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Studieren ohne allgemeine Hochschulreife – das ist an einigen hessischen Universitäten möglich. Für die Aufnahme des Bachelorstudiums reicht mancherorts die Fachhochschulreife. Stellt diese Entwicklung eine Chance auf größere Bildungsgerechtigkeit dar? Gunar Sonntag untersucht am Beispiel des Studiengangs Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel, ob Studierende ohne allgemeine Hochschulreife ähnlich erfolgreich sein können wie Studierende mit allgemeiner Hochschulreife. In welcher Weise unterscheiden sich die beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Studienwahlmotivation und ihrer bildungsbiographischen Herkunft? Sonntag setzt die Wahlmotive, Vorkenntnisse und Erfolgserwartung der Studierenden in Relation zu deren Prüfungsergebnissen sowie soziodemographischen Angaben. Die Ergebnisse stehen teilweise im Widerspruch zu den theoretischen Überlegungen anderer Autoren und bieten so neue Anregungen für Studieninteressierte, Bildungspolitiker, Studienberater und Hochschulplaner.
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Seitenzahl: 445
Veröffentlichungsjahr: 2016
Gunar Sonntag
Studienerfolg ohne allgemeine Hochschulreife?
Gunar Sonntag
Studienerfolg ohne allgemeine Hochschulreife?
Wie Herkunft, Bildungsverlauf und Wahlmotive den Studienerfolg beeinflussen
Tectum Verlag
Gunar Sonntag
Studienerfolg ohne allgemeine Hochschulreife?
Wie Herkunft, Bildungsverlauf und Wahlmotive den Studienerfolg beeinflussen
© Tectum Verlag Marburg, 2016
Zugl. Diss. Universität Kassel 2015, Fachbereich 07 – Wirtschaftswissenschaften, Datum der Disputation: 23.11.2015
ISBN: 978-3-8288-6534-1
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter
der ISBN 978-3-8288-3732-4 im Tectum Verlag erschienen.)
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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
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im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1.Einleitung
2.Theoretische Grundlage
2.1Studienerfolg
2.1.1Dimensionen des Studienerfolgs
2.1.2Studienabbruch als Misserfolgskriterium
2.1.3Prädiktoren des Studienerfolgs
2.2Berufswahlmotive/Studienwahlmotive: Warum wird man Berufsschullehrer?
2.3Wer studiert Wirtschaftspädagogik?
2.4Soziale Disparitäten im Bereich der Bildungschancen
2.5Sozialer Aufstieg durch ein Lehramtsstudium
2.6Rahmenbedingungen des Hochschulsystems
2.7Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen
3.Hypothesenbildung und Methodik
3.1Zentrale Fragestellung und Hypothesen
3.2Angewandte Methodik
3.2.1Datenerhebung und -aufbereitung Studienanfängerbefragung
3.2.2Datenerhebung und -aufbereitung Prüfungsergebnisse
3.2.3Statistische Verfahren der Datenauswertung
4.Ergebnisse der Studienanfängerbefragung zu Studienwahlmotiven und Erfolgserwartungen
5.Analyse der Prüfungsdaten
5.1Noten als Erfolgskriterium
5.2Studiendauer als Erfolgskriterium
5.3Abschluss als Erfolgskriterium
5.4Fehlversuche als (Miss-) Erfolgskriterium
5.5Exkurs: Prüfungserfolg nach einer abgeschlossenen Ausbildung
5.6Exkurs: Studienabschluss nach Misserfolgserlebnissen
5.7Abschlussnoten
5.8Zusammenfassung der Erfolgskriterien
6.Vorkenntnisse, Erfolgserwartungen, Wahlmotive und deren Auswirkung auf den Studienerfolg
6.1Vorkenntnisse und Studienerfolg
6.2Erfolgserwartung und Studienerfolg
6.3Wahlmotive und Studienerfolg
6.4Institutionalisiertes kulturelles Kapital und Studienerfolg
7.Resümee
7.1Hypothese 1: HZB-Art und Prüfungsnoten
7.2Hypothese 2: HZB-Art und Motive
7.3Hypothese 3: Erfolgserwartung und Studienerfolg
7.4Hypothese 4: Ausbildung und Studienerfolg
7.5Hypothese 5: Institutionalisiertes kulturelles Kapital, Wahlmotive und Studienerfolg
7.6Hypothese 6: HZB-Art und Fehlversuche/ Studiendauer
7.7Weitere Ergebnisse
7.8Konklusion
Tabellenanhang
Anhang Fragebogen
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AHR
Allgemeine Hochschulreife
ALLBUS
Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften
B.Ed.
Bachelor of Education
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung
BWL
Betriebswirtschaftslehre
FEMOLA
Fragebogen zur Erfassung der Motivation für die Wahl des Lehramtsstudiums
FgHR
Fachgebundene Hochschulreife
FH
Fachhochschule
FHR
Fachhochschulreife
HIS
Hochschul-Informations-System eG
HZB
Hochschulzugangsberechnung
IGLU
Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung
ISCED
International Standard Classification of Education
Kern
Erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliches Kernstudium
L1
Lehramt an Grundschulen
L2
Lehramt an Hauptschulen und Realschulen
L3
Lehramt an Gymnasien
L4
Lehramt an berufsbildenden Schulen
L5
Lehramt an Sonderschulen
NC
Numerus clausus
PISA
Programme for International Student Assessment
REWE
Rechnungswesen
SAQ
Studienabbruchquote
SEQ
Studienerfolgsquote
TIMSS
Trends in international Mathematics and Science Study1
USuS
Untersuchung von Studienverlauf und Studienerfolg in Bachelorstudiengängen
VWL
Volkswirtschaftslehre
WIDI
Wirtschaftsdidaktik
1Bis 2003 stand die Abkürzung für Third International Mathematics and Science Study.
1.Einleitung
In Hessen ist, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, das Studium an Universitäten in gestuften Studiengängen auch mit der Fachhochschulreife möglich. Hiervon waren zunächst nur einige wenige Studiengänge an der reformorientierten Gesamthochschule Kassel betroffen. Mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge ab 2002 war ein Studium ohne die allgemeine Hochschulreife nun an mehreren hessischen Universitäten2 und in immer mehr Studiengängen möglich, seit 2007 mit dem Bachelor (B.Ed.) Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel auch in einem Lehramtsstudiengang. Seitdem hat die Zahl der Studierenden ohne allgemeine Hochschulreife (AHR) in diesem Studiengang sprunghaft zugenommen.
Tabelle 1:Zugangsarten der Studienanfänger im Studiengang Wirtschaftspädagogik (im ersten Fachsemester)
AHR Gymnasium
AHR Sonstiges
FHR oder FgHR
Summe
WS 04/05
68
63,0 %
27
25,0 %
13
12,0 %
108
WS 05/06
93
63,3 %
45
30,6 %
9
6,1 %
147
WS 06/07
110
59,8 %
60
32,6 %
14
7,6 %
184
WS 07/08
28
17,0 %
20
12,1 %
117
70,9 %
165
WS 08/09
53
22,7 %
14
6,0 %
166
71,2 %
233
WS 09/10
40
26,1 %
10
6,5 %
103
67,3 %
153
WS 10/11
42
22,3 %
14
7,4 %
132
70,2 %
188
WS 11/12
28
21,7 %
1
0,8 %
100
77,5 %
129
WS 12/13
46
35,4 %
3
2,3 %
81
62,3 %
130
WS 13/14
46
35,7 %
2
1,6 %
81
62,8 %
129
WS 14/15
42
26,6 %
1
0,6 %
115
72,8 %
158
Quelle: eigene Berechnung anhand der Studierendenstatistik der Universität Kassel
Noch im Wintersemester 2006/07 hatten 7,6 % der Studienanfänger3 im Diplomstudiengang als Zugangsvoraussetzung lediglich die Fachhochschulreife (FHR) oder eine fachgebundene Hochschulreife (FgHR) vorzuweisen. Mit der Einführung des B.Ed. stieg diese Quote auf 70,9 % im Wintersemester 2007/08 und hält sich seit dem um die 70 % (siehe Tabelle 1). Erst ab dem Wintersemester 2012/13 konnte – vermutlich bedingt durch die Einführung weiterer, über die Abschlussnote hinausgehender Zulassungskriterien – wieder ein Anstieg der Studienanfänger mit allgemeiner Hochschulreife festgestellt werden.
Der gestiegene Anteil von Studierenden ohne allgemeine Hochschulreife ist bildungspolitisch in doppelter Weise bedeutsam: Zum einen entspricht es aktuellen bildungspolitischen Intentionen, den Zugang zu akademischer Bildung zu erleichtern, um den Anteil der Studierenden zu erhöhen. Zum anderen werden Lehramtsstudiengänge traditionell besonders häufig zum Vehikel sozialen Aufstiegs.4 Die Frage, wie erfolgreich das Studium von Studierenden ohne allgemeine Hochschulreife verläuft, ist daher weit über den hier untersuchten Studiengang von Relevanz. Es geht dabei im Kern um die Frage, ob Inklusion über die Öffnung formaler Zugangswege erfolgreich sein kann oder ob hier nur scheinbar Chancen eröffnet werden, die sich an späterer Stelle im Lebenslauf oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder auflösen. Verbunden wäre dies mit hohen individuellen wie gesellschaftlichen Kosten.
Die vorliegende Arbeit soll daher Erkenntnisse darüber ermöglichen, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Hochschulzugangsberechtigungen auf den objektiven, d. h. beispielsweise durch Noten messbaren und den subjektiven, d. h. individuell erwarteten, Studienerfolg haben. Dabei sollen beispielsweise die Prüfungsergebnisse der studienbegleitenden Prüfungen der Studierenden mit allgemeiner Hochschulreife mit denen ihrer Kommilitonen ohne allgemeine Hochschulreife verglichen werden.
Für eine heterogene Studierendengruppe wird es eine Herausforderung darstellen, den Begriff des Studienerfolgs klar zu definieren. Gerade unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Voraussetzungen kann Erfolg individuell sowohl im Erreichen einer angestrebten Note, als auch im bloßen Abschluss eines Hochschulstudiums liegen. Um die Prüfungsergebnisse mit den eigenen Zielen in Verbindung bringen zu können, wurden zusätzlich die Studienwahlmotive und Erfolgserwartungen der Studienanfänger untersucht.
Der Studiengang B.Ed. Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel ist aus mehreren Gründen besonders geeignet für diese Untersuchung. Die Kämpfe um die Bildungspolitik sind kennzeichnend für die hessische Landespolitik der vergangenen Jahrzehnte.5 Dass nun Hessen das Studium an Universitäten auch mit Fachhochschulreife zulässt, bietet die Chance, hier Feldforschung zu betreiben, welche in anderen Bundesländern aufgrund der Immatrikulationsregeln der Hochschulgesetze nicht möglich wäre.
Die Universität Kassel bietet für diese Forschung zudem besondere Bedingungen, da sie als Gesamthochschule gegründet und mit der Tradition der o. g. Bildungsreform bereits über eine jahrzehntelange Erfahrung mit gestuften Studiengängen verfügte, bevor diese während der vergangenen Jahre im Zuge der Bologna-Reform in Deutschland flächendeckend eingeführt wurden. Auch aus diesem Grund konnte der Studiengang B.Ed. Wirtschaftspädagogik bereits bei seiner Einführung im Jahr 2007 auf Erfahrungen zurückgreifen, welche die Vermutung zuließen, dass der Studiengang in seiner Grundstruktur während des Untersuchungszeitraums nicht verändert werden würde. An vielen anderen Universitätsstandorten mussten die im Zuge der Bologna-Reform konzipierten Studiengänge hingegen aufgrund der Erfahrung mit den ersten Studierendenkohorten nochmals grundlegend überarbeitet werden.
Auch die Tradition des untersuchten Studiengangs lässt diesen als für die Fragestellung besonders geeignet erscheinen. Zunächst wurden mit einer Maßnahme in den 70er-Jahren ausgebildete Ökonomen an der Gesamthochschule Kassel zu Handelslehrern weiterqualifiziert. Daraus entstand in den 80er-Jahren ein grundständiger Studiengang zum Diplom-Handelslehrer. Die ersten Teilnehmer dieses Aufbaustudiengangs waren dabei überwiegend Studierende ohne Abitur, die an einer Fachhochschule (FH) ihr Erststudium absolviert hatten.6
Der hohe Anteil von Studierenden ohne Abitur ist somit auch auf historische Einflüsse zurückzuführen und in der bundesdeutschen Hochschullandschaft ungewöhnlich. Im bundesweiten Schnitt nämlich konnten laut einer Untersuchung der Hochschul-Informations-System eG (HIS) 96 % der Studienanfänger an Universitäten des Wintersemesters 2009/10 ein Abitur vorweisen und nur je 2 % verfügten über die Fachhochschulreife oder die fachgebundene Hochschulreife.7 Weitere Zugangswege – wie z. B. der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte – spielen eine noch geringere Rolle. In der Ortsauswertung der Sozialbefragung des Deutschen Studentenwerks haben für den Standort Kassel im Jahr 2009 hingegen 25 % der Studierenden angegeben, über die Fachhochschulreife zu verfügen.8 Dieser hohe Anteil ist somit für die Universität Kassel typisch. Er wird durch einzelne Bachelorstudiengänge gestützt, zu denen der untersuchte Studiengang Wirtschaftspädagogik gehört.
Neben der Art des Hochschulzugangs sollen weitere Kriterien der Studienvorphase ins Verhältnis zum Studienerfolg betrachtet werden. So sollen, ergänzend zur Frage des Studienerfolgs ohne allgemeine Hochschulreife, auch die Herkunft und die Studienwahlmotive der Studienanfänger Berücksichtigung finden, um einen breiteren Zugang zur Relation von Studienvorphase und Studium zu ermöglichen.
Der theoretische Hintergrund wird dabei zunächst in Kapitel 2 dargestellt. Hierbei werden verschiedene Perspektiven auf den Studienerfolg vorgestellt. Da die Frage nach dem Erfolg einer bestimmten Studierendengruppe und die Verknüpfung mit Themen der sozialen Selektivität auch den Punkt berührt, wer Lehrerin oder Lehrer wird und warum dieser Weg eingeschlagen wird, folgen zwei Kapitel zu Studienwahlmotiven und soziodemographischer Betrachtung von Lehrkräften. Die beiden anschließenden Kapitel sind der Bildungsgerechtigkeit und der Möglichkeit von sozialem Aufstieg durch ein Studium der Wirtschaftspädagogik gewidmet. Hierzu gilt es, zunächst den Begriff der sozialen Ungleichheit im Bildungswesen zu klären und auf die vorliegende Arbeit und deren Fragestellung zu übertragen. Disparitäten können dabei in Anlehnung an BOUDON sowohl mit primären als auch sekundären Faktoren erklärt werden. Der Zugang zu dieser Frage soll insbesondere aus dem Blickwinkel der empirischen Bildungsforschung erfolgen und die Übergänge im Bildungssystem beleuchten.
Im empirischen Teil der Arbeit werden zunächst Studienanfängerbefragungen der Jahre 2009 bis 2012 ausgewertet, bei denen Studienwahlmotive, Vorkenntnisse und Erfolgserwartungen abgefragt wurden. Anschließend werden Daten der Prüfungsstatistik des untersuchten Studiengangs auf einer anonymisierten individuellen Ebene ausgewertet. Im anschließenden Schritt werden die beiden empirischen Teile miteinander in Beziehung gesetzt.
2Ausnahmeregelungen gelten dabei für die Universität Frankfurt und die TU Darmstadt.
3Im weiteren Verlauf wird aus Gründen der flüssigen Lesbarkeit des Textes nicht durchgehend die weibliche Sprachform zusätzlich zur männlichen genannt. Aus demselben Grund wird eine Variante des Chicago Style als Zitationsstil angewandt.
4Vgl. Rothland (2011a): Wer entscheidet sich für den Lehrerberuf?, S. 247.
5In keinem anderen Bundesland wurden die Kämpfe um die Bildungsreform der 60er- und 70er-Jahre so erbittert geführt, wie in Hessen. Zwar waren häufiger ökonomische und wahltaktische Überlegungen Leitmotiv der Bildungspolitik als die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bildungsforscher. Gleichwohl gibt es eine hessische Tradition, Bildungs-reformen aktiv und früher als in anderen Bundesländern anzugehen. RUDLOFF bezeichnet Hessen beispielsweise als den exponiertesten Schauplatz bundesdeutscher Schulkämpfe und das Bundesland mit den größten bildungspolitischen Konflikten in der Geschichte der Landespolitik. Vgl. Rudloff (2008): Schulpolitik und Schulkämpfe in Hessen, S. 332.
6Vgl. Brechmacher et al. (1980): Berufspädagogen in Studium und Beruf, S. 108.
7Vgl. Willich et al. (2011): Studienanfänger im Wintersemester 2009/10, S. 47.
8Vgl. Reimund (2011): Genau hinsehen, S. 11.
2.Theoretische Grundlage
Um festlegen zu können, wie Studienerfolg in dieser Studie gemessen werden soll, muss zunächst auf theoretischer und begrifflicher Basis geklärt werden, wie Erfolg definiert werden soll und wie dieser abgebildet werden kann. In einem weiteren Schritt soll dann den verschiedenen Herangehensweisen an Studienwahlmotive nachgegangen werden, um die Verknüpfung von verschiedenen individuellen Erfolgskriterien in Gruppen mit unterschiedlichen Studienwahlmotiven abbilden zu können. Es wird daher gefragt, wer sich für den Studiengang Wirtschaftspädagogik entscheidet und warum diese Entscheidung getroffen wird. Dabei sollen die relevanten Erkenntnisse aus den Bereichen der Persönlichkeitseigenschaften und der Berufswahlmotive von angehenden Lehrern zusammengefasst werden. Ferner soll ein Fokus auf Bildungsgerechtigkeit und die Chance des sozialen Aufstiegs durch ein Lehramtsstudium gelegt werden, unter anderem, da Bildung eine der wichtigsten Determinanten von sozialer Gerechtigkeit in modernen Gesellschaften ist. In diesen einleitenden Kapiteln soll neben Begriffsbestimmungen auch der aktuelle Stand der Forschung skizziert werden.
2.1Studienerfolg
Die Chancen eines Individuums im Erwerbssystem werden durch das Abschneiden im Bildungssystem und damit auch durch Hochschulbildung geprägt. MEULEMANN sieht im Beruf sogar das wichtigste Merkmal für den Wert einer Person innerhalb der Gesellschaft.9 Damit ist eine gelungene Berufsausbildung aus individueller Perspektive wichtig für die Realisierung von Lebenschancen. Für die aktuelle Generation Jugendlicher bilden die Frage nach einem gelungenen Berufseinstieg und die Sorge darüber, ob man einen geeigneten Ausbildungsplatz erhält, die zentrale Zukunftsfrage. Das wurde im Rahmen der Shell-Jugendstudie 2010 ermittelt.10
Neben der Frage, ob man den gewünschten Ausbildungs- oder Studienplatz erhält, kommt – anschließend – auch dem erfolgreichen Abschluss dieser Lebensphase eine zentrale Bedeutung zu, sind doch Misserfolge, Umwege und Lücken im Lebenslauf eine Belastung für die Karriereplanung. Somit kommen auch der Hochschulbildung und der Frage nach dem Studienerfolg eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Realisierung individueller Lebensziele geht.11
Studienerfolg ist aber nicht nur eine Frage der individuellen Perspektive. LORSON bietet, neben der individuellen, auch eine institutionelle und eine gesellschaftliche Sichtweise auf die Kategorie Studienerfolg an.12 Für die Gesellschaft ist die Betrachtung des Studienerfolgs insbesondere wichtig, wenn es darum geht, öffentliche Mittel einzusetzen, um einen Nachwuchs qualifizierter Fachkräfte zu generieren und das Niveau der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt zu erhalten bzw. zu steigern. Hier werden besonders Studiendauer und Studienabbruch als Erfolgskriterien in den Blick genommen.
Auch für die Hochschulen sind dies wichtige Parameter, kennzeichnen sie doch u. a. den Erfolg der Einrichtung im Bereich einer ihrer Kernaufgaben – der Wissensvermittlung und Verleihung akademischer Grade. Erfolgs- und Misserfolgsquoten im Verhältnis zu den eingesetzten Ressourcen sind damit auch ein wichtiger Leistungsindikator für Hochschulen. Die Bedeutung des Themas für Individuum und Gesellschaft wird später nochmals im Kapitel zur Bildungsgerechtigkeit aufgegriffen, u. a. mit Hinweisen zur Bedeutung von Bildungszertifikaten und den Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch Bildung.
Da Studienerfolg sich häufig jedoch erst nach einer mehrjährigen Phase des Studiums messen lässt, ist es ebenso wichtig, Prädiktoren für den Studienerfolg in den Blick zu nehmen. So können Erfolgschancen und Risikowahrscheinlichkeiten vorhergesagt werden. Dies kann zur Bestärkung eingeschlagener individueller Wege, als Schutz vor Fehlentscheidungen aber auch als Basis für individuelle Beratung und Förderung im Studium genutzt werden. Die Kenntnis von Erfolgsprädiktoren kann damit zur Steigerung des Studienerfolgs eingesetzt werden.
Der spezielle Fokus auf den Studienerfolg von Studierenden ohne allgemeine Hochschulreife hat dabei eine besondere Bedeutung, da hier der Versuch unterstellt werden kann, durch die Öffnung von Zugangswegen Inklusion zu erreichen. Dies ist aber individuell und gesellschaftlich nur dann ein Gewinn, wenn dafür auch eine Erfolgschance besteht.
Es wird also wichtig sein, im Folgenden verschiedene Dimensionen von Studienerfolg sowie Prädiktoren für diesen zu beleuchten, um abschließend bewerten zu können, welche Kategorien für die vorliegende Arbeit herangezogen werden sollen. Es kann aber vorab bereits festgehalten werden, dass der Fokus auf individuellen Erfolgsparametern liegen wird, wobei Eindimensionalität vermieden werden soll. So wäre eine Einschränkung des individuellen Studienerfolgs allein auf den erfolgten Abschluss eines Hochschulstudiums eine ebensolche Verkürzung, wie die des Misserfolgs auf den Studienabbruch. Als Erfolgskriterien kommen vielmehr beispielsweise die Studiennoten, die Studiendauer aber auch die Studienzufriedenheit in Frage.
Durch den Bologna-Prozess wurden das ECTS-System mit einer Vielzahl studienbegleitender Prüfungen und dem System der Credits als Angabe für den investierten studentischen Arbeitsaufwand eingeführt. Dies ermöglicht gegenüber früheren Studiengängen häufigere Messungen, da zusätzliche Prüfungsergebnisse über die Zwischen- und Abschlussprüfungen älterer Studiengänge hinaus zur Verfügung stehen. HÖRNSTEIN und KRETH schlagen daher vor, auch die erworbenen Credits als Kennziffer für den Studienerfolg heranzuziehen, indem man sie zu den für ein Semester laut Prüfungsordnung vorgesehen Credits ins Verhältnis setzt.13 Hier ist anzumerken, dass ein Teil der Studierenden das Studium nicht in Vollzeit absolviert und daher eine geringere Anzahl erworbener Credits nicht zwangsläufig auf Misserfolg zurückzuführen ist. Die Bedeutung der Prüfungen für den Studienerfolg ist aber mit der Einführung der Bachelorstudiengänge und der damit verbundenen Zunahme studienbegleitender Prüfungen definitiv gewachsen, da schon früher ein Feedback gegeben wird, Noten des Studiums in der Regel mit in die Endnote einfließen und der Prüfungsanspruch bereits in frühen Semestern nach Misserfolgen verloren gehen kann, statt wie zuvor, erst bei der Abschlussprüfung.
Die Betrachtung der erworbenen Credits bietet zudem ein geeignetes Instrument, um institutionellen Studienerfolg zu ermitteln. Unabhängig von der individuellen Erfolgsbetrachtung ermöglicht ein Vergleich der erworbenen Credits innerhalb einer Kohorte Einblicke in deren Zusammensetzung. HÖRNSTEIN und KRETH ermitteln mit diesen Verfahren beispielsweise, wie viele „Karteileichen“14 oder Wechsler sich im Studiengang befinden und wie groß die Gruppe der erfolgreichen und der weniger erfolgreichen Studierenden ist.15
2.1.1Dimensionen des Studienerfolgs
Studienerfolg kann mit verschiedenen Instrumenten und anhand unterschiedlicher Parameter gemessen werden. Im Zentrum meiner Betrachtung steht der individuelle Studienerfolg. Dieser hat – wie bereits deutlich wurde – verschiedene Dimensionen, auf die im Folgenden näher eingegangen werden wird. Gleichwohl gibt es auch Erfolgsparameter über das Individuum hinaus. Hierzu hat LORSON in den Jahren 2008/09 die Hochschulverwaltungen befragt, was Studienerfolg aus deren Sicht ausmache und sowohl die geringe Rücklaufquote (ca. 36 % der befragten Hochschulen) als auch die Unvollständigkeit der Angaben als Hinweis aufgefasst, dass die Thematik Studienerfolg erst allmählich in den Blickpunkt der Hochschulen rücke.16 Die Arbeit bietet aber eine Vielzahl von Sichtweisen auf Studienerfolg an:
–eine gesellschaftliche Sicht, inwieweit die Hochschule zur gesellschaftlichen Wohlfahrt beiträgt;
–die Sicht der Alumni, z. B. anhand eines durchschnittlichen Einkommens von Absolventen oder des lückenlosen Übergangs in eine adäquate Beschäftigung;
–die Sicht der Hochschule mit Kennzahlen wie Absolventen in der Regelstudienzeit, der Betreuungsrelation zwischen Absolventen und dem eingesetzten Personal oder den laufenden Ausgaben pro Studierendem.17
Der überwiegenden Betrachtung von Abbrecher- und Absolventenquoten hält GAENS das Instrument der Durchfallquoten entgegen, die stärker als Leistungsindikator von Hochschulen herangezogen werden müssten. Während die Betrachtung von Absolventen und Abbrechern nur den Output betrachte, würde mit der Hinzunahme der Durchfallquoten auch die Phase zwischen Studienbeginn und –ende stärker in den Fokus genommen. Die einzelnen Schwellen und Selektionsmechanismen der Hochschule seien aber ein wichtiger Indikator für die Lehrqualität und ermöglichten zudem die Betrachtung gruppenspezifischer Selektionen.18 Durchfallquoten ermöglichen somit Aussagen darüber, welche Prüfungen für bestimmte Prüflinge besondere Hürden darstellen und welche nicht.
Zugleich ermöglicht die Betrachtung der studienbegleitenden Prüfungen auch die Untersuchung des Studienerfolgs anhand der Einzelnoten. Ein Abbruch nach vielen Fehlversuchen oder schwachen Prüfungsleistungen wäre dann anders einzuordnen, als ein Abbruch nach einer passiven Studienphase ohne nennenswerte Prüfungsversuche. Gleichzeitig können auch die Absolventen nochmals unterteilt werden, weil der Umfang von Fehlversuchen im Studium berücksichtigt wird.
Die Hinzunahme von Durchfall- und Erfolgsquote der studienbegleitenden Prüfungen ist somit auch für die vorliegende Frage nach dem Studienerfolg hilfreich. GAENS weist aber zu Recht darauf hin, dass es bei nicht bestandenen Prüfungen zwei besondere Status gibt, welche die Interpretation erschweren.19 Zum einen handelt es sich um nicht bestandene Prüfungen auf Grund von Nichterscheinen. Die Prüfung von angemeldeten Studierenden, die am Prüfungstag nicht anwesend sind und kein Attest (oder eine vergleichbare in der Prüfungsordnung festgelegte Entschuldigung) nachreichen können, werden in der Regel als Fehlversuch gewertet, obwohl keine nicht ausreichende Leistung diagnostiziert wurde. Die Gründe für den Nichtantritt müssen jedoch nicht zwangsläufig in mangelnder Erfolgschance liegen. Auch der Status endgültig nicht bestanden20 stellt einen Sonderfall dar, weil dies kein Zwischenstadium des Studiums mehr ist, sondern einen Abbruch zur Folge hat.
In Abbildung 1 sind nun die verschiedenen Dimensionen des Studienerfolgs graphisch dargestellt. Die individuelle Dimension wird dabei noch einmal in umweltbezogene und personale Faktoren unterteilt. Während erstere, ebenso wie gesellschaftliche und institutionelle Faktoren recht gut operationalisiert werden können, ist dies für die personalen Faktoren nicht ohne weiteres möglich. In der Literatur werden diese häufig als individueller Studienerfolg bezeichnet. Das würde aber die individuelle Ebene bei Noten, Studiendauer und Abbruch vernachlässigen.
Die in der Abbildung 1 vorgenommene Unterteilung ist dabei zunächst eine schematische Vereinfachung. Selbstverständlich gibt es Querverbindungen und Überschneidungen zwischen den einzelnen Dimensionen, viele der Faktoren interagieren sogar miteinander. So haben Studiendauer, -note und -abbruch selbstverständlich Einfluss auf Berufserfolg und Zufriedenheit im Studium. Auch die gesellschaftlichen und institutionellen Erfolgsparameter sind eng verbunden mit Studiendauer und -abbruch.
Eine weitere Unterteilung der Erfolgskriterien in objektive und subjektive bietet BÜCHLER an. Während Zufriedenheit und Selbsteinschätzung zu den subjektiven Kriterien zu zählen sind, nennt sie als objektive beziehungsweise äußere Kriterien den Prüfungserfolg, den Studienabbruch, die Examensnote, die Studiendauer, aber auch einen Fachwechsel oder die Realisierung von Auslandsaufenthalten.21
Abbildung 1: Dimensionen des Studienerfolgs
Im bildungspolitischen Diskurs stehen häufig vor allem die messbaren Faktoren im Fokus. Das wird auch in der vorliegenden Arbeit nicht anders sein. Gleichwohl gibt es Autoren, die dem individuellen Studienerfolg eine hohe Bedeutung beimessen und dabei jene Komponenten ansprechen, die hier als personale Faktoren bezeichnet sind. Das Spektrum der individuellen Ziele ist breit gefächert. Für Studierende mit Aufstiegsambitionen kann es der Studienabschluss an sich sein. Für erfolgsorientierte Studierende kann das Ziel hingegen auch in einer kurzen Studiendauer oder einer sehr guten Abschlussnote liegen. Wieder andere Studierende sind eher am Erlernen von Fachwissen und Methoden interessiert, die für die spätere Berufspraxis benötigt werden, als an der Bewertung der eigenen Leistung. Dieses Spektrum bildet in meinen Augen einzelne Facetten individuellen Studienerfolgs ab.
Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die personalen Kriterien des individuellen Studienerfolgs schwer messbar sind, was insbesondere die Kategorien Studienzufriedenheit und Späterer beruflicher Erfolg angeht. Oft ist der maßgebliche persönliche Nutzen des Studiums erst nach längerer Zeit feststellbar, wodurch ein geeigneter Messzeitpunkt schwer festzulegen ist. Die einfacher zu messenden Kriterien Studiendauer und Studiennoten decken hingegen ebenfalls eine individuelle Ebene des Studienerfolgs ab. Zugleich sind diese aber auch Kriterien, die insbesondere aus Sicht der Hochschule und der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, gerade unter dem Aspekt der Finanzierung der Hochschulen.
Ein Versuch, individuellen Studienerfolg – im Sinne der personalen Faktoren – zu erfassen, wurde im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und 2013 abgeschlossenen Forschungsprojekt Untersuchung von Studienverlauf und Studienerfolg in Bachelorstudiengängen (USuS) unternommen. In einer Längsschnittstudie wurde die studentische Perspektive auf Studienerfolg in fünf Studiengängen – darunter einmal Lehramt an beruflichen Schulen – betrachtet. An den beteiligten Hochschulen sollten direkte Interventionen erfolgen, um das Studium so zu beeinflussen, dass Studierende mit unterschiedlichen Herkunftsbedingungen das Studium aus ihrer Sicht erfolgreich durchlaufen können.22 Dimensionen von Studienerfolg seien unter dem Fokus dieses Projekts der Kompetenzerwerb, ob Leistungsnachweise erbracht wurden, die Benotung der Leistungen und die Klärung eigener, subjektiver Studienziele.23
Während Noten, Studiendauer und Abbrecherquoten quasi objektive Erfolgsmaße sind, ist der weitere individuelle Erfolg auf Reflexion und Interpretation gestützt und daher schwer zu vergleichen. Das USuS-Forschungsteam beschrieb dieses Spannungsfeld wie folgt: „Die Herausforderung aktueller Forschung besteht daher vor allem darin, einen Erfolgsbegriff zu definieren, der einerseits die enorme Komplexität universitärer Realität erfasst, andererseits aber für empirische Analysen hinreichend handhabbar bleibt."24 Im beschriebenen Projekt wurden nun den Studienanfängern Fragebögen vorgelegt, in denen unter anderem Fragen zum Kompetenzerwerb gestellt wurden. Anschließend wurden mit ausgewählten Eckfällen Interviews in mehreren Phasen des Studiums durchgeführt. Die subjektive Erfolgswahrnehmung sollte dabei über eine offene Einstiegsfrage ermittelt werden. Im Fragebogenteil von USuS wurde der Studienerfolg zudem auch über die Kategorie Kompetenzerwerb abgefragt. Dazu wurden acht Items25 von den Studierenden eingeschätzt und Fragen danach beantwortet, inwieweit die in ihnen beschriebenen Kompetenzen gefördert worden waren und inwieweit die Befragten diese Kompetenzen erworben hatten. Somit wurden sowohl die Anforderungen des Studiengangs, als auch der subjektive Erwerb von Kompetenzen beleuchtet.26
Meines Erachtens wird aber bei der Betrachtung der zitierten Eckfälle des USuS-Projekts deutlich, dass nahezu alle Studierenden Erfolg zunächst über Noten, das Bestehen von Prüfungen und/oder die Studiendauer definieren. Die gelegentlich auftauchenden subjektiven Ziele werden von den Studierenden in aller Regel zu diesen drei Kategorien ins Verhältnis gesetzt und haben daher allein keine Aussagekraft.27 Trotzdem kommen die Autoren zu dem Schluss, dass individuelle Ansätze den Studienerfolg besser erklären könnten als Noten, da die soziale Praxis des Studierens eine komplexe Realität darstelle, die nur mehrdimensional erfassbar sei und, dass ein ganzheitlicher Blick erst durch das Hinzuziehen von Studienzufriedenheit und Studierbarkeit erreicht werde.28
Dem muss meines Erachtens aber widersprochen werden. Studienbedingungen sind nicht die maßgebliche Kategorie des Studienerfolgs. In der Regel sind die Bedingungen ohnehin für die Studierenden gleich und werden von Absolventen wie Abbrechern gleichermaßen kritisiert. Diese zur maßgeblichen Variable für den Studienerfolg zu machen, wertet die anderen Kategorien unrechtmäßig ab. Die Mehrdimensionalität auf personale Faktoren zu lenken, ist meines Erachtens ebenfalls eine Überinterpretation der eigenen Befunde. Selbst die von den Forschern als Eckfälle zitierten Studierenden erwähnen in den Interviews zunächst ihre Studiendauer und Prüfungsnoten, ehe sie ergänzend auf Auslandsaufenthalte und Kompetenzerwerb eingehen. Bemerkenswert ist jedoch, dass Überlegungen zur Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung und der beruflichen Professionalisierung am ehesten noch von den befragten Lehramtsstudierenden erwähnt wurden.29 Festzuhalten bleibt aber, dass selbst in einer Studie welche die Bedeutung von Noten und Studiendauer hinterfragt, alle zitierten Probanden genau diese Kriterien in den Mittelpunkt der Selbsteinschätzung rücken.
Gerade der Beginn des Studiums stellt für viele Jugendliche eine besondere Lebensphase mit neuen Freiheiten und daraus entstehenden Herausforderungen dar. MEULEMANN verweist darauf, dass die Rahmenbedingungen der Studienstartphase die Chancen auf ein erfolgreiches Studium beeinflussen.30 Trotzdem – oder gerade deshalb – wird in der vorliegenden Arbeit auch versucht, die Vorerfahrungen und Selbsteinschätzungen der Studierenden zu Studienbeginn abzufragen und mit dem Studienerfolg in Verbindung zu bringen. Es handelt sich hierbei um eine Abfrage der Selbstwirksamkeitserwartung, d. h. der Überzeugung, eine bevorstehende Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können. Es scheint daher angebracht, die beobachteten Studienleistungen später mit den eigenen Erwartungen zu vergleichen, um eine subjektivere Erfolgsbewertung vornehmen zu können. ZIEGLER vertritt hierzu die These, dass Vorerfahrungen und Selbsteinschätzungen das Studierverhalten beeinflussen.31 Im Zusammenhang mit der Leistungseinschätzung lautet ihre These: „Je eher die Vorerfahrungen der aktuellen Studiensituation entsprechen, desto optimistischer fallen die Einschätzungen der Studierenden aus.“32
Die These, dass die eigene Einschätzung, aufgrund schulischer Vorleistung für ein Studium geeignet zu sein, die Studienentscheidung positiv beeinflusst, wird zudem auch durch BECKER und HECKEN verifiziert.33 Für den Lehramtsbereich ist hier hinzuzufügen, dass beispielsweise ZIEGLER davon ausgeht, dass etliche Studienanfänger bereits zu Studienbeginn ihre persönliche Befähigung zum Lehrerberuf hoch einschätzen und im Studium nur noch methodisch-didaktische Fähigkeiten und unterrichtsfachliches Wissen erwerben wollen.34 Es liegt auf der Hand, dass hier die Herausforderungen des Studiums und des Lehrerberufs unterschätzt werden. Von daher wird es von Interesse sein, zu ermitteln, ob sich die Selbsteinschätzung zu Vorkenntnissen und Erfolgserwartungen positiv auf den Studienerfolg auswirkt oder gar ein Erfolgsrisiko darstellt.
Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist laut GEORG im universitären Bereich die intervenierende Variable zwischen Fähigkeiten und realistischer Leistung. Mit Rückgriff auf den kanadischen Psychologen ALBERT BANDURA nennt er hierfür vier Quellen: Erfolgserlebnisse, nachempfundene Erfahrungen, verbale Überzeugungen und das Wechselwirkungsverhältnis von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und physiologischen Zuständen.35 In Bezug auf den Schulerfolg sei dabei die verbale Intelligenz der beste Prädiktor mit einer stärkeren Vorhersagekraft als Leistungsbereitschaft, Kontrollüberzeugung und kulturellem Kapital.36 Ob dies auch für Universitäten gilt, lässt der Autor jedoch unbeantwortet.
WARNER und SCHWARZER ergänzen diese Einschätzung um die Punkte, dass Selbstwirksamkeit sich vor allem auf neue und schwierige Anforderungssituationen bezieht und dass diese ohne Vorkenntnisse in der Regel nicht erfolgsversprechend ist.37 Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Studie sowohl die subjektive Einschätzung von Vorwissen, als auch die Erfolgserwartung abgefragt und beides dann mit dem tatsächlichen Prüfungserfolg verglichen.
2.1.2Studienabbruch als Misserfolgskriterium
Sehr viel umfangreicher als für die Kriterien eines erfolgreichen Studiums liegen bereits Forschungsergebnisse für den Misserfolg in Form des Studienabbruchs vor. Dessen Umfang und die Gründe für Studienabbruch werden bereits seit mehreren Jahrzehnten untersucht. In der jüngeren Forschung findet sich mit der HIS-Abbrecherstudie von 2010 auch bereits ein erster Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Art der Hochschulzugangsberechtigung (HZB) einen Einfluss auf den Studienerfolg haben könnte. Hier wurde ermittelt, dass für den Studienerfolg insbesondere diejenigen Kompetenzen die auf einem Gymnasium erworben wurden, förderlich seien. Grundlage für diese These ist die Untersuchung der Hochschulzugangsberechtigung von Studienabbrechern und Absolventen. Während unter den Absolventen 82 % als HZB ein Gymnasium angeben, liegt dieser Wert bei den Abbrechern nur bei 62 %. Umgekehrt verhält es sich bei den Studierenden, welche zuvor eine Fachoberschule besucht und dort die HZB erworben haben. Ihr Anteil liegt bei den Absolventen nur bei 4 %, bei den Abbrechern jedoch bei 10 %.38
In derselben Studie wird zudem auch die Auswirkung der Wahl der Leistungskurse auf den späteren Studienerfolg untersucht. Dabei wirke sich die Wahl eines naturwissenschaftlichen Fachs und von Mathematik und Englisch positiv auf den späteren Studienerfolg aus, unabhängig davon, ob der Studiengang affin zu diesem Fach ist.39 Dies legt die Vermutung nahe, dass für Studierende, die kein Abitur erworben haben und damit auch keine Leistungskurse belegen konnten, ein struktureller Nachteil im Studium besteht und der Studienerfolg daher stärker gefährdet ist. HEUBLEIN ET AL. sehen zudem ein erhöhtes Risiko für einen Studienabbruch bei dieser Studierendengruppe, da hier häufiger ein höheres Lebensalter und eine spezielle Lebenssituation vorlägen. Letztere führe dazu, dass als Abbruchgrund signifikant häufiger finanzielle und familiäre Gründe angegeben würden.40 Dabei handelt es sich m. E. aber vor allem um Studierende mit einer Hochschulzugangsberechtigung, die auf dem zweiten Bildungsweg erworben wurde und nicht um solche, die ihre Schullaufbahn mit dem Erwerb der Fachhochschulreife abschließen und dann mit Anfang 20 ein Studium aufnehmen.
Die detaillierten Ergebnisse in der zitierten Studie der HIS zeigen, wie weit die Forschung zum Studienerfolg über die Betrachtung des Misserfolgs anhand von Studienabbrüchen bereits vorangeschritten ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in der offiziellen Statistik häufig Abbrecher, Hochschulwechsler und Fachwechsler nicht unterschieden werden und auch der Grund einer vorzeitigen Exmatrikulation vermutlich eher in einem Ursachenbündel als in Einzelgründen gefunden werden würde.41 Studienabbrecher sind ohnehin schwer zu identifizieren, da die Wiederaufnahme eines Studiums jederzeit möglich ist. In aller Regel werden zudem Studierende, die ein Zweitstudium abbrechen, nicht mit zu den Studienabbrechern gezählt.42 Dies erschwert die Erfassung von endgültigen Abbrechern zusätzlich. Zusammen mit den Hochschulwechslern, den Studienfachwechslern, den Studiengangwechslern und den Studienunterbrechern bilden die Studienabbrecher aber die Schwundquote, die an Hochschulen in der Regel erfasst wird.43 Als reine Studienabbrecher können somit nur ehemalige Studierende verstanden werden, „die zwar durch Immatrikulation ein Erststudium an einer deutschen Hochschule aufgenommen haben, dann aber das Hochschulsystem ohne (erstes) Abschlussexamen verlassen.“44
Auf eine weitere Einschränkung der Aussagekraft von Studienabbruchsforschungen weisen STEEGMANN und KRAFT hin, indem sie subjektive Abbruchgründe der Betroffenen als für die Forschung nicht relevant klassifizieren. Diese seien in der Regel lediglich nachträgliche Rechtfertigungen.45 Gleichwohl liefert die Forschung zu Studienabbrüchen einen nicht zu unterschätzenden Ansatz zur Ermittlung von Studienerfolg und seinen Ursachen.
Die OECD hat eine Formel zur Berechnung von Studienerfolgsquote (SEQ) und Studienabbruchquote (SAQ) in Abhängigkeit zur durchschnittlichen Studiendauer (n) entwickelt:
Auch die HIS errechnet regelmäßig die Abbruch- und Schwundquoten an den deutschen Hochschulen. Die Studienabbruchquote wird dabei mittels eines Kohortenvergleichs von Studienabsolventen zu den korrespondierenden Anfängerjahrgängen berechnet. Dabei werden zunächst die Studiendauern der Absolventen ermittelt und daraus dann die korrespondierenden Anfängerjahrgänge und deren Anteil an der Kohorte errechnet.47 Dies ist hilfreich, da die Absolventen eines Jahrgangs nicht aus einem identischen Anfängerjahrgang stammen und der Vergleich mit nur einem Jahrgang somit eine die Aussagekraft vermindernde Verkürzung gegenüber dem Vergleich mit allen relevanten Studienanfängerjahrgängen darstellen würde. Da für die Berechnung von Studienerfolg bzw. -abbruch die genaueste Methode eine individuelle Studienverlaufsstatistik sei, „in der das Studienverhalten jedes einzelnen Studierenden – von der Aufnahme seines Studiums bis zu seinem Ausscheiden – statistisch erfasst wird“48 korrigiert die HIS sowohl die Absolventenzahlen (Studienanfängerindex, Studienzeitindex, Wechselindex), als auch die Studienanfängerzahlen (Doppeleinschreibungen, Zweitstudium) bevor der entsprechende Quotient gebildet wird.49
Für die Schwundquotenberechnung bereinigt die HIS mittels Daten aus ihrer eigenen Studienanfängerbefragung ebenfalls die amtlichen Statistiken und streicht dabei Studierende im Doppelstudium, Studierende, die nur kurz eingeschrieben waren, ohne das Studium dann aufzunehmen und Studierende im Zweitstudium aus den Berechnungen.50
Da die Berechnungen der HIS zunächst in Abschlussarten und erst dann nach Fachrichtungen unterteilt werden, muss für den Vergleich mit dem Bachelor Wirtschaftspädagogik sowohl auf die Kategorie Staatsexamen Lehramt als auch Bachelor Universität mit den Fachrichtungen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zurückgegriffen werden. Letztere weisen dabei beim Absolventenjahrgang 2010 eine Abbruchquote von 24 %, eine Schwundquote von 28 % und eine Schwundbilanz von 17 % auf.51 Bei den Lehramtsstudiengängen mit Abschlussziel Staatsexamen liegt im selben Zeitraum die Abbruchquote lediglich bei 6 %, durch viele Wechsler kommt aber eine Schwundquote von 21 % zustande, welche durch eine noch höhere Zuwanderung in der Schwundbilanz wieder auf 3 % reduziert wird.52 Das Aufkommen von wenigen Abbrechern, aber vielen Wechslern im Lehramtsbereich wird von den Autoren so interpretiert, dass einige Studierende ihre pädagogische Eignung im Laufe des Studiums in Frage stellen.53 Im Umkehrschluss können hinter der hohen Zahl der Zuwanderer aus anderen Studiengängen dann auch Studierende vermutet werden, die erst an der Universität – vielleicht durch den Austausch mit Kommilitonen aus Lehramtsstudiengängen – ihren Wunsch nach einem Lehramtsstudium entdeckt haben. Zudem ist davon auszugehen, dass viele der Jugendlichen, die an Zugangsbeschränkungen zum Lehramtsstudium scheitern, zunächst ein anderes Studium aufnehmen und den Wechsel ins Lehramt bereits einplanen, somit ihr ursprüngliches Berufsziel also nicht aus den Augen verlieren.
Während die geringe Abbruchquote der Staatsexamensgänge im Lehramtsbereich unter anderem mit klaren Berufsvorstellungen und einer hohen Studienmotivation erklärt werden54, liegen die Abbruchquoten in den Bachelorstudiengängen ungleich höher. Auch hier weisen die Wirtschaftswissenschaften mit einer Abbruchquote von 27 % noch einen der geringeren Werte acht Punkte unter dem Durchschnitt auf, während beispielsweise Bachelorstudierende der Ingenieurwissenschaften an Universitäten zu 48 % ihr Studium abgebrochen haben.55
Zur Misserfolgskomponente bei der Betrachtung von Studienerfolg, dem Studienabbruch, liegen in der neueren Forschung weitere Arbeiten vor. BLÜTHMANN betont hierzu, dass es durch die Einführung der gestuften Studienstruktur mit Bachelor- und Masterabschlüssen notwendig sei, eine neue Typologie der Abbrecher zu entwickeln, da die Typologie aus den Diplom-, Magister- und Staatsexamensstudiengängen nicht übertragbar sei.56 Er führt weiterhin aus, dass die Studienabbruchquote an deutschen Universitäten bei ca. 20 Prozent liege und sowohl die Quote als auch der Abbruchzeitpunkt in Abhängigkeit von der Abschlussart stark variiere. Wobei bereits feststellbar sei, dass die Abbrüche in Bachelorstudiengängen deutlich früher liegen als in Magister- und Staatsexamensstudiengängen.57 BLÜTHMANNS Erklärung hierfür lautet: „Aufgrund der wesentlich kürzeren Studiendauer, der hohen Leistungsanforderungen von Studienbeginn an und des studienbegleitenden Prüfungsregimes erhalten die Studierenden [in Bachelorstudiengängen] ein sehr frühes und kontinuierliches Leistungsfeedback, andererseits ist die zeitliche Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen und Erwerbstätigkeit erschwert.“58 Da die Abbruchmotive mannigfaltig sind, ist die von BLÜTHMANN vorgenommene Kategorisierung in vier Cluster von Abbrechern äußerst hilfreich:
–Verwählt bezeichnet die Gruppe der Studierenden, deren Interessen nicht (mehr) mit dem Studiengang übereinstimmen;
–Überfordert sind vor allem Studierende, die überdurchschnittlich häufig in Prüfungen gescheitert sind;
–Enttäuscht sind vor allem Studierende, denen die Studienorganisation (Verschulung, Übergang in den Master, etc.) missfällt;
–Strategisch-wechselnd sind Studierende, die vorher als sog. Parkstudierende den Studiengang lediglich als Übergangslösung aufgenommen haben.59
Während BLÜTHMANNs vier Kategorien von Abbrechern eher auf personenbezogene Faktoren rekurrieren, können laut HÖRNER auch systemimmanente Faktoren, wie die Studienfinanzierung oder Selektionsmechanismen der Hochschule (Zwischenprüfung etc.), den Studienerfolg und –abbruch mitbedingen.60 Da es zur Kategorisierung der Abbruchgründe und -motive eine Vielzahl weiterer Studien gibt, sollen im Folgenden ausgewählte Arbeiten aus den vergangenen Jahrzehnten kurz vorgestellt, die daraus abgeleiteten Kategorien zusammengefasst und einzelne Bereiche näher beleuchtet werden.
Berücksichtigt wird dabei auch die Arbeit von STEGMANN und KRAFT, die bereits 1988 anhand der Daten der Längsschnittuntersuchung Jugendliche beim Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die in einer postalischen Erhebung in den Jahren 1977 – 1985 gewonnen wurden, der Frage nachgegangen sind, welche Ausbildungs- und Berufswege bei Studienabbrechern dominieren. Diese Untersuchung bestätigt die Annahme, dass es für den Studienerfolg günstige und weniger günstige Voraussetzungen gibt. Studierende mit Fachhochschulreife und mit schwächeren Vorleistungen in Mathematik werden dabei ebenso als Risikogruppen benannt wie Studierende, die sich in ihrer Studienwahl nicht sicher sind. Da die Ergebnisse aber über 30 Jahre zurückliegen, ist eine Überprüfung an aktuelleren Daten ratsam. Auch dies soll mit der vorliegenden Arbeit vorgenommen werden.
Neben den Abbrecherzahlen untersucht die HIS auch regelmäßig die Entwicklung bei den Abbruchmotiven. So sei die Zahl der Studienabbrecher im Zeitraum von 1974 - 1993 rapide angestiegen und die Gründe für einen Abbruch seien komplexer geworden.61 Die neueste Untersuchung der HIS zu den Studienabbrechern von 2010 hat vor allem einen Fokus auf den Vergleich zwischen Bachelor- und herkömmlichen Studiengängen. Hierfür wurden 2500 Studienabbrecher befragt, die das Studium vor 2004 aufgenommen haben. Diese Studie ist in meinen Augen unter dem genannten Hauptaspekt wenig ergiebig, da zu diesem Zeitpunkt die Modularisierung der Studiengänge noch nicht abgeschlossen war. Es konnten somit noch gar nicht für alle Studiengänge Daten generiert werden. In vielen Studiengängen musste zudem mit den sog. Kinderkrankheiten eines neu aufgesetzten Programms gekämpft werden, was für einen längerfristigen Vergleich zwangsläufig systematische Verzerrungen zur Folge hat. Zudem gibt es in neu eingeführten Studiengängen noch keine Abbrecher in hohen Fachsemestern. Die Gruppe der Abbrecher, welche die Hochschule verlässt, nachdem Sie mehr als zehn Semester für einen Studiengang eingeschrieben war sollte aber in einer Studie zu den Abbruchmotiven nicht vernachlässigt werden. Die These, dass die Einführung der Bachelorstudiengänge zu früheren Studienabbrüchen geführt habe wird sich aber vermutlich nach Hinzunahme der Langzeitstudierenden trotzdem bewahrheiten. Eine ähnliche Prognose hatte ja bereits BLÜTHMANN aufgestellt.
Übergreifend über die verschiedenen Studien lassen sich nun folgende Abbruchmotive zusammentragen:
–Motive, die auf zu hohe Leistungsanforderungen bzw. zu geringe Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft hinweisen und sich in Überforderung manifestieren; eine wirksame Prävention dagegen seien gute Schulnoten – insbesondere in Mathematik;
–Motive, die auf die Herkunftsbedingungen und Studienvoraussetzungen zurückzuführen sind und in einer Distanz zum Studium gipfeln können; die Abbruchwahrscheinlichkeit sei dabei bei Studierenden mit Fachhochschulreife, aus bildungsfernen Schichten und nach einer abgeschlossen Ausbildung leicht überdurchschnittlich;
–Motive, die sich aus nicht bestandenen Zwischen- und Abschlussprüfungen ergeben;
–Motive, die mit mangelnder Studienmotivation, der Studienwahl oder dem Studieneinstieg in Beziehung stehen; eine unsichere Studienwahl erhöhe dabei die Abbruchwahrscheinlichkeit ebenso wie ausschließlich extrinsische Wahlmotive, in Lehramtsstudiengängen sei sie jedoch ohnehin geringer;
–Motive, die auf unzulänglichen Studienbedingungen basieren, inklusive mangelnder sozialer oder akademischer Integration sowie Kritik an Didaktik und Begleitumständen des Studiums;
–Motive, die auf eine berufliche Neuorientierung hinweisen, z. B. günstige Berufserwartung auch ohne Studium oder schlechte Arbeitsmarktchancen trotz Examen;
–Motive, die auf finanziellen Problemlagen beruhen, z. B. ausgeprägte Erwerbsarbeit und/oder Schwierigkeiten das Studium zu finanzieren
–Motive, die auf besondere Lebensbedingungen zurückgehen, z. B. familiäre bzw. persönliche Problemlagen, Krankheitsgründe bzw. mangelnde psychische oder physische Ressourcen; hier erschwere das Zusammenleben mit einem Partner und/oder Kindern einen kontinuierlichen Studienverlauf.62
Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei sowohl um äußere (z. B. Finanzierung, Studienbedingungen) als auch innere innere (z. B. psychische oder physische Ressourcen) Faktoren handelt. Zudem stammen mehrere Faktoren aus der Studienvorphase. Hier wird explizit die soziale Herkunft der Studierenden genannt und dabei die berufliche und soziale Stellung der Eltern sowie deren Bildungsniveau in den Fokus gerückt. Ferner werden die Bedingungen der Studienwahl und die Studienvoraussetzungen thematisiert. Dies lässt den Schluss zu, dass die von mir angestrebte Untersuchung unterschiedlicher Hochschulzugangsberechtigungen und anderer Herkunftsbedingungen tatsächlich auch aus Sicht anderer Forscherteams einen ausschlaggebenden Einfluss auf Studienerfolg und Studienabbruch haben.
In einigen der Studien wird zwischen Abbruchmotiven und Hauptmotiven unterschieden, wobei deutlich wird, dass es für einen Studienabbruch zwar in der Regel mehrere Motive gibt, man in aller Regel aber ein auslösendes herausarbeiten kann. An anderer Stelle werden die Nebengründe Bedingungsfaktoren genannt, die nicht ursächlich für einen Studienabbruch seien, diesen aber fördern oder hemmen könnten.63
Die häufigsten Gründe für den Abbruch sind in der Studie von 1999 die Distanz zum Studium (29 %) und Überforderung (10 %).64 In der HIS Studie aus dem Jahr 2010 sind nun Leistungsprobleme das häufigste Motiv, gefolgt von finanziellen Problem und mangelnder Studienmotivation. Im Vergleich zur vorherigen Studie ist dabei der Anteil der Abbrecher aus Leistungsgründen stark angestiegen.65 Auf die Erkenntnisse zu Abbrüchen aus Leistungsgründen, wegen der Studienbedingungen, der Studienfinanzierung und der Integration im Studiengang soll nun nochmals näher eingegangen werden.
Abbrüche aus Leistungsgründen kommen in den Bachelorstudiengängen häufiger vor als in früheren Diplom- und Magisterstudiengängen. Ein Grund dafür kann in den zahlreichen und frühen studienbegleitenden Prüfungen gesucht werden.66 Hierbei müsste die bereits erwähnte Einschränkung, dass in den Bachelorstudiengängen noch keine Abbrecher mit langer Studiendauer befragt werden konnten wieder vorgenommen werden. Trotzdem ist der Trend zu einem früheren Abbruch in den modularisierten Studiengängen wohl nicht von der Hand zu weisen, auch wenn die ermittelten Zahlen (durchschnittlich nach 2,3 Fachsemestern im Bachelor im Gegensatz zu 7,3 Fachsemestern in den alten Studiengängen bzw. in den neuen Studiengängen würden 63 % der Abbrecher bereits im ersten Studienjahr abbrechen67) unter dem genannten Vorbehalt stehen.
Den Abbruch wegen Prüfungsmisserfolg muss man dabei wiederum mit Einschränkungen betrachten. Viele Studierende treten gar nicht zu Prüfungen an und fallen daher in der Statistik des Misserfolgs nicht auf, haben aber laut HEUBLEIN ET AL. eine größere Abbruchwahrscheinlichkeit als diejenigen, die sich der Prüfung stellen und durchfallen.68 Zudem wird durch das studienbegleitende Prüfen ein sehr frühes Feedback gegeben, was bei häufigen Misserfolgserlebnissen auch schon zu einem freiwilligen Rückzug führen kann, obwohl noch Prüfungsanspruch besteht.
Andererseits wird neben den Leistungsanforderungen auch die fehlende Motivation von Bachelorstudierenden häufiger als Abbruchgrund genannt als in herkömmlichen Studiengängen.69 Die neuen Strukturen scheinen somit ein höheres Maß an Motivation zu erfordern. Fehlende Motivation kann auch eine Reaktion auf den Leistungsdruck sein. An verschiedener Stelle wurde bereits deutlich, dass dieser im Studium in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist und die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge diese Tendenz verschärft zu haben scheint.
Zum Faktor Prüfungsbelastung liefert der 11. Studierendensurvey von 2010 Hintergrundmaterial. Der Studierendensurvey ist eine Langzeitstudie zur Dauerbeobachtung der Studienbedingungen seit 1982. Der zitierte 11. Survey fand im Wintersemester 2009/10 statt und hatte den Bereich Hochschulzugang, Fachwahl, Motive und Erwartungen als einen von 15 abgefragten Themenbereichen zum Inhalt.70 Hierbei wurde nun ermittelt, dass die hohen Prüfungsbelastungen in den Vorlesungszeiten besonders in den wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen anzutreffen sei.71 Ursachen hierfür könnten m. E. eine relativ kleinteilige Prüfungsverteilung und die Konzentration auf Klausuren zum Semesterabschluss in dieser Fachrichtung sein. In Bezug auf den Studienerfolg nehmen die Autoren des Survey dabei insbesondere das Universitätsverwaltungen mit der Feststellung in die Pflicht,
„[...] dass die Studierenden nicht vorrangig an den Lehrinhalten oder den Leistungsansprüchen scheitern, sondern dass vor allem das Prüfungssystem die Studierbarkeit einschränkt. Hohe Anforderungen sind für die Studierenden tragbar, da sie solche bei einer Hochschulausbildung auch erwarten, jedoch muss die Struktur dazu passen und darf nicht die Erfüllbarkeit erschweren, wie es anscheinend das wenig ausgewogene und abgestimmte Prüfungssystem bewirkt."72
Schlechte Studienbedingungen werden zwar von vielen Abbrechern genannt, sind aber selten der Hauptgrund und daher eher zu vernachlässigen, zumal diese auch von den Absolventen genannt werden. Ferner wäre zu hinterfragen, ob die Studienbedingungen nicht auch als nachträgliche Rechtfertigung vorgeschoben werden. Andererseits scheint es für Studierende mit einem hohem Abbruchrisiko von besonderer Wichtigkeit zu sein, wie die Studienbedingungen beschaffen sind. Hier kommt auch eine Besonderheit von Lehramtsstudiengängen zur Geltung. Diese haben, durch die Kombination mehrerer Fächer, häufig das Problem der Überkomplexität und damit auch das von Überschneidungen. Ein abgestimmter Studien- und Prüfungsplan ist somit erschwert. Vor diesem Hintergrund scheint es nachvollziehbar, dass derartig organisatorische Unterstützungen für einige Studierende förderlich bezüglich des Studienerfolgs wären, besonders da die genannten organisatorischen Bedingungen im Falle eines Misserfolgs (mit-) verantwortlich gemacht werden.
Dem Einfluss des Studiengangs auf die Examenswahrscheinlichkeit misst MEULEMANN eine hohe Bedeutung zu, in dem er eine Begründung über das Anspruchsniveau verschiedener Studiengänge aufbaut.73 Dass aber ein sechssemestriger FH-Bachelor in der Regel früher beendet wird als ein Medizinstudium, ist meines Erachtens trivial und kein Ausdruck individuellen Studienwahlverhaltens oder der Studienbedingungen. Letztlich kommt auch MEULEMANN zu dem Fazit, dass der Einfluss der einzelnen Person auf das Risiko von Examen und Abbruch höher sei als der Einfluss des Studiengangs und der gewählten Hochschule.
Probleme mit der Studienfinanzierung treten hingegen seltener auf, sind dann aber meist auch der ausschlaggebende Grund.74 Hier muss also eine ganz spezielle Gruppe von Abbrechern in Betracht genommen werden, deren Mitglieder bei anderen Finanzierungsmöglichkeiten einen Abschluss durchaus erreichen könnten. Festgestellt wurde auch, dass Studienabbrecher, die finanzielle Gründe für den Abbruch angeben, häufiger als alle anderen Abbrechergruppen vor dem Studium bereits eine Berufsausbildung absolviert haben. Oft haben diese Studierenden bereits eine eigene Familie und/oder Wohnung und damit höhere finanzielle Verpflichtungen und Bedürfnisse.75 Es wird somit erneut deutlich, dass biographische Merkmale Auswirkung auf den Studienerfolg haben.
Im Studierendensurvey von 2010 gaben 59 % der Studierenden an, sich auch während der Vorlesungszeit durch Erwerbsarbeit zu finanzieren. Insbesondere wenn diese Arbeit außerhalb der Hochschule stattfinde, werde dafür mehrheitlich mehr als ein Tag pro Woche aufgewendet.76 Der Einfluss der Erwerbsarbeit auf den Studienerfolg wird von den Autoren mit folgenden Ausführungen zusammengefasst:
"Eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium kann die Bewältigung des Studiums erschweren. Stellt die Erwerbsarbeit während der Vorlesungszeit eine hohe zeitliche Belastung dar, ist für manche Studierende ein kontinuierliches und effizientes Studieren nicht mehr durchzuhalten. Überschreitet die Erwerbslast einen bestimmten Umfang, hat das meist negative Folgen für ein erfolgreiches Studieren. Für einen Großteil der Studierenden ist die Erwerbsarbeit jedoch notwendig."77
Auch die (mangelnde) Integration in den Studiengang als Abbruchmotiv soll abschließend kurz beleuchtet werden. Hierbei ist auffällig, dass Absolventen deutlich häufiger angeben, Kontakt zu Kommilitonen im Fachbereich gesucht zu haben, während Studienabbrecher verstärkt den Kontakt zu Freunden außerhalb der Hochschule gepflegt haben. Insbesondere die Teilnahme an Lerngruppen ist in diesem Zusammenhang ein den Erfolg fördernder Faktor.78 Dadurch ergibt sich m. E. ein erhöhtes Risiko für Studierende aus dem Umland der Universität, die während des Studiums weiter im Elternhaus wohnen. Zudem wird deutlich, dass beim Studienerfolg auch das soziale Umfeld an der Hochschule einen Einfluss haben kann.79
Das Forscherteam der HIS nimmt zudem eine Unterteilung der Abbruchmotive nach Studiengängen vor. Der Bereich Lehramt wurde dabei jedoch erneut ohne die Bachelorstudiengänge des Lehramts gebildet. Gleichwohl sind einige Spezifika der anderen Lehramtsstudierenden auch für die vorliegende Studie von Interesse, legen sie doch nahe, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer über eine spezifische Motivation im Studium und bei dessen Abbruch verfügen.
Auffällig ist unter anderem, dass im Lehramtsbereich Leistungsprobleme 2000 nur für 3 % der Hauptgrund für den Studienabbruch waren. Die Quote ist innerhalb von acht Jahren auf 18 % angewachsen. Hier scheinen sich die gestiegenen Studien- und Prüfungsbelastungen im Zuge der Modularisierung der Studiengänge auszuwirken.80
Bei den Lehramtsstudierenden weisen die Abbrecher im Vergleich zu den Absolventen eine häufigere Nennung der Motive zufällige Entscheidung, Streben nach einem angesehen Beruf und keine Zulassung im Wunschfach auf.81 Falsche Erwartungen zum Studienanfang spielen hingegen bei den Abbrechern des Lehramtsstudiums eine geringe Rolle. Hier wird häufig abgebrochen, weil das Berufsziel Lehrer nicht mehr verfolgt wird.82 Die Abbrecher rekrutieren sich somit zu einem großen Teil aus der Gruppe derjenigen, die keine bewusste Entscheidung für ein Lehramtsstudium getroffen haben.
Diese Erkenntnis deckt sich mit den Befunden in anderen Studiengängen, für die HEUBLEIN ET AL. verallgemeinernd erklären, dass die Beschaffenheit der Studienmotivation einen beträchtlichen Einfluss auf das Risiko eines Studienabbruchs hat.83 Sie führen fernen aus:
„Für das sichere Erreichen des Studienziels ist eine extrinsische Motivation, das Streben nach Karriere, hohem Einkommen und Status nicht ausreichend. Es bedarf einer starken intrinsischen Motivation. [...] Besonders stark ist der Studienerfolg gefährdet durch eine unsichere Studienfachwahl oder die Einschreibung in einen Studiengang, der nicht dem eigentlichen Wunschfach entspricht. So geben 25 % der Studienabbecher an, nicht in ihrem ursprünglich gewünschten Fach studiert zu haben, von den Absolventen betrifft dies lediglich einen Anteil von 10 %."84
Neben den Problemen, die sich aus der Studienwahl ergeben, wurde in den vorangegangenen Ausführungen deutlich, dass auch ungenügende Studienvoraussetzungen, mangelnde Leistungsbereitschaft und zu geringes Leistungsvermögen sowie ungenügende soziale und akademische Integration an der Hochschule Risikofaktoren für den Studienerfolg unter dem Fokus des Abbruchs sind. Leistungsprobleme und Studienmotivation sind dabei in den vergangenen Jahren stärker in den Vordergrund gerückt. Da diese beiden Faktoren eher auf einer individuellen Ebene angesiedelt sind, sei der Schluss erlaubt, dass diese Komponenten für die hier aufgeworfene Frage nach dem Studienerfolg zu Rate gezogen werden können. Dies wäre weitaus weniger naheliegend gewesen, wenn die Mehrzahl der Studienabbrüche aus eher organisatorischen Gründen, wie z. B. Studienfinanzierung und Studienbedingungen, erfolgen würden.
Angenommen, die Tendenz des stärkeren frühzeitigen Studienabbruchs verstetigt sich auch in den folgenden Jahren, sollte hinterfragt werden, ob dieser Effekt in einem bildungsökonomischen Sinn begrüßenswert ist. Einerseits ist eine frühzeitige Entscheidung, z B. wenn ein von geringen Erfolgsaussichten begleitetes Studium frühzeitig beendet wird, gleichbedeutend mit einem sparsamen Umgang bezüglich der Ressourcen (insbesondere der Zeitressourcen) aller Beteiligten. Hier gab es in den herkömmlichen Studiengängen vielmals das Problem, dass – mangels studienbegleitender Prüfungen – erst bei Zwischen- oder Abschlussprüfungen ein kritisches Feedback gegeben wurde. Die Bereitschaft, ein Studium nach vielen Jahren noch abzubrechen, war dann sicherlich geringer, die Frustration im Falle eines Abbruchs höher. Gleichzeitig steht aber zu befürchten, dass bei der hohen Zahl von Abbrechern in den neuen Studiengängen auch Studierende betroffen sind, die unter anderen Umständen ihre Schwierigkeiten überwinden und das Studium erfolgreich abschließen könnten. Vielfach benötigen Studierende eine gewisse Gewöhnungszeit an die veränderten Lehr- und Lernformen der Universität und zeigen daher nicht gleich in den ersten Semestern ihr Leistungspotenzial auf. In diesem Kontext wären die frühzeitigen Abbrüche kritisch zu sehen.
2.1.3Prädiktoren des Studienerfolgs
Bei der Betrachtung der verschiedenen Erfolgsdimensionen und den Gründen für den Misserfolg wurde bereits deutlich, dass es unterschiedliche Parameter gibt, die Einfluss auf den Erfolg haben und dass diese teilweise bereits in der Studienvorphase angesiedelt sind. Es liegt daher nahe zu untersuchen, welche dieser Faktoren einen Einfluss auf den späteren Studienerfolg haben oder im Kern: ob sich Erfolgschancen und Risikowahrscheinlichkeiten vorhersagen lassen.
Laut KLUSMANN ET AL. herrsche in der Forschung Einigkeit darüber, dass die kognitiven Voraussetzungen einer Person der stärkste Prädiktor für den Studienerfolg seien.85 In Kapitel 2.3 wird der Annahme nachgegangen werden, ob Lehramtsstudierende ein geringeres kognitives Niveau als andere Studierende aufweisen. Es sei aber bereits hier erwähnt, dass es sich dabei um eine im Rahmen dieser Arbeit empirisch nicht validierbare These handelt.86 Einen Schritt weiter geht ILIEN, indem er ausführt, dass eine eigene problematische Schullaufbahn durchaus vorteilhaft für den zukünftigen Lehrerberuf sein könne, da sich die notwendige Reflexion über den Lehrerberuf so auch auf eigene Erfahrungen als Schüler stützen könne. Zur Reflexion könnten dabei eigene schulische Probleme, jene von Mitschülern oder ehemaligen Lehrern herangezogen werden.87 Diese Fragestellung wird später aufgegriffen werden, wenn der Studienerfolg derjenigen Untersuchungsteilnehmer dieser Studie überprüft wird, die eigene Schulerfahrungen als Motiv für die Studienwahl angegeben haben.
In der Forschung zu Erfolgsprädiktoren liegt der Fokus jedoch stärker auf den Schulnoten als auf negativen Erlebnissen der eigenen Schullaufbahn. TRAPMANN ET AL. haben dazu in einer Metaanalyse von 26 relevanten Studien zum Studienerfolg insbesondere die Auswirkung von Schulnoten untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass Schulnoten nicht nur das häufigste Kriterium der Universitäten bei der Auswahl der Studierenden seien, sondern auch eine gute prognostische Validität für den Studienerfolg hätten.88 Lediglich in zwei der 26 Studien sei eine Einzelnote das entscheidende Erfolgskriterium gewesen, in allen anderen Fällen war dies die Durchschnittsnote (z. B. des Abiturs).89 Der Vorteil der Abiturnote als Prädiktor für Studienerfolg liegt auch darin, dass die Abiturnoten indirekt Arbeitshaltung, Motivation, Fleiß, Anpassung, Arbeitsmanagement etc. wiederspiegeln, alles Faktoren, die sich wiederum positiv auf den Studienerfolg auswirken dürften.90
Für den Bereich der Lehramtsstudiengänge ist zudem anzumerken, dass der Studienerfolg hier weniger gut vorhergesagt werden kann als bei Diplomstudiengängen91 oder anderen Ein-Fach-Studiengängen, was insbesondere auf die komplexe Studienstruktur mit mehreren Fächern und spezielle Ausbildungsinhalte wie Schulpraktika zurückzuführen ist. Für diese werden Kompetenzen benötigt, die vor dem Studium in der Regel noch gar nicht vorliegen können. In anderen Studiengängen verlaufen die Wissensvermittlung und die Kompetenzabfrage häufig über Prüfungsformen, die stärker den aus der Schule bekannten Verfahren entsprechen.
Bei der Untersuchung von Prüfungsergebnissen muss – ebenso wie beim Vergleich verschiedener Hochschulzugangsberechtigungen als Ergebnis von Schulnoten – die begrenzte Aussagekraft von Noten bedacht werden. OELKERS weist zudem darauf hin, dass gerade das professionelle Wissen von Lehrpersonen nur unzureichend durch die Noten in Schule und Studium beschrieben wird.92 Die qualitative Aussagekraft von Notenvergleichen bleibt hier somit begrenzt. Gleichwohl gilt die Abiturdurchschnittsnote weiterhin als der valide Einzelprädiktor für den Studienerfolg.93 Ähnlich hohe Werte zur Vorhersage des Studienerfolgs würden demnach nur noch Studierfähigkeitstests erreichen.94 Die überwiegende Mehrzahl der veröffentlichten Studien zum Studienerfolg bezieht sich daher auch auf das Kriterium Noten.
Die Studienleistung und –persistenz95 und somit der hier zu untersuchende Studienerfolg werden laut KÜNSTING und LIPOWSKY zudem nicht nur durch kognitive Prädiktoren, sondern auch durch Persönlichkeitseigenschaften, Studienstrategie, Zufriedenheit und Motivation beeinflusst. Wobei bezüglich Letzterer vor allem die Motivation für die Wahl des Studiums ins Gewicht falle und nicht die Motivation im Studium, welche in vielen Studien untersucht werde.96 Weitere Ausführungen zu Studienwahlmotiven folgen in Kapitel 2.2.
RINDERMANN und OUBAID ergänzen die Abiturdurchschnittsnoten, Einzelnoten in Fächern und Persönlichkeitseigenschaften als Prädiktoren für Studienerfolg um Eignungstests und Aufnahmeprüfungen.97 Letztere sind aus Fächern wie Sport, Musik oder Kunst bekannt, Eignungstest hingegen kommen zum Beispiel in den Studiengängen Medizin oder Psychologie vor. FORMAZIN spricht diesen Leistungstests valide Erfolgsprognosen zu.98
Nicht vorhersagen lasse sich allerdings nach RINDERMANN und OUBAID die Studiendauer, da diese vor allem durch die Studienorganisation der Hochschulen und die Studienfinanzierung bedingt sei. Zwar gestehen sie der Abiturnote einen Einfluss auf die Zahl der Wiederholungsprüfungen zu, doch könne die Studiendauer durch zeitnahe Wiederholungsmöglichkeiten gering gehalten werden, wenn die Universitäten diese anböten.99 Aus meiner Sicht ist diese These allerdings in Zweifel zu ziehen, da die Zahl der Fehlversuche bei Prüfungen ab dem Moment studienzeitverlängernd wirken muss, ab dem sie mehr als eine misslungene Prüfung pro Semester betreffen. Die Arbeitszeit der Studierenden für die Vorbereitung zu Wiederholungsprüfungen ist begrenzt und allein das Angebot einer solchen garantiert noch nicht ihr Bestehen. An der Studiendauer als Erfolgskriterium kann somit meines Erachtens in Verbindung mit der Zahl der Prüfungswiederholungen festgehalten werden.
Um Erfolgswahrscheinlichkeiten geht es auch, wenn Universitäten Auswahlverfahren von Studierenden durchführen. SPIEL ET AL. betonen, dass es dabei eben nicht um das Erfassen der Kompetenzen von Bewerbern gehe, sondern um die Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Studium und somit eine Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von Studienerfolg.100 In diesen Auswahlverfahren können nun verschiedene Kriterien zur Anwendung kommen, welche Studienerfolg auf unterschiedliche Weise voraussagen. Weithin bekannt sind Auswahlverfahren auf der Basis von Schulnoten, Studieneingangsprüfungen, Studierfähigkeitstest oder Leistungstests. In einzelnen Studiengängen kommen auch Eignungsinterviews, Arbeitsproben oder Assessment Center zur Anwendung.
SPIEL ET AL. haben die Vorhersagekraft dieser Instrumente nun überprüft und beschreiben zudem auch weitere positive Effekte des Auswahlverfahrens. So entstehe ein Commitment, als Bindung der Studienbewerber an die Institution Universität. Diese wiederum sorge für Selbstverpflichtung, Wertschätzung und den Willen zu persönlichem Einsatz, da bereits die Zulassung zur Universität mit persönlichem Aufwand verbunden war.101