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Young Jedi Knights – Die Rückkehr des Dunklen Ritters ist der fünfte Roman der Young Jedi Knights-Reihe. Der Roman schildert die Geschehnisse neunzehn Jahre nach den Ereignissen von Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter (23 NSY).
Auf Kashyyyk, dem Heimatplaneten der Wookiees, überschlagen sich die Ereignisse: Unbekannte verüben einen Anschlag auf das Computercenter: Hinter dem Überfall steckt offenbar Jacens und Jainas ehemaliger Freund Zekk. Der ist wild entschlossen, Dunkler Lord des zweiten Imperiums zu werden- und es gibt nur zwei Menschen, die den Abtrünnigen noch aufhalten können...
Sie wurden geboren, als das Imperium unterging. In ihnen fließt das Blut der Skywalkers. Sie repräsentieren die neue Generation der Jedi-Ritter: Jacen und Jaina, die Kinder von Prinzessin Leia Organa und Han Solo, Erben und Hüter der Macht.
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Seitenzahl: 210
Für Skip Shayotovich,dessen EnthusiasmuskeineGrenzen kennt.
Wie immer gilt unser Dank Lillie E. Mitchell, die mit fliegenden Fingern die Tipparbeit für uns erledigte; Lucy Autrey Wilson, Sue Rostoni und Allan Kausch bei Lucasfilm für ihre hilfreichen Anregungen; Ginjer Buchanan bei Berkley/Boulevard für ihre bedingungslose Unterstützung und Ermutigung; und Jonathan MacGregor Cowan, der sich als Testleser zur Verfügung stellte und uns mit immer neuen
Einfällen überraschte.
Die Massassi-Bäume, die die Urwälder von Yavin 4 krönten, waren kleiner als die gewaltigen Wroshyr-Bäume auf der Wookiee-Heimatwelt, dennoch belegten sie in Lowbaccas persönlicher Rangliste immerhin den zweiten Platz. Es waren ideale Orte, wenn er allein sein und Ordnung in seine Gedanken bringen wollte.
Als sich die Dämmerung wie ein dunkles Tuch über den Dschungelmond herabsenkte, kletterte Lowie auf einen der imposantesten Bäume in der Nähe des Großen Tempels, wo Luke Skywalkers Jedi-Akademie ihren Sitz hatte.
Mit Hilfe seiner einziehbaren Klauennägel und kräftigen Arme erklomm er das Geäst, schwang seinen schlanken Körper Stufe um Stufe höher hinauf und brachte auf diese Weise immer mehr Distanz zwischen sich und den Boden. Manchmal erschien es ihm, als brauchte er nur immer weiter zu klettern, um schließlich die Sterne zu erreichen ... und seinem wahren Zuhause näher zu sein.
Lowie hielt einen Augenblick inne und streckte die Pranken nach einer Kletterpflanze aus, die aussah, als wäre sie mit unzähligen grünen Härchen behängt. Er zog daran, um sicherzugehen, daß sie sein Gewicht tragen würde, und hangelte sich daran auf die nächste Ebene der Baumkrone hoch. Er wollte die höchste Stelle erreichen. Das Dach des Dschungels. Dort oben war der beste Platz, um nachzudenken.
Es war lange her, daß er in der Heimat der Wookiees, auf Kashyyyk, gewesen war. Seit er nach Yavin 4 gekommen war, um sich zum Jedi-Ritter ausbilden zu lassen, hatte er seine Familie nicht mehr gesehen. Und obwohl Lowie in alles vernarrt war, was mit Technik und Computern zu tun hatte – darin unterschied er sich nicht von seiner Schwester und seinen Eltern – , war er mehr als alles andere beseelt von dem Wunsch, seine wahre Begabung weiterzuentwickeln, die ebenso unerklärlich wie selten war.
Die Macht.
Ein Potential wie er hatte kaum ein Wookiee je besessen – auch nicht in grauer Vergangenheit.
Am ersten Tag auf der Jedi-Akademie hatte sein Onkel Chewbecca ihm, wie um ihm die Eingewöhnung in die neue Umgebung erleichtern zu wollen, einen T-23 Skyhopper zum Geschenk gemacht, mit dem er die Weite des Dschungels erkunden konnte. Auf seinen Flügen nahm er manchmal die hier an der Akademie gewonnenen Freunde Jacen, Jaina und Tenel Ka mit. Es gab aber auch Zeiten, in denen er ganz allein für sich sein wollte, fern von allen.
Und so war es heute.
Er vermißte einfach seine Familie; ganz besonders seine jüngere Schwester Sirrakuk. Ein gefahrvoller Wendepunkt ihres Lebens rückte näher ...
Nur an einem seiner langen Arme hängend, schwang sich Lowie höher und landete inmitten eines Nests aus Blättern und Zweigen, wo er eine Horde gefräßiger, in den Bäumen lebender Nagetiere, Stintarils, aufschreckte und zum Plärren brachte.
Stintarils betrachteten normalerweise alles, was sie fanden, solange es sich nur irgendwie bewegte, als willkommene Abwechslung ihres Speiseplans – bei Lowie aber, der sie mit beeindruckendem Wookiee-Gebrüll begrüßte, machten die lärmenden Nager eine Ausnahme und flohen entsetzt durch das Astwerk. Überall entlang ihres Wegs regnete es zersplitterte Zweige und abgerissene Blätter zum Boden herab.
Kurz nach dieser Begegnung durchstieß Lowie, eingehüllt in die schwächer werdenden Farben der Dämmerung, mit seinem Kopf das letzte Grün. Er stellte seinen großen, flachen Fuß auf einen starken Ast, reckte das Haupt über die Baumkrone hinaus und blieb so, in die Weite des Ausblicks versunken, eine Weile stehen.
Lowie spähte über den Dschungel, der sich nach allen Richtungen wie ein endloser grün wogender Ozean erstreckte; nur gelegentlich wurde er von den herausragenden Ruinen alter Tempel unterbrochen.
Abendlich schwüle Düfte begannen die Luft zu erfüllen. Sie stammten von Blumen, die ihre Blüten nur nachts öffneten, von Schlingpflanzen, die sich an manchen Stellen ihren Weg auch bis ganz nach oben bahnten – oder vom Saft der wasserreichen Massassi-Bäume selbst, deren Ausdünstungen sich wie feiner Nebel über das Dach des Dschungels legten und wie der Atem eines einzigen riesigen Organismus über allen Wipfeln schwebten.
Der wie Kupfer glänzende Gasgigant Yavin hing wie eine kugelförmige Ballung gerade verglühender Asche nur noch knapp über dem Horizont. Die wirbelnden Gase der Atmosphäre boten ein grandioses Schauspiel. In geringem Abstand um diesen Planeten kreiste, vom Mond aus mit bloßem Auge nicht erkennbar, die Minenanlage, mit der Lando Clarissian wertvolle Corusca-Juwelen aus der höllischen Atmosphäre barg.
Lowie löste den Blick von dem am Horizont versinkenden Planeten. Die Nacht füllte den Himmel nicht nur mit Dunkel. Lichter unzähliger Sterne waren über das bläulichschwarze Gewölbe verstreut.
Nachdem er einen bequemen Platz gefunden und sich gegen einen hervorstehenden Ast des Massassi-Baumes gelehnt hatte, verharrte Lowie, atmete tief ein und aus, ließ den wohltuenden Anblick der Bäume auf sich wirken ... und dachte an Kashyyyk.
Er hatte es vermeiden wollen, doch die Sorge um seine Schwester war zu groß. Und er konnte nichts tun, um ihr beizustehen. Sie mußte ihre eigenen Entscheidungen treffen – und die Konsequenzen daraus tragen. Lowie wußte um die tödlichen Gefahren, denen sie sich in den tiefliegenden Regionen des Regenwaldes ihrer Heimat stellen wollte ...
Mit den kräftigen, langen Fingern seiner Hand fuhr er über die Fäden, aus denen sein Gürtel gewebt war. Er hatte sie im Blütenkelch der fleischfressenden Syrenpflanze geerntet. Die Prüfung, die ihn in den Besitz der Fasern gebracht hatte, hätte ihn auch das Leben kosten können. Aber er hatte sie bestanden. Ohne jegliche Hilfe.
Lowie saß ruhig da, während die Luft abkühlte und die Geräusche des Dschungels anschwollen. Nächtliche Insekten und Raubtiere rührten sich, um ihren Beschäftigungen nachzugehen.
MTD, den Lowie bei sich trug, schwieg – aber nur weil er ihn ausgeschaltet hatte; so konnte Lowie über seine Sorgen nachdenken, ohne von der plappernden Vocoderstimme des winzigen Übersetzerdroiden gestört zu werden.
Die Zeit verging. Doch es machte dem Wookiee nichts aus, daß er sich zum Abendessen an der Jedi-Akademie verspäten würde.
Er hatte ganz andere Sorgen.
Bis Jaina Solo ihre Mahlzeiten beendet hatte, waren die meisten anderen Jedi-Schüler für gewöhnlich längst fertig. Auch heute kaute sie noch gedankenverloren auf ihren gerösteten Krabbennüssen und gesalzenen Boffafrüchten oder tunkte frischgebackenes Brot in die Sauce, als sich der Speisesaal des Großen Tempels bereits zu leeren begann.
Neben ihr am Tisch hatte ihr Zwillingsbruder Jacen sein Essen auch erst zur Hälfte aufgegessen; ein Rinnsal aus grünlichem Sirup lief, von ihm unbemerkt, an seinem Kinn herab. Jacen plapperte aufgeregt. Während er sich immer wieder mit einer Hand durch das wirre Haar strich, funkelten seine brandyfarbenen Augen.
»... und habe es wirklich geschafft, die Stacheleidechse unten in der Flugzeughalle zu kriegen! Es hat mich Wochen gekostet, bis ich sie erst einmal aus ihrem Versteck herausgelockt hatte. Bislang lebt sie allein in dem neuen Käfig, den du mir gebaut hast. Und welches Futter für sie am besten ist, habe ich immer noch nicht herausgefunden.« Er machte eine kurze Redepause – aber nur, um sich neues Essen in den Mund zu stopfen.
Jaina nickte, ohne richtig hinzuhören. Sie machte sich viel mehr Gedanken darüber, daß Lowbacca nicht zum Essen erschienen war. Ihr Wookiee-Freund war in letzter Zeit ziemlich zurückhaltend, mitunter regelrecht verschlossen, und sprach kaum mit seinen engsten Freunden.
»Nicht zu vergessen, daß einige meiner Käfermotten dabei sind, aus ihren Kokons zu schlüpfen!« fuhr Jacen fort. »Ich schätze, daß ich die meisten freilassen werde, aber zwei möchte ich behalten, um herauszufinden, ob sie auch in Gefangenschaft Eier legen ... Und du solltest diesen faszinierenden blauen Pilz sehen, den ich in einer Spalte zwischen den Steinen unten am Fluß gefunden habe.«
Er trank gierig aus seinem Glas und hielt plötzlich einen Finger hoch, als erinnerte er sich an etwas Bestimmtes. »Ach ja, was ich noch fragen wollte – könntest du den Käfig meiner Kristallschlange überprüfen? Ich glaube, daß sie irgendeinen Unfug anstellen will, vielleicht versucht sie sogar, wieder auszubrechen – und du weißt, welchen Ärger das verursachen könnte.«
Jaina konnte sich ein kurzes Lächeln nicht verkneifen, als sie sich an den Trubel erinnerte, den die fast unsichtbare Schlange das letzte Mal, als sie entflohen war, verursacht hatte: Die Schlange hatte den arroganten Raynar gebissen und ihren Mitschüler damit in einen unfreiwilligen Tiefschlaf versetzt.
Nicht jedes Exemplar aus Jacens Privatzoo verursachte solchen Ärger. Eine andere Kristallschlange hatte es im Gegenteil geschafft, etwas Nützliches zu vollbringen, indem sie den auf Yavin 4 gestrandeten ehemaligen TIE-Piloten Qorl bei seinem versuchten Angriff auf die Jedi-Akademie entscheidend irritiert hatte. Die Zwillinge waren durch Zufall auf Qorl getroffen, der viele Jahre wie ein Eremit im Dschungel des Mondes gehaust hatte.
Jaina hatte bis zuletzt gehofft, der ehemalige TIE-Pilot würde ihnen beweisen, daß auch Gutes in ihm steckte. Doch alle Versuche, ihn dazu zu überreden, mit ihnen die Akademie aufzusuchen, damit ihm dort geholfen würde, hatten nichts gefruchtet. Qorl hatte sich gegen sie entschieden. Die Gehirnwäsche, der ihn das Imperium einst unterzogen hatte, war stärker gewesen. So war er zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt und der Schatten-Akademie beigetreten.
Jaina nickte ihrem Bruder zu und holte sich selbst aus ihren Träumereien auf den Boden zurück. »Okay, ich schaue mir den Käfig mal an.«
Die laut tönende blechernde Stimme von MTD ließ sie herumfahren.
»Master Lowbacca, ich ersuche Sie dringend, eine ausgewogenere Nahrung als diese zu sich zu nehmen. Gemäß den Ernährungsanforderungen Ihrer Spezies sind diese Speisen völlig unzureichend, um einen heranwachsenden Wookiee mit einem gesunden Maß an Kalorien zu versorgen ... Auch wenn ich einräumen muß, daß Sie sich des Müßiggangs befleißigt haben, statt sich wie die anderen körperlich zu ertüchtigen. Ihr Speiseplan sollte vorzugsweise große Mengen Frischfleisch beinhalten, das einen wesentlich höheren Proteingehalt besitzt als diese Obst- und Gemüsesorten, mit denen Sie sich in letzter Zeit verköstigen ...«
Lowbacca antwortete mit einem halbherzigen Knurren, während er sein Essen durch den Speisesaal trug. Ohne sich auch nur nach seinen Freunden unter den anderen Jedi-Schülern umzusehen, setzte er sich allein an einen Tisch neben der steinernen Tempelwand.
»Lowie!« Jaina stand auf und eilte zu dem Wookiee mit dem rötlichen Fell. »Wir hatten uns schon Sorgen um dich gemacht, weil du uns nicht wie üblich beim Essen Gesellschaft geleistet hast ...«
Lowie brummte so sparsam, daß MTD es offenbar nicht einmal übersetzen konnte.
Jaina zog sich einen Holzstuhl auf der anderen Tischseite heran und ließ sich rittlings darauf nieder. Sie schob eine Strähne ihres glatt fallenden braunen Haars hinter das rechte Ohr und betrachtete Lowies zotteliges Haupt voller Sorge. Der Wookiee senkte seine goldbraunen Augen und besah sich die Früchte und das Gemüse auf seinem Tablett.
»Lowie, würdest du uns bitte mitteilen, was mit dir los ist?« sagte Jaina. »Du kannst doch mit uns reden. Wir sind Freunde, vielleicht erinnerst du dich? Freunde helfen einander.«
Bevor Lowbacca überhaupt die Chance hatte, etwas zu erwidern, ergriff MTD das Wort. »Er wird Ihnen nicht antworten, Mistress Jaina. Nicht einmal ich bekomme eine vernünftige Erklärung von ihm. Ich befürchte, ich werde dieses Wookiee-Gebaren nie ganz verstehen. Haben alle biologischen Geschöpfe diese unberechenbaren Launen?«
Jacen setzte sich neben seine Schwester. »He, vielleicht möchte Lowie einfach nur alleine sein!«
Der junge Wookiee nickte niedergeschlagen und stöhnte dabei.
Jaina seufzte. Vielleicht wäre wirklich das Beste, was sie für ihren Freund tun konnten, seine Wünsche zu respektieren und ihn selbst eine Lösung für seine Probleme finden zu lassen. Immerhin wußte er, daß er sich auf Jaina und Jacen verlassen konnte, wenn ihm der Sinn danach stand – im Augenblick war dies offenbar nicht der Fall.
»In Ordnung«, lenkte Jaina ein, behielt aber ihren sorgenvollen Tonfall bei, »vergiß aber nicht, daß wir für dich da sind, wann immer du uns brauchen solltest!«
Lowie nickte und steckte dann einen seiner haarigen Arme aus, um Jainas Hand in die seine zu schließen. Die Pranke des Wookiees verschlang ihre Hand völlig. Während der kurzen Berührung streckte sie die Fühler ihrer Macht aus, in der Hoffnung, damit einen Hinweis auf die Ursache von Lowies merkwürdigem Verhalten zu entdecken. Aber alles, was sie fand, waren Wärme und Freundschaft.
Jaina stand auf und gab ihrem Bruder einen Wink. »Komm, Jacen. Sehen wir uns den Käfig deiner Kristallschlange an.«
Lichtschwerter flackerten in die Nacht hinein. Ihr Schein wurde von den uralten Steinwänden des Großen Tempels zurückgeworfen. Tenel Ka umfaßte den geschnitzten Rancorzahn-Griff ihrer neuen Waffe, während der gleißende Türkisstrahl durch den aktivierten Kristall drang; ein kostbarer Regenbogenstein von Gallinore, den sie ihrem eigenen königlichen Diadem entnommen hatte.
Die junge Kriegerin stand auf dem gefliesten Hof nahe des Zikkurat-Tempels, einem kürzlich wiederhergerichteten Trainingsgelände, das die Studenten dem ständig wuchernden Dschungel abgetrotzt hatten. Die schwer schuftenden Jedi-Anwärter hatten die sorgfältig angeordneten Steinplatten gesäubert und für ihre Übungen präpariert.
Tenel Ka versenkte ihren Blick in die fremdartigen, an exotische Perlen erinnernden Augen, von denen die elfenhaften, von langem, quecksilberfarbenem Haar umrahmten Gesichtszüge ihrer Gegnerin geprägt wurden.
Es handelte sich um Tionne, die Jedi-Lehrmeisterin und Historikerin, die Luke Skywalker von Zeit zu Zeit unterstützte. Sie gebrauchte ihr Lichtschwert mit Geschick und atemberaubender Präzision, paßte sich jeder von Tenel Kas Bewegungen Schlag für Schlag an.
Bei einem zurückliegenden Trainingsunfall war Tenel Kas damaliges, unzulänglich konstruiertes Lichtschwert explodiert, so daß ihr Freund Jacen ihr mit seiner Lichtklinge den Arm abgetrennt hatte. Seither lebte und kämpfte Tenel Ka einhändig. Dennoch führte sie ihre leuchtende Waffe mit ungebrochener Kraft und Zuversicht.
Begnadete Biotechniker hatten ihr die perfekteste Armprothese des ganzen Hapes-Clusters angeboten, aber Tenel Ka hatte sie abgelehnt. Sie war stolz darauf, sie selbst geblieben zu sein – auch weiterhin ausschließlich auf ihre eigenen Fähigkeiten, ihre eigene Stärke und Unerschrockenheit zu bauen. Sie verzichtete bewußt auf die irreleitende Unterstützung einer künstlichen, biomechanischen Extremität. Statt dessen hatte sie sich entschieden, die Methoden zu verändern, mit denen sie die angestrebten Ziele erreichen wollte. Diese Entschlossenheit machte sie so stark, daß sie wehrhafter auch mit zwei Armen nicht hätte sein können.
Wenn Tenel Ka sich erst einmal zu einem Entschluß durchgerungen hatte, erreichte sie ihr Ziel für gewöhnlich auch.
Die Lichtmarkierungen auf dem gerodeten Landefeld vor dem Tempel erhellten den Dschungel. Sie zogen nicht nur Tausende von Nachtinsekten, sondern auch die Jäger an, die sich von ihnen ernährten. Auf dem Übungsplatz selbst streuten nur die sich kreuzenden und funkensprühenden Klingen der Lichtschwerter ihren Schein in die Nacht. Kampfeffekte tauchten das Gelände in grellbunte Glut.
Tionne erwiderte gerade den Hieb der jungen Kriegerin. »Sehr gut, Tenel Ka«, lobte die Lehrerin. »Du verstehst es immer besser, dich auf Genauigkeit statt auf rohe Kraft zu verlassen, meine Bewegungen vorauszuahnen, indem du deine Macht nutzt, und deine Reaktionen darauf abzustimmen ...«
Tenel Ka nickte. Die schweren rotgoldenen Zöpfe umtanzten ihren Kopf. Die Glasperlen, die sie hineingeflochten hatte, rieben klirrend gegeneinander. Das Mädchen kämpfte noch entschlossener und konnte dabei die Beherrschung und das Geschick der älteren Jedi spüren, die bereits seit zehn Jahren an der Vervollkommnung ihrer Fähigkeiten feilte.
Einige andere Studenten verfolgten ihre Übungen aus gebotener Distanz. Sämtliche Schüler an Luke Skywalkers Akademie hatten ihre Trainingseinheiten erhöht, seit die Neue Republik sich der wachsenden Bedrohung durch die Schatten-Akademie und das Zweite Imperium bewußt geworden war. Seit mehr als tausend Generationen vertraten die Jedi-Ritter die Mächte des Lichts in dieser Galaxis, und Luke Skywalkers Bemühen galt dem Zweck, diese Tradition fortzusetzen.
Tionne schwang ihre Waffe so überraschend und in einer solch perfekt fließenden Bewegung, daß Tenel Ka erst im letzten Moment reagieren konnte. Sie hatte keinerlei Absicht ihrer silberhaarigen Lehrerin gespürt, einen Angriff führen zu wollen. Fast wäre es Tionne gelungen, sie zu überrumpeln.
Ihre Schwerter prallten knisternd gegeneinander – und dann zog Tionne ihr Lichtschwert zurück.
»Halt«, rief sie, deaktivierte ihre Klinge und musterte das Mädchen, das weiterhin mit dem erhobenen Lichtschwert in der Hand dastand.
Tionne deutete in den Nachthimmel von Yavin 4. Tenel Ka und die Zuschauer, die sich auf dem Hof versammelt hatten, folgten ihrer Geste.
Im selben Augenblick tauchten auch die Zwillinge Jacen und Jaina aus einem der Steinbögen des Großen Tempels auf. Offenbar wollten sie Tenel Kas Training beiwohnen. Statt dessen sahen nun auch sie das blendende Licht, das wie ein kleiner Meteor auf sie zuraste.
»He, da kommt irgendein Schiff!« sagte Jacen.
»Nicht irgendeines«, korrigierte ihn Jaina. »Ich würde es überall erkennen!«
Jacen blinzelte verstehend. »Aber Dad hat uns nicht informiert, daß er uns besuchen will!«
Innerhalb der nächsten Augenblicke senkte sich das Schiff mit dröhnenden Sublichtaggregaten und kraftvollem Repulsorantrieb zu ihnen herab. Die flache, gezackte Scheibe des Millennium Falken setzte laut zischend auf der Piste auf.
Aufgeregt durcheinanderredend, rannten Jacen und Jaina über den Hof, um ihren Vater auf dem Landefeld zu begrüßen. Die modifizierte Einstiegsrampe des Leichtfrachters fuhr aus, und Han Solo schritt zu ihnen herab. Als er seine Kinder entdeckte, die ihn lauthals begrüßten, huschte ein jungenhaftes Lächeln über sein Gesicht.
Auch Chewbacca sprang die Rampe herab, und sofort hörte Tenel Ka charakteristisches Gebell hinter sich. Sie blickte sich um und entdeckte Lowbacca auf einer der Pyramidenstufen oberhalb des Trainingsgeländes. Er schwang sich über den Sims und kletterte die abgeschrägten Steinquader hinab, um den Erdboden zu erreichen.
Lowbacca war in letzter Zeit sehr nervös gewesen, und Tenel Ka hatte viele verschwommene Gedanken erspürt, die ihn tief in seinem Bewußtsein beschäftigten. Sie war nicht weiter in ihn gedrungen, um ihre Freundschaft zu dem Wookiee zu beweisen. Auch er hatte das Recht, persönliche Schlachten selbst auszukämpfen ...
... es sei denn, er hätte um ihre Hilfe gebeten.
Und als sie jetzt die Mienen von Chewbacca und Lowie studierte, entdeckte Tenel Ka etwas ebenso Seltsames wie Bemerkenswertes: Im Gegensatz zu den Zwillingen, die von der Ankunft des Millennium Falken überrascht worden waren, schien Lowbacca darauf vorbereitet gewesen zu sein.
Jaina bemerkte ihr dümmliches Grinsen, während sie ihren Vater umarmte, und fragte: »Was machst du hier? Wir wußten nichts davon, daß du kommen würdest ...«
Neben ihr musterte Jacen die ungewohnte, aus Stoffetzen und Fell bestehende Kleidung Han Solos. Sein Haar war struppig frisiert, wodurch er viel brutaler aussah. »Verdammt noch mal, Dad! Wie läufst du denn herum?«
Bevor Han Solo antworten konnte, schweifte Jainas Blick hinter ihn. Selbst in der Dunkelheit fiel auf, daß die Panzerung des Millennium Falken in einigen Bereichen durch dunkel anodisierte Metallplatten und verschiedene Aufbauten verändert worden war. Jaina blieb der Mund offenstehen. »Und was habt ihr mit dem Falken gemacht? Er ist kaum wiederzuerkennen!«
»Eins nach dem anderen, Kinder«, sagte Han, lachte und hob seine Hände in Brusthöhe, als wollte er einen Angriff abwehren. »Es gab in letzter Zeit ein paar Probleme in den Randsystemen, so daß mich die Regierungschefin der Neuen Republik höchstpersönlich – «
»Du meinst Mom«, warf Jaina ein.
»Richtig.« Han lächelte spitzbübisch. »Wie auch immer, sie hat mich und Luke jedenfalls beauftragt, ein wenig für sie zu kundschaften. Sie vertritt die Meinung, ich müßte beschäftigt bleiben, sonst würde ich zu schnell alt. Und seit er diese Akademie ins Leben gerufen hat, betrachtet euer Onkel es als willkommenes Training, Yavin 4 von Zeit zu Zeit zu verlassen, um sicherzustellen, daß seine Gabe in Hochform bleibt. Wir waren der Ansicht, daß es vorteilhaft sein könnte – «
» – wenn du dich und den Millennium Falken ein wenig verkleidest«, beendete Jacen den Satz für ihn.
Jainas Blick haftete weiterhin auf den plumpen, geflickschusterten Umbauten des Leichtfrachters.
»Und Luke ebenfalls.« Han Solo nickte in Richtung des Tempels, wo ihr Onkel gerade, in eine zerschlissene braune Fliegerkluft gekleidet, ins Freie trat und rief: »He, Han, hast du die noch fehlenden Teile für die neuen Schirmgeneratoren mitgebracht?«
Luke wischte sich eine ölbeschmierte Hand an seinem ohnehin schon fleckigen Anzug ab. Er sah aus wie ein völlig heruntergekommener Pilot, der nirgends mehr einen Job fand.
»Worauf du wetten kannst, Luke«, erwiderte Han. »Schließlich macht Leia sich ernsthaft Sorgen um deine Jedi-Akademie, seit dieses Zweite Imperium aufmuckt. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als die neuen Schirmgeneratoren zusammenzubauen und mit ausreichend Saft zu beschicken, wenn wir einen möglichen Angriff überstehen wollen!«
»Ich bin immer noch der Überzeugung, daß meine Jedi-Ritter auch ohne diesen Schnickschnack in der Lage wären, sich erfolgreich zu verteidigen, falls es nötig würde«, sagte Luke und lächelte seinen Schülern zu, die sich außerhalb des Tempels versammelt hatten. »Es wäre dumm von der Schatten-Akademie, uns zu unterschätzen.«
Han zuckte die Achseln. »Egal, wie du es siehst, Luke – gib um Himmels willen nach, oder Leia wird kein Auge mehr zutun!«
Lachend winkte Luke ein paar der Jedi-Anwärter herbei, um die schweren Teile aus dem Frachtraum des Falken auszuladen. »Meine Schüler werden die Systeme während unserer Abwesenheit installieren.«
Der verkleidete Jedi-Meister trat zu den beiden Wookiees, die sich ernst miteinander unterhielten. Er schien Chewbacca Lebewohl zu sagen. Jaina glaubte sich zu erinnern, daß Luke von einem baldigen Aufbruch gesprochen hatte, aber bevor sie eine diesbezügliche Frage stellen konnte, ergriff ihr Bruder das Wort.
»Was ist mit Chewie?« fragte Jacen. »Wird er bei diesem Einsatz nicht dein Kopilot sein?«
Ihr Vater wirkte ein wenig bekümmert. »Ich werde es ohne ihn schaffen müssen. Auf Kashyyyk wartet eine familiäre Notlage auf ihn und Lowie ... Oder wie immer man dazu sagen soll.«
»Notlage?« mischte sich Jaina ein. »Ist jemand erkrankt?«
»Nein, nichts in dieser Art. Ihr kennt Lowies Schwester Sirra nicht, oder?« Han hob das Kinn, um damit in Richtung seines Kopiloten zu zeigen, der immer noch in die Unterhaltung mit Lowbacca vertieft war. »Wie auch immer, gebt den beiden Gelegenheit, sich erst einmal auszusprechen. Ich schätze, Lowie wird euch danach über alles unterrichten. Bis dahin solltet ihr euch anhören, was ich euch an Nachrichten von eurer Mom und Anakin mitgebracht habe – und außerdem befinden sich noch ein paar Überraschungen für euch im Falken.«
»Oh«, entfuhr es Jaina. »Überraschungen?«
Han schmunzelte in sich hinein und nahm die Zwillinge rechts und links in den Arm. »Was glaubt ihr denn? Genug Geschenke für euch beide!«
»He, da fällt mir ein neuer Witz ein«, rief Jacen. »Wollt ihr ihn hören?« Ohne ihnen eine Chance zum Neinsagen zu lassen, legte er auch schon los: »Was haben Jawas, was kein anderes Wesen in der Galaxis hat? – Gebt ihr auf?« Er hob die Brauen. »Baby-Jawas!«
Sogar ihr Vater hatte Schwierigkeiten, Belustigung zu heucheln. Jaina betrachtete ihren Bruder einen Augenblick lang schweigend, dann drehte sie sich zu Han um und kam auf das eigentliche Thema zurück. »Wie war das mit den Geschenken, die du uns mitgebracht hast?«
»Nun, ich habe einen Gefährten für Jacens Stacheleidechse dabei, ebenso einige dieser Sternblumenblüten, die sie so gern wegputzen, und einen überholten Mikromotivator, der aber noch einigen Aufwand abverlangt, ehe man ihn benutzen kann«, sagte er und fügte hinzu: »Mir ist natürlich sonnenklar, daß ihr beide euch ziemlich in die Haare kriegen werdet, für wen denn nun welches Geschenk bestimmt ist ...« Grinsend zerzauste er die Haare der Zwillinge und stiefelte dann mit ihnen die Einstiegsrampe hinauf.
Jaina schnaubte: »Wahrhaft ein kaum lösbares Problem ...«
In ihrem Quartier hockte Tenel Ka fasziniert vor einer Holodarstellung des dunkelhaarigen Anakin, der ein Büschel heller Fäden in der Hand hielt. Sie konnte sich nicht recht vorstellen, warum der Bruder der Zwillinge ausgerechnet ihr eine Nachricht geschickt hatte. Sie war dem Jungen nur einmal begegnet, vor einiger Zeit auf Coruscant.
»Ich weiß, wie gut du auf dich allein gestellt zurechtkommst, Tenel Ka, deshalb hoffe ich, daß du mir verzeihst, wenn ich mich in deine Angelegenheiten einmische«, sagte Anakins aufgezeichnete Stimme gerade. »Als Jacen und Jaina mir schilderten, was für ein Problem du seit dem Unfall hast, dein Haar selbst zu flechten, habe ich mich davon angespornt gefühlt, eine Lösung für dich zu finden. Inzwischen wirst du schon eigene Wege gefunden haben, dir zu helfen«, Anakins holographisches Gesicht lächelte scheu, »aber selbst wenn dem so ist, war es mir einfach ein Bedürfnis, mich damit zu befassen, und es machte Spaß, den Grips anzustrengen.«
Die Solo-Zwillinge, die diese Nachricht von ihrem Vater erhalten und an Tenel Ka weitergeleitet hatten, leisteten ihr, auf dem Boden ihrer Unterkunft sitzend, Gesellschaft.
Jaina verdrehte die Augen und schmunzelte in sich hinein. »Das ist mein kleiner Bruder, wie er leibt und lebt.«