Star Trek: The Next Generation - Julian Wangler - E-Book

Star Trek: The Next Generation E-Book

Julian Wangler

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Beschreibung

Mit Star Trek: The Next Generation wurde die kühne Vision Gene Roddenberrys von einer Zukunft zwischen den Sternen endgültig zum Massenphänomen. An Bord einer neuen U.S.S. Enterprise erleben Captain Jean-Luc Picard und seine Mannschaft die unterschiedlichsten Abenteuer - und stellen unter Beweis, was eine bessere, geläuterte Menschheit ausmacht. Auch Jahrzehnte nach dem Produktionsende hat The Next Generation nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt. Dieses Sachbuch widmet sich den einzigartigen Inhalten, Botschaften und dem Setting der Serie, beleuchtet Figuren, Völker, Ereignisse und Schauplätze.

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„Es ist gut möglich, keine Fehler zu machen und dennoch zu verlieren. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Das ist das Leben.“

- Jean-Luc Picard in Galavorstellung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 1:

Dem idealtypischen

Star Trek

auf der Spur

Vorwort 2: ∞∞∞

– Die Serie –

Kurze Würdigung: Ein fruchtbarer Boden

Der Weg zur Erfolgsserie: Geburt und Genese von TNG

Buntes Missionspotpourri: Storyelemente von TNG

Impact & Implikationen: TNGs übergeordnete Botschaften

Der Status quo: Wir können begreifen, aber können wir auch handeln?

– Rewatch –

Pilotfilm

Der Mächtige

/

Mission Farpoint

Season 1 & 2: Aller Anfang ist schwer (1987-89)

Season 3: Die Selbstfindung beginnt (1989/90)

Season 4 – 6: Die Blüte der neuen Ära (1990-93)

Season 7: Das verflixte siebte Jahr? (1994)

Die

Top-25

unter 178 Episoden

Nicht realisierte Drehbücher und Storyideen

– Die Figuren –

Charakterdossier: Jean-Luc Picard

Charakterdossier: William T. Riker

Charakterdossier: Data

Charakterdossier: Worf

Charakterdossier: Geordi La Forge

Charakterdossier: Deanna Troi

Charakterdossier: Beverly Crusher

Weitere Charaktere im Überblick

Was will Q? – Die Rollen des allmächtigen Querulanten

Der gute Geist: Wer ist Guinan wirklich?

Die ‚Badmirals‘: Was sagen sie über die Föderation aus?

Beziehungskisten

Kommandotandem: Picard / Riker

Verschwiegene Liebe: Picard / Crusher

Wiedergefundene Liebe: Riker / Troi

Rat und Weisheit: Picard / Guinan

Vater-Tochter-Ersatz: Picard / Ro

– Die wichtigsten Mächte –

Utopia im Epochenbruch: Vereinigte Föderation der Planeten

Kampf und Ehre: Klingonisches Reich

List und Tücke: Romulanisches Sternenimperium

Machtgier und Machtverfall: Cardassianische Union

Lang lebe der Kapitalismus: Ferengi-Allianz

Zerrspiegel der Utopie: Das Borgkollektiv

– Politisch bedeutsame Ereignisse –

2026-53: Dritter Weltkrieg

2063: Erster Kontakt

2063-2123: Flucht von der Erde

2311-71: Algeron und seine Folgen

2340-75: Cardassia- und Maquis-Konflikt

2344: Schlacht von Narendra III

2346: Khitomer-Massaker

2364-74: Romulanische Gefahr

2365: Jagd um Iconia

2365-78: Borgchronologie

2367/68: Klingonischer Bürgerkrieg

2369: Entdeckung der Urhumanoiden

2379: Shinzon-Staatsstreich und die Folgen

– Die Raumschiffe der neuen Ära –

„Größe und Komplexität“: Die

U.S.S. Enterprise-D

Schwere Zeiten voraus: Die Sternenflotte im 24. Jahrhundert

Ikonische Raumschiffe anderer Mächte in TNG

– Die TNG-Zukunft –

Mehr Spektakel wagen: Die TNG-Kinofilme

Star Trek

VII:

Treffen der Generationen

(1994)

Star Trek

VIII:

Der Erste Kontakt

(1996)

Star Trek

IX:

Der Aufstand

(1998)

Star Trek

X:

Nemesis

(2002)

Das Ende der Reise

Forschen war gestern: Der TNG-Relaunch (Romanschiene 1)

Nummer Eins wird flügge: Die

Titan

legt ab (Romanschiene 2)

Nachwort 1:

Juwel auf schwarzem Satin

Nachwort 2: ∞∞∞

Vorwort 1: Dem idealtypischen Star Trek auf der Spur

„Ein Name muss in allen Geschichtsbüchern stehen. Der Name: Enterprise.“

Star Trek ist viel mehr als ein fiktives Abenteuer zwischen den Sternen. Es ist voll von Parabeln und Metaphern, die auf unsere Gegenwart anspielen und etwas über unsere Gesellschaft aussagen. Zugleich weist es in seinen besten Momenten weit darüber hinaus, indem es jene inspirierende Utopie stiftet, in der sich eine vereinte Menschheit dem Universum zugewandt hat. Star Trek begleitet mich nun schon über einen großen Teil meines Lebens. Irgendwie ist es immer dabei gewesen, in allen möglichen Lebenslagen, bewusst wie unbewusst. Und alles fing an mit der einen Serie, ohne die die große Fülle bewegender Sternenreisen nicht möglich gewesen wäre.

Heute vor so ziemlich genau 30 Jahren ging Star Trek: The Next Generation (TNG) zu Ende. Die sieben Staffeln umfassende TV‐Serie hatte die Generationen, die sie sahen, in Beschlag genommen, Jung wie Alt. Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Substanz, aber auch der (visuellen) Zukunftsrepräsentationen, die sie anbot, war sie damals etwas Neues gewesen. Die Botschaften der Serie waren oftmals kühn und strotzten vor Optimismus. Zugleich verhalf TNG mit seinem klar konturierten Profil Star Trek als breit rezipiertem Science‐Fiction‐Phänomen endgültig zum Durchbruch. Gene Roddenberry, der Schöpfer der Originalserie rund um Captain Kirk und den Vulkanier Spock, hatte lange und hart dafür gekämpft. Der späte Neuanlauf mit TNG war sein letzter gewesen, ehe er verstarb, doch diesmal hatte er sich einen dauerhaften Platz in den Geschichtsbüchern gesichert.

So kam es, dass mit dem Anbruch der 1990er Jahre ein gewisser kahlköpfiger Franzose mit auffallend britischem Akzent Spuren im Star Trek‐Franchise und weit darüber hinaus hinterließ. Der kultivierte Jean‐Luc Picard, Captain einer neuen U.S.S. Enterprise, trank im Laufe von 178 Episoden nicht nur eine Menge Earl Grey, straffte in martialisch‐entschlossener Art seine Uniform, gab ikonische Befehle, sondern mauserte sich zum großen Bannerträger von Roddenberrys futuristischer Vision. Er demonstrierte dies in Wort und Tat, stets geleitet von hohen Ansprüchen an sich selbst und dem Bestreben, das Richtige zu tun. In Gesprächen mit dem Androiden Data dachte er nicht bloß über das Wesen des Menschseins nach; nein, er war jederzeit bereit, handfest zu demonstrieren, was es bedeutet, auch in kritischen oder existenziellen Momenten zu Humanismus und moralischen Grundfesten zu stehen.

Jean‐Luc Picard wurde zu einem neuen Typus modernen Heldentums. In TNG begegnet uns kein testosterongeladenes Alphatier, das frei von Zweifeln und blind vor Selbstgewissheit „nach vorne stürmt, wo Engel furchtsam weichen“ (um einen anderen bekannten Captain zu zitieren). Dieser Mann war immer ein Held kraft seines Verstandes, seiner Fähigkeit, nüchtern und unvoreingenommen Zusammenhänge zu erkennen und dem großen Ganzen Rechnung zu tragen. Picard war ein Held der Tugendhaftigkeit, die er stets bestrebt war, zu schützen und zu mehren. Dieses Ethos übertrug sich auf die besonderen Frauen und Männer, die unter seinem Kommando dienten: Commander William T. Riker, den bereits erwähnten Lieutenant Commander Data, Lieutenant (Commander) Geordi La Forge, Lieutenant (Commander) Worf, Counselor Deanna Troi, Dr. Beverly Crusher und etliche weitere.

Mit Star Trek: The Next Generation und Captain Picard bin ich zum Fan geworden, und selbst nach all den Jahren beschleicht mich immer noch ein wohliges Gefühl von Nachhause‐Kommen, jedes Mal, wenn ich mir eine Folge ansehe, die mich an Bord der U.S.S. Enterprise NCC‐1701‐D zurückführt, jenes helle, freundliche Wunderwerk der technologischen Möglichkeiten. Ich könnte es noch weiter zuspitzen: TNG ist vermutlich das eine Stück Popkultur, das mich am meisten geprägt hat. Deshalb war es seit Jahren mein inniger Wunsch, ein eigenes Sachbuch rund um diese einzigartige Serie herauszubringen. Nun endlich ist es mir möglich, die Lücke zu schließen. Dabei habe ich mich bei der Gestaltungsweise und den Schwerpunkten an den bisherigen Büchern orientiert, die ich bislang zu einigen anderen Star Trek‐Serien herausgebracht habe1.

Entsprechend verstehe ich das vorliegende Werk nicht als Making-of-Buch, das die Produktionsbedingungen minutiös aufarbeitet und Anekdoten vom Set erzählt, wiewohl ich mich bemühe, wichtige Rahmendaten bzw. Hintergrundinformationen einfließen zu lassen. Stattdessen möchte ich hier den Versuch unternehmen, die übergeordneten Ge‐danken und das Konzept von The Next Generation einzufangen. Das heißt, es stehen Analysen und Interpretationen des narrativen Stoffes der Serie im Mittelpunkt. Neben der Betrachtung von Themen und Leitmotiven sowie einem ausführlichen Rewatch möchte ich besonders auf das Setting von TNG eingehen. Darunter fasse ich in der Serienhandlung stattfindende (politische) Ereignisse im Ränkespiel der Mächte, prominente Völker und Kulturen, Figuren, deren Persönlichkeiten, Entwicklung und Beziehungen untereinander, Raumschiffe und Schauplätze. In verschiedenen Essays möchte ich mich mit den unterschiedlichen Bestandteilen der komplexen Welt von TNG auseinandersetzen, das nach seinem Produktionsende durch vier Kinofilme eine veritable Erweiterung erfuhr. Auch auf die Filme (sowie die anknüpfenden Romanfortsetzungen) möchte ich in diesem Buch eingehen. Unter dem Strich, so hoffe ich, wird deutlich, wie ich die Serie erlebt habe und was mich daran bis heute fasziniert. Auf den mehr als 650 Seiten, die vor Ihnen liegen, habe ich meine persönlichen Gedanken, Übersichten und Deutungen zusammengetragen.

Mit Star Trek: PICARD ist im Jahr 2020 eine zeitlich weiter entfernte Fortsetzung der TNG‐Saga erschienen. Diese neue Serie habe ich im vorliegenden Buch bewusst nicht berücksichtigt2. Der Grund hierfür ist ein relativ simpler. Als TNG entstand und letztlich nach der Verlängerung im Kino mit dem Film Nemesis sein Ende fand, gab es keine weiteren Pläne, Picard und Co. noch einmal zurückzuholen. Star Trek: PICARD in einem Sachbuch aufzuführen, das sich TNG widmet, würde in meinen Augen die Gefahr bergen, die vielen TNG‐Jahre rückblickend so zu interpretieren, als wäre alles auf die neue Serie zugelaufen. Doch zum Zeitpunkt, als TNG produziert wurde, war die Zukunft weit offen, und was Star Trek: PICARD betrifft, so zeigt dieses Spin-off auch nur eine mögliche Zukunft, wie sie vom TNG‐Standpunkt aus denkbar gewesen ist. Daher habe ich mich dezidiert der Übung ausgesetzt, nur von der Serie mit dem ‚jungen-alten‘ Jean‐Luc Picard zu schreiben bzw. darüber Analysen anzustellen. Was ich allerdings sehr wohl zur Komplettierung meiner Artikel zum Setting heranziehe, sind die Schwesterserien von TNG, allem voran Deep Space Nine und Voyager (aber punktuell auch The Original Series und Enterprise), weil sie ein bewusst vernetztes Kontinuum bilden. Immerhin sind die drei Shows streckenweise parallel zueinander gelaufen, es gab zwischen ihnen wechselnde Autoren und Produzenten, und so gab es auch immer wieder einen Austausch von Themen, Ereignissen und Figuren.

In diesem Sinne: Machen wir es so!

‐ Der Autor, im April 2024

Anmerkung zur 2. Auflage:

In der zweiten Auflage dieses Buches wurden neben einer sorgsamen Überarbeitung aller bestehenden Kapitel einige neue Kapitel bzw. Abschnitte hinzugefügt:

Die Serie – Kurze Würdigung: Ein fruchtbarer Boden

Die Serie – Der Status quo: Wir können begreifen, aber können wir auch handeln?

Rewatch / Die TNG‐Zukunft – Erweiterung der Reviews; diverse ausdrucksstarke Zitate von Picard und anderen Figuren sind in die Staffel‐ und Filmbesprechungen integriert worden

Infokasten zu Jeri Taylor (Seiten 206/207)

‐ November 2024

Anmerkung: Dieses Buch ist nicht im Auftrag oder durch Unterstützung bzw. Veranlassung von Produzenten der Star Trek‐Serien oder zusammenhängenden Merchandise‐Artikeln entstanden. Es handelt sich ausschließlich um Meinungen und Interpretationen des Autors. Star Trek™ und sämtliche verwandten Markennamen sind eingetragene Warenzeichen von CBS Studios Inc. und Paramount Pictures.

1 u.a. Star Trek: Deep Space Nine – Utopia im Weltenbrand, BoD, 2024, 3. Auflage; Star Trek: Voyager – Eine Odyssee durch die Nacht, BoD, 2024, 3. Auflage; Star Trek: Enterprise – Aufbruch in ein neues Zeitalter, BoD, 2024, 3. Auflage

2 Wer sich allerdings für Zusammenhänge zwischen TNG und PICARD sowie weitergehende Betrachtungen von Figuren wie Ereignissen in der neuen PICARD‐Serie interessiert, dem empfehle ich ein weiteres meiner Sachbücher: Star Trek: PICARD – Das Ende ist erst der Anfang, BoD, 2024, 3. Auflage.

– Die Serie –

„Wenn man uns verdammen will, soll man uns für das verdammen, was wir wirklich sind.“

‐ Jean‐Luc Picard in Der Mächtige/Mission Farpoint

Zu seinen Füßen schien das ganze Tal zu schlafen. Nur ein paar vereinzelte Lichter brannten dort hinter den Fenstern der Gehöfte und Dörfer. Wenn im Sommer die Sonne über La Barre unterging, war das Land wunderschön und verheißungsvoll. Und das Firmament war so klar.

Der Junge lag auf dem mit Gras bewachsenen Hügel, seinen Hinterkopf auf die Wurzeln einer alten Pappel gebettet, und blickte hinauf in die Unendlichkeit des nächtlichen Himmels. Die annähernd vollständige Dunkelheit ließ selbst die schwächsten Sterne der Milchstraße wie die Signalfeuer eines Leuchtturms ausstrahlen, die den Kommandanten der Raumschiffe auf ihren langen Reisen durchs All den Weg wiesen.

Er hatte es immer geliebt, wenn die Sterne zum Vorschein kamen. Dann begab sich der Knabe mit einem Buch von Jules Verne und seinem allerliebsten Modellsegelschiff zu seinem Lieblingsbaum, suchte den Himmel nach Sternschnuppen ab und begann zu träumen. Von neuen Welten. Von dem, was das unermessliche All mit einem machte, wohin es einen führen mochte.

Die Möglichkeiten dort draußen schienen wahrhaft grenzenlos, und darin lagen für ihn Poesie und Freiheit und nicht enden wollende Abenteuer voller Entdeckungen. Alles, was einen belastete, was einen gewaltsam zurückhalten wollte, konnte man dort draußen hinter sich lassen, und alles Großartige und Noble konnte man gewinnen.

Sein Herz schwoll vor Sehnsucht. Der Himmel war die Grenze, die Grenze zu einem unbekannten, wundersamen Land, und mehr als alles andere wollte er ein Teil davon sein…

Die Serie

>> Kurze Würdigung: Ein fruchtbarer Boden

Ich gehöre dem Jahrgang 1985 an. Das heißt, zu jener Zeit, als die ursprüngliche Star Trek‐Serie erstmals lief, war ich noch lange irgendwo in der Milchstraße unterwegs. Ich bin in den 1990er Jahren TV‐ und Kino-sozialisiert worden, mit allen Höhen und Tiefen, die dazu gehören. Das bedeutet, eine emotionale Beziehung zu The Original Series – kurz: TOS – hatte ich nie.

Gleichwohl habe ich mich im Laufe der Zeit intensiv mit den abwechslungsreichen Abenteuern von Kirk, Spock und ‚Pille‘ befasst, weil sie schlicht und ergreifend ein zentraler Bestandteil des Franchise‐Canon geworden sind. Wer sich ernsthaft mit Star Trek beschäftigt, kommt an Classic nicht vorbei. Diese Serie, die in den 1970er Jahren im Zuge diverser Wiederholungen Kultstatus erlangen sollte, hat die definierenden Grundlagen gelegt. Die Serie wurde von Gene Roddenberry erdacht, einem ehemaligen Polizisten, der vorher Drehbücher für Kriminal‐ und Westernserien geschrieben hatte – eine Grundfärbung, die sich auch in TOS widerspiegeln sollte.

Star Trek war von Beginn an unmittelbar mit dem Setting Weltraum verbunden. Dies ging Hand in Hand mit einem zu dieser Zeit sprühenden Aufbruchsgeist in den USA und natürlich der beständigen Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion. Die bemannte Raumfahrt war von Anfang an ein Nukleus der Faszination. Sie verschlingt ungeheure Ressourcen, aber setzt auch beispielloses Wissen und Erkenntnis frei. Sie inspiriert Millionen Menschen dazu, von einer besseren Zukunft zu träumen, und bewegt sie, sich für die Wunder der Physik und die Wissenschaft zu begeistern. Gerade in jener Epoche symbolisierte die Raumfahrt: Wenn die Menschheit es schaffen kann, die Begrenzungen ihrer Wiege hinter sich zu lassen und neue Welten zu erobern (‚Wagon Train to the Stars‘), vermag sie auch alles andere zu erreichen. Damit wir den Glauben an ein gedeihliches, ja ein besseres Morgen nicht verlieren, brauchen wir Visionen und Träume, die diese Zukunft erstrebenswert erscheinen lassen. Die Raumfahrt ist daher eine Unternehmung, welche unsere besten Eigenschaften hervorruft: Neugier und Forschergeist, Optimismus, Kreativität, Abenteuerlust und die Fähigkeit, neu über uns selbst und unsere Sicht auf die Welt nachzudenken. All dessen war sich Gene Roddenberry in besonderer Weise bewusst, und er kultivierte es in seinem großen Wurf.

Als er seine Star Trek‐Serie in den 1960er Jahren konzipierte, war es ihm ein Anliegen, eine Zukunft zu zeigen, in der die Menschheit nicht einfach nur zwischen den Sternen reiste. Sie hatte sich auch weiterentwickelt, hin zu einer Spezies, die all die vielen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und Denkmuster hinter sich gelassen hat, welche uns in der Realität immer wieder große Probleme bereiten. Natürlich haben Menschen auch in Roddenberrys fiktivem Kosmos noch ihre Schwächen, doch sie haben gelernt, diese im Zaum zu halten und ihre Affekte stark zu zügeln. Zugleich ließ Star Trek die Probleme unserer Gegenwart nicht links liegen, sondern verschrieb sich ihnen in einer Vielzahl von Episoden, in denen die U.S.S. Enterprise neuen Völkern über den Weg lief. Gemeint sind Geschichten, die wie Parabeln auf zeitgenössische Themen und Entwicklungen daherkommen. Die Autoren verarbeiteten den Kalten Krieg und seine explosiven Stellvertreterkonflikte wie insbesondere den Vietnamkrieg, die Rassenkonflikte der 1950er und 1960er Jahre, die Zeit der Verbrechersyndikate in den USA, die aufkommende Computerisierung, Eugenie und andere Zeitbezüge – manchmal auch im amüsanten, bunten Trashformat, etwa wenn Kirk und seine Besatzung auf eine Gruppe von Weltraumhippies stießen. Genregrenzen gab es dabei nicht, und hier betrat Star Trek Neuland. Es machte sich im wahrsten Sinne des Wortes locker. Aus diesem inhaltlichen Potpourri konnten spätere Serien reichhaltig schöpfen und sich breit aufstellen.

Herausragend war, dass Star Trek zu all den Themen, die es aufgriff, eine eigene moralische Message mitbrachte. Man denke z.B. an die Absurdität ethnischer Konflikte, wie es die Folge Bele jagt Lokai nahelegt. Ähnlich absurd-genial sind verschiedene Darstellungen, wie Zerstörungswut und Kriegslust vernichtende Computer bzw. Massenvernichtungswaffen hervorbringen, die sich dann vollständig verselbstständigen und den Menschen mehr oder weniger ihren Willen aufzwingen (Krieg der Computer; Landru und die Ewigkeit; Ich heiße Nomad; Planeten‐Killer). Manchmal kam die Botschaft zwar ein wenig mit dem Holzhammer, aber hier zählt der Versuch, einen ethischen Kompass mitbringen zu wollen, was teilweise zu grandiosen Geschichten führte. Während die meisten generischen Unterhaltungsformate dieser Zeit dem Zuschauer unmissverständliche Gut‐Böse‐Konstellationen (blütenweiße Helden, abgrundtiefe Widersacher!) präsentierten, zeichnete sich Star Trek in seinen besseren Folgen dadurch aus, dass es nicht bloß schnurbartzwirbelnde Schurken darbot, sondern die Perspektive des Gegners einnahm, sich in ihn hineinversetzte. Musste man diesen auch bekämpfen (wie etwa im großen Raumkampf zwischen Captain Kirk und dem namenlosen romulanischen Commander, gespielt von Mark Lenard, in Spock unter Verdacht), wurden die Kontrahenten beleuchtet und auch mit Würde ausgestattet. Im Zuge dessen lernten wir, dass auch der Feind innere Konflikte mit sich austrägt und von daher ein mehrdimensionales Wesen aus Fleisch und Blut ist.

Star Trek machte es sich niemals leicht, sondern war schon damals emsig darum bemüht, die Gegenwart zu verarbeiten und durch das Prisma seines eigenen imaginären Kosmos zu spiegeln. So erhielten wir Geschichten von schillernder Reichhaltigkeit, die mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Erfindung nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Was in TOS eher beiläufig angelegt war – die U.S.S. Enterprise als Repräsentantin einer multikulturellen, moralisch‐humanistisch orientierten Planetenföderation – sollte ein Proprium späterer Star Trek‐Shows werden, ein spezielles Identitätsmerkmal und Markenzeichen des Franchise.

Ähnlich wegweisend war Star Trek mit Blick auf das (schauspielerisch perfekt besetzte!) Triumvirat Kirk, Spock und McCoy – gewissermaßen das Salz in der Suppe von TOS, vielleicht sogar jenes Lebenselixier, das die Serie schließlich populär machte und ihr auf längere Sicht sechs erfolgreiche Kinofilme bescherte. Natürlich ist die Figur des Captain Kirk ein Kind ihrer Zeit und aus heutiger Sicht vielleicht zu sehr das, was man einen nervenstarken Draufgänger in Wildwest‐Manier nennen könnte. Kirks Ambitionen als großer Schürzenjäger und Shatners gelegentliche Tendenz zum Overacting mögen diesen Eindruck noch verstärken. Allerdings muss man Kirk zugute halten, dass er nur an der Oberfläche dem Klischee des Männlichkeitsprotzes entspricht – nicht wenige Episoden zeigen ihn auch von einer abwägenden, nachdenklichen und zerbrechlichen Seite. Und seine Entscheidungen zur Lösung von Krisen sind oft erstaunlich differenziert und durchdacht. Hinzu kommt seine ausgeprägte freundschaftliche Bindung an seine ‚Flü‐gelmänner‘ Spock und McCoy. Kirks ‚Verpackung‘ als eher klassische Heldenfigur und sein wahrer Kern sind also zwei verschiedene Paar Schuhe.

Obwohl Kirk der starke Anführer sein soll, ist es nicht verwunderlich, dass sein Erster Offizier Spock (Leonard Nimoy) schnell zum überragenden Publikumsliebling und Ikone der Serie avancierte. Der abseits der menschlichen Gemeinschaft stehende Halbvulkanier war damals eine exotische Natur; sein stark kontrolliertes, akkurates Auftreten, seine brillante Intelligenz und Analytik, seine zu jeder Zeit wohl überlegten Ratschläge und Handlungsweisen stehen für einen geradezu Zen-artigen Charakter aus einer besseren Zukunft. In Kombination mit seinem teils unfreiwilligen Sparringspartner McCoy wurde Spock darüber hinaus zum Zentrum ausgesprochen humorvoller Szenen, die etwas von Don Camillo und Peppone haben. Spocks Figur wurde in den drei Staffeln immer mehr ausgeleuchtet, wobei seine latente innere Zerrissenheit zum Vorschein kam, die seiner halb-menschlichen, halb-vulkanischen Identität, aber auch den ‚wilden‘ Genen seiner Vorfahren geschuldet waren (Episode Weltraumfieber). In Summe all seiner Attribute wurde er stil‐ und inhaltsprägend für das gesamte ST‐Universum – man denke an in späteren Serien nachfolgende Grenzgänger wie den Androiden Data, den unter Menschen aufgewachsenen Klingonen Worf, den Formwandler Odo, die von den Borg befreite Seven of Nine oder Subcommander T‘Pol. Ohne Zweifel war Spock die Kultfigur der Serie und damals, in den Sechzigern, ein echtes Novum im TV.

Der Charakter des Doktor McCoy, von Kirk mit dem Spitznamen ‚Pille‘ versehen, ist ein Phänomen. Obwohl er oftmals gar nicht viel zur Handlung beiträgt, ist er in seiner Bedeutung so gut wie immer einer der drei Hauptcharaktere. Seine persönliche Verbindung zu Kirk und die häufigen Kontroversen mit Spock schufen erst das, was ich als Wundermischung von TOS bezeichnen würde. Dies wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die brillante Leistung von De‐Forest Kelley, der den Schiffsarzt zugleich kauzig und etwas ruppig darstellen konnte, ohne je einen Zweifel an seiner tiefen Menschlichkeit und Kompetenz aufkommen zu lassen.

Ganz ohne Frage ist es Roddenberry gelungen, ein heterogenes, liebenswürdiges und ineinander greifendes Trio zu bilden, das ganze Folgen mit seiner pikanten Chemie tragen konnte: Captain James T. Kirk als der charismatische Anführer mit den beiden Taktgebern ‚Pille‘ McCoy (= moralisches Gewissen und Gefühl) und Spock (= Verstand und Logik). Der Arzt und der spitzohrige Wissenschaftsoffizier traten häufig als argumentative Antipoden und heuristische Grundkategorien auf. Je nach Situation und Szenario musste der Captain neu abwägen und entscheiden. Kommende Serien haben sich hier mit eigenen Akzentsetzungen viel abgeguckt (insbesondere was den konsultierenden und beratenden Aspekt der Serie sowie das Ringen um das beste Argument angeht).

Auch das Thema Multikulturalität und Pluralismus war von vorneherein ein entscheidendes Element von Star Trek, das ihm eine gesellschaftliche Vorreiterrolle verschaffte. Der Umstand, dass in der Hochphase des Kalten Kriegs eine Führungscrew auf der Enterprise agierte, zu der ein Russe (Pavel A. Chekov) ebenso wie eine dunkelhäutige Frau (Nyota Uhura) oder auch ein Japaner (Hikaru Sulu) zählen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Den weiterführenden Integrationsaspekt verkörperte zudem der bereits erwähnte Spock mit seiner teils extraterrestrischen Abstammung – nicht nur der Feind, sondern auch das Unbekannte wurde auf diesem Schiff eingemeindet, was die Serie auch in ihrem Innerkosmos wahrhaft in die Zukunft katapultierte. Schon auf der Enterprise der 1960er Jahre wurde das Prinzip ‚Einheit in Vielfalt‘, wie es später zum Föderationsideal schlechthin werden sollte, aktiv gelebt.

Trotz der schweren Themen, die es teilweise behandelte, blieb Star Trek stets eine ausgesprochen leichtfüßige und optimistische Serie, die die tief sitzende Überzeugung ihres Schöpfers ausstrahlte: Die Menschheit ist in der Lage, ihre derzeitigen Probleme hinter sich zu lassen und sich entscheidend zum Guten weiterzuentwickeln, wenn sie dies nur wirklich will. Roddenberry sah die Segnungen der Aufklärung, der Rationalität und vor allem der Wissenschaft als Vehikel, um den Erdlingen zu einem nicht nur technologischen, sondern vor allem geistigen und moralischen Sprung nach vorn zu verhelfen. Dieser selbstermächtigende Spirit, der Star Trek intensiv mitgegeben wurde, überdauerte die Jahrzehnte.

Obwohl ich bereits in TOS einige Dinge erkenne, die später mal unter dem Rubrum ‚Roddenberry‐Box‘ dem ST‐Franchise rote Linien setzen würden (nicht immer zum Vorteil der Produzenten und Autoren), sehe ich sehr wohl die Samen, die damals gesät worden und in späteren ST‐Serien zu überaus blütenreichen Gewächsen gesprossen sind. Vieles, was am ST‐Franchise so einzigartig ist, hat seine Wurzeln unzweifelhaft in TOS. Insofern kann ich der Schöpfung Gene Roddenberrys nur meine Hochachtung entgegenbringen, war es damals doch ein echtes Wagnis, unter Low‐Budget‐Bedingungen ein Experiment ohne Blaupause und gegen alle in den 1960er Jahren vorherrschenden Sehgewohnheiten und Vorstellungen von der Zukunft. Selbst wenn es anfangs nicht den Erfolg zu haben schien, den Roddenberry sich erhoffte, so sieht man, wie TOS über die Jahre wie ein guter Wein reifte und mehr und mehr bei den Zuschauern Anklang fand. Es war erst der Beginn von etwas Großem, nämlich einem buchstäblichen Wagenzug zu den Sternen…

Besonders empfehlenswerte TOS‐Episoden

2x17: Epigonen

Durchweg schmissig: Kirk, Spock und McCoy tauchen in eine Gangsterwelt ein, die an das Chicago der 1920er Jahre erinnert – und liefern uns komödienreife Szenen, ohne den ernsten Bezug darüber zu vergessen.

1x13: Kodos, der Henker

Kriminalgeschichte mit Charakterdrama: Die Episode liefert tiefe Einblicke in Kirks Figur, der durch die schrecklichen Ereignisse auf Tarsus IV stark geprägt wurde.

2x04: Ein Parallel‐Universum

Durch den Spiegel: Die Ur‐Episode, die eine ganze Reihe von Folgen im bei Fans so beliebten Paralleluniversum begründete. Schillernd und erfrischend, auch wenn die Idee eigentlich von Philip K. Dick übernommen wurde.

1x23: Krieg der Computer

Plädoyer gegen den Krieg: Ein Szenario, das eindrücklich vor Augen führt, wohin Hass und Feindschaft führen und wie sie sich dauerhaft verfestigen können. Und ein Captain, der eine der beeindruckendsten Lösungen präsentiert.

1x22: Der schlafende Tiger

Schablone für einen der besten Kinofilme: Die Enterprise stößt auf die von der Erde geflohenen Augments rund um den früheren Herrscher Khan Noonien Singh, Kirks großem und ikonischem Gegner.

3x07: Gleichgewicht der Kräfte

Mein Feind, mein Verbündeter: Die Enterprise muss mit Klingonen zusammenarbeiten – die Erzrivalen beginnen zu erkennen, dass sie gar nicht so grundverschieden sind.

1x26: Kampf um Organia

Wegweisend für die Geschichte: Die pazifistischen Organier sind nicht das, was sie zu sein scheinen, und erzwingen einen Frieden zwischen Föderation und Klingonen.

1x14: Spock unter Verdacht

Die Enterprise hat eine historisch einschneidende Begegnung mit den Romulanern – es entbrennt ein Raumkampf, dessen bedrückende Intensität an ein U‐Boot‐Gefecht erinnert. Dramaturgisch sticht hervor, wie prägnant und unerwartet der romulanische Commander charakterisiert wird. Nachdenkliche Fragen kommen auf, was ihn möglicherweise mit Kirk, der ihn zur Strecke bringt, verbindet.

1x28: Griff in die Geschichte

Komplex und berührend: Ein durchgedrehter McCoy, eine ungewöhnliche Zeitreise mit allen Komplikationen und eine tiefgehende Romanze machen die Episode zu etwas ganz Besonderem.

2x15: Kennen Sie Tribbles?

Einfach ikonisch: Klingonen, eine kultige Raumstation und ein Haufen Pelzviecher, gesalzen mit deftigem Humor. Zu Ehren des 30‐jährigen Jubiläums griff DS9 die Folge auf und dockte mit einer eigenen Inkarnation an.

Die Serie

>> Der Weg zur Erfolgsserie: Geburt und Genese von TNG

Als Mitte der 1960er Jahre die Originalserie von Star Trek ausgestrahlt wurde, fand sie kein ausreichend breites Publikum. Daher entschied sich der (Science‐Fiction‐Serien gegenüber ohnehin eher skeptisch eingestellte) Sender NBC dafür, das futuristische Experiment als gescheitert anzusehen, und setzte die stets auf wackeligen Beinen stehende Show rund um Captain James Kirk, den Vulkanier Spock und Dr. Leonard McCoy nach dem dritten Jahr bzw. 79 Episoden ab. Doch Gene Roddenberry wollte sich damit nicht geschlagen geben. Hartnäckig und mit ganzer Hingabe kämpfte er weiter dafür, dass seine Zukunftsvision eines Tages wieder auf die Fernsehschirme zurückkehrte. Über lange Jahre hinweg bewies er einen enorm langen Atem und ebenso viel Selbstdisziplin.

Der Traum lebt

Dem Serienschöpfer kam der weitere Gang der Geschichte durchaus entgegen. In dem Versuch, die eigenen Verluste zu kompensieren, verkaufte Paramount Television die Star Trek‐Originalserie günstig an möglichst viele kleine Fernsehsender. Diese Entscheidung und die zahlreichen Wiederholungen führten ironischerweise dazu, dass die eigentlich abgesetzte Show im Laufe der 1970er Jahre einen enormen Popularitätsschub erfuhr, weltweit ausgestrahlt wurde und sogar Kultstatus erlangte. Diese überraschende Entwicklung veranlasste Paramount dazu, 1973 eine TOS‐Zeichentrickserie produzieren zu lassen (The Animated Series), gewissermaßen einen Nachklapp zu den drei Staffeln der Enterprise‐Abenteuer. Das war jedoch eher etwas für Liebhaber und Eingefleischte. 1975 gedachte man sogar, eine Neuauflage der Originalserie unter dem Arbeitstitel Star Trek: Phase Two in die Wege zu leiten – Roddenberry schien beinahe am Ziel seiner Hoffnungen auf eine zeitnahe Wiederbelebung seiner Schöpfung angelangt. Doch aus dem Projekt wurde schließlich nichts, zu groß waren die Bedenken und Zweifel in den Chefetagen des Studios. Lieber wollte Paramount es nun mit einem Kinofilm probieren. Weshalb gerade ein Streifen auf der großen Leinwand, mag man fragen. Nun, zum einen versprach solch ein einzelner Film eine bessere Risikokontrolle und konnte als effektiver Testballon fungieren. Zum anderen hatte der bahnbrechende Erfolg von Star Wars (1977) im Kino Begeisterung beim Studio geweckt, mit der eigenen Weltraummarke dem Pionier George Lucas hinterhereifern zu können.

Geschlagene zehn Jahre nach Einstellung der Originalserie und unter einem beträchtlichen Produktionschaos hinter den Kulissen wurde letztlich mit The Motion Picture 1979 der erste ST‐Kinofilm realisiert. Gene Roddenberry kam zwar angesichts seines erratischen Führungsstils beim Management des Projekts nicht sonderlich gut weg (das Studio machte ihn u.a. für die dramatisch ausgeuferten Produktionskosten verantwortlich) und der Film mochte mehr unter inszenatorischen Gesichtspunkten bemerkenswert sein, doch zahlte sich die Anstrengung aus – The Motion Picture erwies sich als kommerzieller Erfolg, und die Zuschauer waren hungrig, die unendlichen Weiten des Alls zu entdecken. Diesem vielversprechenden Signal folgend, wurden bis 1986 (wenn auch ab Film zwei nicht mehr unter Roddenberrys, sondern Harve Bennetts Ägide) vier wirtschaftlich höchst lukrative Kinofilme mit der Classic‐Crew produziert, die es neben ihren Schauwerten vollbrachten, die zentralen Figuren beachtlich weiterzuentwickeln. Mehr an Potenzial war in der Pipeline. In dieser Zeit hatte Paramount endgültig Blut geleckt und wollte Star Trek ins TV zurückbringen. Beinahe zwei Dekaden nach dem vorzeitigen Ende von TOS stand die umfassende Wiederbelebung des Science‐Fiction‐Phänomens in den heimischen Wohnzimmern tatsächlich in den Startlöchern. Es roch nach Aufbruch.

In der Chefetage setzte man sich in den Kopf, den Classic‐Nachfolger in Syndication zu produzieren, also Episode für Episode an unabhängige und regionale Sender zu verkaufen (Mehrfachverwertungsprinzip). Zudem sollten die Einnahmen aus den TOS‐Wiederholungen in die Produktion der neuen Show reinvestiert werden. Wegen des fortgeschrittenen Alters und den als zu hoch befürchteten Gagenforderungen von William Shatner und den anderen Darstellern aus der klassischen Serie plante das Studio frühzeitig mit einer neuen Besetzung. Spock‐Darsteller und Filmregisseur Leonard Nimoy lehnte zugunsten seiner Kinolaufbahn die Anfrage Paramounts ab, als Kreativverantwortlicher für die anvisierte Serie zu fungieren. Obwohl Roddenberry selbst zunächst nicht unmittelbarer Teil dieser Findungsphase war – nach dem stressigen Durcheinander während der Produktion des ersten ST‐Films war er mehr oder weniger entmachtet worden –, wurde er relativ rasch angesprochen, um die Konzipierung der neuen Inkarnation mit seiner Expertise zu unterstützen. Um ihm aber nicht die alleinige Verantwortung zu übertragen, teilte ihm Paramount Rick Berman, bis dahin stellvertretender Programmdirektor, als Aufsichtsperson zu. Berman, eigentlich Geschäftsmann und Zahlenmensch durch und durch, sollte bald schon eine tiefe Bewunderung für die Gedankenwelt und Überzeugungen des ST‐Großmeisters entwickeln, was für die weitere Genese des Franchise nicht unwichtig werden würde. Roddenberry gefielen die ersten Ideen zum Serienvorhaben nicht und erschienen ihm zu weit weg von dem, was eine Neuauflage seiner Vision verkörpern sollte. Also lieferte der Franchisevater munter eigene Impulse und inhaltliche Vorschläge. Dies überzeugte Paramount, ihn in kreativer Hinsicht erheblich stärker einzubinden. Abgesehen davon war Roddenberry aufgrund seiner engen Verzahnung mit der inzwischen breit gesprossenen ST‐Fangemeinde wichtig für das Studio, das ihn als glaubwürdigen Transmissionsriemen zu nutzen gedachte. Es sah alles nach einem Win-win‐Szenario aus.

Großer Ehrgeiz, große Pläne

Über diese Rampe kehrte Roddenberry sozusagen in den Kommandosessel des verheißungsvollen Unterfangens zurück. Der gebürtige Texaner nutzte die Gunst der Stunde, um sich geradezu unverzichtbar für Paramount zu machen. Nachdem er sich bei der Produktion der Kinofilme zwei bis vier rund um die Originalcrew ein ständiges, wenngleich vergebliches Tauziehen mit dem Studio um die Ausrichtung des Franchise geliefert hatte, setzte er jetzt – auch unter Zuhilfenahme gewisser juristischer Finten – alles daran, die komplette kreative Kontrolle über TNG zu erhalten. Das Pokerspiel ging zugunsten Roddenberrys auf, und Paramount schlug ein. Daraufhin versammelte er ein handverlesenes Team von Autoren, mit denen er schon bei TOS zusammengearbeitet hatte, unter ihnen David Gerrold, Robert Justman und D.C. Fontana. Zusammen mit seinen Mitstreitern erstellte er eine lose Serienbibel, in der Umgebung, Figuren, Sets und Begrifflichkeiten für die neue Inkarnation umrissen wurden.

Roddenberry wollte den Kern der klassischen Serie und deren Botschaften beibehalten. Allerdings sah er die Notwendigkeit, eine Serie zu produzieren, die den späten Achtzigern angemessen war. Das galt längst nicht nur für die optisch-technische Seite. Seit dem Ende von TOS war in Roddenberrys Hinterkopf die Einsicht gereift, dass es im Fall einer Wiederbelebung von Star Trek einer Stärkung des utopischen Elements bedurfte, um eine wirklich fortgeschrittene Menschheit glaubwürdig und inspirierend vermitteln zu können. Die Zeichen hierfür schienen günstiger zu sein als in den von der Blockkonfrontation geprägten 1960er Jahren. Zudem war Roddenberry bei der Produktion von TOS immer wieder durch das Studio dazu gedrängt worden, Drehbücher actionreicher und mainstreamkonformer auszugestalten als ursprünglich von ihm vorgesehen. Dadurch hatte er bei seinen persönlichen Vorstellungen von einer kraftvollen, progressiven Zukunftsdarstellung Abstriche machen müssen. Dies bewies bereits der Wechsel vom ursprünglichen TOS‐Pilotfilm Der Käfig mit einem in sich gekehrten, zweifelnden Captain Christopher Pike und einer Frau als Erstem Offizier hin zu Das Letzte seiner Art mit einem nun draufgängerischen Captain James Kirk und einer männlich dominierten Kommandocrew. Zwei Dekaden später aber sah Roddenberry die Gelegenheit gekommen, deutlich kühner aufzutreten und einige wichtige Gesetzmäßigkeiten an seinem neuen Anlauf nachzuschärfen. Analog zum letztendlich gewählten Titel der Show, The Next Generation, wurde Star Trek in die Zukunft verlegt, um etwa 100 Jahre ins 24. Jahrhundert. Dort sollte eine brandneue Enterprise (fernes Nachfolgemodell von Kirks legendärem Schiff) mit einer ebenso frischen Besatzung auf Entdeckungsreise im Weltraum gehen. Zu den Missionen sollten – in angestammter Manier – der Kontakt mit bislang unbekannten Lebensformen, das Erforschen von fremden Kulturen und von allerhand Phänomenen im All, die Vermittlung und Schlichtung bei sozialen und interkulturellen Konflikten sowie die Hilfe bei technischen Problemen gehören. Mitunter geht es jedoch auch um politische und militärische Auseinandersetzungen mit anderen Mächten, was ebenfalls schon in der Originalserie angelegt gewesen war.

Roddenberrys Wunsch nach einer fortschrittlicheren, verwegeneren und optimistischeren Zukunftsdarstellung bezog sich zunächst maßgeblich auf das Schiff, das wesentlich größer, moderner und luxuriöser als Kirks Enterprise daherkommen sollte. Primär auf Forschungs‐ und diplomatische Missionen ausgelegt, sollte es einerseits in den Tiefen des Alls auf Forschungsexpedition gehen, andererseits im bekannten Raum tatkräftig im Sinne von Frieden und Völkerverständigung agieren. Anders als in TOS, das von einem durchgehend militärisch geprägten Duktus bestimmt gewesen war, sollten diesmal Zivilisten und sogar ganze Familien an Bord mitreisen. Auf der U.S.S. Enterprise NCC‐1701‐D sollten der über 1.000 Personen starken Mannschaft technologisch weit gediehene Erholungs‐ und Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stehen, darunter ein extrem fortschrittlicher 3D‐Umgebungssimulator (Holodeck). Der im Vergleich zu TOS progressivere Gestus sollte aber auch für den neuen Kommandanten gelten. Jean‐Luc Picard wurde als eine im Vergleich zu Kirk reifere, ältere und stärker auf die Mittel der Diplomatie zurückgreifende Figur angelegt. Nicht zuletzt sollte laut Serienbibel nun nicht mehr der Captain, sondern standardmäßig der XO auf Außenmission gehen, um ein wenig von Kirks berühmter ‚Cowboy‐Diplomatie‘ herunterzukommen. Der neue Mann an der Spitze des Unterfangens sollte umso mehr durch geistreiche Entscheidungen und Ansprachen überzeugen, weniger durch flinke, gut platzierte Fausthiebe.

Ein neues Ensemble entsteht

Das Casting bildete einen von vielen Spaltpilzen im langwierigen Vorbereitungsgeschehen. Nach einigem Vor und Zurück erhielt für die Figur des Captain Picard letztlich der britische Theaterschauspieler Patrick Stewart Roddenberrys Segen. In der Serie spielte er wohl gemerkt einen gebürtigen Franzosen. Abgesehen von diesem Kuriosum, das angesichts der offensichtlichen Wurzeln Stewarts sowie Jean‐Luc Picards Earl‐Grey‐Vorliebe niemals wirklich Sinn ergab, würde sich der kahlköpfige Kommandant binnen weniger Serienjahre zu dem Aushängeschild der neuen Star Trek‐Schöpfung mausern. Selbst wenn Picard in den (anfangs nicht immer fehlerfreien) Drehbüchern erst noch zu ganzer Form auflaufen musste, war es maßgeblich Stewarts besonnen-markantes Schauspiel, das in der Lage war, die inhaltlichen und dramaturgischen Schwächen der ersten beiden Staffeln wenigstens zum Teil auszugleichen.

Bis zum Ende der Serie und ihren vier anhängigen Kinofilmen sollte Stewart das zentrale Identitätsmerkmal von TNG bleiben. Picard war der Gegenentwurf zum etwas breitbeinig agierenden Wildwesthelden und allzu oft interventionistisch auftretenden Instinktmenschen Kirk: ein feinsinniger und gebildeter Verteidiger universeller Menschenrechte, ein Anwalt der Geschundenen und Benachteiligten, Bannerträger einer niemals verrutschenden oder relativierten Ethik. Picards bedachte, diplomatisch-konsultierende, weise, zuweilen strenge, aber immerzu humanen Prinzipien verpflichtete Art, auf Situationen wie Personen zuzugehen, prägte einen ikonischen Stil, der eindeutig besser zur geläuterten Menschheit der Zukunft passt als jener des Vorgänger‐Captains. In der Populärkultur sollte Picard, v.a. wegen seiner in der Serie demonstrierten Fähigkeiten beim Lösen schwieriger Probleme, einen Vorbildcharakter erlangen.

An die Seite des neuen Captains stellte man mit dem jungen Schauspieler Jonathan Frakes den ehrgeizigen und leidenschaftlichen Commander William Riker, dessen Figur zweifellos Anleihen beim ersten Enterprise‐Kommandanten machte. Während Picard einen Ruhepol auf der Brücke darstellen und die Dinge insgesamt im Auge behalten sollte, sah Roddenberry für Riker deutlich stärker Einsätze außerhalb der Schiffsumgebung und Actioneinlagen vor. Im Gegensatz zum Duo Kirk/Spock, bei dem eine fast schon familiär-reibungsvolle Atmosphäre vorherrschte, sollten die beiden TNG‐Figuren an der Spitze der Kommandokette stärker professionelle Distanz zueinander halten. In Bezug auf die übrige Führungscrew lässt sich sagen, dass Roddenberry den Zuschauern Neues bieten wollte, das zugleich die Star Trek‐Tradition pflegte und ehrte. Allem voran galt das für die Spock‐Nachfolge: Die Figur des Androiden Data (letztlich mit Brent Spiner besetzt) beschrieb Roddenberry bereits frühzeitig als hoch entwickeltes menschenähnliches Maschinenwesen und als eine „Art von Pinocchio“, der sich danach sehnte, wie ein vollwertiger Mensch zu sein. Hinzu kam mit Geordi La Forge ein von Geburt an blinder Mann (LeVar Burton), der mithilfe einer postmodernen Sehhilfe (VISOR) sein Augenblicht erhielt. Damit war zum ersten Mal eine Person mit offensichtlicher Behinderung in einem ST‐Cast vertreten. Passend zum nahenden Ende des Kalten Kriegs, sollte sogar ein Klingone auf der Brücke Dienst tun und für das weiterentwickelte Universum stehen, in dem alte Feinde nicht mehr aktuelle Feinde waren, selbst wenn die mit Michael Dorn besetzte Rolle eigentlich als wiederkehrender Gastcharakter angelegt worden war.

Im Hinblick auf die Besetzung weiblicher Castmitglieder machte TNG einen großen Sprung nach vorn: Nun gab es eine Sicherheitschefin (Denise Crosby alias Natasha Yar) und eine Chefärztin (Gates McFadden alias Beverly Crusher) sowie eine Schiffsberaterin (Marina Sirtis alias Deanna Troi). Allerdings wird man einräumen müssen, dass diese Rollen über die Serie hinweg eher begleitenden Charakter hatten und selten im Vordergrund standen. Nichtsdestoweniger war auch bei den prominenten Frauen in jeweils unterschiedlichem Maße eine Entwicklung zu beobachten. Dies würde die Rampe für kommende Star Trek‐Inkarnationen sein, die mit Blick auf den weiblichen Teil des Casts richtig durchstarten würden. DS9 und VOY würden eine neue Generation starker, selbstbewusster Frauen hervorbringen, etwa die Figuren der Kira Nerys, Jadzia Dax oder Kathryn Janeway.

Von heiligen Grundsätzen und unheiligem Chaos

In seinen Anfängen dachte man bei TNG von Folge zu Folge, der Weg war das Ziel. Der Erfolg der Serie war nämlich alles andere denn ausgemachte Sache. Immerhin war der Mainstream‐Sci‐Fi‐Markt gerade erst dabei, sich zu entwickeln, und abseits der Kinoerfolge war nicht wirklich absehbar, inwiefern das Fernsehen dauerhaft Platz für Star Trek bieten würde. Hinzu kamen interne Schwierigkeiten, die die junge Serie gerade in ihrem ersten Jahr durchaus erheblich belasteten: Immer wieder gab es schwere Friktionen zwischen Roddenberry und dem Autorenstab. Der ST‐Übervater beharrte von Beginn an auf die Einhaltung verschiedener Prinzipien, die er sich seit dem Ende von TOS für eine aus seiner Sicht zukunftsgewandte Serie überlegt hatte, in welcher der berühmt-berüchtigte ‚Advanced human‘ in Erscheinung trat. Diese Grundsätze sollten als ‚Roddenberry‐Box‘ Bekanntheit erlangen. Alles, was ihr widersprach, bekämpfte der Serienschöpfer entschieden und unnachgiebig (wenn auch nicht immer komplett widerspruchsfrei). Die wichtigsten dieser Prinzipien seien hier genannt:

Partout keine internen Konflikte:

Die drei Protagonisten der Originalserie – Kirk, Spock und McCoy – durften sich in den Sechzigern noch nach Herzenslust necken und zanken, doch ging es nach Roddenberry, durfte es so etwas im 24. Jahrhundert nicht mehr geben. Entsprechend schloss er persönliche Auseinandersetzungen jedweder Art zwischen den Hauptfiguren kategorisch aus. Banalitäten wie Streitigkeiten aufgrund von Interessengegensätzen, einem verletzten Ego oder Traumata waren unter den serientragenden Charakteren tabu, da dies Roddenberrys Vision einer aufgeklärterleuchteten Menschheit und Sternenflotte widersprach.

Ungemach kommt nur von außen:

Da zwischenmenschliche Reibereien und Dispute innerhalb der Besatzung unerwünscht waren, sollten Konfliktszenarien und Bedrohungen ausschließlich von extern kommen bzw. der

Enterprise

‐Crew auf ihren Flügen begegnen. Den Stoff für Disharmonie und Streit lieferten damit exklusiv Aliens aus den Tiefen des Alls. Nichtsdestotrotz achtete Roddenberry akribisch darauf, dass Handlungen nicht zu kriegerisch oder gewalthaltig daherkamen. Aus diesem Grund lehnte er etwa diverse Vorschläge für Klingonen-zentrierte Episoden ab.

Rollenverteilung zwischen Utopie und Gegenwartsbezügen:

Während die Föderation mit der Menschheit in ihrer Mitte den utopischen Raum verkörpert, sind andere Völker, auf die die

Enterprise

trifft, mit Facetten aufgeladen, die auf unsere gesellschaftliche Gegenwart mit ihren Problemen und Unzulänglichkeiten hindeuten. (Klingonen sind impulsiv und kampflüstern; Romulaner hochmütig, verschlagen und heimtückisch; Ferengi repräsentieren ausgemachte Habgier; Cardassianer fallen durch Komplexe auf, denn sie neiden anderen ihre Werte und Erfolge; die Borg sind konsumistisch, maßlos und uniformistisch.)

Selbstvergewisserung des Advanced human:

An der moralischen Erhabenheit und Gutartigkeit der Vertreter der modernen Menschheit durfte laut Roddenberry kein Zweifel aufkommen. Dies äußerte sich gerade in den ersten beiden Staffeln der Serie an verschiedenen Stellen in salbungsvollen Bekräftigungen der eigenen Fortschrittlichkeit (was jedoch zuweilen unfreiwillig komisch geriet und allerhand Fragen aufwarf).

Militärischer Duktus und Hierarchie als Regulatoren des Miteinanders:

Trotz seines Wunsches, TNG ein neues, wärmeres Antlitz zu verpassen und Zivilisten mitreisen zu lassen, hielt Roddenberry an der im Kern militärischen Ausrichtung seines

Star Trek

‐Konzepts fest. Darin bestand also eine ausgemachte Gemeinsamkeit mit der Vorgängershow. Dem Beginn der Serie ist klar anzumerken, dass der ST‐Schöpfer eine Vorstellung vom Miteinander an Bord eines Raumschiffes hatte, das von Dienstpflicht, Disziplin und zwischenmenschlicher Distanz bestimmt wurde. Dahinter stand sicherlich Roddenberrys eigene Sozialisation bei den US‐amerikanischen Army Air Forces und später als Beamter beim Los Angeles Police Department. Dieser Grundsatz ist ambivalent zu betrachten: Einerseits trägt eine militärisch geprägte Ordnung eher zur Gleichberechtigung (z.B. der Geschlechter) bei, andererseits mag unter einer solchen Prämisse die Serie etwas schroff und steif wirken und die Charakterentwicklung behindert werden.

Konsequenzloser Einzelepisodenmodus:

Ebenfalls ganz in Tradition von TOS bestand ein weiterer wichtiger Grundsatz Roddenberrys darin, dass keine Episode auf eine andere Bezug nehmen sollte, um eine innere Geschlossenheit der jeweiligen Abenteuer und entsprechend eine leichte Zugänglichkeit der Serie zu gewährleisten. Das bedeutete, dass TNG seiner Anlage nach keine Kontinuitäten, Storybögen und nicht einmal dünne Ansätze horizontalen Erzählens aufweisen durfte. Dieser Grundsatz war eine von Roddenberry verinnerlichte Vermarktungslektion: Seit den 1960er Jahren war der Erfolg von TV‐Produktionen immer mehr damit zusammengefallen, dass Geschichten und Charaktere möglichst gleichförmig waren, um Werbeeinnahmen zu sichern, deren Planbarkeit und Konstanz von der erzählerischen ‚Stabilität‘ einer Serie abhingen.

Der von Roddenberry bei der Wahrung seiner ehernen Prinzipien an den Tag gelegte Dogmatismus führte praktisch von Beginn an dazu, dass im kreativen Team eine angespannte Atmosphäre herrschte. Showrunner und Drehbuchautoren empfanden die Vorgaben des ST‐Begründers als Korsett, das die kreative Freiheit einengte und dramatischere Erzählungen kaum möglich machte. Dies galt insbesondere für die Forderung strikter Konfliktfreiheit innerhalb der Raumschiffbesatzung. Viele in der kreativen Abteilung waren der Auffassung, dass zwischenmenschliche Konflikte mitnichten etwas Gestriges sind als vielmehr der Treibstoff für Verständigung, Annäherung und Fortschritt. Doch auch die erhabene Stellung der Föderationsgesellschaft/Menschheit und die inhaltliche Abgeschlossenheit sämtlicher Episoden stellten Herausforderungen dar, die mit den Vorstellungen manch eines Autoren von einer modernen Sci‐Fi‐Serie kollidierten. Um die Einhaltung seiner ‚heiligen Kühe‘ sicherzustellen, nahm Roddenberry ohne Rücksprache an vielen Drehbüchern nachträglich Änderungen vor, die teils gravierend waren, und verhinderte hartnäckig die Umsetzung etlicher Ideen und Vorschläge. Letzteres führte zu einem erheblichen Effizienzproblem, weil im Vergleich mit anderen TV‐Serien unverhältnismäßig viele Skriptentwürfe in der ‚runden Ablage‘ landeten. Während der ersten Staffel ließ sich Roddenberry bei der Durchsetzung seiner Linie von dem Rechtsanwalt Leonard Maizlish helfen. Zum Beispiel wurde das Drehbuch zur Episode Die Verschwörung (erste Season), die eine Konspiration innerhalb der Sternenflotte thematisiert, auf Roddenberrys Betreiben so verändert, dass sich am Ende außerirdische Parasiten in den Körpern der betreffenden Offiziere als ursächlich für die Intrige herausstellen. Er lehnte die ursprüngliche Version ab, da ein solches Verhalten nicht seiner Vorstellung von den Angehörigen der Sternenflotte entsprach. Doch Roddenberrys Einmischungen reichten noch weiter und gingen bis in die Substanz der Skripte hinein. Oft waren die letztendlichen Episoden so das Ergebnis komplizierter und chaotischer Umwälzungsprozesse unmittelbar vor Drehbeginn, sodass nicht selten hölzerne Dramaturgie und ein Gefühl von ‚Nichts Ganzes und nichts Halbes‘ dabei herauskamen.

Wegen seines sprunghaften Verhaltens, das Stabsmitglieder als autoritär und kleinlich empfanden, verließen etliche Autoren unter Protest den Writers Room nach nur kurzer Zugehörigkeitsdauer. Sage und schreibe 24 Personen stießen in den ersten drei Staffeln zum Team und verließen es im selben Zeitraum wieder. Die Drehbuchautorengewerkschaft Writers Guild of America vertrat einige Autoren, die sich über nicht vereinbarte Änderungen beklagten, in Schiedsgerichtsverfahren gegen Paramount. Das Magazin Cinefantastique fasste die zahlreichen Ausstiege von Drehbuchautoren und Produzenten als einen „kreativen Exodus“ zusammen, der das Potenzial habe, eine ganze, groß aufgehängte TV‐Serie zu ruinieren. Als Folge der Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft wurde Anwalt Maizlish nach der ersten Staffel von der weiteren Mitwirkung an der Serie ausgeschlossen. So mancher der TNG‐Hauptdarsteller berichtet, zu diesem frühen Zeitpunkt nicht damit gerechnet zu haben, eine längere Zeit für Star Trek vor der Kamera zu stehen – aus einer Vielzahl von Gründen, aber ganz sicher auch wegen des Chaos hinter den Kulissen. Hierzu gibt die 2014 von William Shatner produzierte Dokumentation Chaos on the Bridge genauestens Auskunft.

Als Roddenberry sich im Laufe des zweiten Jahres dann aufgrund rapide schlechter werdender Gesundheit notgedrungen mehr und mehr aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehen musste, brachen Machtkämpfe unter den Drehbuchschreibern aus – abermals mit negativen Folgen für die Episodenentwicklung. Erst ab dem dritten Jahr kehrten mit dem neuen Führungstandem aus Rick Berman und dem frisch eingesetzten Showrunner Michael Piller Stabilität und ein stetiger Kurs ein, der sich massiv auf die Qualität der produzierten Folgen auswirkte. Bezeichnend ist, dass es in der Post‐Roddenberry‐Ära gelang, TNG sorgsam zu reformieren, ohne dass die Serie mit den zu Beginn aufgestellten Grundsätzen offen in Konflikt geriet. Dies hängt maßgeblich mit Berman zusammen, der seine Aufgabe darin sah, Roddenberrys grundlegende Vorstellungen weiterzutragen. Zugleich wurden jedoch gewisse Zügel gelockert, sodass begrenzte Handlungsbögen über mehrere Episoden hinweg möglich wurden. Auf diese Weise entstand z.B. für die verschiedenen Klingonenepisoden ab Season drei ein durchaus intensiver Zusammenhang, und es entwickelte sich ein gewisser Raum für wiederkehrende Gastfiguren. Auch sollte sich TNG im weiteren Verlauf zu einer sehr viel menschelnderen Serie weiterentwickeln, die dreidimensionale Charaktere präsentierte und eine nahezu familiäre Verbundenheit ihrer Protagonisten großschrieb. Im Rückblick sind die ersten beiden Staffeln daher als eine Mischung aus Testlabor und kontinuierlichem Entwicklungsprozess zu sehen, bis TNG die Selbstfindung gelang, begleitet von immer weiter steigenden Zuschauerzahlen.

Mag es bislang so erschienen sein, als hätte Gene Roddenberry mit seinem wenig taktvollen Stürmen und Drängen eine durchweg negative Rolle im Produktionsprozess gespielt, so sei an dieser Stelle eine Lanze für ihn gebrochen. Man muss bedenken: Star Trek war sein ‚Baby‘ und schon zum damaligen Zeitpunkt sein Vermächtnis. Dem Mann, der so lange auf eine Chance gewartet hatte, seine anfangs verschmähte Originalserie zu neuer Blüte reifen zu lassen, lagen die Show und die Botschaft, die sie aussandte, leidenschaftlich am Herzen. Unter dem Zuspruch der Fans machte er sich seit den TOS‐Tagen Gedanken, wie man eine Zukunftsgesellschaft präsentieren konnte, die ein beflügelndes Vorbild abgab und sich von den Problemen unserer Gegenwart gelöst hat. Das Mindset des bekennenden Atheisten, Szientisten und Anhängers einer aufgeklärten sexuellen Revolution Roddenberry war dafür prädestiniert. Dieses Gedankengut hat bewusst und unbewusst seinen Weg in die Serie gefunden. Heraus kam ein Universum, das nach kritisch-rationalen und humanistischen Idealen funktioniert. Während die Originalserie noch ein unvollendetes Futurum mit zahlreichen Ecken und Kanten zeigte, hatte Roddenberry unter dem Eindruck fortwährender Zuschauerfeedbacks verschiedene Eckpfeiler herausgemendelt, um eine geschlossenere, konsequentere Utopie aus der Taufe zu heben. Er glaubte an ein verheißungsvolles Morgen, wo Elemente wie Nationalismus, Religion und die Sucht nach persönlicher Bereicherung – die in unserer Zeit für so viele Exzesse und Tragiken sorgen – keine Rolle mehr spielen. Hingegen sollte die vereinte Menschheit – repräsentiert durch Picard und seine Offiziere – sich den Mitteln von Vernunft und Wissenschaft bedienen, um ihre Weisheit zu mehren und Gutes zu bewirken. Roddenberry hatte den Mut, sich der Formulierung einer solchen Vision zu verschreiben, und wollte ein leuchtendes Beispiel abgeben. Dass er durch sein eigenes Vorgehen im Produktionsprozess genau dieses positive Beispiel offen konterkarierte, ist wohl einer der vielen Widersprüche, von denen der ebenso fehlbare wie streitbare ST‐Schöpfer begleitet wurde.

‚Per aspera ad astra‘ lautet das Motto

TNGs Pfad zur überragenden ST‐Erfolgsserie mit stetig wachsenden Quoten begann demnach steinig, doch der allgemeine Science‐Fiction‐Hunger war im Laufe der 1980er Jahre vollends erwacht. Trotz der holperigen Anfangsphase waren die Fans begierig auf mehr Star Trek. Stück für Stück schaffte es die Serie, die meisten klassischen Anhänger zu überzeugen und in der Folge eine Menge neuer zu gewinnen. Gerade innerhalb des ST‐Franchise ist das durchaus eine hohe Kunst, denn alle späteren Spin-offs trugen eher zur Spaltung der Fangemeinde bei. TNG würde – mehr noch als das Original – zum Symbol für anspruchsvolle Allegorien auf real existierende Missstände und Dramen werden. Die Führungsfigur Picard würde einen Typus von idealisiertem Militärkommandanten prägen, der auf Grundlage von Prinzipientreue, Dialogfähigkeit und Humanismus demonstrierte, was eine bessere menschliche Gesellschaft im Kern ausmacht. So würde TNG nicht von irgendwoher zur Inspirationsquelle für viele Menschen werden, sich mit Wissenschaft, Politik, Ethik und sozialen Problemlagen auseinanderzusetzen oder auch eine bestimmte Berufung im Leben für sich zu entdecken, vom emanzipatorischen Charakter der Serie ganz zu schweigen (z.B. Frauen, die in bislang männlich dominierte Wissenschaftszweige gingen; Menschen mit Behinderung, die sich in der Vision einer inklusiven Gesellschaft bestärkt fühlten). TNG war jener große Wurf, der Star Trek endlich vollständig mainstreamkompatibel gemacht hatte, zum Erreichen dieses Erfolgs aber nie bequeme Wege wählte. In seiner Laufzeit erschloss die Serie nicht nur kreativ ein eigenes Universum, sondern griff auch gezielt verschiedenste Ideen aus der Sci‐Fi‐Szene auf und setzte diese in eigener Deutung um. Die Abenteuer von Picard und Co. luden zudem förmlich dazu ein, mit unterschiedlichen Genres zu experimentieren und so die Begrenzungen angestammter Formate ein Stück weit hinter sich zu lassen.

In den Vereinigten Staaten entwickelte sich die reüssierende Serie für Paramount Pictures zu einer äußerst lukrativen Einnahmequelle. Daher gilt sie heute als wohl erfolgreichste Science‐Fiction‐Serie, auf der eines der beständigsten Franchises Blüten trieb. Auch ist TNG unter den ganz wenigen langlebigen TV‐Shows, die von Staffel zu Staffel ihr Publikum erweitern konnten, darunter etwa Emergency Room oder Friends. Sahen in den USA durchschnittlich mehr als 10 Millionen Zuschauer die erste, zweite und dritte Staffel, waren es im vierten Jahr bereits 11,3 Millionen und annähernd 13 Millionen in Staffel fünf, sechs und sieben. Zu den am meisten rezipierten Folgen gehörten neben dem Pilotfilm (15,7 Millionen Zuschauer) der Borg‐Eventzweiteiler In den Händen der Borg/Angriffsziel Erde, die Doppelfolge Wiedervereinigung? mit Spocks Cameo (15,4 Millionen Zuschauer) und natürlich der Abschlussfilm Gestern, Heute, Morgen (17,4 Millionen Zuschauer). Diese und andere Episoden erreichten Spitzenquoten, die man abgesehen von singulären Ausnahmen bei künftigen ST‐Produktionen nie wieder erzielen sollte. TNG wurde u.a. mit 18 Emmy‐ und zwei Hugo Awards ausgezeichnet. Auch im deutschsprachigen Raum, wo sie stets nur im Nachmittagsprogramm erstausgestrahlt wurde, war die Serie erfolgreich, insbesondere nachdem der private Sender Sat.1 1993 die Ausstrahlung vom ZDF übernahm. Eine um das Jahr 2000 unter circa 1.000 Mitgliedern des offiziellen Star Trek‐Fanclubs durchgeführte Umfrage ergab, dass Zweidrittel der Befragten erst durch TNG ein tiefergehendes Interesse an Star Trek entwickelt haben; ein ähnlich hoher Anteil bekundete, die Serie sei die beste unter den ST‐Inkarnationen.

Die Serie brachte es auf 178 Episoden. Just auf dem Höhepunkt des ungebrochenen Zuschauererfolgs wurde sie 1994 beendet, um die Handlung im Kino fortzusetzen. Hier war die klassische Besatzung mit dem letzten Film Das Unentdeckte Land