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Die Königin kommt. Und das Dorf im nördlichsten Zipfel der Niederlande steht kopf. Mitten drin im Trubel dieses Junitages 1969 ist die Familie Kaan. Zwei der Söhne schwenken Fähnchen vor dem Gemeindehaus, und der kleinen Tochter auf dem Arm ihrer Mutter Anna streicht Königin Juliana höchstpersönlich über die Wange. Vierzig Jahre später ist es ruhig geworden auf dem Hof der Kaans. Drei Generationen leben jetzt dort, das alte Bauernpaar, Sohn Klaas und seine Familie. Aber Vieh gibt es außer dem Stier und dem Hofhund keines mehr. Und daß Altbäuerin Anna sich regelmäßig mit einer Flasche Eierlikör und ihrer Seelenlast im Gepäck auf den Heuboden zurückzieht – wo ihr lediglich der stoisch kauende Stier Gesellschaft leisten darf –, wird von der Hofgemeinschaft stillschweigend akzeptiert. Nur die fünfjährige Dieke wundert sich. Was vor vierzig Jahren dem Leben ihrer Familie eine völlig andere Richtung gegeben hat, offenbart sich dem Leser erst nach und nach. In Juni erzählt Gerbrand Bakker von einem Dorf, einem Hof, einem tragischen Unfall, vor allem aber von einer Familie, deren Mitglieder alle auf ihre Weise versuchen, mit der Erinnerung umzugehen. So wortkarg wie wortstark tut er dies, in der lakonischen, berührenden Sprache, die schon Oben ist es still auszeichnet, seinen erfolgreichen Debütroman – »ein ganz großes Vergnügen« (Spiegel Online).
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Seitenzahl: 368
Veröffentlichungsjahr: 2010
Gerbrand Bakker
Tage im Juni
Roman
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
Suhrkamp
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel Juni bei Uitgeverij Cossee BV, Amsterdam.
Die Übersetzung des Buches wurde gefördert vom Nederlands Literair Productieen Vertalingenfonds.
ebook Suhrkamp Verlag Berlin 2010
© Suhrkamp Verlag Berlin 2010
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
eISBN 978-3-518-73110-9
www.suhrkamp.de
STOFF FÜR SCHLAGZEILEN
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Juni
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SCHLAGZEILEN
»Gleich kommt Slootdorp«, sagt der Chauffeur. »Dort übernimmt Sie ein neuer Bürgermeister.«
Sie schaut hinaus. Rechts und links breite Streifen Weide- und Ackerland, deren Ende nicht zu sehen ist. Hier und da ein klobiger Bauernhof mit rotem Ziegeldach. Zum Glück regnet es nicht. Rechts wird ihr die Sicht teilweise von C.E.B. Roëll versperrt, die in ihren Papieren liest; bestimmt irgend etwas über das Dorf, zu dem sie unterwegs sind. Sie zieht die Handschuhe aus, legt sie sich auf den Schoß und klappt den Aschenbecher auf. Roëll seufzt. Einfach ignorieren. Noch nicht einmal das halbe Pensum, und es kommt ihr so vor, als wäre schon viel mehr als die Hälfte des Tages vorbei. Während sie ihre Zigarette anzündet und tief inhaliert, sieht sie im Rückspiegel die Augen des Chauffeurs aufleuchten. Sie weiß, daß er sich auch gerne eine anzünden würde, und wenn Roëll nicht im Wagen säße, hätte er es auch schon getan.
Nach einem recht frühen Start in Soestdijk haben sie den Vormittag auf der ehemaligen Insel Wieringen verbracht. Wo man den unverzeihlichen Fehler begangen hat, ihr als ersten Programmpunkt einen Tisch voller Krabben zu präsentieren. Um elf Uhr vormittags. Eigentlich hatte man schon vorher keine so glückliche Hand. Der Bürgermeister der ehemaligen Insel ließ ihr die Blumen von seinen beiden Töchtern überreichen, während seine Frau so tat, als würde sie die Kinder oben auf dem Hafendeich einfach nicht sehen. Anschließend wieder Schulkinder und Senioren. Immer Schulkinder und Senioren. Na gut, es ist auch ein Dienstag, ein normaler Werktag. Im Rathaus fand ihr zu Ehren eine Sondersitzung des Gemeinderats statt. Von der Ansprache des Bürgermeisters hat sie nicht allzuviel mitbekommen, weil sie schon an den Abend dachte, an die Piet Hein, und als sie gedankenverloren einen Schluck Kaffee nahm, schmeckte der in etwa wie die Worte des Bürgermeisters. Dort ist auch diese Frau aufgetaucht, die den Auftrag hat, einen Bronzekopf von ihr anzufertigen.
»Wie heißt noch die Nonne?« fragt sie.
»Jezuolda Kwanten. Keine Nonne, eine Schwester.« Roëll blickt nicht von ihrer Lektüre auf. Gleich kommt sicher ein kleines Exposé.
Jezuolda Kwanten, aus Tilburg, die fast eine halbe Stunde lang eingehend ihre Gesichtszüge studiert und hin und wieder etwas auf einem großen gelblichen Blatt Papier skizziert hat. Was es noch schwerer machte, den Ausführungen des Bürgermeisters zu folgen. Sie sitzt jetzt in dem Wagen hinter ihnen, zusammen mit Beelaerts van Blokland und van der Hoeven. Wäre es nicht anders gegangen? fragt sie sich. Roëll im zweiten Wagen, und van der Hoeven in meinem? Der raucht auch. Jezuolda Kwanten wird bei allen Festlichkeiten dabei sein, wird sie den ganzen Tag ansehen, abtasten, skizzieren. Nicht nur heute, auch morgen. Sie drückt ihre Zigarette aus. Ein »Bronzekopf«. Dabei haßt sie es schon, fotografiert zu werden. Wenn es um »Kunst« geht, wird auf nichts Rücksicht genommen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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