Star Wars™ X-Wing. Gnadentod - Aaron Allston - E-Book

Star Wars™ X-Wing. Gnadentod E-Book

Aaron Allston

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Beschreibung

Sie sind Außenseiter und Draufgänger. Der Krieg machte sie zu wahren Helden.

Drei Jahrzehnte sind vergangen, seit die Gespensterstaffel ihre letzte Mission erfüllte. Die Piloten der elitären X-Wing- Einheit, ein Team aus Außenseitern und Draufgängern, führten die gefährlichsten und gewagtesten Operationen durch. Während der Rebellion und des Zweiten Galaktischen Bürgerkriegs wurden sie zu wahren Legenden, bis sich die Einheit auflöste. Aber es ist es an der Zeit, dass die Gespensterstaffel zurückkehrt – denn ein Verräter droht die Allianz ins Verderben zu stürzen.

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Aaron Allston

GNADENTOD

X-Wing

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Star Wars™ X-Wing. Mercy Kill«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung September 2013

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Copyright © 2012 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved. Used under authorization.

Translation Copyright © 2013 by

Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft, München,

nach einer Originalvorlage

Cover Art Copyright: © 2012 by Lucasfilm Ltd.

Cover art and design: © David Stevenson and Scott Biel

Redaktion: Marc Winter

HS · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-11063-5

www.blanvalet.de

Langjährige Leser der X-Wing-Reihe haben mich, Del Rey, Lucasfilm und vermutlich sogar vollkommen unbeteiligte Passanten über die Jahre hinweg immer wieder beharrlich gefragt: »Wann erscheint ein neuer X-Wing-Roman?«

Die Antwort darauf lautet »Jetzt«, und ich vermute, der Umstand, dass ihr dieses Buch nun in Händen haltet, ist vor allem eurem hartnäckigen, unermüdlichen Beharren darauf zu verdanken, dass dieses Projekt Realität werden müsse.

Danke, Leute.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Dramatis Personae

BHINDI DRAYSON; Geheimdienstoffizierin im Ruhestand (Mensch)

GARIK »FACE« LORAN; Geheimdienstoffizier im Ruhestand (Mensch)

JESMIN TAINER; antarianische Rangerin (Mensch)

MYRI ANTILLES; Glücksspielerin (Mensch)

STAVIN THAAL; General (Mensch)

TREY COURSER; Maschinenbauingenieur (Mensch)

TURMAN DURRA; Schauspieler (Clawdite)

VIULL »SCUT« GORSAT; Biofabrikant (Yuuzhan Vong)

VOORT »PIGGY« SABINRING; Mathematik-Professor (Gamorreaner)

WEGDE ANTILLES; Pilot im Ruhestand (Mensch)

1. Kapitel

RYVESTER, MERIDIAN-SEKTOR

13 JAHRE NACH DER SCHLACHT VON YAVIN (31 JAHRE ZUVOR)

Der imperiale Admiral Kosh Teradoc blieb gereizt und unsicher direkt vor dem Eingang des Clubs stehen. Seine Aufmachung, der Overall eines Handwerkers, war absolut authentisch – gekauft an einem Stand mit gebrauchter Kleidung in einem Armenviertel. Und die Perücke, die sein militärisch kurz geschnittenes blondes Haar mit einer strähnigen braunen Mähne bedeckte, war perfekt. Seine Haltung jedoch … Es schien ihm einfach nicht möglich zu sein, sein strammes Militärgebaren abzulegen, ganz gleich, wie sehr er es auch versuchte. Die Schultern lockern, jede Körperspannung aufgeben, die Arme hängen lassen … nichts schien länger zu funktionieren als ein paar Sekunden.

»Sie schlagen sich wacker, Admiral«, flüsterte ihm einer seiner Leibwächter zu. »Versuchen Sie … Versuchen Sie zu lächeln.«

Teradoc zwang den Mund zu einem starren Lächeln und tat den letzten Schritt zur Doppeltür. Sie glitt auf, um einen Schwall warmer Luft und die Geräusche von Stimmen, Musik und klirrenden Gläsern in den Gang entweichen zu lassen. Er und seine Männer betraten den Wartebereich des Clubs. Die dunklen Flure waren mit Holowerbung verziert, die verschiedene Getränkemarken anpries. Die animierten Bilder versprachen jenen Gästen, die schlau genug waren, sich für den richtigen Drink zu entscheiden, Romanzen, gesellschaftlichen Erfolg und Reichtum. Und diese Dinge versprachen sie Menschen wie Nichtmenschen gleichermaßen.

Einer von Teradocs Leibwächtern, der größer und fitter als er und auch wie er gekleidet war, hielt sich dicht in seiner Nähe. Die anderen drei blieben zurück, als würden sie eine andere Gästegruppe darstellen.

Die Empfangsdame trat zu ihnen. Die braunpelzige Chadra-Fan, die Teradoc gerade bis zur Hüfte reichte, trug ein goldenes Hostessengewand, das zwar bodenlang war, aber dennoch jede Menge glänzendes Fell zur Schau stellte.

Teradoc hielt drei Finger in die Höhe. Er sprach langsam, damit sie ihn verstand. »Ich erwarte noch jemanden. Einen Mann, der uns Gesellschaft leisten wird. Alles klar?«

Ihre Mundwinkel verzogen sich zur Andeutung eines Lächelns. »Durchaus.« Ihre Stimme war hell, lieblich und vielleicht auch eine Spur spöttisch. »Sind Sie die Herren, auf die Captain Hachat wartet?«

»Ähm … ja.«

»Er ist bereits da. Hier entlang, bitte.« Sie wandte sich um und führte sie durch eine breite, offene Doppeltür in den Hauptgastraum.

Teradoc folgte ihr. Seine Wangen glühten. Diese kleine Chadra-Fan … Hatte sie sich tatsächlich über ihn lustig gemacht? Er fragte sich, ob er dafür sorgen sollte, dass sie für diese Frechheit angemessen bestraft wurde.

Der Hauptsaal wirkte wie eine große Halle, und selbst zu dieser späten Stunde waren die meisten der unzähligen Tische besetzt. Die Musik und der Gesprächslärm wurden lauter, und die Gerüche verrieten, dass weniger als ein Viertel der Gäste Menschen waren. Teradoc sah gehörnte Devaronianer, pelzige Bothaner, kleinwüchsige Sullustaner, riesige, grünhäutige Gamorreaner und noch etliche andere Spezies, und er bildete sich ein, jede einzelne davon riechen zu können – und den Alkohol, den sie genossen.

»Sie stehen schon wieder stramm, Sir. Sie sollten wirklich versuchen, sich ein bisschen hängen zu lassen.«

Teradoc knurrte seinen Leibwächter an, kam dem Ratschlag jedoch nach.

Von der erhöhten Bühne drang ein letzter Trompetenstoß herüber, und dann erhob sich die größtenteils aus nichtmenschlichen Musikern bestehende Band zum Applaus der Menge, um hinter dem Bühnenvorhang zu verschwinden.

Sekunden später veränderte sich der Lärm des Publikums – der Tonfall von Hunderten von Stimmen wurde leiser und erwartungsvoll. Die nächsten Künstler betraten die Bühne. Sechs Gamorreaner, die bloß Lendenschurze trugen und ihre Haut eingeölt hatten, damit sie glänzte, kamen heraus und nahmen eine pfeilförmige Formation ein. Aus dem Soundsystem der Bühne dröhnte Tanzmusik vom Band, dominiert von Holzblasinstrumenten und Schlagzeug. Die Gamorreaner bewegten sich alsbald zur Musik. Sie tänzelten im Einklang umher, flatterten mit den Armen und reckten sich in die Lüfte. Die anwesenden Gamorreanerinnen stießen schrille Begeisterungsrufe aus – und andere im Publikum ebenso.

Teradoc erschauderte und entschied, sich mit dem Rücken zu den Tänzern zu setzen.

Die Chadra-Fan führte ihn zu einem Tisch, der nur wenige Meter von der Bühne entfernt stand. Dort hatte bereits ein Mensch Platz genommen. Der Mann war jung, von mittlerer Größe, muskulös und hatte das hüftlange rote Haar zu einem Zopf geflochten. In den Zopf war Modeschmuck eingewoben: schwarze Steine mit polierten Kupfereinlässen. Er trug ein langärmeliges Hemd, das Kleckse jeden Farbtons zierten, inkongruent und disharmonisch – ein deutlicher Kontrast zu seiner im Militärstil gehaltenen schwarzen Hose und den passenden Stiefeln. Er erhob sich, als Teradoc und sein Leibwächter an den Tisch traten.

»Captain Hachat?«

»Eben der.« Hachat setzte sich wieder und wies auf die Wachen. »Wer ist Ihr Freund? Er sieht aus wie hundert Kilo Konservenfleisch.«

Froh darüber, ihre Schuldigkeit getan zu haben, verneigte sich die Chadra-Fan-Empfangsdame ein wenig. »Ihre Bedienung wird gleich hier sein.« Sie wandte sich um und kehrte zu ihrem Pult zurück.

Teradoc schaute ihr nach und nahm Platz, das Gesicht von der Bühne abgewandt. Er wartete, bis sein Leibwächter ebenfalls einen Sessel in Beschlag nahm, ehe er fortfuhr. »Ihr Bote hat Andeutungen bezüglich einiger Namen gemacht. Die würde ich jetzt gern hören … und etwas Handfestes sehen.«

Hachat nickte. »Natürlich. Doch zunächst … Würden Sie sich besser fühlen, wenn Sie mit dem Lächeln aufhören könnten? Man hat den Eindruck, als würde das Ihrem Gesicht Schmerzen bereiten.«

»Ähm … ja.« Teradoc entspannte sich und stellte fest, dass seine Wangenmuskeln tatsächlich wehtaten. Er schaute sich um, registrierte die Körperhaltung vieler der Gäste um sich herum und rutschte auf dem Sessel ein Stück nach vorn, um sich genauso hinzufläzen wie sie.

»Viel besser.« Hachat nippte an seinem Drink, einem giftig aussehenden, gelben Gebräu, das von innen heraus glomm. Daneben standen zwei weitere Gläser, größtenteils leer, aber mit ähnlichen Rückständen am Boden. »In Ordnung. Ich leite ein privates Raumflottenunternehmen. Wir sind auf verdeckte Operationen spezialisiert, vor allem auf Wiederbeschaffung.«

Teradoc unterdrückte ein Seufzen. Warum sagt bloß keiner von denen einfach: »Ich bin ein Pirat, ein Schmuggler, ein zwielichtiges Stück Abschaum, das etwas zu verkaufen hat?« Ehrlichkeit wäre diesbezüglich wirklich erfrischend.

»Vor Kurzem sind wir auf ein beutendes Schiff gestoßen … auf eins, das so wertvoll ist, dass es uns die Möglichkeit geben würde, uns in Wohlstand zur Ruhe zu setzen.«

Teradoc zuckte mit den Schultern. »Weiter.«

»Der Palast von Piethet Brighteyes.«

»Ich dachte mir schon, dass Ihr Bote darauf hinauswollte. Aber das ist lächerlich. In den Jahrhunderten seit seinem Verschwinden wurde der Palast nicht mehr gesichtet, nie gab es irgendwelche Berichte darüber. Man wird ihn niemals finden.«

Hachat grinste ihn an. »Das wurde er aber. Aufgegeben, intakt, unangetastet, in einer Region Ihres Sektors, weit weg von irgendwelchen Siedlungen oder Handelsrouten.«

»Wenn Sie den Palast tatsächlich aufgespürt hätten, wären Sie jetzt dabei, die Edelsteine, die Möbel und all diese Gemälde zu verkaufen, die sich der Legende nach an Bord befinden – über einen Hehler. Stattdessen kommen Sie zu mir, und das bedeutet, dass Sie lügen.«

»Hier kommt die Wahrheit, Admiral: Die Sicherungssysteme sind noch immer aktiv. Ich habe allein schon ein Dutzend Männer bei dem Versuch verloren, in eine zweitrangige Fahrzeugbucht zu gelangen, wo ich ein Artefakt und einige unbedeutendere Edelsteine bergen konnte. Oh ja, ich könnte mit Raketen auf den Palast feuern, bis er klein beigibt … doch ich würde es vorziehen, lieber die Hälfte der Beute an einen hilfreichen Partner als durch Explosionen zu verlieren. So würde mir die Sache zumindest einen Geschäftspartner und eine gewisse Gewogenheit von Ihrer Seite verschaffen.«

Teradoc rieb sich die Schläfe. Das ewige Bum-Bum-Bum der Soundanlage auf der Bühne hinter ihm bescherte ihm Kopfschmerzen. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Hachat zu. »Nehmen Sie nicht meinen Rang in den Mund und nennen Sie hier auf keinen Fall meinen Namen.«

»Wie Sie wollen.« Hachat nahm noch einen Schluck von seinem Drink. »Sie haben Zugriff auf Ressourcen beim Imperialen Geheimdienst, auf die besten Hacker und Einbruchsspezialisten der Galaxis. Sie könnten diese Verteidigungssysteme knacken – und uns beide reich machen.«

»Sie erwähnten ein Artefakt.«

»Ich habe es bei mir. Als Vertrauensbeweis, wie Sie es vorgeschlagen haben.«

»Zeigen Sie es mir.«

»Sagen Sie Ihrem Schlägertypen, dass er ganz ruhig bleiben soll. Ich greife bloß nach meinem Komlink.«

Teradoc warf seinem Leibwächter einen Blick zu und nickte unmerklich.

Hachat nahm ein kleines Gerät zur Hand, das an seinen Hemdkragen geklemmt war, und drückte einen Knopf an der Seite. »In Ordnung, es wird gebracht.«

Sie brauchten nicht lange zu warten. Ein einen Meter großer Sullustaner in der blau-cremefarbenen Kellner-Livree des Clubs kam zu ihnen herüber und schleppte unbeholfen einen grauen Flimsiplastkarton heran, der fast so groß wie er selbst sowie halb so breit und tief war. Er stellte den Karton neben Hachats leeren Gläsern auf den Tisch. Dieser gab ihm eine Credmünze Trinkgeld, und der Sullustaner zog sich zurück.

Teradoc warf seinem Leibwächter einen raschen Blick zu. Der Mann stand auf, zog die Deckelklappen des Kartons auseinander und griff hinein. Er hob eine funkelnde, durchscheinende Statuette heraus, die beinahe so hoch wie der Karton war, und stellte sie in die Tischmitte. Hachat nahm den leeren Karton und stellte ihn hinter seinem Sessel auf den Boden.

Die Statuette zeigte die Gestalt eines Menschen, der auf einem niedrigen Podest stand. Der Mann war jung, mit aristokratischen Zügen, und trug eine knielange Robe von klassischem Schnitt. Und die Figur bestand komplett aus Edelsteinen, die wie Puzzleteile so geschickt und kunstvoll aneinandergefügt waren, dass Teradoc die Nahtstellen kaum ausmachen konnte. Die gesamte Farbgebung der Statuette stammte von den Juwelen, aus denen sie gefertigt war. Trübe, diamantartige Edelsteine bildeten die weiße Haut von Gesicht, Hals, Armen und Beinen. Rubingleiche Steine verliehen den Augen einen roten Schimmer. Das Gewand war saphirblau, und sofern Teradoc sich nicht irrte, handelte es sich beim goldgelben Haar des Mannes um laborgezüchtete, von Gold durchzogene Kristalle. Bloß das Podest war nicht lichtdurchlässig, sondern bestand aus glattem, schwarzem Stein.

Das Stück war exquisit, und Teradoc spürte, wie sein Herz raste. An den Tischen ringsum ertönten Ooohs und Aaaahs. Mit Verspätung wurde Teradoc klar, dass er und Hachat jetzt im Mittelpunkt des Interesses vieler anderer Gäste standen.

Hachat schenkte den Neugierigen ein Grinsen und hob die Stimme, um sich über die Musik hinweg Gehör zu verschaffen. »Ich habe einen ganzen Frachtraum voll davon. Die Stücke werden morgen auf dem Statz-Markt angeboten. Zwölf imperiale Credits für eine kleine Statue, dreißig für eine große wie die hier. Schauen Sie morgen ruhig vorbei.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Teradoc zu.

Der Admiral schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln – diesmal ein echtes. »Auf diese Weise überzeugen Sie sie davon, dass dieses Stück wertlos ist, sodass niemand uns draußen überfallen wird, um es zu stehlen.«

»Stimmt. Also, sind Sie jetzt ebenfalls überzeugt?«

»Fast.« Teradoc griff nach seinem eigenen Komlink, aktivierte es und sprach hinein: »Schickt Cheems rein.«

Hachat sah ihn stirnrunzelnd an. »Wer ist Cheems?«

»Jemand, der dafür sorgen kann, dass dieses Arrangement in trockene Tücher kommt. Ohne ihn kommen wir nicht ins Geschäft.«

Einen Moment später traten zwei Männer an den Tisch. Einer war ein weiterer von Teradocs absichtlich ungepflegt wirkenden Leibwächtern. Der andere war ein Mensch mit heller Haut. Sein Haar und sein dunkler Bart zeigten erste Spuren von Grau. Er war schlank und mit einem Anzug gut gekleidet. Ungeachtet der Förmlichkeit seiner Garderobe schien sich der Mann in dieser Umgebung wesentlich behaglicher zu fühlen als Teradoc oder seine Wachen. Nachdem der Leibwächter seine Pflicht erfüllt hatte, wandte er sich um und zog sich zu einem weiter entfernten Tisch zurück. Auf Teradocs Geste hin nahm der Mann im Anzug zwischen dem Admiral und Hachat Platz.

Eine Kellnerin erschien, eine dunkelhäutige Menschenfrau, die einen locker sitzenden, blau-cremefarbenen Hosenanzug trug, genau wie der Sullustaner zuvor. Ihre durchtrainierte Figur und das breite Lächeln waren ganz nach Teradocs Geschmack. Sie schenkte dieses Lächeln der Reihe nach jedem von ihnen. »Etwas zu trinken, Gentlemen?«

Hachat schüttelte den Kopf. Der Mann im Anzug und der Leibwächter taten es ihm gleich. Teradoc jedoch erwiderte das Lächeln der Bedienung. »Einen Salzigen Alten, bitte.«

»Mit einem richtigen oder einem Zuckerkäfer darin?«

»Zucker, bitte.«

Sobald die Kellnerin fort war, warf Hachat dem Neuankömmling einen Blick zu. »Und Sie sind?«

Der Mann sprach mit trockener, dünner Stimme. »Ich bin Mulus Cheems. Ich bin Wissenschaftler, spezialisiert auf kristalline Materialien … und geschichtlich bewandert in der Edelsteinkunde.«

Teradoc räusperte sich. »Genug der Worte, kommen wir zur Sache.«

Cheems seufzte. Dann holte er ein kleines Gerät aus der Manteltasche hervor, ein grauer Kasten von sechs Zentimetern Seitenlänge, einen Zentimeter dick. Er drückte einen kleinen Knopf an der Kante.

Aus dem Innern des Geräts fuhr ein quadratisches Objektiv aus, an dessen Basis ein helles Licht schien. In roten Lettern rollten Worte über den kleinen schwarzen Bildschirm unmittelbar über dem Knopf.

Cheems beugte sich vor, um die Statuette eingehender zu betrachten, und hielt die Linse vor das rechte Auge. Er sprach wie zu einem Schüler. »Die Edelsteine, die zur Herstellung dieses Stücks verwendet wurden, sind hochwertig, aber nicht außergewöhnlich. Sie könnten in den letzten paar Jahrhunderten zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf einer Vielzahl von Welten geschürft worden sein. Aber die Technik … definitiv Vilivian. Aus seiner Werkstatt, vielleicht sogar aus seiner eigenen Hand.«

Teradoc runzelte die Stirn. »Wer ist Vilivian?«

»Ein hapanischer Juwelenschleifer, dessen aufwendig aneinander angepasste Edelsteine einige Jahrhunderte zuvor eine zwar nur kurzlebige Modeerscheinung, aber durchaus richtungsweisend waren. Seine Finanzunterlagen verzeichnen mehrere Verkäufe an Piethet Brighteyes.« Cheems bewegte das Objektiv von der Brust der Statuette zu ihrem Antlitz hinauf. »Interessant … Adeganische Kristalle für die roten Augen … und die Beschichtung, die dem Stück seine Form verleiht … ist kein Polymer, sondern fein gewirkter Diamantstaub. Wird wegen der verglichen mit Polymeren exorbitant hohen Kosten nicht mehr verwendet. Wunderschön, wirklich wunderschön.« Er lehnte sich zurück und ließ das Objektiv mit einem Knopfdruck ins Gehäuse zurückschnellen.

Teradoc überkam ein Anflug von Ungeduld. »Und?«

»Und? Oh … ob die Statuette echt ist? Ja. Absolut. Ich denke, dass es sich dabei um das Stück mit dem Titel ›Licht und Dunkel‹ handelt. So viel wert wie das Lösegeld für einen Moff.«

Teradoc lehnte sich zurück und starrte die Figur an. Der Palast von Piethet Brighteyes – mit diesem Vermögen in Aussicht konnte er seinen Posten an den Nagel hängen, sich ein ganzes Planetensystem kaufen und den Rest seines Lebens dem Luxus frönen, weit weg von den Querelen zwischen dem Imperium und der Neuen Republik. Wärme durchflutete seinen Körper, ausgelöst von der Erkenntnis, dass seine Zukunft soeben ausgesprochen angenehm geworden war.

Die dunkelhäutige Bedienung kehrte zurück und stellte Teradocs Drink vor ihn hin. Er lächelte sie an und bezahlte mit einer Credmünze, die zwanzigmal so viel wert war, wie das Getränk kostete. Er konnte es sich leisten, großzügig zu sein. »Behalten Sie den Rest.«

»Vielen Dank, Sir.« Sie ließ die Münze in einer verborgenen Tasche verschwinden und zog sich zurück – allerdings nicht allzu weit. Für Teradoc war klar, dass sie in der Nähe blieb, für den Fall, dass er besonderer Aufmerksamkeit bedurfte. Sein Blick kehrte zurück zu Hachat. »Ich bin überzeugt.«

»Ausgezeichnet!« Hachat streckte eine Hand aus. »Partner.«

»Nun … wir müssen noch unseren prozentualen Anteil am Gewinn aushandeln. Ich dachte mir, dass hundert Prozent für mich angemessen sind.«

Hachat zog die Hand zurück. Anstatt überrascht oder angegriffen zu wirken, lächelte er. »Lest ihr imperialen Offiziere eigentlich alle dasselbe Handbuch – ›Verrat leicht gemacht‹? Denn Sie ziehen die Sache definitiv streng nach Schema F durch.«

»Captain, Sie werden in naher Zukunft ein hohes Maß ausgefeilter Verhörtechniken über sich ergehen lassen müssen. Sie werden viel Schmerz erdulden, bevor Sie schließlich einbrechen und mir sagen, wo sich der Palast befindet. Und wenn Sie versuchen, mich zu verärgern, verdoppeln Sie diesen Schmerz damit womöglich bloß.«

Hachat schüttelte verwundert den Kopf. »Was ich nicht verstehe, ist diese ganze Großadmiral-Thrawn-Nummer. Jeder noch so unbedeutende, aufstrebende Flottenoffizier versucht, so zu sein wie er. Elegant, undurchschaubar … und ein Kunstliebhaber. Doch ein Kunstliebhaber zu sein macht Sie nicht zu einem Genie, wissen Sie?«

»Damit haben Sie sich gerade eine Extrawoche Folter eingehandelt.«

»Abgesehen davon sind Sie im Gegensatz zu Thrawn ungefähr so Respekt einflößend wie ein Gungan mit der Unterwäsche voll Stechmücken.«

»Drei Wochen. Und just in diesem Augenblick hat mein Leibwächter unter dem Tisch einen Blaster auf Ihren Unterleib gerichtet.«

»Ach, du liebe Güte!« Hachat sah die Wache an. Er hob die Hände zu beiden Seiten des Gesichts, um zu verdeutlichen, dass er sich ergab. »Biiittteee, erschießen Sie mich nicht, Sie übel riechender Kerl. Bitte, oh bitte, oh bittebittebitte!«

Teradoc starrte ihn perplex an.

Auf der Bühne vollführten die schweineartigen Gamorreaner-Tänzer eine weitere Rotation, die den Schlanksten von ihnen ganz nach vorn brachte. Obgleich er mit seinen gut und gerne hundertfünfzig Kilo allein nach gamorreanischen Maßstäben als schlank durchging, bewegte er sich gut, und unter seinem Körperfett erhaschte man flüchtige Blicke auf eine gute Muskulatur. Gemeinsam mit dem Rest der Tanztruppe absolvierte er eine halbe Drehung, sodass die Gamorreaner zur Rückseite der Bühne blickten, ehe sie zu einer Reihe von Powacklern übergingen, die jeweils von einem Hopser zur Seite begleitet wurden. Dann wendeten sie sich langsam wieder der Menge zu, wobei ihre Bewegungen von Bauchrollen untermalt wurden, die die Gamorreanerinnen unter den Zuschauern zu entzücktem Johlen anstachelten.

Als der schlankste Tänzer nach einer letzten Bauchrolle wieder nach vorn schaute, konnte er Hachats Tisch sehen … und Hachat mit erhobenen Händen. Er verspürte einen Anflug von Leichtsinn, als Adrenalin durch seinen Kreislauf schoss. Das war das Startsignal.

Unweit von Hachats Tisch kam die dunkelhäutige Kellnerin unauffällig auf Teradoc zu.

Der gamorreanische Tänzer, dessen Name Piggy lautete, hörte auf zu tanzen, warf den Kopf zurück und brüllte auf Gamorreanisch einige Worte: »Achtung, eine Razzia! Haut ab!«

Überall im Raum hallte der Schrei in Basic und anderen Sprachen wider. Piggy registrierte anerkennend, dass die Klangqualität dieser Rufe so gut war, dass nur wenige Leute – falls überhaupt – merken würden, dass es sich dabei um Aufzeichnungen handelte.

Schlagartig machte sich Panik unter den Gästen und Tänzern breit.

Mit einem Mal stemmten sich sämtliche Gamorreaner in dem Etablissement auf die Füße, wobei einige in panischer Hast ihre Tische umwarfen, und die nicht gamorreanischen Gäste folgten ihrem Beispiel. Verwirrt wandte Teradoc seine Aufmerksamkeit einen Moment lang von Hachat ab, drehte sich um und ließ den Blick über das Meer von Tischen schweifen.

Von den zwei Seitenausgängen des Raums drang ein lautes Ka-bumm herüber. Beide Türen flogen auf, von Sprengladungen aus den Laufschienen gerissen. Groß gewachsene Männer in den Rüstungen der Sondereinsatzkräfte der Imperialen Flotte stürmten durch die rauchenden Öffnungen herein.

Zu seiner Rechten fiel Teradoc eine schemenhafte Bewegung ins Auge. Er sah die dunkelhäutige Kellnerin heranhuschen und einen perfekten Tritt zur Seite ausführen. Ihr sandalenbewehrter Fuß schoss unmittelbar unter der Tischplatte heran. Selbst über den im Raum herrschenden Tumult hinweg vernahm Teradoc das Knacken, mit dem die Hand oder das Handgelenk seines Leibwächters brach. Die Blasterpistole entglitt seinem Griff, krachte dumpf gegen Teradocs Flanke und fiel zu Boden.

Die Kellnerin stand da und balancierte auf ihrem Standbein, ehe sie das Bein erneut krümmte und von Neuem zutrat, um diesmal den Kiefer des Leibwächters zu erwischen, just als er sich umwandte, um sie anzusehen. Der Mann wankte und rutschte vom Stuhl. Dann hechtete die Kellnerin in die entgegengesetzte Richtung, rollte sich ab, als sie auf dem Boden aufkam, und verschwand unter dem nächsten Tisch aus Teradocs Blickfeld.

Teradoc selbst langte nach dem Blaster auf dem Boden. Er bekam ihn zu fassen.

Hachat hatte sein Lächeln nicht eingebüßt. Er wandte sich um in Richtung der Gläser auf dem Tisch und rief ihnen geradewegs zu: »Rauchbombe!«

Eins der Trinkgläser – größtenteils leer – explodierte mit dickem gelbem Rauch. Als Teradoc sich aufrichtete und den Blaster in Anschlag brachte, war er von einem Dunst umwölkt, der nach Alkohol und bitteren Chemikalien roch und ihm in die Augen stach. Jetzt konnte er nicht einmal mehr die andere Seite des Tisches erkennen. Er stand auf und ging vorsichtig um den Tisch … ertastete aber bloß leere Stühle. Hachat war fort. Cheems war fort. Die Statuette hingegen war noch da. Teradoc packte sie, ehe er vom Tisch wegtaumelte, raus aus dem beißenden Rauch.

Während die Tänzer und Gäste flohen, stand Piggy reglos auf der Bühne und kommentierte das Geschehen. Er sprach stimmlos in sein Kehlkopfimplantat, das seine quiekende, grunzende gamorreanische Aussprache in verständliches Basic umwandelte und seine Worte zudem über eine spezielle Funkfrequenz übermittelte. »Leibwächter an den Tischen zwölf und vierzig wahren Disziplin und halten nach Zielen Ausschau. Sie entdecken aber keine. Shalla, halt dich bedeckt, Vierzig sieht in deine Richtung.«

In dem winzigen Kom-Empfänger in seinem Ohr brummten leise Stimmen. »Verstanden, Piggy.« »Hab Zwölf erwischt, Zwölf ist erledigt.« »Hab Vierzig im Visier.«

Jetzt ging der Leibwächter, der Cheems zu Teradoc gebracht hatte, erneut auf den besagten Tisch zu. Diesmal hielt er eine Blasterpistole in der Hand. Mit seiner freien Hand stieß er Gäste aus dem Weg. Er gelangte zum Rand des gelben Rauchs und begann ihn dann auf der Suche nach Zielen zu umkreisen. Er fand welche. Sein Kopf schnappte ruckartig nach rechts. Piggy warf einen raschen Blick in diese Richtung und sah, dass Hachat und Cheems schon fast beim ruinierten Durchgang in der Mauer waren. Der Leibwächter hob seine Pistole und wartete darauf, einen sauberen Schuss anbringen zu können.

Nun, es wurde ohnehin Zeit zu verschwinden. Piggy lief die drei Schritte zum Bühnenrand und katapultierte sich nach vorn. Er segelte über den am nächsten stehenden Tisch hinweg und krachte gegen Teradocs Leibwächter, um ihn zu Boden zu werfen und dem Mann die Knochen zu brechen. Der Blaster des Leibwächters schlidderte über den Boden und war außer Reichweite, verdeckt von gelbem Rauch und den trampelnden Beinen der Gäste. Piggy erhob sich. Die Wucht des Aufpralls war auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen, aber er war darauf vorbereitet gewesen – und er war gut mit Muskeln und Fett gepolstert. Er hatte sich nichts gebrochen, sah den Leibwächter an und stellte zufrieden fest, dass der bewusstlose Mann keine Gefahr mehr war.

Hachats Stimme drang über das Kom. »Wir haben das Paket. Zieht euch zurück. Gebt Bescheid, sobald ihr am Ausgang seid.«

Die meisten der Barbesucher – die, die nicht in blinder Panik flohen – wogten vorwärts durch den Haupteingang der Schenke, in dessen Nähe sich aus unerfindlichen Gründen keine Männer der Imperialen Flotte befanden. Piggy wandte sich dem Ausgang zu, den Hachat und Cheems genommen hatten. Neben dem Durchgang stand ein abschreckend wirkender imperialer Truppler. Unbeeindruckt von der Bedrohung, die der Soldat darstellte, näherte sich Piggy dem hinteren Personalausgang des Gebäudes. »Piggy so gut wie draußen.« Er erreichte die Tür am Ende des Korridors, die für ihn aufglitt, und dann trat er in die kühlere Nachtluft hinaus.

»Keine Bewegung, oder ich schieße!« Die Stimme war tief, männlich, grimmig.

Das Brüllen ertönte direkt neben Piggys rechtem Ohr. Er zuckte regelrecht zusammen und hob die Hände. Unbewaffnet und fast nackt, wie er war, sowie auch im Hinblick darauf, dass sich seine Augen noch nicht an die nächtliche Dunkelheit angepasst hatten, blieb ihm keine andere Wahl.

Dann gluckste sein Angreifer amüsiert. »Schon wieder reingefallen.«

Piggy drehte sich mit finsterer Miene um.

Bei der Tür stand eine humanoide Gestalt, die zwar fast genauso groß, aber nicht annähernd so stark behaart wie ein Wookiee war. Statt mit einem Blaster war der Mann mit einem Granatengurt bewaffnet. Für seine über zwei Meter war er hager. Er hatte braunes Fell, sein Gesicht war länglich und seine großen, eckigen Zähne zu einem triumphierenden Grinsen gebleckt. Er trug einen schwarzen Reisemantel, der weit genug aufklaffte, um den braunen Overall und den Gurt darunter erkennen zu lassen.

Piggy griff nach oben, um die Barthaare des Sprechers zu packen und daran zu ziehen. »Nicht lustig, Knirps!«

»Oh, ich fand’s ziemlich lustig.«

»Das werd ich dir heimzahlen!«

»Das sagst du ständig. Aber irgendwie passiert das nie.«

Piggy seufzte und ließ seinen Freund los. Mittlerweile hatten sich seine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt. In der Düsternis, die mit ihren fernen Lichtern fast wie eine Fortführung des Sternenfelds über ihnen wirkte, konnte er gerade so den Pier des Yachthafens ausmachen – und die Glühstäbe, die die altmodischen Wassergefährte umrissen, die ganz in der Nähe vor Anker lagen.

Noch näher befand sich das Evakuierungsfahrzeug des Teams, ein alter Luftgleiter – ein Tieflader mit riesigen Repulsoren und Motivatoren. Das Gefährt lief bereits und schwebte mit Motivatorschub einen Meter über dem Boden. Schilder an den Seiten des Führerhauses verkündeten, dass es sich um einen Schlepper von der Art handelte, wie sie losgeschickt wurden, um die Schiffe der Reichen und Glücklosen zu bergen, wenn ihre Motivatoren den Geist aufgaben. Hinten auf der Ladefläche waren leistungsstarke Winden angebracht.

Im Führerhaus saß ein Devaronianer am Steuer. Er drehte den gehörnten Kopf und warf Piggy durch das hintere Sichtfenster ein scharfzahniges Lächeln zu. Cheems und Hachat hatten bereits neben ihm in der Kabine Platz genommen.

Piggy eilte zu dem Speeder und kletterte auf die Ladefläche. Das Gefährt ruckelte ein wenig unter seinem Gewicht. Er sah sich nach dem Bündel um, das hier eigentlich auf ihn warten sollte, konnte es jedoch nirgends entdecken. Er seufzte und setzte sich mit dem Rücken zum Führerhaus hin. Dann starrte er die Hintertür des Clubs an, neben der Knirps Position bezogen hatte. »Kommt schon, kommt schon.«

Die Tür glitt gerade lange genug auf, um die dunkelhäutige Kellnerin ins Freie huschen zu lassen. Unbehelligt von Knirps, lief sie zum Luftgleiter hinüber, sprang ebenfalls auf die Ladefläche und ließ sich neben Piggy nieder. »Shalla ist draußen.« Sie sah Piggy an. »Solltest du nicht eigentlich einen Mantel hier haben?«

Er wusste, dass seine Erwiderung leidgeprüft klang. »Ja. Und wer hat es vermasselt? Wer hat beschlossen, mich hier fast nackt warten zu lassen? Ich wette, ich werde es niemals erfahren.«

Shalla nickte. Sie war die Gepflogenheiten ihrer Kameraden gewöhnt. »Der Abend hat dir heute eine ganze Menge Fans beschert. Diese gamorreanischen Damen haben sich schier das Hirn aus dem Leib gekreischt – und nicht nur die. Du hättest heute Nacht jede Menge Spaß haben können …«

Piggy verdrehte die Augen. Soweit es ihn betraf, hatten diese Gamorreanerinnen überhaupt kein Hirn, das sie sich aus dem Leib kreischen konnten. Piggy, dessen Fähigkeiten durch biologische Experimente in seiner Kindheit gesteigert worden waren, war das einzige Genie seiner Spezies. Und im Gegensatz zu anderen konnte er den Gedanken nicht ertragen, eine Beziehung zu einer Frau zu unterhalten, die intelligenzmäßig weit unter ihm stand. Deshalb war er allein.

Hachat drehte sich um und schaute durch das Heckfenster des Führerhauses zum Club zurück. »Kell …«

Piggy vernahm die Antwort des Mannes im Ohr. »Bin beschäftigt, Boss.«

»Kell, soll ich vielleicht reinkommen und dich holen?«

»Bin beschäftigt!« Dann glitt die Tür auf, und Kell, der gepanzerte Truppler, der Piggy vorbeigelassen hatte, kam in Sicht. Er stürzte durch die Türöffnung und krachte rücklings zu Boden, mit einem von Teradocs Leibwächtern auf sich.

Knirps griff nach unten und packte den Leibwächter an Schulter und Hals, um den Mann so mühelos herunterzureißen, als sei er nichts weiter als die widerstandslose Schale einer Frucht. Knirps schüttelte den Leibwächter und hörte auch nicht damit auf, als Kell sich aufrappelte und auf den Speeder zutrottete.

Als Kell sich schließlich neben Shalla auf die Ladefläche sinken ließ, war der Leibwächter komplett erschlafft. Knirps ließ ihn fallen und musterte ihn eine Sekunde lang fragend. Dann zog er zwei Granaten von seinem Gurt. An beiden drehte er den Einstellring und trat zur Seite, um schließlich vor der Tür stehen zu bleiben. Als sie vor ihm aufglitt, warf er die Granaten durch die Öffnung und wartete, bis sie detonierten. Dabei machten sie zwar nur wenig Krach, sorgten jedoch dafür, dass sich der gesamte Korridor mit dickem schwarzem Rauch füllte. Dann gesellte er sich zu den anderen, nahm am hinteren Ende der Ladefläche des Luftgleiters Platz und sah Piggy an. »Knirps ist draußen. Team eins komplett.«

Cheems hatte angenommen, dass sie sich so weit wie möglich von der imperialen Flottenbasis und der Stadt ringsum entfernen würden. Stattdessen jedoch flogen sie bloß ein paar hundert Meter außen am Yachthafen entlang. Dann ließen sie ihren Gleiter auf einem dunklen, grasbewachsenen Feld unmittelbar vor den Hafentoren stehen und eilten zu Fuß über altmodische Holzpiers. Kurz darauf gingen sie an Bord einer langen, eleganten Yacht, die in glänzendem, beinahe imperialem Weiß erstrahlte.

Innerhalb weniger Minuten hatten sie die Yacht aus ihrem Liegeplatz manövriert, sie in die Gewässer der Bucht hinausgesteuert und Kurs auf das offene Meer gesetzt. Alle acht versammelten sich auf dem Achterdeck, das mit bequemen, wetterunempfindlichen Möbeln, einer Bar und einem Grill ausstaffiert war. Cheems saß in einem Polstersessel und verfolgte verblüfft, wie seine Retter ihre energiegeladenen Machenschaften fortsetzten.

Der Devaronianer, den die anderen Elassar nannten, holte erstklassige Banthasteaks aus einem Kühlschrank und fing an, sie auf dem Grill zuzubereiten. Piggy, der Gamorreaner, machte eine weiße Robe ausfindig und streifte sie über, ehe er sich daranmachte, Drinks zu mischen. Kell legte seine Rüstung ab und warf sie zusammen mit den imperialen Waffen über die Reling. Hachat verschwand zwei Minuten lang unter Deck, und als er wieder zurückkehrte, war sein Haar kurz und braun und seine Kleidung unauffällig. Knirps entledigte sich seines Reisemantels und baute auf einem Beistelltisch eine kleine, aber kostspielig aussehende tragbare Computeranlage auf. Ein gelbhäutiger Mensch, der nicht mit an Bord des Speeders gewesen war, tat es Kell gleich und zog die eigene imperiale Rüstung aus, um sie über Bord zu werfen. Shalla indes streckte sich lediglich in einem der bequemen Polstersessel aus und lächelte, während sie den Männern bei der Arbeit zusah.

Schließlich brachte Cheems den Mut auf, das Wort zu ergreifen. »Ähm … Entschuldigen Sie bitte … Nicht dass ich mich beschweren möchte … Aber könnte ich vielleicht so eine Art Zusammenfassung dessen bekommen, was da gerade passiert ist?«

Hachat grinste und ließ sich auf eine Couch neben Cheems Sessel sinken. »Mein Name ist nicht Hachat, sondern Garik Loran. Captain Loran, vom Geheimdienst der Neuen Republik. Knirps, hast du das Peilsignal schon geortet?«

»Ich arbeite dran.«

»Wenn du so weit bist, leg es auf den Hauptschirm, über die Ortskarte.«

Nicht weniger verwirrt als zuvor unterbrach Cheems ihn: »Garik Loran? Face Loran, der Kinderschauspieler?«

Face konnte nicht ganz verhindern zusammenzuzucken. »Das ist zwar schon lange her, aber ja.«

»Ich liebe Die Lebenstag-Morde. Ich habe eine Kopie auf meinem Datapad.«

»Ja, großartig … Wie auch immer, was denken Sie, worum es bei alldem geht?«

»Darum, mich aus den Klauen des Admirals zu retten, nehme ich an.« Cheems runzelte die Stirn, während er die Abfolge der Ereignisse vor seinem geistigen Auge noch einmal Revue passieren ließ. »Als ich vor zwei Tagen von meinem Labor zurück in meine Gefängniszelle geführt wurde, fühlte ich einen fiesen Stich im Rücken. Ich nehme an, dass Sie mir da eine Art Kommunikationsgerät in den Körper gejagt haben. Kleine, wispernde Stimmen, die in meinem Schulterblatt widerhallen.«

Face nickte. Er wies auf den Mann mit der gelben Haut. »Das ist Bettin. Er ist unser Scharfschütze und Fachmann für exotische Waffen. Er hat Sie aus fast einem Kilometer Entfernung mit einem Peilsender versehen. Näher kamen wir nicht an Sie heran.«

Bettin winkte fröhlich. »War ein verkrifft schwieriger Schuss. Seitenwind und ein Päckchen von geringer Masse. Piggy war mein Aufklärer. Ich musste mich sehr auf seine kalkulatorischen Fähigkeiten verlassen.«

»Ja, ja.« Face klang ungeduldig. »Also, das war jedenfalls der erste Schritt: mit Ihnen in Kontakt treten.«

Cheems dachte nach. »Und der zweite Schritt bestand darin, mir zu sagen, dass man mich rufen würde, um die Echtheit eines Artefakts zu bestätigen, und dass ich das in jedem Fall tun solle, ganz gleich, womit ich es auch zu schaffen hätte. Sie sagten mir, dass das der einzige Weg für mich sei, diese Flottenbasis jemals lebend zu verlassen.«

Face nickte.

»Womit hatte ich es denn überhaupt zu tun? Das Material besaß definitiv eine kristalline Struktur, aber es handelte sich dabei nicht um Diamanten oder um irgendeinen anderen Edelstein. Tatsächlich sah es ein bisschen wie kristallisiertes Anthrazit aus.«

Kell, der an der Bar stand, schenkte Cheems ein Grinsen. Sein Gesicht, das jetzt nicht mehr vom Helm verborgen wurde, wirkte heiter und ziemlich attraktiv. Er trug sein braunes Haar, das merklich von einem spitzen Ansatz zurückwich, extrem kurz. »Sehr gut. Es ist tatsächlich eine modifizierte Art von Anthrazit, in kristallisierter Form.«

»Dann war ich also nur wenige Zentimeter von zehn Kilo hochexplosivem Sprengstoff entfernt?« Cheems glaubte zu spüren, wie alles Blut aus seinem Schädel wich.

»Eher von fünfzehn Kilo. Außerdem waren im Fuß der Statuette ein Sendeempfänger, eine Energieeinheit und einige Kontrollchips untergebracht.« Kell zuckte mit den Schultern und nahm von Piggy einen Drink entgegen.

Cheems schüttelte den Kopf. »Und ich habe es für ein Kunstwerk durchgehen lassen!«

Kell starrte ihn sichtlich verschnupft an. »Es war ein Kunstwerk.«

Face lenkte Cheems Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Teradocs Gewohnheiten und Methoden sind dem Geheimdienst wohlbekannt. Wir mussten mit einem Köder aufwarten, der einen Edelsteinexperten erfordert, um seine Echtheit zu bestätigen. Wir mussten ihm eine raffinierte Profitmöglichkeit bieten, damit Teradoc Sie den Stützpunkt verlassen lässt, um die Authentifikation durchzuführen. Und wir mussten dafür sorgen, dass der Köder sehr wertvoll ist, damit er ihn sich schnappt und damit flieht, sobald es Ärger gibt.«

»Zurück zu seiner Basis.« Cheems spürte, wie ihn ein kaltes Frösteln überlief. »Zurück in den Hochsicherheitstrakt, wo er seine Kostbarkeiten hortet – in seine persönliche Schatzkammer.«

Face schenkte ihm ein Jetzt-haben-Sie-begriffen-Lächeln. »Die sich wo genau befindet?«

»Direkt unter seinen gesicherten Forschungs- und Entwicklungslabors.«

»Wo seine Leute, sofern unsere Informationen korrekt sind, mit Seuchenviren und selbstreplizierenden, nicht biologischen Toxinen herumexperimentieren – und dem Projekt, für das Teradoc Sie entführt hat, Dr. Cheems.«

»Ein Schallgerät. Die Grundidee ist, dass hohe, korrekt schwingende Schallwellen in Lichtschwertkristallen nachhallen und sie so zerschmettern könnten.«

Ausnahmsweise wirkte Face besorgt. »Könnte das tatsächlich funktionieren?«

Cheems schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht so, wie es beabsichtigt war. Bei ungeschützten Kristallen, ja. Aber die Griffe von Lichtschwertern isolieren die Kristalle darin zu effektiv. Das konnte ich dem Admiral allerdings nicht sagen. Hätte ich ihm erklärt, dass es nicht geht, wäre das gleichbedeutend damit gewesen zu sagen: Bitte, bringen Sie mich jetzt sofort um, da ich für Sie nicht mehr von Nutzen bin.« Mit einiger Verspätung wurde Cheems klar, dass er zu viel preisgegeben hatte. Falls diese wundersame Rettung in Wahrheit ein Schwindel war, falls er im Moment tatsächlich von imperialen Geheimdienstagenten umgeben war, hatte er soeben seinen eigenen Exekutionsbefehl unterzeichnet. Er schluckte schwer.

Knirps wandte sich an Face. »Ich hab’s.« Er rückte den Hauptmonitor auf seinem Tisch so zurecht, dass die anderen ihn sehen konnten.

Der Bildschirm zeigte eine Draufsichtkarte der Planetenhauptstadt, der imperialen Flottenbasis und der großen Bucht, die im Osten an beides grenzte. Tief im Innern des Stützpunkts blinkte ein gelbes Licht. Dann verblasste das Licht zu nichts, während sie hinschauten.

Cheems sah Face an. »Ist Ihr Sender gerade ausgefallen?«

Face schüttelte den Kopf. »Nein. Er wurde in einen gesicherten Bereich gebracht, den Funksignale nicht durchdringen können. Die internen Schaltkreise des Geräts, zu denen auch ein planetares Ortungssystem gehört, wissen, wo es ist – in den Forschungs- und Entwicklungslabors. Atmosphärendruckmesser verraten, wie tief unten im Boden der Sender gegenwärtig ist. In der Tiefe von Teradocs persönlicher Schatzkammer, nun …«

Vom Westen her klang ein fernes Grollen herüber, nicht einmal ein Bum. Alle schauten in diese Richtung. Einen Moment lang war nichts weiter zu sehen als die Lichter der Stadt, dann flammten überall auf der Flottenbasis Scheinwerfer auf, die über den Nachthimmel schwenkten. In weiter Ferne heulten Sirenen los.

Face lehnte sich auf der Couch zurück und machte es sich gemütlich. »Just in diesem Moment wurden die unteren Bereiche der Labors vaporisiert. Pathogenkammern und Virenreaktoren sind leckgeschlagen. Die Sensoren registrieren gefährliche Krankheitserreger, die in die Luft entweichen. Lüftungsventile schließen und versiegeln sich, während die automatischen Dekontaminierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Noch bevor die Sicherheitsmaßnahmen zur Dekontamination abgeschlossen sind, wird alles an diesem Ort zu Asche verbrannt und chemisch sterilisiert worden sein. Bedauerlicherweise vermute ich, dass Teradoc von alldem nichts mehr mitbekommt, da er zweifellos gerade dabei war, seine Neuerwerbung zu bewundern, als sie hochging. Allerdings sind wir ihm dennoch zu Dank verpflichtet. Er hat uns monatelange Arbeit erspart, indem er unsere Bombe persönlich an den Sicherheitsvorkehrungen seiner eigenen Basis vorbeigeschmuggelt hat.«

Cheems sah Piggy an. »Ich könnte jetzt einen ziemlich großen, ziemlich kräftigen Drink gebrauchen.«

Piggy ließ mit einem Gamorreaner-Lächeln seine Hauer aufblitzen. »Kommt sofort.«

Face wandte sich an Piggy. »Ich hätte gern einen Salzigen Alten, zu Teradocs Ehren. Bitte mit einem Zuckerkäfer.« Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit wieder Cheems zu. »Wir möchten, dass Sie noch eine weitere Sache für uns erledigen, bevor wir Sie im Raum der Neuen Republik absetzen. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie nach unten gehen und sämtliche Edelsteinobjekte schätzen könnten, die Sie dort vorfinden. Wir werden diese Yacht und alles, was sich darauf befindet, an eine Widerstandszelle übergeben, und dann wäre ich gern in der Lage, sie auf die kostbareren Stücke hinzuweisen.«

Cheems runzelte die Stirn. »Dann ist dies gar nicht Ihre Yacht?«

»Oh nein, sie gehört Teradoc. Wir haben sie gestohlen.«

2. Kapitel

AYCEEZEE, KANZ-SEKTOR

44 JAHRE NACH DER SCHLACHT VON YAVIN (HEUTE)

Von seinem Büro nach Hause waren es bloß zwei Kilometer, doch in Nächten wie dieser, wenn er müde war, sah Professor Voort saBinring davon ab, die Strecke zu Fuß zu gehen. Diese wohlhabende Universitätsstadt war mit Rollsteigen gesegnet, die von den Einheimischen nur Rumpler genannt wurden, und heute Abend beschloss Voort, einfach bloß dazustehen und die Gebäude, Häuser und Wohnblocks des Campus gleichmütig an sich vorbeiziehen zu lassen. Zu dieser Stunde waren die meisten Häuser dunkel, doch er konnte in die Fenster anderer sehen, in erleuchtete Innenräume, wo Familien zu Abend aßen, sich miteinander unterhielten und Holodramen schauten.

Er war nicht körperlich erschöpft. Und es war auch nicht so, dass er alt war. Er war in mittleren Jahren, trieb Sport und ließ sich regelmäßig von den Ärzten durchchecken. Ja, an menschlichen Maßstäben gemessen war er übergewichtig, aber für einen Gamorreaner war er definitiv etwas zu schmächtig.

Nein, die Müdigkeit entsprang seinem Innern. Sie war in ihm und verging auch nicht. Auf beiden Seiten seines alltäglichen zwei Kilometer langen Arbeitswegs gab es nichts, was ihn gelockt, nichts, was ihn belebt hätte. Seine Studenten wirkten wie Permabetonblöcke, unbeweglich und emotionslos, während sie seine Kurse über sich ergehen ließen, als sei das eine Bedingung ihrer Bewährungsauflagen. Und sein Zuhause war ein Ort, an dem er schlafen konnte, nichts weiter.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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