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Um den Tod seiner Tochter aufzuklären, widersetzt sich Hikaru Sulu allen Befehlen
Demora Sulu, Tochter von Hikaru Sulu, dient auf der Brücke der
Enterprise 1071-B. Als die
Enterprise einen Notruf von Askalon V auffängt, zögert Captain Harriman nicht, das System anzufliegen. Auf dem Planeten selbst kann das Landungsteam nichts entdecken, doch Demora verwandelt sich plötzlich in ein blutrünstiges Monster und greift ihre Kameraden an. Harriman kann ihre Raserei nur durch einen tödlichen Schuss stoppen.
Da niemand weiß, was Demoras Verwandlung ausgelöst hat, wird der Planet unter Quarantäne gestellt. Doch Hikaru Sulu will Klarheit über den Tod seiner Tochter. Er missachtet alle Befehle der Sternenflotten-Admiralität und setzt Kurs auf Askalon V.
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Seitenzahl: 411
Demora Sulu ist die Tochter des legendären Enterprise-Piloten und jetzigen Captain der U.S.S. Excelsior, Hikaru Sulu. Nach Abschluss der Starfleet-Akademie dient sie als würdige Nachfolgerin ihres Vaters auf der Enterprise 1701-B.
Als die Enterprise einen Notruf von Askalon V auffängt, zögert Captain Harriman nicht, das abgelegene Sternsystem anzufliegen. Auf dem Planeten selbst kann das Landeteam aber nur einen alten Sender entdecken. Doch plötzlich scheint Demora sich in ein Monster verwandelt zu haben. Wie eine Furie greift sie ihre Kameraden und Vorgesetzten an. Harriman kann ihre Raserei nur durch einen tödlichen Phaserschuss stoppen.
Da niemand weiß, was Demoras Verwandlung ausgelöst hat, wird der Planet unter Quarantäne gestellt. Doch Hikaru Sulu will Klarheit über den Tod seiner Tochter. Er missachtet alle Befehle der Starfleet-Admiralität und setzt Kurs auf Askalon V …
PETER DAVID
DIE TOCHTER DES CAPTAIN
Star Trek™
Classic
Hätte Demora Sulu gewusst, dass in einer Woche ihre Beisetzung stattfinden würde, hätte sie nicht auf die Mousse au chocolat verzichtet.
Sie starrte die Frau, die ihr gegenüber saß, mit eisigem Blick an. Es war schwierig, den Blick zu konzentrieren, weil sich die Schale mit der Mousse ständig in ihrem Blickfeld bewegte. Denn die Frau hielt die Schale abwechselnd vor Demoras Gesicht und zog sie wieder zurück. Sie vollführte sozusagen einen netten kleinen Kalorientanz.
»Nimm das weg, Maggie!«, warnte Demora die Frau.
Maggie schien es überhaupt nicht gehört zu haben. »Schau mich an, hier bin ich mit einer schönen, unbeschwerten Mousse au chocolat … Aber nein! Ich werde beobachtet!« Sie brachte die Schale so nahe an Demoras Gesicht heran, dass nur noch ein winziges Stück fehlte, bis ihre Nase sie berührt hätte. »Vielleicht von … dir?«
Ringsum gingen verschiedene Besatzungsmitglieder der Enterprise 1701-B ihren Freizeitbeschäftigungen nach, ohne auf dieses kleine Spiel zu achten. Die Nahrungsspender in den Wänden des Kasinos summten unablässig. Doch niemand machte von den üblichen verlockenden Angeboten aus allen Teilen der Galaxis Gebrauch.
Und was Demora betraf, so hätte sie liebend gerne der Verlockung der Mousse au chocolat nachgegeben.
»Maggie, allmählich treibst du es zu weit«, sagte sie.
Lieutenant Maggie Thompson, wissenschaftlicher Offizier, schien sich durch diese Drohung nicht sehr beeindrucken zu lassen. Sie hatte ein rundliches Gesicht, dichtes und lockiges Haar, und ihre braunen Augen funkelten amüsiert. Sie zog ihre sommersprossige Nase in Falten. Wie Maggie es schaffte, ihre Sommersprossen zu behalten, obwohl sie soviel Zeit im Weltraum verbrachte, war Demora ein Rätsel, das Maggie ihr bislang noch nicht hatte erklären können oder wollen.
Demora war in jeder Beziehung das Gegenteil von Maggie. Sie war ernst, wenn Maggie schelmisch aufgelegt war, doch sie besaß eine Schlagfertigkeit, mit der sie jeden überraschen konnte, der ihre ruhige Art mit Passivität verwechselte. Ihr schulterlanges Haar war schwarz und glatt, ihre mandelförmigen Augen blickten dunkelbraun und anmutig.
Besonders interessant war ihre Stimme. Sie hatte etwas Musikalisches, einen ausgeprägten melodischen Tonfall. Selbst wenn Demora völlig normal redete, klang es immer, als würde sie singen. Doch wenn plötzlich ein Ernstfall eingetreten war, sprach Demora ohne Modulation, aber mit absolutem Selbstvertrauen. Wenn sie so klang, war es Zeit, zwar nicht in Panik zu verfallen, aber doch äußerste Vorsicht walten zu lassen.
»Du willst sie«, sagte Maggie zu ihr. »Du weißt genau, dass du sie willst. Sie ist einfach köstlich!« Dabei deutete sie auf ihre halb geleerte Schale. »Glaube mir!«
»Das meinst du nicht ernst.«
»Ich meine es ernst, dass das hier eine verdammt gute Mousse ist. Ich dürfte mich nicht mehr deine Freundin nennen, wenn ich zulassen würde, dass du sie dir entgehen lässt. Du musst nur einen winzigen Happen probieren!« Sie tauchte einen Löffel hinein und hielt ihn Demora vor das Gesicht.
»Ich warne dich, Maggie … ich kann Karate … und Kung Fu …«
»Und du kennst noch andere gefährliche Worte. Ich weiß nicht, was die schlimmere Beleidigung wäre, Demora … einen vorgesetzten Offizier zu bedrohen oder ihn mit uralten Scherzen zu langweilen.«
Jetzt wirkte Demora aufrichtig überrascht. »Das soll ein alter Scherz sein?«, fragte sie.
»Er hat Jahrhunderte auf dem Buckel.«
»Oh.« In diesem Ausruf lag eine so unverkennbare, unverfälschte Enttäuschung, dass Thompson langsam den Löffel sinken ließ und Demora verwirrt anstarrte.
»Was ist los?«
Demora zwang sich zu einem Lächeln, was etwas Ungewöhnliches darstellte, da es ihr normalerweise leicht fiel zu lächeln. »Nichts. Es war dumm.«
»Wieso dumm?«
»Nun«, sagte Demora mit einem Schulterzucken, »dieser Scherz mit den ›gefährlichen Worten‹. Mein Vater hat es vor vielen Jahren immer gesagt. Und ich dachte, dass es urkomisch war. Ich habe mich kaputtgelacht … Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Und ich hatte immer gedacht … nun ja … dass er ihn sich ausgedacht hat. Ich weiß nicht, warum das für mich so wichtig ist oder warum ich mir deswegen Gedanken machen sollte. Aber so ist es nun einmal. Ist das nicht seltsam?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte Maggie. »Ich kann mich erinnern … Mein Gott, ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht! Als ich noch ganz klein war, hat mein Vater mir abends immer dieses Lied vorgesungen. Es hieß ›A Bushel and a Peck‹.«
»Ein was und ein was?«
»Ein Scheffel und ein Viertelscheffel. Das sind uralte Maßeinheiten. Aber das wusste ich als kleines Kind natürlich nicht. Ich dachte, es wären irgendwelche Worte ohne Sinn. Das Lied ging ›I love you, a bushel and a peck, a bushel and …‹«
Maggie Thompson besaß viele Fähigkeiten, aber der Gesang gehörte nicht dazu. Sie wurde unmissverständlich auf diesen Punkt hingewiesen, als sich mehrere Besatzungsmitglieder zu ihr umblickten. Sie brach sofort ab, fügte jedoch hinzu: »Auf jeden Fall hatte ich mir in meiner kindlichen Vorstellungswelt gedacht, dass er dieses Lied nur für mich erfunden hatte. Es war ein Schock für mich, als ich irgendwann feststellen musste, dass es aus einem alten Musical mit dem Titel Guys and Dolls stammt.«
»Ging es darin um Männer, die mit Puppen spielen?«
»Ich glaube, es ging um Glücksspieler.«
»Glücksspieler?« Demora verzog das Gesicht. »Singende Glücksspieler?«
»In der damaligen Zeit gab es auch Musicals über singende Katzen oder singende Friseure, die ihre Kunden töteten und Hackfleisch aus ihnen machten. Ich kann dir nur sagen, dass es eine merkwürdige und perverse Zeit war. Was ich damit eigentlich ausdrücken wollte, ist … dass ich verstehe, wie du dich fühlst. Es gibt keinen Grund, traurig oder gar enttäuscht zu sein, aber man ist es trotzdem.«
»Es scheint so.«
»Hast du eine enge Beziehung zu deinem Vater?«
Demora zuckte die Schultern. »Ja … sicher«, sagte sie in nicht sehr überzeugendem Tonfall.
»Warum sagst du es so zögernd?«
»Darüber möchte ich lieber nicht reden.«
»Aber wenn du vielleicht …«
»Ich sagte, ich möchte lieber nicht darüber reden!« Sie ließ keinen Zweifel daran, dass dieses ›lieber nicht‹ eine reine Höflichkeitsfloskel war. Es bedeutete, dass sie auf gar keinen Fall darüber reden wollte.
Maggie wirkte leicht verärgert. »Entschuldigung.«
»Schon gut«, sagte Demora. »Ich wollte nicht unfreundlich werden. Dabei bist du immer sehr nett zu mir gewesen. Und eine wirklich gute Freundin.«
»Ich weiß. Und es schmerzt mich, wenn du betrübt bist, vor allem, wenn ich dafür verantwortlich bin. Weißt du, womit du deine Stimmung heben könntest?« Sie schob die Schale mit der Mousse au chocolat in Demoras Richtung.
Demora schob sie zurück. »Wo liegt dein Problem?«, fragte sie schneidend.
»Mein Problem liegt darin, dass ich bereits eine Portion gegessen habe. Und ich weiß, dass ich davon zunehmen werde. Und du hast gesagt, dass auch du von Schokolade zunimmst. Deshalb möchte ich meine Misere mit dir teilen. Alles klar?«
»Ja, prima!« Sie holte sich die Schale mit der Mousse au chocolat zurück, nahm sich einen Löffel … und starrte auf den Nachtisch. Dann blickte sie zu Maggie auf und sagte: »Ich bin ein Schokoholiker. Das gebe ich ehrlich zu. Auch das habe ich von meinem Vater. Wenn ich der Versuchung nur ein einziges Mal nachgebe, wird mein Trieb unkontrollierbar. Ich werde alle Schokolade in Reichweite verschlingen und schneller expandieren als eine Supernova. Du würdest mich zu wochenlanger, wenn nicht gar monatelanger Gewichtszunahme verdammen, bis ich es irgendwann geschafft habe, wieder zur Vernunft zu kommen. Und du, meine angebliche Freundin, wirst dafür verantwortlich sein.«
Maggie seufzte, nahm die Schale und zog sie auf ihre Seite des Tisches zurück. »Ich hasse dich.«
»Ich hasse dich auch. Dazu sind Freundinnen da.«
Plötzlich meldete sich das Interkom des Schiffes. »An alle Mitglieder der Brückenbesatzung, bitte melden!«
»Soviel zu diesem Thema«, sagte Maggie, stand auf und ging zum Kommunikationsanschluss hinüber. Sie tippte auf die Empfängertaste. »Thompson und Sulu hier. Sprechen Sie.«
»Wir empfangen ein Notsignal, Lieutenant«, sagte die Stimme von Commander Tracy Dane, dem Ersten Offizier des Schiffes. »Wir brauchen Sie hier.«
»Wir sind schon unterwegs«, sagte Thompson. Sie schaltete ab, drehte sich um und gab Demora einen Wink mit dem Zeigefinger, dass sie ihr folgen sollte. Demora erhob sich mit einem Seufzer, und gemeinsam verließen sie hastig die Offiziersmesse.
Die Mousse au chocolat ließen sie unbeachtet und unverzehrt zurück, bis Fähnrich Li den verschmähten Nachtisch einige Minuten später bemerkte und das Erbarmen hatte, die Portion in weniger als dreißig Sekunden aufzuessen.
Demora nahm ihren Platz an der Pilotenkonsole ein und lächelte Junior-Lieutenant Magnus freundlich zu. Magnus war ein recht dienstbeflissener Offizier. Er war sehr kompetent und sich seiner Kompetenz sehr bewusst. Außerdem ließ er jeden spüren, dass er fest davon überzeugt war, sich auf dem direkten Weg zu einem eigenen Kommando zu befinden. Er hatte stets eine gerade, tadellose Haltung und sprach in knappen und steifen Sätzen.
Demora hatte große Schwierigkeiten, mit ihm warm zu werden. Zuvor war dieser Stuhl mit Fähnrich Tommy Singer besetzt gewesen. Demora und Singer hatten gemeinsam die Akademie durchlaufen. Sie hatten ähnliche Interessen gehabt, hatten sich auf Anhieb verstanden … und waren sogar einmal miteinander ins Bett gegangen. Daraus hatte sich keine feste Beziehung entwickelt, aber es war eine sehr angenehme Zeit für beide gewesen. Mit einem Wort, sie hatten hervorragend zusammengepasst.
Und als das Los entschieden hatten, dass sie beide an Bord der Enterprise kommen sollten, waren sie fassungslos und überglücklich gewesen. Was ihre Beziehung daran gehindert hatte, sich zu vertiefen, war die gemeinsame Besorgnis gewesen, dass sie nicht wussten, wohin sie ihre weitere Karriere führen würde. Wer wusste, was geschehen wäre, wenn sie weiterhin mit dem Segen von Starfleet Seite an Seite hätten arbeiten dürfen …?
Wer hätte ahnen können, dass Demora auf dem Jungfernflug der Enterprise 1701-B die Leiche von Tommy Singer in den Armen halten würde, nachdem er von herumfliegenden Trümmern getötet worden war, während das stolze Raumschiff gegen die Gewalt gravimetrischer Energien kämpfte?
Das Schiff hatte wirklich einen denkbar schlechten Start gehabt. Nun, es war nicht das erste Mal, dass ein Schiff mit dem Namen Enterprise unmittelbar nach dem Start in große Schwierigkeiten geraten war. Am berüchtigtsten war der Zwischenfall, als die generalüberholte Enterprise in ein Wurmloch geraten war, nur fünf Minuten nachdem sie das Raumdock verlassen hatte.
Doch im Vergleich zum Fiasko während des Jungfernfluges der Enterprise 1701-B war das ein Kinderspiel gewesen. Auch die Art der Berichterstattung war keineswegs ein Trost gewesen. Mehrere Reporter hatten beobachtet, was Captain John Harriman unternommen hatte, um die zwei in Not geratenen Raumschiffe zu retten. Sie hatten sich nicht auf die mehreren Dutzend Personen konzentriert, denen durch seine Bemühungen das Leben gerettet worden war. Das war ein lächerliches Detail, das schnell aus allen folgenden Berichten herausgefallen war. Die Journalisten konzentrierten sich auf die Besatzungsmitglieder, die trotz Harrimans Anstrengungen das Leben verloren hatten.
Vor allem auf eine Person, die in jedem Bericht immer wieder erwähnt wurde.
Starfleet hatte die Logbuchaufzeichnungen von Harrimans Handlungen quasi mit einem Teilchenmikroskop untersucht. Es sah so aus, als hoffte man verzweifelt, irgend etwas zu finden, was er falsch gemacht hatte, damit das Geschrei der Medien nach einem Sündenbock befriedigt werden konnte. Doch das endgültige Urteil lautete, dass Harriman keine Schuld an den Ereignissen trug.
Die Informationen über den tragischen Jungfernflug der Enterprise-B hatten einen beträchtlichen Teil des galaktischen Nachrichtennetzes blockiert. Der zweite, wesentlich ruhigere Stapellauf war reine Routine gewesen und hatte kaum noch Aufmerksamkeit erregt.
Vor diesem Hintergrund war der Verlust von Tommy Singer beinahe zu einer Nebensache geworden. Für die meisten war er kaum mehr als eine Fußnote gewesen.
Aber nicht für Demora Sulu.
Kirks Tod hatte sie genauso schwer wie jeden anderen getroffen … nein, noch schwerer, denn ihr Vater hatte so oft in überschwänglichen Tönen von ihm gesprochen. Es war beinahe …
Sie verdrängte diese Gedanken. Sie wollte nicht darüber nachgrübeln. In dieser Richtung lauerte der Wahnsinn.
Zwei Finger schnippten genau vor ihrem Gesicht, und sie sah sich überrascht um. Magnus blickte sie mit säuerlicher Miene an – wie immer. Er betrachtete die ganze Welt mit diesem Gesichtsausdruck.
»Haben Sie über ein Problem nachgedacht?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte sie sofort.
Dane saß im Kommandosessel und studierte die Berichte. Die Frau war groß und muskulös, hatte ein dreieckiges Gesicht und vorzeitig ergrautes Haar, das sie wesentlich älter als ihre dreiunddreißig Jahre aussehen ließ. Als Harriman hereinkam, sagte Dane knapp: »Captain auf der Brücke.« Sie erhob sich sofort vom Sessel und salutierte hastig.
Harriman warf ihr einen Blick der Verärgerung und Resignation zu. Dane entstammte einer traditionsreichen Soldatenfamilie, deren Geschichte bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg zurückreichte, wo sie in der Unionsarmee gedient hatte. Obwohl Starfleet im Grunde keine militärische Organisation war, verhielt sich Dane, als wäre sie an Verhaltensregeln gebunden, die vor Jahrhunderten gültig gewesen waren. Sie waren ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Sie wusste nicht einmal, dass sie sich ungewöhnlich verhielt und hätte nichts dagegen tun können.
Zu Anfang war sie Harriman damit furchtbar auf die Nerven gegangen. Doch er konnte nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Dane ein hervorragender Offizier war. Also hatte er entschieden, ihre kleinen Schrullen zu dulden, zumal sie dafür sorgten, dass ihr Verstand wach blieb. »Bericht, Commander«, sagte er.
»Ein Notsignal, Captain«, sagte sie. »Ursprung …«
»An den Koordinaten drei zwei vier Komma drei«, warf Demora ein, als Dane sich ein leichtes Zögern anmerken ließ.
Harriman nickte Demora zu, um ihr für diese Information zu danken, und wandte sich dann wieder an Dane. »Irgendwelche bekannten Schiffe in diesem Sektor?«
»Starfleet ist kein registriertes Schiff bekannt, dessen Flugplan sich mit diesen Koordinaten decken würde«, teilte Dane ihm mit.
Harriman nickte langsam. »Was natürlich überhaupt nichts zu sagen hat – außer dass es sich um kein Starfleet-Schiff handeln kann. Womit sich die Auswahl auf mehrere Tausend unabhängige Einheiten reduziert.«
Von der Kommunikationskonsole meldete sich Lieutenant Z'on, dessen raue Stimme elektronisch durch die Einrichtung reproduziert wurde, die er am runzligen blauen Hals trug. »Es ist mir gelungen, einige der lokalen Interferenzen auszuschalten, Captain«, sagte Z'on. »Dadurch konnte der Empfang des Notsignals verbessert werden.«
»Ich möchte es hören, Lieutenant«, sagte Harriman. Er beugte sich nachdenklich vor, auf die Armlehne seines Kommandosessels gestützt, als eine weibliche Stimme aus den Brückenlautsprechern drang. Dann runzelte er die Stirn, da es sich um einen Fluss unverständlicher Silben handelte.
Demora blickte plötzlich auf und blinzelte überrascht.
Harriman wandte sich an Z'on. »Was ist das? Es klingt wie …«
»… Chinesisch«, warf Demora ein und drehte sich mit ihrem Sitz herum. »Einer der nicht so weit verbreiteten Dialekte, um genau zu sein.«
»Ich werde den automatischen Translator zuschalten«, sagte Z'on.
»Sparen Sie sich die Mühe, Lieutenant«, sagte Demora. »Meine Kenntnisse sind ein wenig eingerostet, aber … es handelt sich um einen allgemeinen Notruf. Der Text wird ständig wiederholt: ›Wir sind in Not geraten. Bitte helfen Sie uns! Wir benötigen Hilfe von einem Schiff in diesem Sektor. Wir sind in Not geraten‹, und so weiter.«
»Keine genaueren Angaben?«
»Nein. Nur das, was ich gerade sagte. Immer wieder von vorne.«
»Ich konnte den Ursprung des Signals feststellen«, sagte Z'on. »Es kommt von Askalon Fünf.«
»Askalon Fünf«, sagte Dane ohne Zögern. »Eine Welt der Klasse M, aber unbewohnt und nicht besonders lebensfreundlich. Bei früheren Fernuntersuchungen wurden Spuren einer ausgestorbenen Zivilisation entdeckt, die noch nicht von einem archäologischen Team erforscht wurden. Der Stern des Systems befindet sich in einem Übergangsstadium. Die allmähliche Abkühlung hat keinen sehr positiven Einfluss auf die Umwelt der Planetenoberfläche.«
»Stellt die Sonne irgendeine Gefahr für das Schiff dar?«
»Peripher.«
»Und das bedeutet …?«
Dane lächelte dünn. »Wenn wir uns die nächsten hunderttausend Jahre im Orbit um Askalon Fünf aufhalten, dann besteht die Möglichkeit, dass es zu gefährlichen Situationen kommt.«
Harriman war so verblüfft, dass er eine Weile lang gar nichts sagte. Diese Phase hielt so ungewöhnlich lange an, dass sich mehrere Besatzungsmitglieder neugierig umdrehten. Doch dann lachte Harriman leise. »Ich denke, wir können ein solches Risiko eingehen. Pilot, gehen Sie auf Kurs Askalon Fünf!«
»Kurs eingegeben, Captain«, meldete Magnus.
Harriman trommelte aus Gewohnheit mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels, bevor er den Befehl gab, der an einen anderen Captain eines Raumschiffs namens Enterprise erinnerte. Im Stil des großen Captains Christopher Pike sagte er: »Energie!«
Captain Harriman saß in seinem Quartier und starrte nach draußen auf die Bewegungen der Sterne, während er dachte, dass ein Bereitschaftsraum eine wirklich gute Idee wäre. Ein spezieller Raum für den Captain, genau neben der Brücke. Wohin er sich zurückziehen konnte, wenn er nachdenken oder planen musste oder einfach nur für einen Moment der erdrückenden Last der Verantwortung entfliehen wollte. Dort könnte er sich sammeln, ohne sich allzu weit von der Brücke entfernen zu müssen, ohne den weiten Weg in sein Quartier gehen zu müssen.
Denn er verließ die Brücke nur ungern.
Dummerweise war er in letzter Zeit auch nicht sehr versessen darauf, sich dort aufzuhalten …
»Captain?«, hörte er eine leicht besorgte Stimme von draußen, die ihn aus seinen Grübeleien riss, bis er erkannte, dass sich ein Besucher angemeldet hatte.
»Herein!«, rief er.
Die Tür glitt auf, und Fähnrich Sulu trat ein. Ihr Verhalten wirkte sehr zögerlich.
»Ja, Fähnrich?«
»Captain … ich bitte darum, dem Rettungsteam auf Askalon Fünf zugeteilt zu werden, vorausgesetzt, dass es ein solches geben wird.«
Er blickte sie über seinen Schreibtisch hinweg an. »Warum sollte es kein Rettungsteam geben, Fähnrich? Wir haben einen Notruf empfangen. Wir sind gekommen, um zu helfen. Und wenn wir dort eingetroffen sind, werden wir auf keinen Fall nur gebannt auf die Stelle starren, wo sich der Notfall ereignet hat.«
»Nein, Captain.«
»Dann haben Sie eine seltsame Formulierung gewählt.«
»Ja, Captain. Entschuldigen Sie bitte.«
»Ein Rettungsteam ist keine Urlaubsgruppe, Fähnrich. Es wäre Ihr erster Außeneinsatz, nicht wahr?«
»Ja, Captain.« Sie versuchte, die Situation etwas aufzulockern. »Ich könnte in Weiß gehen.«
Er starrte sie an. »Ich schätze, das sollte der Versuch eines Scherzes sein.«
Ihre Lippen bewegten sich, aber es gelang ihr nicht sofort, eine Erwiderung zu formulieren. »Ja, Captain«, brachte sie schließlich heraus, als sie sich zusammengerissen hatte. »Ich wollte es Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt sagen, Captain, statt stumm darauf zu hoffen oder es mit Ihnen vor allen anderen auf der Brücke zu diskutieren.«
»Aus Rücksicht auf Ihre oder meine Gefühle, Fähnrich?«
»Ich …« Sie zuckte die Schultern. »Ich hätte es für unangemessen gehalten, Captain.«
»Damit haben Sie recht.« Er hielt kurz inne und zuckte seinerseits die Schultern. »Also gut. Sie werden dem Landeteam zugewiesen.«
»Vielen Dank, Captain«, sagte Demora. »Wissen Sie, ich dachte, ich könnte von Nutzen sein, da das Notsignal in Chinesisch ist …«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst.«
»Und wenn es da unten wirklich Ruinen gibt, nun, alte Zivilisationen sind ein Hobby von mir … Ich habe sogar mehrere Hobbys, um genau zu sein. Ich habe mir außerdem vor einiger Zeit überlegt, ob ich vielleicht …«
»Fähnrich«, sagte Harriman mit sanftem Nachdruck, »es gibt eine alte Redensart: Wenn man die Verhandlung gewonnen hat, sollte man schnellstmöglich den Gerichtssaal verlassen.«
Sie blinzelte verblüfft. »Wie bitte?«
»Sie sind zu mir gekommen, um sich meine Erlaubnis zu holen. Ich habe sie Ihnen erteilt. Und jetzt wollen Sie mir die Gründe nennen, aus denen ich eine Entscheidung treffen sollte, die ich längst zu Ihren Gunsten getroffen habe. Das einzige, was Sie jetzt noch erreichen könnten, wäre, dass ich es mir anders überlege. Das wollen Sie doch sicher nicht, oder?«
»Nein, Captain«, sagte Demora. Instinktiv öffnete sie den Mund, um noch etwas zu sagen, doch dann riss sie sich im letzten Moment zusammen, schloss den Mund wieder und ging.
Erst nachdem sie sein Quartier verlassen hatte, erlaubte sich Harriman ein Lächeln, wenn auch nur ein leichtes, das bald wieder verblasste.
Er tippte auf eine Taste in seiner Schreibtischkonsole. »Persönliches Logbuch, Zusatzeintrag«, sagte er. Er hatte heute bereits einen knappen und recht nüchternen Eintrag gemacht. Doch sein Gespräch mit Fähnrich Sulu hatte eine traurige Saite in ihm angeschlagen.
Und er hatte niemanden, mit dem er darüber reden konnte.
Er konnte nicht mit seinen jüngeren Offizieren reden. Das wäre unangemessen. Der Ingenieur war älter als er, genauso wie der Doktor … aber er fühlte sich nicht sicher genug, um ihren Rat zu suchen. Schließlich war er der Captain. Er konnte es sich nicht leisten, jemanden zu seinem Ersatzvater zu ernennen. Er war es, an den sich alle anderen vertrauensvoll wenden sollten. In dieser Rolle fühlte er sich sehr einsam.
Also tat er das einzige, was ihm noch blieb: Er führte Selbstgespräche.
»War ich auch einmal so jung?«, überlegte er laut. »Nun, genau da scheint das Problem zu liegen. Es kommt mir wie gestern vor, als ich so jung war. Und jetzt stehe ich hier und habe das Kommando über ein Schiff – über das Raumschiff Enterprise. Trotzdem steckt mir immer noch der zögernde, unsichere Fähnrich in den Knochen. Der weiterkommen möchte, der neue Dinge ausprobieren will, der aber keine Probleme verursachen will, der keinen Wirbel machen will.
Verdammt, ich habe mich auf der Brücke zögerlich verhalten. Nicht sehr, aber immerhin. Die Leute haben es bemerkt, das ist mir nicht entgangen. Ich habe zu viele Fragen über die Sicherheit gestellt. Ich war viel zu vorsichtig!« Er schlug mit der offenen Hand auf die Tischplatte. »In dem Augenblick, als sich herausstellte, dass es ein Notruf war, hätte es keine weiteren Diskussionen mehr geben dürfen! Jemand braucht unsere Hilfe, also helfen wir – so einfach ist das!
Jedes Mal … jedes Mal, wenn ich auf diese Brücke trete, sehe ich Kirk dort sitzen. Er starrt mich an und beobachtet jede meiner Bewegungen. Er prüft mich, und ich falle jedes Mal durch. Immer. Jede Entscheidung, die ich treffe, jeden Befehl mit Konsequenzen diskutiere ich im Geiste mit Kirk, um sicherzugehen, dass ich richtig handle. Aber er gibt mir niemals auch nur den geringsten Hinweis. Er sitzt einfach nur da, sieht mich an und schweigt!
Sie glauben, ich wüsste nichts davon. Sie glauben, ich hätte den Spitznamen nicht gehört, den dieses Schiff insgeheim erhalten hat: Der Fliegende Holländer. Hinter verschlossenen Türen, hinter vorgehaltener Hand reden sie darüber, dass ich der Captain des Totenschiffes bin. Des Schiffes, das die lebende Legende tötete.
Und alles ist meine Schuld. Man hat mich von allen Vorwürfen freigesprochen, ja. Man hat meinen Namen reingewaschen. Und das alles nur, damit wir das schmutzige kleine Geheimnis bewahren können, von dem wir alle wissen. Ich hätte niemals zustimmen dürfen, dass das Schiff startete, bevor alle Überprüfungen abgeschlossen waren. Ich war so begeistert von dieser einmaligen Gelegenheit. Ich habe mir von ihnen alle Bedenken ausreden lassen. Waffen- und Verteidigungssysteme nicht vor Dienstag einsatzbereit. Warum zum Teufel habe ich also nicht darauf bestanden, dass wir bis Dienstag warten? Aber nein. Das durfte ich nicht verantworten. Irgendein Wichtigtuer hatte alle Termine für die Pressekonferenzen angesetzt und dann festgestellt, dass wir eine Woche hinter dem Zeitplan lagen. Also wollte er nicht wie ein Idiot dastehen. ›Fliegen Sie mit dem Schiff los, Harriman! Es wird schon gutgehen, Harriman. Ein kleiner Rundflug durch das Sonnensystem – es kann überhaupt nichts schiefgehen, Harriman. Gehorchen Sie Ihren Befehlen, Harriman. Tun Sie, was man Ihnen sagt, seien Sie ein braver Junge, Harriman!‹ Ich verfluche das gesamte scheinheilige Pack! Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich mit diesem Schiff zu einer Rettungsmission starten musste, auf die wir überhaupt nicht vorbereitet waren, und jetzt bin ich berühmt als der Captain, auf dessen erster Mission der unverwüstliche Kirk ums Leben kam. Der Mann, der tausend Gefahren überlebte, bis er mit der Gefahr konfrontierte wurde, der er nicht mehr gewachsen war: dem Kommando von Captain John Harriman.«
Dann schwieg er und starrte auf das Computerterminal. »Computer«, sagte er schließlich, »sämtliche Einträge des heutigen Tages aus dem persönlichen Logbuch löschen!«
»Einträge gelöscht«, sagte der Computer.
Harriman trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, bis er sagte: »Neuer Eintrag. Persönliches Logbuch des Captains: Alles in Ordnung.«
Es war aus zwei Gründen ein bemerkenswerter Eintrag. Erstens war er lobenswert kurz. Und zweitens hatte er exakt denselben Wortlaut wie alle Logbucheinträge der letzten zwei Wochen. Die zudem alle auf ähnliche Weise entstanden waren.
Eine Woche, bevor Captain John Harriman einen Kinnhaken von Commander Pavel Chekov erhalten würde, schaltete er den Computer ab und machte sich wieder auf den Weg zur Brücke.
Askalon V wurde in jeder Beziehung dem Ruf gerecht, eine Welt zu sein, auf der niemand freiwillig leben wollte.
Ein düsterer violetter Schleier hing über dem Himmel. Die Luft wurde von einer stetigen Brise bewegt, die täuschend sanft wirkte. Doch bereits nach etwa dreißig Sekunden spürten die Mitglieder der Landegruppe die beißende Kälte, die ihnen bis in die Knochen drang.
Der Boden unter ihren Stiefeln fühlte sich weich an, beinahe wie Lehm. Dieser Umstand machte das Laufen zu einer anstrengenden Tätigkeit. Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben, der widerspenstige Boden, der Wind, der ihre Gelenke steif werden ließ, und der düstere Himmel, der auf die Stimmung drückte. Insgesamt war es keineswegs die Atmosphäre, in der man nach landläufigen Vorstellungen zu Abenteuern und Entdeckungen aufbrach.
Harriman führte das Landeteam persönlich an. Diese Praxis war zu Kirks Zeiten allgemein verbreitet gewesen. Doch die Föderationspolitik hatte sich allmählich geändert, als immer mehr Captains dem Beispiel Kirks folgten. Damit wollten sie ihre Tapferkeit und ihre Flexibilität demonstrieren, doch was sie im allgemeinen nicht demonstrieren konnten, war Kirks beinahe übernatürliches Glück.
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