eisenbahningenieuren geplant, war es äußerlich zwar nüchtern gestaltet, sollte aber den Gästen jeglichen Komfort bieten. Heute würde man es als All-Inklusive-Resort bezeichnen. Zusätzlich zu den 60 Zimmern gab es einen Spiel-, Rauch- und Damensalon, ein «Post- und Telegraphenbureau», einen großen Speisesaal und Wirtschaftsräumlichkeiten, einen Meierhof, Stallungen für die Pferde, Remisen für die Kutschen und die ersten Autos sowie eine Waschanstalt. Um die Jahrhundertwende wurde das Hotel als Palasthotel aus- und umgebaut und wurde so zum legendären Südbahnhotel mit mehr als 350 Zimmern. Die Sportanlagen des Südbahnhotels machten den Semmering zeitweise zum bedeutendsten Wintersportort Österreichs. In der Zwischenkriegszeit entwarf das Architektenteam Emil Hoppe und Otto Schönthal die Garage samt Werkstatt, Tankstelle und Chauffeurzimmern sowie das Hallenbad des Südbahnhotels.

Als erster Restaurantpächter wurde Vinzenz Panhans später mit seinem eigenen Hotel, dem 1888 errichteten Hotel Panhans, schärfster Konkurrent des Südbahnhotels. Nach mehreren Ausbauten, unter anderem durch die Architekten Helmer und Fellner, wurde das Panhans mit 400 Zimmern zu einem der größten Hotels in Europa.

Dort und in den neu errichteten Hotels und Kuranstalten fand eine neue vermögende Klientel die entsprechende Kulisse zur Selbstdarstellung. Was Rang und Namen hatte in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war dort, um zu sehen – vor allem aber, um gesehen zu werden. Die Gäste stammten aus den höchsten Kreisen der Wiener Gesellschaft, einschließlich Erzherzögen und Ministern; selbst das Kaiserpaar war zugegen. Später kamen die jüdischen Intellektuellen, Künstler, Schriftsteller, Philosophen, Mediziner und auch Sportler, die sich von der Region inspirieren ließen. Die glanzvollen Salons wurden zum Treffpunkt für Persönlichkeiten dieser Szene, von Peter Altenberg bis Berta Zuckerkandl.

Viele Autoren ließen sich von der einzigartigen Aura beflügeln und hinterließen literarische Zeugnisse. Der Nobelkurort des Wiener Fin de Siècle wurde von jüdischen Stammgästen geprägt. Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Gustav Mahler, Franz Werfel, Sigmund Freud, Ludwig Wittgenstein, Eugenie Schwarzwald und viele andere machten den Semmering zu einer angesagten Destination. Doch frequentierten sie nicht nur die Hotels und Kurhäuser, sondern ließen sich ab dem Zeitpunkt, als es Juden erlaubt war, Grundbesitz zu erwerben, von den besten Architekten der Zeit Landhäuser und Villen errichten. In Wien hatten sich viele von ihnen durch ihre Palais bereits in die Stadtgeschichte eingeschrieben – nun gab es diese Möglichkeit auch in der Sommerfrische. Und hier sollte möglichst auch alles so eingerichtet sein wie in Wien, verbrachte man doch im Sommer geraume Zeit hier, richtete sich aufwendig ein und umgab sich mit denselben Menschen wie in der Stadt. In den verschiedenen Zeitabschnitten seit der Entdeckung des Semmerings als Reisegebiet übersiedelte man im Sommer mit Koffern voller Garderobe, oft auch mit Personal. Während die weiblichen Familienmitglieder die ganze Zeit über in der Sommerfrische blieben, kamen die erwerbstätigen Herren der Familie am Wochenende, oft mit Koffern sauberer Wäsche. Sie beschleunigte den Transfer des Wiener Lebensstils in diverse Winkel der Monarchie.5

Terrasse des Hotel Panhans, 1920er-Jahre

Festsaal des Südbahnhotels, 2023

Schloss Rothschild in Hinterleiten, 2023

«Viele Schriftsteller, Verleger und Zeitungsleute kamen zum Arbeiten und Netzwerken. Die Wiener Kaffeehausgespräche, die Bridgerunden […] konnten hier nahtlos weitergehen», so Wolfgang Kos.6 Man blieb weitgehend unter sich und suchte keinen Kontakt zur ortsansässigen Bevölkerung, auch das hatte sich im Lauf der Jahrzehnte nicht verändert. Die romantische Beziehung von Arthur Schnitzler zur Wirtin des Thalhofs Olga Waissnix bildete eine Ausnahme (siehe den Beitrag von Georg Markus).

Das Fin de Siècle, die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, markierte für die gesamte Region eine Blütezeit. Jüdische Unternehmer, Künstlerinnen und Künstler ließen sich von prominenten Architekten Villen und Landhäuser errichten. Das jüdische Großbürgertum sorgte auch auf diesem Weg dafür, dass das Semmeringgebiet einen enormen Investitions- und Entwicklungsschub erlebte.

Der Bankier Nathaniel Rothschild etwa beauftragte auf seinem Besitz im Reichenauer Ortsteil Hinterleiten das französische Architekturbüro Bauqué mit der Errichtung eines schlossartigen Landsitzes. Die Ausstattung mit Gasbeleuchtung sollte dem modernsten Stand der Technik entsprechen. Doch 1889, noch bevor mit der Innenausstattung begonnen wurde, verlor Rothschild das Interesse an dem luxuriösen Bauwerk. Dieses thronte auf einer Anhöhe und überragte die Villa Wartholz von Erzherzog Carl Ludwig, was zur Verstimmung seitens der kaiserlichen Familie führte.7 Rothschild entschloss sich daraufhin, das Schloss als Erholungsheim für Lungenkranke zu widmen. Das wiederum rief innerhalb der Gemeinde Proteste hervor, da befürchtet wurde, die Anwesenheit von Tuberkulosekranken könne dem Ansehen des Ortes schaden. Infolgedessen änderte der Bankier die Begünstigten und stiftete das Schloss für verwundete und kriegsversehrte Offiziere jeder Konfession. Während des Zweiten Weltkriegs diente es als Reservelazarett und später als Kommandantur für die sowjetische Armee. Seit 1958 steht das Anwesen unter Verwaltung der Vereinigten Altösterreichischen Militärstiftungen, die es an das Bundesheer vermietet.8

Eintrag zur Eheschließung von Theodor Herzl und Julie Naschauer am 25. Juni 1889 Israelitische Kultusgemeinde Wien, Trauungsbuch Tempelgasse, Reihenzahl 643/1889

Für einige der Stammgäste wurde die Semmeringregion so bedeutsam, dass sie hier den Bund für ihr Leben eingingen. So heiratete der Journalist, Autor und Begründer des Zionismus Theodor Herzl seine Verlobte Julie Naschauer am 25. Juni 1889 in der Rudolfsvilla in Reichenau. Dem Vernehmen nach hatte Herzl seine spätere Ehefrau im Thalhof kennengelernt.9 Eingetragen wurde die Zeremonie im Trauungsbuch des Leopoldstädter Tempels.10 Herzl blieb häufiger Gast im Thalhof und verfasste hier einige seiner Schriften sowie Eintragungen in seine Tagebücher. Leidenschaftlich kämpfte Herzl für die Schaffung eines jüdischen Staates. Sein intensives Engagement, verbunden mit vielen Reisen, beeinträchtigten seinen ohnehin schlechten Gesundheitszustand zusätzlich. So blieb Herzls Schicksal eng mit Reichenau verwoben. Er verstarb am 3. Juli 1904 im Alter von 44 Jahren während eines Aufenthalts im Kurhaus Edlach an den Folgen seiner Herzschwäche. Das Kurhaus wurde später abgerissen, heute stehen an dieser Stelle Ferienhäuser. An Theodor Herzl erinnert ein Gedenkstein im Ort, der mehr einem Grabstein ähnelt. Seine Gebeine ruhen allerdings seit 1949 auf dem Herzlberg in Jerusalem. Sie wurden ein Jahr nach der Gründung des Staates Israel vom Döblinger Friedhof in Wien dorthin überführt, wie Herzl es sich gewünscht hatte.

Dass sich Paare in der Sommerfrische kennenlernten, dafür sorgten die Familien oft bereits im Vorfeld. Man beobachtete einander auch beim Spaziergang auf dem Hochweg, der heutigen Hochstraße. Diese Flaniermeile, von Ludwig Hirschfeld auch als «Ringstraße am Semmering» bezeichnet, stellte die Verbindung zwischen den beiden großen Hotels, dem Südbahnhotel und dem Panhans, dar. Wer mit wem unterwegs war, sorgte immer für Gesprächsstoff. Man traf sich auch bei diversen Anlässen – vom Silvesterdiner um die Jahrhundertwende bis zum legendären Fünf-Uhr-Tee in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren. Doch die Sommerfrische oder der Winteraufenthalt wurden nicht nur als jüdischer Heiratsmarkt genutzt; so mancher Gast suchte vielleicht auch nach Vergnügen und Eroberungen, wie Stefan Zweig in seiner Novelle Brennendes Geheimnis beschreibt: «Einer der Angekommenen, jung, durch gute Kleidung und eine natürliche Elastizität des Schrittes sympathisch auffallend, nahm den andern rasch voraus einen Fiaker zum Hotel. […] Im Hotel war der erste Weg des jungen Mannes zu der Liste der anwesenden Gäste, die er – bald enttäuscht – durchflog. ‹Wozu bin ich eigentlich hier›, begann es unruhig in ihm zu fragen. ‹Allein hier auf dem Berg zu sein, ohne Gesellschaft, ist ärger als das Bureau.›»11

Theodor Herzl, vor 1900

Über legitime oder illegitime Beziehungen wurde gern und nicht nur hinter vorgehaltener Hand getratscht. Berichte darüber finden sich nicht nur in den Tagebüchern oder Briefen der jeweiligen Protagonistinnen und Protagonisten, wie etwa die erwähnte Liebe Arthur Schnitzlers zu Olga Waissnix. Eine besondere Rolle spielte am Semmering Alma Mahler-Werfel, deren Haus zum Treffpunkt der Künstlerinnen und Künstler wurde. Gustav Mahler, der von seinen Wanderungen im Semmeringgebiet schwärmte, hatte das Grundstück mit seinem Schwiegervater Carl Moll ausgesucht. Alma Mahler, bereits mit ihrem zweiten Mann Walter Gropius verheiratet, wurde von ihrem Geliebten Franz Werfel schwanger. Eine Liebesnacht mit Werfel im Sommer 1918 in Breitenstein führte zur Frühgeburt eines Sohnes, der ein Jahr später starb. In der Breitensteiner Villa wurden die großen, meist jüdischen Schriftsteller zu Stammgästen: Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal, auch Karola und Ernst Bloch, Elias Canetti, Egon Friedell, Franz Theodor Csokor, Gerhart Hauptmann, Ödön von Horváth, Anton Kuh, Max Reinhardt, Felix Salten, Richard Strauss, Jakob Wassermann, Paul Zsolnay oder Carl Zuckmayer.

In Schnitzlers Tagebüchern finden sich zahlreiche Eintragungen über seine Eindrücke des Hauses und der Atmosphäre: «Wunderbares Haus, herrlich gelegen. […] Das Fresko über dem Kamin, von Kokoschka gemalt, Almas früherem Geliebten (nicht schön, zum Theil interessant, aber irgendwie bösartig). Alma spielt im gleichen Zimmer Stellen aus Lied von der Erde, Werfel (ihr jetziger Geliebter) versucht zu singen. Das Kind von Gropius (dem jetzigen Mann von Alma) hört zu. All dies wirkt eher elementar als meskin, durch Alma’s Erscheinung und Wesen.»12

Alma Mahler und Franz Werfel heirateten im Juli 1929 in Wien, man feierte anschließend in Breitenstein. Ihre Bedingung, dass Werfel aus der jüdischen Gemeinde austreten solle, erfüllte er, trat allerdings ohne Wissen seiner Frau wenig später wieder ein. Breitenstein bildete einen befruchtenden Kontrast zum Getriebe der Großstadt Wien, dem Werfel gern, wenn auch nicht unkritisch entkam, was er mit Arthur Schnitzler besprach: «Mit Werfel schöner Abendspaziergang zur Kreuzbergwarte. Erzähle von meinen Stücken […] Er von seinem Leben hier oben, insbesondre von der Einsamkeit im Winter, der fast unerträglichen Concentration, den Depressionen … Wunderbare Landschaft.»13

Das Ambiente der wunderbaren Landschaft zog weite Kreise. So kaufte der Waffenfabrikant Fritz Mandl (1900–1977) ein Jahr nach seiner Hochzeit mit der aufstrebenden Schauspielerin Hedwig Kiesler, später Hedy Lamarr (1914–2000), die 1933 durch die Nacktszenen im Film Ekstase Berühmtheit erlangt hatte, das Gut Fegenberg in Schwarzau im Gebirge. Die Jagdvilla hatte ursprünglich der Familie Hoyos gehört.14 Mandl, der zwar aus einer jüdischen Familie stammte, aber keine Berührungsängste mit dem faschistischen Führer Italiens, Benito Mussolini, oder dem Leiter der paramilitärischen Heimwehr Ernst Rüdiger von Starhemberg hatte, nutzte die Villa nicht nur als gesellschaftlichen Treffpunkt, sondern lud auch Politiker oder Geschäftspartner ein. «In jedem Fall lockte der Gastgeber die prominenten Gäste nicht nur mit seiner attraktiven Gemahlin, sondern durch die Schönheit der Landschaft und das animierende Angebot zur Jagd. Das Revier war weitläufig. Der Hausherr besaß eigene Pferde, um mit ihnen in die Wälder zu reiten und das Wild aufzuspüren.»15 1938 wurde das Gut Fegenberg enteignet und den Staatsforsten zugesprochen, um 1941 von der Reichforstverwaltung des Deutschen Reichs einverleibt zu werden. Im Ort Schwarzau und in Reichenau fanden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch brutale Verbrechen statt. Denunzianten aus den beiden Ortschaften verrieten angebliche Regimekritiker, Deserteure und Juden an die Nationalsozialisten, von denen sie öffentlich hingerichtet wurden. Das Gut Fegenberg wurde 1956 an Fritz Mandl zurückgestellt und blieb bis vor einigen Jahren im Besitz der Familie.

Die Schauspielerin Hedy Lamarr war auch eine begeisterte Skifahrerin, hier in Kitzbühel, 1928.

Die Ruhe und Abgeschiedenheit in Kombination mit der klimatisch günstigen Lage sorgten auch dafür, dass der Semmering zu einem beliebten Kurort wurde. Jüdische Mediziner praktizierten hier, im Kurhaus fanden sich viele jüdische Gäste zur Erholung ein. Alma Mahlers Tochter Anna lernte während ihrer Rekonvaleszenz ihren späteren Ehemann Paul Zsolnay näher kennen.

Auch nach dem Ersten Weltkrieg hielten die jüdischen Stammgäste dem Semmering die Treue. In der Zwischenkriegszeit erlebte der Sommer- und Wintertourismus in der Semmeringregion eine letzte Hochblüte. Einen wichtigen Anziehungspunkt stellte die 1935 errichtete Hakoah-Hütte auf der Passhöhe dar. Über die Einweihung berichtete die jüdische Zeitung Die Stimme:

«Staatsrat Dr. Desider Friedmann, der es sich trotz gesundheitlicher Indisposition nicht nehmen ließ, an der Feier persönlich teilzunehmen, beglückwünschte die Hakoah zu ihrer Schöpfung im Namen der Kultusgemeinde und gab seiner Genugtuung darüber Ausdruck, daß hier die erste alpine jüdische Schutzhütte eröffnet wurde. Wir alle, sagte Staatsrat Dr. Friedmann, sind Zeugen eines denkwürdigen Augenblicks. Die Eröffnung der Hakoah-Schutzhütte ist nicht allein für den jüdischen Sport, für die jüdische Touristik Österreichs, sondern für die jüdische Allgemeinheit von großer Bedeutung. Die Tausenden Menschen, die zu diesem Fest gekommen sind, haben damit nicht nur ihre Anhänglichkeit an die Hakoah zum Ausdruck, sondern auch ein Bekenntnis zur jüdischen Tatkraft und jüdischen Selbstarbeit gebracht. […] Kaum hatte Obmann Kohn [Hugo, Präsident der Ski- und Tourismussektion der Hakoah] seine Ansprache beendet, stimmte die Semmeringer Kapelle die ‹Tikwah› an. Während der Klänge der jüdischen Hymne wird die blau-weiße Fahne aufgezogen und im herbstlichen Sonnenglanz flatterte die zionistische Flagge vom First der Hakoah-Schutzhütte.»16 Doch die Hakoah-Sportlerinnen und -Sportler konnten ihr Refugium am Semmering nicht lange genießen. Nach mehreren Anschlägen auf die Hütte wurde sie 1938 von der Gestapo beschlagnahmt.

Eine der zahlreichen jüdischen Sportlerinnen, die im Semmeringgebiet den Grundstein einer herausragenden Karriere legten, war Paula Kann (1922–2001). Die in Wien geborene Jüdin lernte in Gloggnitz, wo ihre Eltern ein Haus besaßen, das Skifahren. Das spätere Hakoah-Mitglied gewann bereits in ihrer Kindheit mehrere Skirennen, ihr erstes absolvierte sie als Sechsjährige in Payerbach. Von einer Sprachreise nach England Anfang 1938 kehrte sie aufgrund der für Jüdinnen und Juden höchst gefährlichen Entwicklungen nicht mehr nach Österreich zurück und flüchtete mit ihrem Vater, dem Rechtsanwalt Leo Kann, 1940 in die USA. Nach einer Ausbildung zur Skilehrerin arbeitete Paula Kann (verh. Kann Valar) in einer Skischule in New Hampshire. Wenig später startete sie für das US-Skiteam, unter anderem bei den Olympischen Winterspielen in St. Moritz 1948. Als Leiterin einer Skischule sowie als Skipädagogin blieb sie dem Sport, den sie am Semmering erlernt hatte, für immer verbunden. 1970 wurde Paula Kann Valar in die U.S. National Ski Hall of Fame aufgenommen.17

Paula Kann am Mount Cranmore in der offiziellen Bekleidung des US-amerikanischen Olympiateams von 1948

Autogramm des berühmten Dirigenten Bruno Walter in der Chronik des Bahnhof Semmering vom 26. Dezember 1937

Schon früh zeigten sich in der vermeintlich idyllischen Bergregion um den Semmering die Schattenseiten. In Zeitungen und Zeitschriften wurde gegen die jüdischen Gäste und Einwohner gehetzt, immer öfter kam es zu Repressalien und Übergriffen. Der große Dirigent Bruno Walter ruhte sich nach seinen Gastspielen bei den Salzburger Festspielen stets ein paar Wochen am Ende des Sommers am Semmering aus.18 Walter war 1933 aus Deutschland nach Österreich emigriert und verbrachte kurz vor dem «Anschluss» offenbar auch noch Zeit am Semmering, wie die Chronik des Bahnhof Semmering beweist. Der Verfasser des Verzeichnisses war der damalige Semmeringer Fahrdienstleiter Heinrich Tschakert. Er muss ein wahrer Unterschriftenjäger gewesen sein. Nach 1938 wird aus dem Jahrbuch immer mehr eine Propagandaschrift und Kriegsverherrlichung.19

Ab den frühen 1930er-Jahren wurden Jüdinnen und Juden immer vehementer aus den Erholungsorten gedrängt, die Zäsur des Jahres 1938 setzte dieser Kultur ein Ende. Neben zahlreichen anderen ausgrenzenden Verordnungen, etwa dem Betretungsverbot von Parkanlagen oder Badeanstalten, führte die antisemitische Agitation gegen jüdische Sommerfrischler nach dem «Anschluss» – von Salzburg ausgehend – in vielen Gebieten auch zum Erlass eines «Trachtenverbots für Juden» durch die zuständigen Gemeindeverwaltungen.20 Die Region wurde rasch für «judenrein» erklärt, das Südbahnhotel wurde von der deutschen Wehrmacht als Lazarett genützt. Das Hotel Panhans ging in den Besitz der Gauwerke Niederdonau über, in der nationalsozialistischen Presse wurde das mit Jubel quittiert (siehe den Beitrag von Oliver Rathkolb).

Der «Anschluss» Österreichs an das Deutsche Reich, die Vertreibung und Ermordung der einstigen Gäste besiegelten den Niedergang der Region. Die jüdischen Häuser wurden beschlagnahmt, geplündert oder besetzt. Ein Drittel der Villen wurde «arisiert». Zum ersten Mal spielte es für die allermeisten Gäste des Semmerings eine Rolle, dass sie Jüdinnen und Juden waren. Die wenigsten waren religiös, viele getauft. Zwei Beispiele veranschaulichen das Schicksal der Villenbesitzer und ihrer Liegenschaften:

Der Kabarettist Karl Farkas hatte 1928 eine Villa in Edlach-Dörfl gekauft, die 1906 erbaut worden war. Er und seine Ehefrau Anny verbrachten jede freie Zeit dort – nicht nur den Sommer, sondern, soweit es möglich war, auch jedes Wochenende. Farkas schrieb dort viele seiner legendären Sketches. Unmittelbar nach dem «Anschluss» wurde die Villa «arisiert». Farkas flüchtete in die USA, musste seine Frau und seinen behinderten Sohn zurücklassen. Nach seiner Rückkehr kämpfte er um die Rückgabe seines Hauses in Dörfl, was ihm nach drei Jahren gelang (siehe den Beitrag von Georg Markus).

Antisemitische Karikatur zum «Trachtenverbot für Juden», Anzeige der SS-Zeitung Das Schwarze Corps. Völkischer Beobachter, 30.6.1938, 12

Einst Erholungsund Rückzugsort des berühmten Kabarettisten Karl Farkas und seiner Ehefrau Anny, 2022

Auch die Villa der Familie Hacker in Hinterleiten, in unmittelbarer Umgebung von Schloss Rothschild, wurde enteignet. Die Familie Hacker besaß eine angesehene kunstgewerbliche Silberwarenfabrik, die unter anderem das repräsentative Gebäude in der Wiener Operngasse 2 gegenüber der Staatsoper ihr Eigen nannte. Der Firmengründer Moritz Hacker starb 1932, seine Witwe und einer der Söhne wurden im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. Den Söhnen Cornel und Erwin gelang die Flucht. Cornel Hacker flüchtete mit seinen Söhnen Hans und Friedrich nach Kalifornien. Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpfte Hans Hacker jahrelang erfolglos um den Besitz in der Operngasse. Das Haus am Semmering bekam die Familie nach langen Bemühungen wieder zurück, wie es der Sohn von Hans Hacker, Michael, beschreibt (siehe das Interview auf Seite 54).

Haus der Familie Hacker in Hinterleiten, 2023

Wie der Familie Hacker erging es den meisten der früheren Besitzer von Villen und Häusern am Semmering und in der Umgebung. Sie erhielten ihre Häuser nur unter größtem Aufwand und nach langem Ringen zurück, meist in einem devastierten Zustand und ohne Einrichtung.

Der großartige Regisseur und Schauspieler Otto Schenk kennt den Semmering vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende besaß er mehrere Jahrzehnte eine Wohnung im Ort. Als Kind war er mit seinem Vater immer wieder in der Villa seiner Tante Minna und seines Onkels Marcel zu Gast in Breitenstein. «Der Onkel Marcel ist höflicherweise gestorben, dann wollte man der Tante das Haus wegnehmen, aber mehr als sterben kann ja ein Jude nicht.» Als Sohn eines getauften jüdischen Vaters war es für Otto Schenk nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht einfach, aus der Stadt zu kommen. Geschützt durch die «Mischehe» seiner Eltern, wurde er im Sommer im Kinderheim von Hilde Keune untergebracht. Dieses Haus mit der damaligen Adresse Semmering 134 gehörte vor der Beschlagnahmung durch die Nationalsozialisten der jüdischen Ärztin Dr. Gertrud Hollitscher. «Es war nur eine Imitation von Nazi-Heimen. Meistens haben wir gesungen und Gedichte aufgesagt, aber nichts Politisches. Der Ehrgeiz war hauptsächlich, dass wir zunehmen. Und wir sind über die ganze Rax marschiert. Ich habe gespenstisch schöne Erinnerungen», erinnert sich Otto Schenk.21 Für Gertrud Hollitscher hingegen war es bitterernst. Sie konnte mit viel Glück nach England flüchten. Ihre Schwester Dr. Anna Winiewicz und deren Ehemann Karl Winiewicz wurden in Auschwitz ermordet, ihr Bruder Dr. Albert Hollitscher wurde von Italien aus in ein Konzentrationslager deportiert, wo er 1943 starb.

Nach Kriegsende konnte die Region selbst nur noch in reduzierter Form an den früheren Erfolg anknüpfen. Ab den 1950er-Jahren reisten wieder jüdische Familien auf den Semmering: Vielfach waren es Überlebende der Konzentrationslager und Displaced Persons, die in Österreich eine neue Heimat gefunden hatten und die mit ihren Kindern die Sommerfrische entdeckten. Der Semmering wurde für sie zum Hausberg, wohin man auch gern im Winter einen Tagesausflug machte, wie Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg zu berichten weiß.

Otto Schenk und seine Kinderfreundin Christl vor dem Südbahnhotel, 1937

Koschere Pensionen und Hotels wurden eröffnet und erfreuten sich vieler Gäste. Hier ist exemplarisch die direkt an der Hochstraße gelegene Pension Alexander zu nennen. Das Haus, das zum Treffpunkt der jüdischen Orthodoxie am Semmering werden sollte, wurde von Josef Vorhand, der auch in Wien das legendäre koschere Restaurant Weihburg leitete, mit seiner Familie geführt. Vor allem am Schabbat wurde die Pension zum Gottesdienst aufgesucht. Zu den jüdischen Feiertagen, besonders zu Pessach (der Feiertag, an dem man an den Auszug der Jüdinnen und Juden aus Ägypten erinnert und an dem spezielle Speisegesetze gelten), nahmen viele Familien ihre Mahlzeiten in der Pension der Familie Vorhand ein. Die koschere Infrastruktur wurde durch eine Mikwe (rituelles Tauchbad) komplettiert. Das Haus in der Wellspacherstraße, in dem die Mikwe betrieben wurde, gehörte längere Zeit dem im 2. Bezirk ansässigen Verein Azei Chaim, einem Verein zur Förderung jüdischer Flüchtlinge.

Margit Dobronyi (1913–2009), die 1956 aus dem kommunistischen Ungarn geflohen war, etablierte sich seit 1960 als unaufgeforderte fotografische Chronistin des Wiener jüdischen Gemeindelebens. Sie erschien uneingeladen zu allen Festen und hielt sie fotografisch fest. Zahlreiche Reisen führten sie auch auf den Semmering, wo sie die sommerfrischenden und winterurlaubenden jüdischen Gäste dokumentierte.

Auch die Hakoah-Hütte wurde wiederbelebt und rasch zum Zentrum der jüdischen Jugend im Sommer sowie auch im Winter. Sport stand zwar im Mittelpunkt, jenseits dessen wurde die Hütte aber für viele Jugendliche zu einem angesagten Treffpunkt, wo es mit strikten Regeln nicht so ernst genommen wurde und Mädchen und Burschen einander näherkommen konnten. Für behütete jüdische Mädchen war die Hakoah-Hütte eine verbotene Zone. Besorgte Eltern gestatteten einen Ausflug dorthin nicht.

Dass die Hütte unmittelbar nach dem Krieg der Hakoah zurückgegeben wurde, «war nicht selbstverständlich», berichtet der heutige Hakoah-Präsident Paul Haber in einem Interview mit der jüdischen Zeitschrift NU. Haber führt die Rückgabe auch auf eine gewisse Unterstützung seitens der russischen Besatzungsmacht zurück: «Die Hakoah war ein Sammelbecken für Juden, die in Wien überlebt hatten oder nach Wien zurückgekehrt sind. Man hatte nicht viel, man brauchte nicht viel. Die Lebensmittel stammten aus CARE-Paketen und von Bauern in der Umgebung. Außer Polenta hat es fast nur Polenta gegeben.» Unter dem Dach befand sich ein großer Raum mit Stockbetten, in der ersten Etage gab es mehrere Zimmer mit bis zu sechs Einzelbetten. Obwohl Buben und Mädchen in der Hütte strikt voneinander getrennt waren, bot sie «keine schlechte Gelegenheit, sich näher kennenzulernen», erinnert sich Präsident Haber.22

Paul Chaim Eisenberg, 1983–2016 Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Semmering, 1980er-Jahre

Moti Vorhand, Sohn des Betreibers Josef Vorhand, vor der Pension Alexander, 1970er-Jahre

Kitty und Erich Sinai etwa hatten sich in der Hakoah-Hütte kennengelernt und blieben bis zu Erichs Tod 2012 vereint. 65 Jahre waren sie ein Paar, davon 62 Jahre verheiratet. Kitty Sinai berichtet über die Bedeutung des Sportlerrefugiums: «Wir waren viele junge Leute, wir hatten schreckliche Erlebnisse hinter uns. Und wir haben versucht, uns physisch und psychisch zu erholen.»23 Dies gelang in der Gemeinsamkeit der Gruppe von jungen Sportlerinnen und Sportlern, die alle eine ähnliche Familiengeschichte mit sich trugen – ein Eindruck, den viele Gesprächspartnerinnen und -partner, die Stammgäste auf der Hakoah-Hütte waren und in diesem Buch ihre Erinnerungen teilen, bestätigen.

Mit der schwindenden Bedeutung der Urlaubsregion Semmering geriet auch die Hakoah-Hütte aus dem Fokus des Interesses und wurde im Jahr 1978 schließlich verkauft. Cathy Fiscus, deren Vater Emanuel (1900–1984) sich als Journalist und Verleger verschiedener Zeitungen und Zeitschriften vehement für die Rückstellungen von jüdischem Eigentum eingesetzt hatte und der auch den nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorhandenen Antisemitismus anprangerte, durfte als junges Mädchen hie und da auf die Hakoah-Hütte. Während der einmonatigen Sommerurlaube im Hotel Panhans war der Abstecher in die Hütte eine willkommene Abwechslung. In der Tradition ihres Vaters, der seine Erinnerungen in Tagebüchern und auf Fotos festhielt, hütete auch Cathy Fiscus ein Album, aber auch Hotelrechnungen von ihren Semmering-Aufenthalten über Jahrzehnte.

Auf der steirischen Seite des Passes, in Spital am Semmering, unterhielt bereits in den 1930er-Jahren die Agudat Israel, eine chassidisch-orthodoxe jüdische Bewegung, ein Ferienheim, in dem bis zu 300 Jugendliche ihre Sommerferien verbringen konnten und in dem die religiöse Erziehung im Vordergrund stand: «Der Geist, der in dem Ferienheim herrscht, beschreiben lässt er sich nicht, man muß ihn sehen, erkennen und erleben. Es ist der Geist aufrichtiger Freundschaft und Kameradschaft, ohne Unterschied des Alters, des Wissens und der wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Geist aufrechten Väterglaubens, […] der die einzelnen und die Gesamtheit beseelt. Und die kaum geahnten Möglichkeiten, die sich in einem solchen Heim, die Kinder agudistisch [im Sinne der traditionellen Orthodoxie] zu erziehen, sie werden fleißig ausgenützt.»24

Fotografin Margit Dobronyi vor dem Hotel Panhans, um 1960

Im Heim ging es auch um Gewichtszunahme. Die mütterlich besorgte Köchin, Frau Leipnik, wurde in einem Zeitungsbericht von 1935 hervorgehoben und stolz vermeldet, dass so mancher der jungen Feriengäste sogar sechs Kilo zugenommen hätte.

Spital am Semmering erfuhr im Laufe der Geschichte eine andere Verortung. Die Passhöhe am Semmering bildete eine Grenze – nicht nur zwischen der Steiermark und Niederösterreich, sondern auch zwischen Welten, erzählt Angelika Horowitz, die in den frühen 1970er-Jahren in Spital am Semmering aufgewachsen ist: «Hier beginnt die Welt der Arbeiter, dort war das Großbürgertum. Mit dieser Welt hat man nichts anfangen können. Mein Vater war Gemeindevorsteher von Spital. Als ich ein Kind war, ist er mit mir ins Südbahnhotel gefahren, in dieses wunderbare Schwimmbad. Das war meine erste Erinnerung auch an den Geruch der alten Holzkabinen und der Pritschen, das war wunderschön. Später durfte ich dann Gedichte aufsagen, auf der Passhöhe, wenn hohe Politiker, zum Beispiel Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, über den Semmering gefahren sind. Dann gab es für alle einen Schnaps.»25

Georg und Cathy Fiscus am Bahnhof Semmering, 1953

Paul Haber im weißen Norwegerpullover, 1964

Der Weg auf den Semmering erfolgte jedenfalls in Stufen: von Edlach im Privatquartier, Reichenau in der Frühstückspension, und wenn man am Semmering im Hotel residierte, hatte man den Gipfel erklommen. Dennoch blieben die Erinnerungen aus all diesen Stationen immer lebendig. Auch Amelia Bernstein (geb. Schamrak, 1920–2011), die als 18-jähriges jüdisches Mädchen aus Wien flüchten und sich in den USA ein neues Leben aufbauen konnte, hat ihre Ausflüge in die Semmeringregion nie vergessen. 52 Jahre nach ihrer Flucht aus Österreich erinnert sich die Tochter des Textilkaufmanns Abraham Schamrak in einem Essay mit dem Titel «A Magical Place, Still There» in der International Herald Tribune an ihre Eindrücke: «Wenn ich daran denke, sehe ich diesen Ort immer noch vor mir, seine stille Schönheit, die grüne Wiese mit ihren Feldblumen, den Wald gegenüber dem Bauernhof, den Duft der Kiefern und den wohlriechenden Duft der Alpenveilchen. Die klare, kühle Luft am Fuße des Schneebergs. Nichts hat in meiner Erinnerung nachgelassen.»26

Blanka, Rita, Cathy und Georg Fiscus, Semmering, 1952

Orthodoxe Juden beim Spaziergang auf dem Hochweg, 1980er-Jahre

In den 1970er-Jahren griffen neue Arten des Sommertourismus Platz. Urlaube an der Adria und später ferne Destinationen wurden populär. Die Stammäste fuhren nicht mehr zum Semmering, sondern auf dem Weg in den Süden daran vorbei. Nach und nach wurden die Hotelbetriebe stillgelegt. Die Überreste der Prachtbauten stehen bis heute als Symbol einer modernen und künstlerisch inspirierenden Epoche.

«Das Jüdische ist ein Teil der DNA dieser Region, aber es bleibt in einer ungreifbaren Vergangenheit», analysiert Wolfgang Kos.27 Stellvertretend für das breite künstlerische Schaffen, das am und um den Semmering entstand, soll das folgende Zitat von Karl Kraus stehen, das die Stimmung trefflich vermittelt: «Alpenglühen im Semmeringgebiet. Den Brennpunkt des bunten Treibens bildete wie immer die Terrasse des Südbahnhotels, auf der sich jung und alt, groß und klein versammelte, um das prachtvolle Gebirgsbild zu genießen, das die Aussicht auf Rax, Schneeberg und Sonnwendstein darbot. Der Abend schloß mit einer grandiosen Höhenbeleuchtung wie sie gleich prächtig nur die Natur zu inszenieren vermag. Die Getreuen des Semmerings blieben noch lange in stiller Betrachtung beisammen …»28

Die Stammgäste sind nicht mehr da. Reichenau, 2023

Martha Keil

«DER SÖMMERING IST KEIN MAULWURFSHÜGEL»

Reiseweg und Handelsstraße vom Mittelalter bis zum Eisenbahnbau

Wenn auch keine historische Quelle konkret belegt, dass jüdische Reisende und Kaufleute in der Vormoderne den Semmeringpass benutzt haben, wissen wir dennoch, dass die Semmeringstraße von diesen zu Reise- und Handelszwecken genutzt wurde. Aber auch Berichte von Christen sind überaus selten: Der Sänger, Dichter und Amtsträger Ulrich von Liechtenstein (bei Judenburg; ca. 1200–1275) zogt auf seiner «Venusfahrt» mit einem Tross von 21 Personen zu Pferd und Fußvolk über den semernic gegen Glokeniz.1 Der Historiker und Dichter Ottokar aus der Gaal (bei Knittelfeld; ca. 1285–ca. 1320) schildert in seiner Österreichischen Reimchronik, dass er auf einer Reise im Jänner den tief verschneiten Weg am Semmering freischaufeln lassen musste.2 Das ironisch-witzige Titelzitat dieses Artikels stammt schließlich aus dem Ende des hier betrachteten Zeitraums, aus dem Jahr 1802. Der Schriftsteller Johann Gottfried Seume (1763–1810) wurde durch den Bericht seiner im Jahr 1802 unternommenen neunmonatigen Fußreise von Leipzig nach Syrakus in Sizilien und zurück berühmt. Auch er mühte sich durch den Schnee:

«Mürzhofen. Von Schottwien bis hierher war heute, in der Mitte des Januar, eine tüchtige Wandlung [Reise, Anm. d. A.]. Der Sömmering ist kein Maulwurfshügel; es hatte die zweite Hälfte der Nacht entsetzlich geschneit, der Schnee ging mir bis hoch an die Waden; ich wußte keinen Stück Weg und es war durchaus keine Bahn. Einigemal lief ich den Morgen noch im Finstern unten im Thal zu weit links und mußte durch Verschläge im tiefen Schnee die große Straße wieder suchen. Nun ging es bergan zwei Stunden und nach und nach kamen einige Fuhrleute den Sömmering herab und zeigten mir wenigstens, daß ich dorthin mußte, wo sie herkamen. […] Oben auf den Bergabsätzen begegneten mir einige Reisewagen, die in dem schlechten Wege nicht fortkonnten.»3

Leander Russ, Eröffnung der Semmeringstrecke, Schottwien (Guckkastenblatt), 1842

Berichte christlicher Provenienz zur Überquerung des Semmerings sind also selten – jüdische fehlen gänzlich. Auch Forschungsliteratur zum Semmering in der Vormoderne ist rar und in Zusammenhang mit jüdischer Mobilität überhaupt nicht vorhanden. Allerdings sind die Belegstellen zur Semmeringstraße als Reise- und Handelsroute derart aussagekräftig, dass an ihrer häufigen Nutzung auch durch Juden – und im Einzelfall wohl auch Jüdinnen4 – kein Zweifel bestehen kann.

Anlage und Ausbau

In Anbetracht der heute bequemen Überquerung des 984 Meter hohen Gebirgspasses per Auto oder Bahn ist kaum nachvollziehbar, dass die steile Semmeringstraße ein maßgeblicher Teil der Hauptroute des mittelalterlichen Handelsweges von Wien nach Venedig bzw. Triest war. Im Vergleich zur Römerzeit wurde der Straßenbau und -erhalt von den mittelalterlichen Landesfürsten stark vernachlässigt – allenfalls wurden die Erdtrassen geschottert, was vor allem bei trockener Witterung eine starke Staubbelastung erzeugte. Die Handelswege folgten zwar den Römerwegen bzw. -straßen, besaßen allerdings nur die Qualität von Pfaden. Erst die Gründung eines Hospitals, also einer Herberge, durch Markgraf Ottakar III. im Jahre 1160 – noch heute im Namen der Gemeinde Spital am Semmering präsent – brachte den entscheidenden Entwicklungsschritt. Ottakar beauftragte den Betrieb, «aus dem von Räubern bedrohten Saumpfad eine öffentliche Straße zu machen», um «den Wanderern und Armen, die durch unser Land ziehen, die Mühen dort zu erleichtern, wo sie die Lasten der Reise am meisten spüren».5 Die Herberge und kurz darauf die Siedlungen entlang der Straße – Schottwien in Niederösterreich, Mürzzuschlag in der Steiermark – gewährleisteten die Versorgung der Reisenden und der Reit-, Zug- und Lasttiere.

Der Ausbau der «Semmeringstraße» von Villach bis Wien erfolgte im Kontext der Entwicklung Venedigs zum Handelszentrum. Die «Venedigerstraße» oder «Italienstraße» führte über Villach, Friesach, Judenburg, Leoben und Bruck/Mur über den Semmering zu den Mautstellen in Schottwien und Wiener Neudorf nach Wien. Zu den bevorzugten Handelswaren zählten Wein, das sogenannte Rauheisen – ein minderwertiges, weil weiches, aber gut schmiedbares Eisen – sowie Eisenwaren, Häute, Wachs, Kupfer, Quecksilber und Tuche. Die teuren bis luxuriösen sogenannten Venedigerwaren umfassten Wolle, Öl, Zucker, Ingwer, Nelken, Muskatnuss, Zimt und Pfeffer sowie eine Preisklasse darunter Güter wie Mandeln, Seife, Feigen, Rosinen, Weinbeeren, Kümmel, Reis, Pomeranzen, Zitronen und Glas.6 Insbesondere Zucker und exotische Gewürze waren bei Christen wie bei Juden Prestigeobjekte: So verschenkten die Vorstände der jüdischen Gemeinde in Wiener Neustadt solche Kostbarkeiten zum Purimfest auch an Christen.7

Allgemein wurde der Handel durch Privilegien und Verordnungen geregelt. Die Einhebung von Zöllen und Mauten bzw. die Befreiung davon steuerte auch die Wahl der Straßen, denn außer Streckenlänge, Wegbarkeit, Sicherheit und Versorgung unterwegs war selbstverständlich auch der Kostenfaktor durch Abgaben ausschlaggebend. Die wirksamste Maßnahme, den Handel durch das eigene Territorium zu lenken, war der sogenannte Straßenzwang, also das Verbot, auf anderen als der erlaubten, der «rechten Straße», seine Ware zu transportieren.8 Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bemühten sich die Habsburger Albrecht III. und Rudolf IV., auch den Venedighandel nach Ungarn, Böhmen und Mähren, der über die «Laibacher Straße» durch die Grafschaft Krain führte, über Wien zu leiten. Auch die Handelsroute von Venedig nach Ungarn sollte ausschließlich über den Semmering führen. Dies betraf auch «schwere Habe», die auf dem Wasserweg einfacher und billiger zu transportieren gewesen wäre.9 Wer andere Wege benutzte, setzte sich Strafen und auch großer Rechtsunsicherheit aus, denn der landesfürstliche Schutz bestand nur auf den «rechten Straßen». Auch wenn in den für die Kaufleute und Bürger ausgestellten Urkunden jüdische Reisende nicht eigens genannt wurden, betrafen diese Verordnungen auch sie, sofern ihnen ausnahmsweise der Fernhandel gestattet war.

Andrew Mezvinsky, Zeichnung eines jüdischen Paares im Wiener Mittelalter, 2021

Jüdische Handelsleute

Jüdische Gemeinden gründeten sich ab Ende des 12. Jahrhunderts in sämtlichen an der «Italienstraße» gelegenen Städten und Märkten, von Wien über Neunkirchen und Wiener Neustadt, Bruck, Leoben, Judenburg, Friesach, St. Veit und Villach. Zwar förderten die Privilegien der Landesfürsten in erster Linie den Geldhandel, doch gestattete bereits die Judenordnung durch Kaiser Friedrich II. 1238 den Juden – Jüdinnen sind nicht ausdrücklich genannt – auch Handel mit Wein, Arzneien und Färbemitteln sowie mit Waren, die als verfallene, also nicht ausgelöste Pfänder in ihren Besitz gekommen waren.10 Dass die jüdischen Gemeinden und Individuen auch für ihren eigenen Bedarf Lebensmittel, Wein und Güter erwarben, ist selbstverständlich und findet in den Privilegien keine Erwähnung. Wie die christlichen Kaufleute und Reisenden erhielten auch Juden sowie wenige Jüdinnen von den Judenschutzherren sogenannte Geleitbriefe. Darin stellten diese ihnen bei Bedarf eine bewaffnete Begleitmannschaft zur Verfügung und garantierten im Fall eines Raubes oder einer Gewalttat die Bestrafung der Täter – wenn auch nur selten Entschädigung. Geleit war zwar als abschreckende Maßnahme ein gewisses Schutzinstrument, wieweit es allerdings tatsächlich Überfälle verhinderte, lässt sich nicht feststellen.11 Entweder konnte es Teil eines allgemeinen Judenprivilegs sein oder es wurde Einzelnen oder Gruppen eigens gewährt. Am 29. Juni 1389 gab etwa Herzog Albrecht III. den Juden Abraham Zenner, Elias Walch und Abraham von Landshut für ihre Handelsreise nach Italien zum Erwerb von paris oephel einen Geleitbrief zum Vorweisen an seine Untertanen. Diese sollten die Juden ungehindert reisen und handeln lassen, keine Zölle und Mautgebühren von ihnen fordern und ihnen auf Verlangen eine Begleitmannschaft mitgeben.12 Mit «Paradiesäpfeln» werden im Mittelalter Granatäpfel bezeichnet, die als Heil- und Färbemittel gebraucht wurden, aber noch nicht als rituelle Speise für das jüdische Neujahrsfest (Rosch Haschana) belegt sind. Eventuell bezieht sich der Ausdruck hier auf den für das Laubhüttenfest (Sukkot) nötigen Etrog (Mehrzahl: Etrogim), eine große aromatische Zitrusfrucht. Nach einer hebräischen Quelle von etwa 1450 importierten die jüdischen Gemeindevorsteher von Marburg an der Drau (heute Maribor, Slowenien) und Wiener Neustadt Etrogim aus Sizilien und Kreta. Bisweilen kamen nur wenige Früchte in gutem Zustand an, sodass sich die ärmeren Gemeindemitglieder mit verschrumpelten und verschimmelten Exemplaren begnügen mussten.13

Beschwerliche Reisen

Allgemein waren Straßen in der Vormoderne schmal, im Gebirge nicht breiter als zwei bis drei Meter. Wenn nicht Menschen die Lasten auf Rückengestellen – Kraxen oder Tornistern – trugen, beluden sie Pferde zu beiden Seiten des Sattels mit in Leinwandplachen verschnürten Waren, sogenannten Ballen, oder mit kleinen ovalen Fässern, sogenannten Lageln, die Wein, Öl, Kastanien und andere empfindliche Waren enthielten. Die einem Pferd maximal zumutbare Traglast, die «Saum», entsprach einem Gewicht von ca. drei Pfund Zentnern (168 Kilogramm). Eine «Wagen-Saum», also die Last eines Anzen- oder Gabelwagens, wog doppelt so schwer. Diese zweirädrigen Karren mit einem Meter Spurweite waren mit einer Gabeldeichsel versehen, zwischen deren Stangen ein Pferd ging. Weitere Zugtiere konnten vorgespannt werden. Mit einem vierspännigen Anzenwagen konnten ca. 840 Kilogramm befördert werden. Später setzte sich die Deichsel durch, an der beiderseits ein Pferd eingespannt werden konnte, womit der Wagen lenkbarer wurde. Je nach Belastung, Zustand der Straße und Witterung wurden Tagesstrecken von 15 bis 40 Kilometern zurückgelegt.14 Wie alle Alltags- und Gebrauchsgegenstände unterschieden sich auch die Verpackungen und Transportmittel christlicher und jüdischer Benutzerinnen und Benutzer nicht voneinander.

Bis zur Wiener Gesera, der Vernichtung der Wiener Judenstadt 1420/21, hatten viele Familien enge Beziehungen zu den anderen bedeutenden jüdischen Gemeinden, allen voran die führende Rabbiner- und Geldleiherfamilie des Schalom von Neustadt, deren Mitglieder in Wien, Krems, Herzogenburg, Wiener Neustadt, Graz und Marburg/Drau wohnten und auch Geschäftsgemeinschaften bildeten. Konkrete Evidenz ihrer Reisen ist zwar nicht erhalten, doch sind die geschäftlichen, gelehrten und persönlichen Beziehungen aus den Herkunftsnamen und den Lebensstationen offensichtlich. Sicher führten die Besuchs- und Geschäftsreisen auch über den Semmering.

Ab dem 15. Jahrhundert verlagerte sich der Fernhandel nach Venedig vom Semmering auf den Radstädter Tauern und den Wasserweg ab Salzburg. Nach wie vor wurden aber auf den Teilstrecken große Warenmengen transportiert, vor allem Weine von Wiener Neustadt nach Friesach und in die Gegenrichtung Eisenwaren nach Wien und von dort weiter nach Westungarn.

Die Zeit ohne Juden

1496/97 vertrieb Kaiser Maximilian I. die jüdische Bevölkerung aus der Steiermark, Kärnten und Krain und siedelte sie in anderen Territorien seiner Herrschaft an. Einzelne Juden und noch weniger Jüdinnen erhielten zwar weiterhin Handelsprivilegien, doch eine Niederlassung an Orten entlang der Semmeringstraße blieb auf steirischer Seite bis ins 19. Jahrhundert verboten. Aus Wien mit seiner 1624 im «Unteren Werd», dem heutigen 2. Wiener Gemeindebezirk, angesiedelten jüdischen Gemeinde und aus Niederösterreich, wo ab Ende des 16. Jahrhunderts wieder in zahlreichen Märkten und Dörfern kleine jüdische Niederlassungen bestanden, führten die Handelswege nun vor allem aus und nach Böhmen, Mähren und Ungarn.15 Dass jüdische Reisende über den Semmering unterwegs waren, ist trotzdem wahrscheinlich, ließen sich doch Familien aus Venedig in Wien nieder.16

Der Zustand der Straßen blieb auch nach dem Dreißigjährigen Krieg unzureichend, erst der Merkantilismus förderte auch die Straßenbautechnik. 1728 wurde die Semmeringstraße saniert und 1730 eine wöchentliche Stellfuhr, also die Entsendung von Stellwagen, organisiert. Von Wien nach Triest, das nun ein Freihafen war, benötigten die Kutschen im Sommer neun und im Winter zehn Tage. Hundert Jahre später wurde die Reichsstraße von Wien nach Triest ausgebaut und am 17. August 1841 die neue Semmeringstraße eröffnet.17 Ab 1842 führten Bahnstrecken von Wien nach Gloggnitz und von Bruck an der Mur nach Mürzzuschlag, die schließlich ab 1854 durch den kühnen Eisenbahnbau von Carl Ritter von Ghega verbunden wurden. Und 1848 brachte die Revolution auch der jüdischen Bevölkerung einschneidende Errungenschaften, allen voran freie Niederlassung auch an der gesamten Semmeringstrecke.

Johann Wachtl, Alte Semmeringstraße mit dem Carolus-Denkmal, Lithografie, 1825. Das 1728 errichtete Denkmal erinnert heute noch auf dem Parkplatz unterhalb des Hirschenkogels an die Eröffnung der Straße durch Kaiser Karl IV.

Günter Dinhobl

«DIE LOKOMOTIVE SCHRIE HEISER AUF: DER SEMMERING WAR ERREICHT.»

Die Eröffnung der Liverpool and Manchester Railway in England im Jahr 1830, der ersten mit Lokomotiven betriebenen Eisenbahn, läutete weltweit den Bau von Eisenbahnen ein und beförderte damit auch die Erschließung von Regionen, Ländern und Kontinenten. Im großen Stil setzte diese Entwicklung ab den 1860er-Jahren ein, nachdem in der Hauptaufbruchsphase die industrielle Transporttechnologie konsolidiert worden war.1