Straßenbahnen weichen nicht aus - Herbert Eliasch - E-Book

Straßenbahnen weichen nicht aus E-Book

Herbert Eliasch

0,0

Beschreibung

Das vorliegende Buch umfasst Satiren, Kurzgeschichten und Anekdoten, wie es der Untertitel "Satiren, Kurzgeschichten, Anekdoten" bereits vermuten lässt. Thematisch erstreckt sich der Bogen über nahezu alle Lebensbereiche; die Inhalte sind überwiegend selbst erlebt und haben sich über viele Jahrzehnte angesammelt. Manche Passagen wurden dabei aus dramaturgischen Gründen satirisch erhöht, ein wahrer Kern besteht jedoch immer. Neben den Satiren, Kurzgeschichten und Anekdoten sind auch aufgeschnappte Skurrilitäten des Alltags im Buch enthalten; mehr soll an dieser Stelle jedoch nicht verraten werden. In diesem Sinne wünsche ich gute Unterhaltung!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 155

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Gnädige Frau

Nau jetzt san’s jo do

Hängematte oder Einkaufstasche

Am Ende des Tages

Er hat einen Bart

Platz ist in der kleinsten Hütte

Der Helm in der Küche

Straßenbahnen weichen nicht aus

Lauter Deppen unterwegs

Schlaflose Monster

Streitende Städte

Aufgeschnappt I

In der Finanzwelt

Herausgeholt

Vom Tisch

Warum Leute lästig sind

Der Guglhupf

Friede sei mit dir

Wer ist der Vater?

Nette, kleine Anekdoten I

Eine weitere Kassa öffnet in Kürze

Aufgeschnappt II

Rabatt

Der Buchhalter

Die lieben Kleinen

Gutes Gespräch

Der Geldfaxer

Großgrundbesitzer

Von Schraubstöcken und Schreckschrauben

Aufgeschnappt III

Kindermund

»Sport und Turnen …

Das leichteste Fahrrad der Welt

Telefonkeiler

Nette, kleine Anekdoten II

Wer spielt mit Papa?

Alltagsspiritualität

Allerlei Tierisches

Die Fliege

Mit Hans Krankl im Abschleppwagen

Zwei Hüte

Aufgeschnappt IV

Die Freuden des Alters

Gnädige Frau

Mitunter prallen ja im täglichen Alltag schon Welten aufeinander, da muss man jetzt gar nicht an Inländer im Ausland oder Ausländer im Inland denken.

Zum Beispiel in der Villa der feinen Hofratswitwe. Eine durchaus nette und adrette ältere Dame, von vorzüglichstem Benehmen und ja, mit Stil.

Und es begab sich, dass ein größerer Umbau in der Villa anstand. Es begann mit einer defekten Heizung, die repariert oder, noch besser, auf modernsten Stand gebracht werden sollte.

Und wenn man schon dabei wäre, sollte man auch gleich mit der Umsetzung weiterer Umbauten und Erneuerungen weitermachen. Alles andere wäre ja unvernünftig, meinte zumindest die beauftragte Baufirma.

Nun war es aber so, dass die Dame nicht nur selbst von gepflegtem Äußeren war, auch ihr Wohnbereich war von nahezu beschämender Sauberkeit. Man möchte fast den Begriff »Sterilität« in den Raum werfen (aber das würde der Dame sicher nicht gefallen, wenn da etwas im Raum herumliegt).

Man hätte darin problemlos Herztransplantationen durchführen können, was aber meines Wissens selten vorkam (jedenfalls gibt es keine Überlebenden, die davon berichten könnten).

Nach dem Planungsgespräch mit den Handwerkern, welches diese noch auf Zeitungspapier sitzend und in Schutzkleidung, wie man sie von der Spurensicherung an Tatorten aus dem Fernsehen kennt, überstanden hatten, kam irgendwann der Tag der Tage. Independence Day, die Bauphase sollte beginnen.

Die Handwerker rückten pünktlich an und hatten noch keinen Schritt in den Wohnbereich, der ja nun kein Tatort mehr war, sondern eine Baustelle, gesetzt, da ging es schon los mit den Hinweisen.

»Bitte Schuhe ausziehen und diese Plastiksackerl überstülpen!«

»Und bitte während des Bohrens gleich den Staubsauger verwenden und den Staub wegsaugen!«

»Und bitte immer was unterstellen, wenn sie ein Werkzeug ablegen!«

»Und bitte größeren Schutt sofort in die dafür vorgesehenen Behälter geben!«

»Und bitte auch zwischendurch immer wieder Staub wischen!«

»Und bitte … und bitte … und bitte …!«

Es folgten noch unzählige Verhaltensanweisungen, welche die beiden Handwerker mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen ließen. Sie wirkten fast so, als ob sie interessiert zuhörten, was aber wohl eher eine antrainierte, Trinkgeld maximierende Strategie war.

Nach fünf Zigaretten und weiteren unzähligen »… und bitte …« machte der eine von den beiden dann einen abschließenden Zug, dämpfte die Zigarette zum Entsetzen der Dame am Steinboden aus und meinte trocken und die Realität wieder zurechtrückend nur:

»Gnädige Frau, scheißn’s ihna ned au – in zehn Minuten stengan’s bis zu die Knöchln im Dreck!«

Nau jetzt san’s jo do

Das Feine an Floskeln ist, dass man nicht unbedingt darauf eingehen muss. Sie schaffen eine angenehme und positive Atmosphäre, sind aber nicht dazu gedacht, ein tiefschürfendes Gespräch folgen zu lassen. Geschweige denn, auf eine floskoide Frage eine rationelle Antwort zu erwarten.

So richtig bewusst wurde mir das, als ich einmal einen guten Bekannten Fahrrad fahrender Weise traf. Wir fuhren aufeinander zu, erkannten uns kurz vor selber Höhe, grüßten und als wir bereits etwas entfernt waren, fragte er mich lauthals

»Wie geht’s dir? Was machen die Kinder?«,

wobei er sich dabei nicht einmal in meine Richtung umdrehte und weg war er. Hätte ich darauf zum Beispiel mit

»Meine Kinder sind beide schon aus dem Haus und studieren«

geantwortet, hätte vielleicht der nächste entgegenkommende Radfahrer verwirrt gefragt:

»Und wen genau interessiert das?«

Ich denke, es ist klar, was ich mit Floskelfragen meine. Offenbar hat aber nicht jeder das richtige Gespür für derartige Situationen. Oder jede. Im konkreten Fall denke ich da an eine Szene, die sich uns einmal in einer Pension in der Steiermark bot.

Wir stöberten gerade am Infoschalter nach diversem Prospektmaterial, als eine mittelalterliche Dame, oder sagen wir – eine Dame mittleren Alters (denn so alt war sie dann auch wieder nicht) – relativ derangiert und mit errötetem Kopf die Örtlichkeit betrat und zur Rezeption hechelte, wo schon der Chef des Hauses freudig ansprang.

Nach ein paar freundlichen Worten der Begrüßung ließ sich der Hausherr leichtsinniger Weise zu der Frage

»Wie war denn die Anreise?«

hinreißen, wobei die Umschreibung »hinreißen« erst in der Nachbetrachtung, also mit der »Weisheit des Rückblicks«, verständlich wurde.

Denn ähnlich meines eingangs erwähnten radelnden Freundes ging es dem Fragesteller nicht um Inhalte, sondern um Atmosphäre. Was sich auch darin bestätigte, dass sich der Chef von der Dame abwandte und nach Unterlagen, Schlüssel und diversen Prospekten suchte.

Die Dame jedoch holte der Situation nicht angepasst tief Luft und begann zu schildern: Von einem zu spät gekommenen Taxi, mit dem das Unheil bereits seinen Lauf nahm, dem Stau bei der Anfahrt, dem verspäteten Zug, …

Elendslang wurde gejammert und zwar scheinbar immer noch mit derselben Luft vom anfänglichen Einatmungsprozess, denn der Chef hatte nicht den Funken einer Chance, dezent wo einzuhaken.

Und weiter ging es mit dem schlechten Sitzplatz im Zug, den unangenehmen Mitreisenden, der alten und somit ungemütlichen Garnitur, dem unzureichenden Essen, usw.

Dazwischen nickte der Chef immer wieder und begleitete dieses Nicken abwechselnd mit Worthülsen wie

»Ach so?«

»Geh hör auf!«

»Na is’ ned wahr?«

Nachdem der Redeschwall nicht enden wollte und auch thematisch kein Ende in Sicht war (die Dame hatte noch nicht einmal den Zug verlassen), entschloss sich der Hausherr zu einer etwas anderen Strategie. Er wechselte von »Mitgefühl« zu »Abschluss«.

Man kennt das, es sind diese »Also dann« Einwürfe, die man zu diesem Zwecke gerne platziert. Im privaten Bereich wahrscheinlich früher als im Dienstleistungssektor, wo doch gewisse finanzielle Abhängigkeiten bestehen, die nun einmal ihren Preis haben.

Als auch diese Signale nicht fruchteten (die Dame war zwar mittlerweile aus dem Zug heraußen, wartete aber gerade ewig auf ein Taxi) und der Chef scheinbar nun ein wirkliches zeitliches Problem hatte, fuhr er der alten Dame mitten in ihrem Satz mit den Worten

»Nau jetzt san’s jo do!«

in die Parade, warf ihr die Schlüssel zu und rannte um sein Leben.

Und um nicht alternativ als Nick-August herhalten zu müssen, versteckten wir uns mit einem Hechtsprung hinter einem riesigen Philodendron.

Ich habe mir seitdem geschworen, niemals eine Frage zu stellen, wenn ich nicht ernsthaft an der Antwort interessiert bin und auch viel Zeit habe, diese anzuhören.

Das funktioniert zwar oft, aber nicht immer. Vor allem nicht bei jenen Menschen, die auch Antworten geben, ohne gefragt zu werden.

Hängematte oder Einkaufstasche

Ich muss gestehen, ich bin handwerklich nur mäßig begabt. Das mag verschiedenste Gründe haben und mitunter sind in solchen Fällen auch frühkindliche Prägungen dabei. Zum Beispiel durch pädagogische Ansätze, die man heute wohl als überholt bezeichnen würde.

Wenn etwa ein Kind freudestrahlend in einen handwerklichen Prozess eingreifen will und zu hören bekommt

»Du willst mir helfen? Gut, dann geh’ mir aus dem Weg!«

Ok, kein Problem. Und schon ist der Fußball geschnappt, das schlechte Gewissen eliminiert und weg ist man.

So wirst du dann vielleicht einmal ein guter Sportler oder Musiker oder sonst etwas, den Rückstand zu anderen, die mit den Worten »Gern, pass’ auf, das macht man folgendermaßen … « an eine Materie herangeführt wurden, holst du aber nie mehr auf.

Zudem ist es für handwerkliche Taten auch nicht gerade förderlich, wenn man sich eine gewisse Professionalität aneignet. Also der Meinung ist, dass es für Vieles einschlägiges Know-how gibt, wie entsprechende Ausbildungen sowie Fachleute, die Erfahrung haben und wissen, worauf es im jeweiligen Fall ankommt.

Das hängt wohl auch ein bisschen mit Demut zusammen und damit, sich problemlos eingestehen zu können »Das können andere besser«.

Vielleicht sind ja die so genannten handwerklich Begabten einfach nur Leute, die sich das eben nicht eingestehen können. Komplexler eigentlich, die aus diesem Manko heraus jedoch mit der Zeit durchaus auch ansprechende Fähigkeiten entwickeln können. Aber Halbwissen kombiniert mit Selbstbewusstsein, wo man sich fragt, wo es das zu kaufen gibt, ist nicht so meines.

Wenn ich handwerklich tätig werde, dann endet das oft damit, dass ich nach einiger Zeit des ergebnislosen Werkens nur noch danach trachte, den Urzustand wiederherzustellen, um unauffällig mit den Worten »Ich habe nichts angerührt!« einen Experten zu Rate ziehen zu können.

Und wenn ich sage »Das kriege ich hin«, dann ist das oft wörtlich gemeint.

Aber irgendwie hat sich das auch schon früh abgezeichnet.

Mir fällt da eine Geschichte aus der Schule ein, Unterstufe Gymnasium, Fach: Handarbeiten. Der ambitionierte und künstlerisch äußerst versierte Lehrer hatte einmal die Idee, eine Semesterarbeit zu planen.

Also nicht viele kleinere Basteleien umzusetzen, sondern eine große, an der man eben ein Semester lang arbeitet und die dann auch etwas richtig Tolles ergibt. Etwas, das man stolz herzeigen und eventuell weiterschenken kann. Der Mutter zum Beispiel zu Weihnachten.

Das Ziel war letztlich, eine Hängematte zu … ja was denn eigentlich? Zu häkeln, zu stricken, zu nähen, zu knüpfen? Ich kann es nicht mehr sagen, ich habe das scheinbar verdrängt.

Nur schemenhaft und nur nach intensivsten tiefenpsychologischen Rückführungssitzungen tauchten vereinzelt Bilder auf. Und die waren nicht schön. Immer beschrieb ich da dem Psychologen im Fieberwahn, wie ich gefesselt und völlig verwoben in dicken Seilen nach Luft schnappe und wiederholt das Wort »Hängematte« röchle.

Der Psychologe kramte in seinem akademisch antrainierten Wissen und erkannte das als unbewusste Metapher für die Verstrickungen meines Lebens und einen Konflikt mit der Akzeptanz des Nichtstuns, für welches die Hängematte wohl eindeutig als Symbol stünde.

Aber wie so oft ist die Wahrheit einfacher als gedacht, denn die Hängematte war letztlich ein Symbol für – eine Hängematte. Kaum zu glauben. Es brauchte viele Sitzungen, um den Psychologen nach dieser Erkenntnis mental wiederaufzurichten.

Aber zurück zur Geschichte.

Das Semester war letztlich für mich ein Desaster. Dabei hatte es so gut begonnen. Beim Einkaufen und Herrichten der Utensilien war ich noch voll im Plan und alles funktionierte sprichwörtlich »wie am Schnürchen«.

Aber bereits mit der ersten knüpfähnlichen Handbewegung war ich im Rückstand. Ich kam damit einfach nicht zurecht. Während andere nach einigen Wochen bereits vor einem beträchtlichen Geflecht saßen und mehr Platz brauchten, konnte ich mein Werk locker in meinen Handflächen verschwinden lassen.

Noch nie hatte ich einen Lehrer so oft den Kopf schütteln sehen. Ich glaube, das sich bei ihm mit der Zeit einstellende Schleudertrauma hatte auch einen beträchtlichen Anteil an der Argumentationslinie für seine Frühpensionierung.

Bei einer meiner Hypnosesitzungen ist auch einmal der Ausspruch »Das kann dir niemand bezahlen« als Erinnerung ans Licht gekommen.

Aber dieser Lehrer hat mich trotz des verursachten handwerklichen Traumas, wofür er ja nichts konnte, geprägt. Positiv. Er hatte nämlich etwas, das noch viel mehr zählt, als handwerkliches Geschick. Er hatte Größe und das Herz am rechten Fleck. Er war also nicht nur Lehrer, sondern Pädagoge. Das ist ein gewaltiger Unterschied, wie ich später noch öfter erkennen durfte.

Jedenfalls, je fortgeschrittener das Semester war, desto aussichtloser wurde meine Lage. Niemals würde aus dem, was ich da fabrizierte, eine Hängematte. Nicht einmal als Strick, den man sich um den Hals legen konnte, war dieses Etwas zu gebrauchen. Ich war verzweifelt. Und ich tat dem Lehrer sichtlich leid, denn damit hatte er wohl nicht gerechnet.

Ich weiß nicht, was seine Motivation war. War es die Sorge, am Ende des Berufslebens noch seinen tadellosen pädagogischen und künstlerischen Ruf zu ruinieren oder war es tatsächlich Empathie.

Jedenfalls kam er irgendwann vor Weihnachten auf mich zu und meinte, wenn ich möchte, würde er versuchen, aus meinem Geflecht über die Feiertage die Hängematte fertig zu machen. Dann bekäme meine Mutter eben zum Muttertag oder Geburtstag das Werk als Geschenk.

Ich war begeistert und ja – erleichtert – und ich konnte es nach den Weihnachtsferien kaum erwarten zu sehen, was der Handarbeitslehrer denn so produziert hatte.

Aber es sollte noch eine Zeit lang dauern. Zunächst war er lange im Krankenstand, dann bestand er darauf, seinen Resturlaub zu konsumieren und angeblich hatte er auch unbezahlten Urlaub genommen.

Alles sehr dubios, aber irgendwann im April sahen wir uns wieder und er kam etwas verlegen mit einem kleinen Säckchen auf mich zu. Ich dachte nur »Wie soll da eine Hängematte reinpassen?«, aber das klärte sich sogleich auf.

Er griff in das Säckchen, holte ein winziges Etwas hervor und erklärte mir mit professioneller Selbstverständlichkeit, dass er sich wahrlich sehr bemüht hätte, aber bei bestem Willen konnte er aus meinem Hängemattentorso nur noch eine kleine Einkaufstasche machen. Ich glaube sogar, er verwendete den Begriff »retten«.

Das nenne ich Größe und irgendwie hatte ich den Eindruck, der Lehrer durfte dabei auch selbst neue Erfahrungen machen, es hat ja alles immer zwei Seiten. Mindestens.

Denn der bisher auf Landschaftsmalerei spezialisierte Mann bog nach seiner Pensionierung, aus für die Fachwelt unerklärlichen Gründen, künstlerisch komplett ab und wurde ein letztlich gefeierter und international renommierter abstrakter Künstler.

Und parallel dazu in einer anderen Welt: Wo einige Mütter von der Umwelt völlig isoliert sinnlos in ihrer Hängematte Lebenszeit vergeudeten, durfte meine voll Stolz mit einer von ihrem Sohn hergestellten Einkaufstasche flanieren gehen und neidische Blicke auf sich ziehen.

Man sieht wieder: Am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende!

Am Ende des Tages

Also, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich höre, was andere Leute am Ende des Tages für Höchstleistungen vollbringen.

Am Ende des Tages – da rechnen sie zusammen, da werden sie dann schon sehen, was sie haben, da kommen sie zusammen, da werden sie sich durchsetzen.

Oder andere, die meinen, da wird das alles schon funktionieren oder es wird immer das Gute gewinnen. Jedenfalls rechnet sich dann aber die viele Mühe. Man muss aber auch bezahlen, soviel steht fest am Ende des Tages.

Also ich kann da leider nicht mithalten und ich sage es ganz offen: Bei mir tut sich am Ende des Tages relativ wenig – ich gehe da einfach nur schlafen.

Er hat einen Bart

Er hat einen Bart und dunkle Haare. Sehr dunkle Haare. Und er fährt einen dicken Schlitten, den er hegt und pflegt. Mehr jedenfalls, als seine Frau, die immer Kopftuch trägt und sich am besten nie wo einmischen sollte.

Denn gemacht wird nur das, was er sagt. Sie hat nur in der Küche etwas zu melden und darf den Haushalt führen und die Kinder versorgen.

Zwei Kinder hat er. Eine Tochter, die stets bei der Mutter ist und nichts Flottes anziehen darf und einen Sohn. Der darf alles und heißt wie er.

Er sitzt oft lange mit seinen Freunden zusammen. Die sehen alle ähnlich aus und trinken ganz gern Hochprozentiges, obwohl sie nicht sollten. Aber so ganz genau nimmt das dann doch niemand.

Gern lehnt er ganz lässig wo herum, obwohl er nicht einmal richtig sprechen kann.

Und ganz wichtig ist ihm sein Herkunftsland. Und natürlich die Religion. Dennoch, er würde sagen deshalb, tut er sich mit dem Fremden, dem Anderen ziemlich schwer.

Wichtig sind ihm auch Traditionen. Und Bräuche. Und natürlich die Werte. Vor allem die Werte. Seine Werte. Werte, die es immer schon gab. Das sollte auch alles so bleiben.

An sich ist er kein schlechter Mensch, aber man merkt ihm dann doch sehr stark seine Herkunft an. Dies ist wohl auch der Grund, warum er sich immer nur mit Seinesgleichen umgibt.

Der Huber Lois aus Sankt Johann.

Platz ist in der kleinsten Hütte

Unsere erste Wohnung war ein schmuckes Kästchen. Sie war circa sechzig Quadratmeter groß, mit drei Zimmern und einer kleinen, aber feinen Küche. Alles da, was ein junges Pärchen so zum großen Glück braucht.

Platz war genug vorhanden, wir hatten sogar in unserem Schlafzimmer ein Bett, welches man bei Bedarf an die Wand klappen konnte, um so einen zusätzlichen Raum für etwaige Festivitäten zur Verfügung zu haben.

Nichts desto trotz, oder lassen Sie mich so beginnen: Obwohl wir zu Beginn unseres gemeinsamen Lebens für die in unseren Haushalt gebrachten Dinge und Habseligkeiten genug Platz hatten, wurde dieser – der Platz nämlich – mit jeder Anschaffung immer geringer, weil der Abgang alter oder nicht mehr gebrauchter Dinge mit dem Tempo der Neuanschaffungen nicht Schritt halten konnte.

Wir waren in Aufbruchstimmung. Was wir nicht alles brauchten! Ganz wichtige Dinge, welche man, um ein normales Leben führen zu können und für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, unbedingt benötigte, wurden angeschafft.

Ein Schoko-Fondue, ein drehbarer Käseteller aus Marmor, ein Ungetüm von einem Entsafter (den man, nachdem man eine Handvoll Karotten auf einen Fingerhut voll Carotin gepresst hatte, etwa eine Stunde reinigen durfte), elektrische Zahnbürsten und Fleischmesser, eine Brotschneidemaschine, ein Kaffeebohnenzermalmer, eine Massagematte, ein Heimtrainer (man kann auch Wäscheständer dazu sagen), eine Bügelwalze, ein Folienschweißgerät, um nur einige lebenserhaltende Utensilien zu nennen.

Alles kein Problem, wir hatten ja Platz, es ging sich genau aus, oder sagen wir so: Es ging sich irgendwie aus.

Und dann kam Er.

Er war unser erstes Kind. Aber wir hatten vorgesorgt. Dachten wir. Denn für ihn hatten wir ja sogar ein eigenes Zimmer eingerichtet. Da stand sein liebliches Gitterbettchen, sein Kasten für Krimskrams und auch ein Wickeltisch mit jeder Menge Laden.

Nur, der Kasten war bereits gefüllt, bevor auch nur ein einziges, kleines Strampelhöschen darin Platz finden konnte. Das hieß: Umräumen, neu schlichten, neu organisieren.

Mit Ach und Weh gelang es uns immer wieder, vor allem, wenn Besuch kam, eine Art äußere Ordnung zu simulieren. Mit der berechtigten Hoffnung, dass niemand das Innere eines Kastens inspiziert. Aber welcher Mensch mit einem Mindestmaß an Anstand tut das schon.

Es hätte nur sein können, dass sich ein Kasten durch den inneren Druck von selbst öffnete, dann wären wir aufgeflogen.

Und so ging es ein paar Jahre dahin – die Neuzugänge an Gütern reduzierten sich, was uns Eltern betraf zwar deutlich, jedoch benötigte der junge Spross naturgemäß einige neue sperrige Dinge.

Diese waren zudem mit dem Makel ausgestattet, dass sie immer größer wurden. Das war dann wohl wirklich nicht fair.