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Der Heidelberger Kommentar bietet mit seinem interdisziplinären Autorenteam aus Anwaltschaft, Justiz und Wissenschaft eine praxisorientierte und ausgewogene Kommentierung der StPO, die das Strafverfahren aus jedem Blickwinkel betrachtet. Die Erläuterungen orientieren sich an der neusten höchstrichterlichen Rechtsprechung, gehen aber ausführlich auf strittige Fragen ein, bieten Argumentationshilfen und zeigen Alternativen auf. Die Kommentierung legt stärkeres Augenmerk auf die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Position des Beschuldigten, was insbesondere für die Verteidigung interessante Ansätze bietet. Die Europäische Menschenrechtskonvention beeinflusst zunehmend Auslegung und Anwendung des Strafprozessrechts. Deshalb sind die Vorschriften der EMRK nicht in einen Anhang "verbannt", sondern vielmehr wird ihr bedeutendes Argumentationspotential nutzergerecht in die StPO-Kommentierung eingebettet. Auf Besonderheiten in Wirtschaftsstrafsachen wird in der Kommentierung der jeweiligen Vorschriften gesondert hingewiesen. Die 7. Auflage enthält die StPO-Reformen 2019 und 2021. Unter anderem neu sind, unter ständiger Berücksichtigung der jüngsten Gesetzgebung und Rechtsprechung, Kommentierungen - zur E-Akte, - zu der erst am 1.10.2022 in Kraft getretenen Gesetzesänderung in § 81b StPO, - zur Definition des Verletztenbegriffs in § 373b StPO, - zur gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung (§ 397b StPO).
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von
Prof. Dr. Björn GerckeRechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht in Köln (Hrsg.)
Prof. Dr. Dieter TemmingVorsitzender Richter am OLG Oldenburg i.R. (Hrsg.)
Prof. Dr. Mark A. ZöllerLudwig-Maximilians-Universität München (Hrsg.)
Prof. Dr. Heiko AhlbrechtRechtsanwalt in Düsseldorf
Prof. Dr. Wolfgang BärRichter am Bundesgerichtshof, Honorarprofessor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Wolfgang Barrot
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Katharina BeckemperUniversiät Leipzig
Dr. Jürgen BrauerGeneralstaatsanwalt in Koblenz a.D.
Dr. Erik Duesberg
Rechtsanwalt in Bonn und Düsseldorf, Lehrbeauftragter der Universität zu Köln
Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi
Universität Trier
Dr. Tobias Engelstätter
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
Niels Faßbender
Richter am OLG Hamm, Richter am OVG für das Land Nordrhein-Westfalen im Nebenamt
Dr. Andreas Grözinger
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht in Köln
Dr. Tanja Niedernhuber
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Helmut PollähneRechtsanwalt in Bremen
Dr. Peter ReichenbachVorsitzender Richter am Landgericht Osnabrück
Dr. Tilman ReichlingRechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht in Frankfurt/M., Lehrbeauftragter der Universität Bielefeld
Dr. Alexander RetemeyerOberstaatsanwalt in Osnabrück
Prof. Dr. Anja SchiemannUniversität zu Köln
Prof. Dr. Bettina WeißerUniversität zu Köln
Prof. Dr. Till Zimmermann
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
7., neu bearbeitete Auflage
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25 Jahre nach der ersten Auflage erscheint unser Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung nunmehr in der 7. Auflage. Von dem ursprünglichen Autorenteam um den Initiator Prof. Dr. Michael Lemke ist noch Prof. Dr. Dieter Temming, Vorsitzender Richter am OLG a.D., als unverbrüchliche Stütze des Werks verblieben. Nach wie vor steht dieser Kommentar für ein Autorenteam, das die gesamte Strafrechtswissenschaft und -praxis repräsentiert: Anwaltschaft, Staatsanwaltschaft und Richterschaft sind ebenso wie die Hochschulwissenschaft vertreten, um dem Anspruch einer ausgewogenen Kommentierung gerecht zu werden.
Fünf Jahre sind seit der letzten Auflage vergangen und der Gesetzgeber war wahrlich nicht untätig: Hervorzuheben sind insbesondere das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.19 (BGBl. I 2019, 2121), das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung v. 10.12.2019 (BGBl. I 2019, 2128), das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft v. 10.07.2020 (BGBl. I 2020, 1648), das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020, vom 30.03.2021 (BGBl. I 2021, 448), das Gesetz zur Fortentwicklung der StPO v. 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2099) sowie nicht zuletzt das heftig umstrittene Gesetz zur Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) v. 21.12.2021 (BGBl. I 2021, 5252). Um ein Höchstmaß an Aktualität beim Erscheinen dieses Kommentars zu gewährleiten, wurden im Übrigen bereits die Änderungen des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt v. 26.7.2023 (BGBl. I 2023, Nr. 203) eingearbeitet, die zum 1.10.2023 in Kraft treten. Es ist insbesondere mit Blick auf das Vorhaben zur audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung sowie ferner des sog. „Quick-Freeze-Verfahrens“, aber etwa auch bzgl. einer strafprozessualen Regelung des sog. V-Mann-Einsatzes mit weiteren Änderungen in dieser Legislaturperiode zu rechnen. Hier gilt wie so oft in der strafprozessualen Gesetzgebung: Alte Fragen werden geklärt, neue Fragen werden mit Sicherheit zu stellen sein.
Daneben gab es zahlreiche geradezu bahnbrechende Judikate wie etwa die sog. „Wirecard“-Entscheidung zur Entbindung von Wirtschaftsprüfern durch einen Insolvenzverwalter (BGH NJW 2021, 1022), die einen jahrzehntelangen Streit der Oberlandesgerichte höchstrichterlich geklärt hat. Bedeutsam für das Strafprozessrecht waren überdies Entscheidungen zur Verwertung von Encrochat-Daten (BGH NJW 2022, 1539), zur Aufgabe der „qualifizierten Konnexität“ im Beweisantragsrecht (BGH NJW 2021, 3404), zur Unzulässigkeit konkludenter Absprachen im Strafverfahren (BVerfG NJW 2021, 2269) oder zur Abnahme von Finger- und Handabdrücken (BVerfG NStZ 2023, 52). Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie auch die Praxis des Strafprozessrechts in den vergangenen Jahren nicht unbeeinflusst gelassen, wie nicht zuletzt die Entscheidung des BVerfG zur Frage der Terminierung während der Pandemie (NJW 2020, 2327) unterstreicht.
Das Autorenteam konnte wiederum erheblich verstärkt werden: Die Herausgeber begrüßen insoweit Herrn Oberstaatsanwalt beim BGH Wolfgang Barrot, Herrn Rechtsanwalt Dr. Erik Duesberg, Herrn Universitätsprofessor Dr. Mohamad El-Ghazi, Herrn Oberstaatsanwalt beim BGH Dr. Tobias Engelstätter, Herrn Richter am OLG Hamm Niels Faßbender, Herrn Rechtsanwalt Dr. Andreas Grözinger, Frau Akademische Rätin a.Z. Dr. Tanja Niedernhuber sowie Herrn Universitätsprofessor Dr. Till Zimmermann im Autorenkreis. Leider hat uns Herr Rechtsanwalt Dr. Karl-Peter Julius, Autor der ersten Stunde, Mitherausgeber und einer der maßgeblichen Motoren dieses Kommentars verlassen. Ihm gebührt größter Dank seitens der verbliebenen Mitherausgeber und des Verlags für seinen unermüdlichen Einsatz über sechs Auflagen und damit 20 Jahre Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung. Ausgeschieden sind mit dieser Auflage leider auch die verdienten Autoren Herr Vorsitzender Richter am OLG Hamm i.R. Karl-Heinz Posthoff und Herr Vorsitzender Richter am LG Osnabrück Eike C. Schmidt.
Die Herausgeber und Autoren sowie der Verlag hoffen auf weiterhin wohlwollende Rezeption in Strafrechtswissenschaft und -praxis und bleiben wie in der Vergangenheit offen für Anregungen und Kritik.
Autoren und Verlag, im Juli 2023
Es haben bearbeitet: (soweit nicht besonders angegeben, jeweils einschließlich der Vorbemerkungen)
Einleitung
Gercke/Temming
Erstes Buch. Allgemeine Vorschriften (§§ 1–149)
§§ 1–6a
Zöller/Niedernhuber
§§ 7–21
Zöller
§§ 22–31
Temming
§§ 32–41
Pollähne
§§ 42–47
Brauer
§§ 48–71
Gercke
§§ 72–93
Brauer
§§ 94–100
Gercke
§§ 100a–101b
Gercke/Grözinger
§§ 102–111a
Gercke
§§ 111b–111q
Gercke/Grözinger
§§ 112–130
Posthoff/Faßbender
§§ 131–136a
Ahlbrecht
§§ 137–149
Schiemann
Zweites Buch. Verfahren im ersten Rechtszug (§§ 151–295)
§§ 151–157
Gercke
§§ 158–160a
Zöller
§ 160b
Temming
§§ 161–163g
Zöller
§§ 164–168e
Zöller/Niedernhuber
§§ 169–177
Zöller
§§ 199–202
Schmidt/Zimmermann
§ 202a
Temming
§§ 203–211
Schmidt/El-Ghazi
§ 212
Temming
§§ 213–225a
Reichling
§§ 226–242
Julius/Barrot
§ 243
Temming/Barrot
§§ 244–251
Julius/Engelstätter
§§ 252–257a
Bär
§§ 257b, 257c
Temming
§§ 258–275
Beckemper
§§ 275a–295
Pollähne
Drittes Buch. Rechtsmittel (§§ 296–358)
§§ 296–332
Reichenbach
§§ 333–358
Temming
Viertes Buch. Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens (§§ 359–373a)
§§ 359–373a
Temming
Fünftes Buch. Beteiligung des Verletzten am Verfahren (§§ 373b–406l)
§§ 373b–402
Weißer/Duesberg
§§ 403–406l
Pollähne
Sechstes Buch. Besondere Arten des Verfahrens (§§ 407–444)
§§ 407–412
Brauer
§§ 413–416
Pollähne
§§ 417–420
Zöller
§§ 421–444
Retemeyer
Siebentes Buch. Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens (§§ 449–473a)
§§ 449–463e
Pollähne
§§ 464–473a
Schmidt/Zimmermann
Achtes Buch. Schutz und Verwendung von Daten (§§ 474–500)
§§ 474–500
Schmidt/Niedernhuber
Anhang: GVG
Schmidt/Schiemann
Zitiervorschlag
HK-StPO-Bearbeiter § 1 Rn 3.
Vorwort
Bearbeiterverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Strafprozessordnung
Erstes BuchAllgemeine Vorschriften
Erster AbschnittSachliche Zuständigkeit der Gerichte
Zweiter AbschnittGerichtsstand
Dritter AbschnittAusschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen
Vierter AbschnittAktenführung und Kommunikation im Verfahren
Abschnitt 4aGerichtliche Entscheidungen
Abschnitt 4bVerfahren bei Zustellungen
Fünfter AbschnittFristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Sechster AbschnittZeugen
Siebenter AbschnittSachverständige und Augenschein
Achter AbschnittErmittlungsmaßnahmen
Neunter AbschnittVerhaftung und vorläufige Festnahme
Abschnitt 9aWeitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung
Abschnitt 9bVorläufiges Berufsverbot
Zehnter AbschnittVernehmung des Beschuldigten
Elfter AbschnittVerteidigung
Zweites BuchVerfahren im ersten Rechtszug
Erster AbschnittÖffentliche Klage
Zweiter AbschnittVorbereitung der öffentlichen Klage
Dritter Abschnitt
Vierter AbschnittEntscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens
Fünfter AbschnittVorbereitung der Hauptverhandlung
Sechster AbschnittHauptverhandlung
Siebenter AbschnittEntscheidung über die im Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
Achter AbschnittVerfahren gegen Abwesende
Drittes BuchRechtsmittel
Erster AbschnittAllgemeine Vorschriften
Zweiter AbschnittBeschwerde
Dritter AbschnittBerufung
Vierter AbschnittRevision
Viertes BuchWiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens
Fünftes BuchBeteiligung des Verletzten am Verfahren
Erster AbschnittDefinition
Zweiter AbschnittPrivatklage
Dritter AbschnittNebenklage
Vierter AbschnittEntschädigung des Verletzten
Fünfter AbschnittSonstige Befugnisse des Verletzten
Sechstes BuchBesondere Arten des Verfahrens
Erster AbschnittVerfahren bei Strafbefehlen
Zweiter AbschnittSicherungsverfahren
Abschnitt 2aBeschleunigtes Verfahren
Dritter AbschnittVerfahren bei Einziehung und Vermögensbeschlagnahme
Vierter AbschnittVerfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen
Siebentes BuchStrafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
Erster AbschnittStrafvollstreckung
Zweiter AbschnittKosten des Verfahrens
Achtes BuchSchutz und Verwendung von Daten
Erster AbschnittErteilung von Auskünften und Akteneinsicht, sonstige Verwendung von Daten für verfahrensübergreifende Zwecke
Zweiter AbschnittRegelungen über die Datenverarbeitung
Dritter AbschnittLänderübergreifendes staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister
Vierter AbschnittSchutz personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte; Verwendung personenbezogener Daten aus elektronischen Akten
Fünfter AbschnittAnwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes
AnhangKommentar zum GVG
Stichwortverzeichnis
I.Aufgabe und Ziel des Strafverfahrens1 – 10
II.Gesetzgebungskompetenz und Geltungsbereich des Strafprozessrechts11 – 15
III.Grenzen des staatlichen Strafanspruchs16 – 40
1.Allgemeines16
2.Richterliche Unabhängigkeit17 – 19
3.Gesetzlicher Richter20, 21
4.Rechtliches Gehör22 – 24
5.Unschuldsvermutung25, 26
6.Ne bis in idem27, 28
7.Selbstbelastungsfreiheit (nemo-tenetur-Prinzip)29
8.Beschleunigungsgebot30
9.Vorbehalt des Gesetzes31
10.Fair trial32 – 34
11.Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Übermaßverbot35 – 37
12.Beweisverbote38 – 40
IV.Grundsätze des Strafverfahrens41 – 67
1.Anklagegrundsatz42 – 44
2.Offizialprinzip45, 46
3.Legalitätsprinzip47 – 51
4.Opportunitätsprinzip52, 53
5.Amtsermittlungsgrundsatz54 – 56
6.Öffentlichkeitsprinzip57
7.Grundsatz der Mündlichkeit58, 59
8.Unmittelbarkeitsprinzip60, 61
9.Konzentrationsmaxime62
10.Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung63 – 65
11.In dubio pro reo66, 67
V.Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse68 – 81
1.Begriff68 – 71
2.Einzelne Verfahrensvoraussetzungen72 – 81
VI.Verfahrensabschnitte82 – 91
1.Ermittlungsverfahren82 – 85
2.Zwischenverfahren86 – 88
3.Hauptverfahren89, 90
4.Vollstreckungsverfahren91
VII.Besondere Verfahrensarten92 – 99
1.Abwesenheitsverfahren92
2.Adhäsionsverfahren93
3.Beschleunigtes Verfahren94
4.Nebenklageverfahren95
5.Privatklageverfahren96
6.Sicherungsverfahren97
7.Strafbefehlsverfahren98, 99
VIII.Das Opfer im Strafverfahren100 – 107
1.Opferrolle100, 101
2.Opferschutz und Opferrechte102 – 104
3.Opferentschädigung; Täter-Opfer-Ausgleich105 – 107
IX.Beweisverbote108 – 114
1.Allgemeines108
2.Beweiserhebungsverbote109, 110
3.Beweisverwertungsverbote111 – 113
4.Fernwirkung; Fortwirkung114
X.Absprachen im Strafverfahren115 – 121
XI.Europäisches und internationales Strafverfahrensrecht122 – 125
1
Ein Prozess ist ein rechtlich geordneter, sich von Situation zu Situation entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer richterlichen Entscheidung über ein materielles Rechtsverhältnis. Das Ziel des Strafprozesses ist, anders als im Inquisitionsprozess, nicht die Überführung des Angeklagten, sondern ein objektiver Ausspruch über Schuld, Strafe und über sonstige strafrechtliche Maßnahmen. Das Strafverfahrensrecht ist nach üblicher Auffassung als Teil des Straf- und Kriminalrechts im weitesten Sinne öffentliches Recht. Es findet im Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger Anwendung. Dabei bedürfen Eingriffe des Staates in die Freiheit des Einzelnen stets einer besonderen Rechtfertigung. Das Strafverfahrensrecht steht deshalb in einem Spannungsverhältnis zwischen den schutzwürdigen Individualinteressen der Personen, in deren Rechte eingegriffen wird und dem öffentlichen Interesse an der wirksamen Bekämpfung von Kriminalität.
2
Weil das Strafrecht sowohl durch die weitgehenden strafprozessualen Eingriffsbefugnisse als auch durch die Kompetenz zu strafen tief in die durch die Verfassung verbürgten Rechte des Einzelnen eingreifen kann, wird die StPO als „angewandtes Verfassungsrecht“ (BVerfGE 32, 373, 383; BGHSt 19, 325, 330), als „Ausführungsgesetz zum Grundgesetz“ (Rieß Schäfer-FS, S. 155, 172) oder als „Seismograf der Staatsverfassung“ (Roxin/Schünemann Strafverfahrensrecht, § 2 Rn 1) verstanden. Es stellt jedenfalls eine „Formalisierung sozialer Kontrolle“ (Hassemer Nehm-FS, S. 49) dar.
3
Der Staat ist in der Pflicht, selbst die Grundrechte des Bürgers zu achten und sie, wenn ihre Verletzung durch Dritte droht, aktiv zu schützen (BVerfGE 90, 145, 195; BVerfG NJW 2006, 751, 757; NJW 2006, 1939, 1942). Aufgrund dieser Schutzpflicht erkennt die höchstrichterliche Rspr der Aufrechterhaltung einer „funktionsfähigen Strafrechtspflege“ Verfassungsrang zu (BVerfGE 33, 367, 383; 77, 65, 76; 100, 313, 389; 107, 299, 316; 130, 1, 27; 133, 168, 200; StraFo 2015, 100). Danach stellen die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung sowie die wirksame Aufklärung von Straftaten einen wesentlichen Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens dar (BVerfGE 100, 313, 389; 107, 299, 316). Im Schrifttum wird Kritik am Topos der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege geäußert: Teile des Schrifttum sprechen jener in Gänze einen Verfassungsrang ab und begründen dies mit einer fehlenden Verortung im Rechtsstaatsprinzip, der Unbestimmtheit des Begriffs sowie hermeneutischen Erwägungen (vgl etwa Grünwald JZ 1976, 772 f.; StV 1987, 457; Jahn „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, S. 189 ff.; Sanchez Informationelle Selbstbestimmung und Strafverfahren, S. 163 ff.; vgl auch Klawitter StraFo 1990, 19; Roxin Schünemann-FS, S. 941; Sommer StraFo 2014, 441; zum Ganzen auch Gercke Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten, S. 55 ff.). Überwiegend wird der Verfassungsrang allerdings anerkannt, jedoch die Tragweite relativiert bzw zu Zurückhaltung bei der Handhabung des Begriffs gemahnt (vgl Roxin/Schünemann § 1 Rn 7; Wolter K.H.-Meyer-GS, S. 503; Ebert JR 1978, 139).
Dieser Auftrag richtet sich an alle mit der Strafverfolgung beauftragten staatlichen Stellen und insb auch die Landesjustizverwaltungen, die die personellen und sachlichen Mittel zur Wahrnehmung dieser Aufgaben bereitstellen müssen (BVerfGE 100, 313, 401; 103, 142, 152; 105, 239, 248; 109, 279, 358; BVerfG NJW 2004, 1442).
4
Daneben dient das Strafverfahrensrecht dem Schutz der Rechte der durch die Strafverfolgung betroffenen Personen. Das BVerfG stärkt in ständiger Rspr diese Rechte und trägt dem Gesetzgeber auf, sie zu wahren (AnwK-Krekeler/Löffelmann Rn 4). Dies ist in jüngerer und jüngster Vergangenheit vor allem durch die in einer Reihe von Entscheidungen entwickelten Ausführungen zum Recht des betroffenen Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1 – „Volkszählungsurteil“) und über die Unantastbarkeit des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279; BVerfG StV 2016, 43; BVerfG NJW 2022, 1583; näher hierzu s. Erl. Vor § 94 Rn 18 f. und Gercke GA 2015, 339) und deren Vorläuferentscheidungen erfolgt. Als Konsequenz dieser Rspr hat der Gesetzgeber in erheblichem Umfang in die Strafprozessordnung eingegriffen und insb datenschutzrechtliche Belange (s. ausf. hierzu bei GSa-Knierim/Oehmichen Kap. 20) des Bürgers zunehmend berücksichtigt.
5
Die Frage nach normativen Grenzen des Strafverfahrens ist nicht entschieden und kann wegen des steten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse möglicherweise auch nicht wirklich entschieden werden. Sie kann beispielhaft an der absoluten Geltung des Folterverbots (BVerfG NJW 2005, 656; Roxin Nehm-FS, S. 205), den Problemen des Entwurfs eines Luftsicherheitsgesetzes (BVerfG NJW 2006, 751 m. Anm. Schenke; Mitsch JR 2005, 274), der Wohnraumüberwachung (BVerfGE 109, 279), dem Embryonenschutz (BVerfGE 88, 203, 251) oder der auch weiterhin bestehenden Abwägungsresistenz der Menschenwürde (AnwK-Krekeler/Löffelmann Rn 5) festgemacht werden. In diesen Bereichen besteht offenbar auch weiterhin eine breite Übereinstimmung darin, dass sich die normativen Grenzen des Strafverfahrens dort befinden, wohin die Menschenwürde auch des Straftäters (BVerfGE 64, 261, 284) reicht. Sie äußern sich in dem allgemeinen Verbot, Verfahrensbeteiligte zu Objekten des Strafverfahrens zu machen (BVerfGE 27, 1, 6; 45, 187, 228), in dem Auftrag, den Straftäter in die Gemeinschaft wieder einzugliedern (BVerfGE 35, 202, 235), in dem Verbot entwürdigender Vernehmungsmethoden (§ 136a) und dem Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen. Die Unantastbarkeit des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umschreibt den Geltungsbereich der Menschenwürde auch in räumlicher Hinsicht (BVerfGE 109, 279, 314; BGHSt 57, 71). Er bezieht sich nach der höchstrichterlichen Rspr aber auch auf einen seelisch-geistigen Rückzugsbereich des Beschuldigten (BVerfGE 109, 279, 322; BGHSt 33, 148) und auf das Recht des Beschuldigten auf ungehinderten Austausch mit seinem Verteidiger (BVerfGE 110, 226, 253; BGHSt 42, 170).
6
Auf der anderen Seite ist der Beschuldigte verpflichtet, aufgrund seiner Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit Eingriffe in seine Rechte im überwiegenden Interesse der Rechtsgemeinschaft hinzunehmen, wo der Bereich des Unantastbaren nicht betroffenen ist (BVerfGE 65, 1, 44). Abgrenzungskriterium hierfür ist der in der Verfassung verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der dazu veranlasst, bereits im Gesetzgebungsverfahren die widerstreitenden Einzel- und Allgemeininteressen nach Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit des Eingriffs abzuwägen. Dies geschieht bspw durch die zahlreichen Subsidiaritätsklauseln.
7
Die Förmlichkeiten des Rechtsgangs realisieren neben ihrer Ordnungsfunktion das Rechtsstaatsprinzip im Verfahren und die auf diesem Prinzip beruhende Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK (BVerfG NJW 2013, 1058, 1061), um deren Widerlegung oder Bestätigung es im Prozess letztlich geht. Sie helfen iÜ dabei, dass die Möglichkeiten und Gefahren, die sich aus der Fehlsamkeit des Menschen ergeben, in Grenzen gehalten werden (M-G/S Rn 3).
8
Ziel des Strafverfahrens ist die verfahrensbeendende, formelle Feststellung der materiellen Wahrheit des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts (BVerfG NJW 2006, 97, 980). Dabei kann und darf die Wahrheit nicht in jedem Fall und auch nicht um jeden Preis festgestellt werden, zumal „Wahrheit“ niemals in Gestalt einer „absoluten Wahrheit“, mithin einer objektiv abbildenden Erkenntnis der Wirklichkeit existiert, sondern relativ zu den erkennenden Personen und den Umständen des Erkenntnisvorgangs ist (Hassemer KritV 1990, 268 f.; Krauß Schaffstein-FS, S. 411 ff.). Die Lage kann im Einzelfall den Verzicht auf Strafverfolgung notwendig machen, wenn dies zur Wahrung der kollidierenden Rechtsgüter und insb der Beteiligtenrechte erforderlich ist. Dadurch wird das Ziel der Wahrheitsfindung als solches nicht relativiert (AnwK-Krekeler/Löffelmann Rn 7). Ziel des Strafprozesses ist daneben auch, wie bei jeder Rechtsanwendung, die Wiederherstellung von Rechtsfrieden auf dem Weg des Strebens nach Gerechtigkeit (Rieß JR 2006, 270). Dieses Ziel ist im Hinblick auf den grds konfrontativen Charakter des Strafverfahrens nicht in jedem Fall einfach einzulösen. Die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs helfen, diese Probleme zumindest im Bereich der einfachen und der mittleren Kriminalität zu entspannen.
9
Das Strafverfahrensrecht verwirklicht die Strafzwecke, indem es vielfältige Möglichkeiten der Einwirkung auf den Täter bietet. Dazu gehören in erster Linie die Verhängung und Vollstreckung der erkannten Strafe und das damit verbundene Unwerturteil der Gemeinschaft sowie die flankierenden, die Vollstreckung begleitenden und ausgestaltenden Maßnahmen. Hierzu zählen Maßnahmen der Bewährungshilfe, Therapiemaßnahmen, der Täter-Opfer-Ausgleich sowie die gesamte Bandbreite der Maßnahmen der Besserung und Sicherung, die zum Teil auch vorläufig verhängt werden können. Zu den Möglichkeiten der Einwirkung auf den Täter gehören aber auch die Einstellungsmöglichkeiten nach Opportunitätsgesichtspunkten (§§ 153 ff.), die grds in jedem, insb auch im frühen Verfahrensstadium ergriffen werden können und erhebliche Bedeutung in Hinblick auf die Begrenzung der konfrontativen Verfahrenserledigung haben. Sie wirken idR in besonderem Maße resozialisierend.
10
Nebenzweck des Strafverfahrens ist, soweit dies im materiellen Recht vorgesehen (zB §§ 165, 200 StGB – BGHSt 11, 273) ist, die Rehabilitation des Verletzten oder des unschuldigen Angeklagten (KK-Fischer Rn 4). Eine entspr Zielrichtung kann sich auch aus dem Gedanken der Fairness des Verfahrens ergeben (vgl NK-EMRK/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König Art. 6 EMRK – Rn 88 ff.). Daraus folgt allerdings nicht das Recht, ein entscheidungsreifes Verfahren weiter zu verzögern oder eine im Tenor nicht beschwerende Entscheidung anzufechten. Der Beschuldigte kann nicht verlangen, dass ein Strafverfahren allein deshalb geführt wird, weil er seine Unschuld beweisen will (BGHSt 10, 88, 93). Das ist auch schon deshalb nicht erforderlich, weil ein Freispruch der Sache nach zum Ausdruck bringt, dass die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht widerlegt worden ist (BVerfGE 106, 114).
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Das Strafverfahrensrecht gehört als Teil des Titels „gerichtliches Verfahren“ zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Das materielle Strafrecht gehört zum Titel „Strafrecht“. Die Abgrenzung zu dem in die Gesetzgebungskompetenz der Länder gehörenden Recht der polizeilichen Gefahrenabwehr ist in zwei Bereichen problematisch. Einerseits geht es um die Ersetzung fehlender strafprozessualer Befugnisse durch Ermächtigungsnormen des Rechts der Gefahrenabwehr und andererseits um die Gesetzgebungskompetenz für die Vorsorge zur Verfolgung von Straftaten (AnwK-Krekeler/Löffelmann Rn 14). Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz schließt die Rechtsetzungskompetenz der Länder nur insoweit aus, als der Bundesgesetzgeber eine erschöpfende und abschließenden Regelung der betreffenden Materie gewollt hat (BVerfGE 56, 110, 119). Zu unterscheiden ist dabei zwischen Regelungen für repressives und präventives polizeiliches Handeln. Repressives Handeln unterliegt ohne Zweifel den Befugnisnormen des Strafverfahrensrechts, präventives Handeln dem Polizeirecht, wobei die Abgrenzung schwierig sein kann. Besonders problematisch ist die Abgrenzung in Lagen, die Anhaltspunkte für repressives und für präventives Handeln aufweisen. Hier könnte sich die Gefahr realisieren, dass wegen der erweiterten Möglichkeiten des Polizeirechts gegenüber dem Strafprozessrecht und dem sich aus § 163 Abs. 1 ergebenden Recht der Polizeibeamten auf den ersten Zugriff mit erst anschließender Vorlage der Vorgänge bei der StA präventivpolizeiliche Befugnisse für Zwecke der Strafverfolgung in Anspruch genommen werden.
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Fraglich ist ferner, ob die Vorsorge zur Bekämpfung von künftigen Straftaten zum repressiven oder zum präventiven Bereich polizeilichen Handelns gehört. Während die Polizeigesetze einer Reihe von Ländern die Vorsorge zur Bekämpfung künftiger Straftaten als polizeiliche Aufgabe beschreiben, ist in die StPO eine Anzahl von Befugnissen aufgenommen worden, die der Datenerlangung zur Bekämpfung zukünftiger Straftaten gedacht sind. Auch für diesen Bereich zeigt der Bundesgesetzgeber die Absicht, erschöpfende und abschließende Regelungen für die Vorsorge zur Bekämpfung zukünftiger Straftaten zu treffen.
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Das in Kraft befindliche deutsche Strafverfahrensrecht gilt auf deutschem Hoheitsgebiet gegenüber allen Personen gleichermaßen und unterschiedslos, soweit nicht Einschränkungen und Ausnahmen vorgesehen sind. Das deutsche Strafverfahrensrecht gilt für alle strafmündigen (§ 19 StGB) Personen, also nicht für Kinder unter 14 Jahren. Für Jugendliche ab 14 und bis unter 18 Jahren und für Heranwachsende von 18 bis unter 21 Jahren gelten die Besonderheiten des JGG, für Jugendliche insb die Regelung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 3 S. 1 JGG. Ob eine im Ausland begangene Tat nach deutschem Recht bestraft werden kann, richtet sich nach den §§ 3–7 StGB unter besonderer Berücksichtigung der durch das Territorialitätsprinzip begründeten Einschränkungen. Ist die Ausübung der deutschen Strafgerichtsbarkeit überhaupt unzulässig, wie etwa in den Fällen der Immunität und der Exterritorialität zB bei Mitgliedern des diplomatischen oder des konsularischen Dienstes findet das deutsche Strafverfahrensrecht keine Anwendung. Für in Deutschland stationierte Angehörige von Truppenverbänden der NATO hat Deutschland widerruflich auf die Ausübung seiner im Grundsatz bestehenden Strafverfolgungskompetenz verzichtet. Die in Art. 46 GG verankerte und in den Landesverfassungen und im sonstigen Landesrecht verankerte parlamentarische Immunität verhindert die Anwendbarkeit des Strafverfahrensrechts gegen Abgeordnete, soweit sie besteht.
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Es gilt die lex fori, dh, dass für deutsche Strafverfolgungsbehörden und Gerichte das deutsche Strafverfahrensrecht maßgeblich ist, gleichgültig, ob sie im Inland oder im Ausland tätig werden. Im Ausland haben die deutschen Behörden keine Eingriffsbefugnisse, soweit nicht völkerrechtliche Vereinbarungen den deutschen Behörden im Ausland im Einzelnen entsprechende Befugnisse einräumen. Ist dies nicht der Fall, gelten die Regeln der strafrechtlichen Internationalen Rechtshilfe, insb des IRG. Die neue Europäische Beweisanordnung, der Europäische Haftbefehl, der ein Instrument der Rechtshilfe, nicht des Haftrechts ist, verbessern die Zusammenarbeit innerhalb ihres Geltungsbereichs. IÜ muss sich die Auslegung des nationalen Rechts zunehmend an Wortlaut und Zweck der europäischen Rahmenbeschlüsse (EuGH NJW 2005, 2839) und der Rspr des EGMR (BVerfGE 111, 307) orientieren, ohne dass sie stets im Verhältnis eins zu eins umgesetzt werden müssen.
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Rechtsänderungen im Strafverfahrensrecht enthalten regelmäßig Übergangsvorschriften. Wo dies nicht der Fall ist, besteht die Frage, ob und wie neue Regelungen auf anhängige Strafverfahren anzuwenden sind. Im Grundsatz erfassen Änderungen mit dem Tag ihres Inkrafttretens bereits laufende Verfahren, soweit nichts anderes geregelt ist. Bis dahin unzulässige Beweiserhebungen können daher zulässig werden. Bereits eingelegte Rechtsmittel bleiben zulässig (BVerfGE 87, 48). Neue Präklusionsvorschriften und Fristverkürzungen gelten nicht für bereits anhängige Verfahren (AnwK-Krekeler/Löffelmann Rn 21). Besetzungs- und Zuständigkeitsveränderungen haben keinen Einfluss auf bereits eröffnete Hauptverfahren.
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Der staatliche Strafanspruch besteht auch in den Fällen, in denen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld festgestellt werden können, nicht ohne Grenzen. Die Verfassung mit ihren garantierten Schranken hindert den Staat daran, sein Strafmonopol jederzeit, um jeden Preis und mit allen als zweckmäßig erachteten Mitteln durchzusetzen. Die Schranken, die die Verfassung errichtet, bestehen vor allem in der Garantie eines fairen, rechtsstaatlichen, möglichst beschleunigt ablaufenden Verfahrens mit rechtlichem Gehör vor einem unabhängigen gesetzlichen Richter, in dem die Unschuldsvermutung und die von der Verfassung gewährleisteten Grundrechte gelten, die Einmaligkeit der Strafverfolgung garantiert ist, eine prozessuale Fürsorgepflicht besteht und bestimmte Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote die Pflicht zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschuldigten durchsetzen helfen. Zur verfahrensmäßigen Absicherung weist die Verfassung dem BVerfG die Aufgabe zu, die Vereinbarkeit von Gesetzen und gerichtlichen Entscheidungen mit ihren Regelungen zu überprüfen und räumt gleichzeitig jedermann das Recht ein, im Wege der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen vor dem BVerfG zu rügen.
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Die Unabhängigkeit des Richters ist als Ausdruck der Gewaltenteilung tragendes Prinzip der Rechtsordnung (KK-Fischer Rn 89). Sie schützt die rechtsprechende Gewalt vor dem Einfluss der Legislative und der Exekutive. Art. 97 GG garantiert den Richtern, die im Rahmen ihrer Rsprstätigkeit an Weisungen nicht gebunden werden dürfen und nur dem Gesetz unterworfen sind, fachliche und persönliche Unabhängigkeit. Sie ist kein Standesprivileg der Richter (BGHZ 67, 187; BGH NJW 1991, 421), sondern soll die ausschließliche Bindung des Richters an Recht und Gesetz gegen sachfremde Einflussnahmen von außen absichern. Die richterliche Unabhängigkeit ist dabei kein wertfreies Prinzip. Sie ist vielmehr an den Grundwerten der Verfassung orientiert (BVerfGE 42, 64, 78). Sie sichert damit zugleich das Vertrauen des rechtsuchenden Bürgers darin, dass er sein Recht auch dann erlangen kann, wenn der Staat am Ausgang des Verfahrens interessiert oder selbst Verfahrensbeteiligter ist (BVerfGE 12, 67, 71).
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Das Recht der Justizverwaltung, die Dienstaufsicht über Richter auszuüben, schränkt die richterliche Unabhängigkeit ein, hebt sie aber nicht auf. Die Dienstaufsicht über Richter dient ua der Erfüllung der Justizgewährungspflicht durch den gewaltenteilenden Staat (Pfeiffer Bengl-FS, S. 85; ders Zeidler-FS, S. 69). Gestattet ist gegenüber einem Richter nicht mehr als Vorhalt und Ermahnung. Rüge, Missbilligung oder Beanstandung hinsichtlich der richterlichen Tätigkeit sind nicht statthaft (BGHZ 51, 280). Der Dienstvorgesetzte ist nicht befugt, gegen den Richter im Wege der Dienstaufsicht einen persönlichen Schuldvorwurf zu erheben (BGH DRiZ 1985, 395). Die persönliche Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs. 2 GG) ergänzt notwendigerweise seine sachliche Unabhängigkeit. Er kann also nicht wegen nicht genehmer Entscheidungen versetzt oder abgesetzt werden. Ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, entscheidet das Richterdienstgericht. Jedoch sind dienstliche Beurteilungen grds mit ihrer Unabhängigkeit vereinbar. Dazu kann die Landesjustizverwaltung Beurteilungsrichtlinien erlassen, die die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen (BGH – Dienstgericht des Bundes – NJW 2002, 359).
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Von der fachlichen und persönlichen Unabhängigkeit ist die innere Unabhängigkeit des Richters zu trennen. Er muss seine Entscheidung von einseitiger Parteinahme frei, allein an Wahrheit und Gerechtigkeit orientiert treffen. Er darf nicht willkürlich entscheiden. Er braucht aber bei der Auslegung und Anwendung von Normen nicht einer so genannten hM in Schrifttum oder Rspr zu folgen. Er kann seine eigene Rechtsauffassung vertreten und seiner Entscheidung auch dann zugrunde legen, wenn alle anderen, auch die übergeordneten Gerichte einen anderen Standpunkt einnehmen. Damit ist die Rechtspflege schon aus diesem Grunde konstitutionell uneinheitlich (BVerfGE 78, 123, 126; 87, 278). Von Willkür kann allerdings gesprochen werden, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder in krasser Form missdeutet wird (BVerfGE 62, 189, 192; BVerfG NJW 1996, 1049). Die Institute des Ausgeschlossenseins eines Richters und der Richterablehnung (§§ 22 ff.) dienen ua auch dem Ziel, die Richterbank freizuhalten von Richtern, die dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt und den am Verfahren Beteiligten nicht mit der erforderlichen Distanz des Unbeteiligten gegenüberstehen (BVerfGE 21, 139, 145).
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Das Prinzip des gesetzlichen Richters ist ein Kernstück des Rechtsstaats (BVerfGE 40, 356, 361). Es ist in Art. 101 GG und § 16 GVG ausdrücklich normiert. Damit ist garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und überparteilich sein Amt versieht und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfG NJW 2005, 3410). Art. 101 GG gibt einen grundrechtsähnlichen Anspruch darauf, dass der Staat im Rahmen einer allgemeinen Regelung möglichst eindeutig und im Voraus den für eine einzelne Sache zuständigen Richter bestimmt (BVerfG NJW 1971, 1029). Die Forderung nach dem gesetzlichen Richter im eigentlichen Sinn setzt einen Bestand von Rechtssätzen voraus, die für jeden Fall den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist. Die einzelne Sache muss aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangen. Die Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungspläne dürfen keinen vermeidbaren Spielraum bei der Heranziehung der einzelnen Richter zur Entscheidung der Sache geben. Konsequenz ist die Notwendigkeit von abstrakten Regelungen für die örtliche, sachliche und funktionale Zuständigkeit.
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Ausnahmegerichte sind unzulässig. Sie entzögen den gesetzlichen Richter. Gesetzlicher Richter ist hingegen auch der Ermittlungsrichter (BVerfGE 25, 336) oder der EuGH (BVerfG NJW 1987, 577).
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Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet das verfassungsrechtlich unabdingbare Maß an rechtlichem Gehör vor Gericht. Es gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten – nicht nur dem Angeklagten – das Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung werdenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht (BVerfGE 65, 305) sicherstellen, dass die zu erlassende Entscheidung möglichst frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfGE 65, 305, 307). Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen (BVerfGE 74, 1, 5). Der Grundsatz gilt zwar im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht unmittelbar, als Teil des Rechtsstaatsprinzips ist er aber auch dort zu beachten (BVerfGE 101, 397, 405).
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Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, sich in den Entscheidungsgründen auch mit abwegigem Sachvortrag auseinander zu setzen (BVerfG NJW 1996, 2785) und gewährt auch keinen Anspruch auf ein bestimmtes Beweismittel (BVerfGE 63, 60; BGH NJW 1998, 1939). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt aber vor, wenn etwa ein Beweisantrag ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Gründe abgelehnt worden ist und die Zurückweisung des Beweisantrags unter Berücksichtigung der das GG beherrschenden Grundgedanken nicht mehr verständlich ist (BVerfG NJW 1992, 2811). Ebenso, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 84, 188).
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Die vorherige Anhörung der Beteiligten unterbleibt, wenn sie den Zweck der beabsichtigten Entscheidung insb im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen und verdeckten Ermittlungshandlungen gefährden würde. Die Anhörung ist baldmöglichst nachzuholen. Mit Art. 103 Abs. 1 GG außerdem vereinbar sind Sonderregelungen für das Strafverfahren, die von § 33 Abs. 3 abweichen. Vor Erlass eines Strafbefehls braucht der Beschuldigte nicht angehört zu werden. Durch die Möglichkeit seines Einspruchs mit anschließender Hauptverhandlung ist der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör gesichert. Die Möglichkeit der Nachholung des rechtlichen Gehörs sieht auch § 311a für das Beschwerdeverfahren vor.
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Die Unschuldsvermutung