Taktgefühl: Nicht wollen wollen. - Corie Fee - E-Book

Taktgefühl: Nicht wollen wollen. E-Book

Corie Fee

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Beschreibung

'Sie sehnte sich in die Zeit zurück, als sie ihren eigenen Kurs einschlagen konnte. Keinen Rückwärtssalto schlagen musste. Keine Ideale im Rücken hatte. Nicht von Optimierung übermannt wurde.' [...] Vom Nichtwollen erzählen 20 Extrakte so einige Takte. Rege Kurzgeschichten vereinen sich zum Wortreigen, bei dem die Worte den Takt vorgeben. Und während sie fließen, wollen - und werden - sie eines nicht: den Lesenden traktieren. So viel Taktgefühl ist zu erwarten von der Autorin Corie Fee, die mit dem ihr eigenen Sinn für die Spielart deutscher Sprache ihren getakteten Wortsinn unter Beweis stellt und mit ihrem ersten Werk eine feinsinnige zeitgenössische Symphonie der Eigenheiten und Lebensart komponiert - frisch, phonetisch, poetisch: frenetisch. ~ ÜBER DAS NICHTWOLLEN Nicht mit irren Artikeln handeln wollen, sich nicht verbiegen wollen, sich nicht lenken lassen wollen, nicht blenden wollen, nicht posen wollen, nicht 'shippen' wollen und weitere Episoden des Nichtwollens zeigen auf: Es lohnt, ab und an innezuhalten und darüber nachzudenken, was man selbst eigentlich alles nicht will. ~ KLANGWUNDER Das Buch nimmt den Zeitgeist unter die Lupe - Themen wie Influencer, SUV, Posen, Sitzheizung, New Leadership, Teambuilding, Ausverkauf, Wohnen, Kitsch, Erbschaft, Notensystem - und unterstützt virtuos dabei, in den eigenen Takt zu finden. Es ist ein Plädoyer für die Widerspenstigkeit - und eine Hommage an das buhende Widerspenst, das in einem jeden von uns steckt. ~ FÜR WEN / LESER 'Taktgefühl: Nicht wollen wollen.' dirigiert in verschiedenen Tempi durch Lebenskapitel, bewegt den Leser taktvoll, nimmt ihn für sich ein. Mit Worten spielen - Raum für Interpretation lassen - ganz neue Töne anschlagen: Klingt nach mitreißender, moderner, spielerisch-beschwingter Schullektüre? Stimmt. Und nach Applaus. ~ AUSZEICHNUNG / PREISE Das Buch enthält den Siegerbeitrag des Schreibwettbewerbs 'Triumph der Toleranz' 2024. lyrisch - geistreich - unique - pointiert: im Rhythmus des Lebens. Ein Buch der neuen Töne. GANZ NEUE TÖNE.

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ÜBER DAS BUCH

Betont leichtfüßig – doch stets mit Hand und Fuß –, bringen 20 Extrakte das Nichtwollen zum Erklingen. So nett wie ein Sonett erfüllen zeitgenössische Motive klang- und taktvoll das geistige Auge und Ohr.

inspiriert – wortreich – feinsinnig

Im Einklang mit...

ÜBER DIE AUTORIN

Corie Fee ist Jahrgang 1977, stammt aus dem Norden Deutschlands, und lebt seit 2012 im südlichen Freiburg. Dort hat sie ein eigenes Textbüro, schreibt, redigiert und editiert als Freie Texterin im Auftrag.

2024 machte ein Hinweis auf einen Wettbewerb den Auftakt: Seither schreibt sie passioniert in Eigenregie – und dirigiert die Wörter in taktvolle Arrangements.

Klangerlebnisse

Ouvertüre & Widmung

Taktgefühl 1: nicht handeln

Taktgefühl 2: nicht verbiegen

Taktgefühl 3: nicht lenken

Taktgefühl 4: nicht blenden

Taktgefühl 5: nicht bebauen

Taktgefühl 6: nicht beerben

Taktgefühl 7: nicht zurück

Taktgefühl 8: nicht haben

Taktgefühl 9: nicht binden

Taktgefühl 10: nicht pesen

Taktgefühl 11: nicht kitschig

Taktgefühl 12: nicht schlafen

Taktgefühl 13: nicht bequem

Taktgefühl 14: nicht perfekt

Taktgefühl 15: nicht messen

Taktgefühl 16: nicht posen

Taktgefühl 17: nicht anschließen

Taktgefühl 18: nicht hören

Taktgefühl 19: nicht shippen

Taktgefühl 20: nicht benoten

Nachklang & Schlussnote

Anklang (Zugabe)

Eine kleine Begleitmusik

„Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“

Jean-Jacques Rousseau

Schriftsteller und Philosoph, 1712-1778

OUVERTÜRE & WIDMUNG

Jedes Buch beginnt mit einem Auftakt – in diesem Buch beginnt ein jedes der Kapitel mit einem solchen. Er, Sie, Ich, Jung, Alt – während die Perspektive taktvoll wechselt, wird virtuos und mit Bestimmtheit eine Serenade des Nichtwollens angestimmt.

Gewidmet ist das Buch denen, die nicht stakkatoartig durchs Leben gehen, sondern – sofern es ihnen möglich ist – gern mal geruhsamere Takte anklingen lassen. Die ihr Lebenswerk geduldig komponieren – die leisen Klänge genießend. Die die Zwischentöne hören, und auch einfach nur zuhören können. Dem Vogelgezwitscher, den Kinderstimmen, dem Windrauschen, dem Fluss: der Natur der Sache, des Lebens.

Die Autorin Corie Fee wünscht ein klangvolles Erleben mit 20 virtuosen Charakteren: ein intensives Klangkonzert, ein Wiedererkennen der Titelmusik – und ein Nachhallen im eigenen Resonanzkörper.

Taktgefühl 1: nicht handeln

AUFTAKT STORY I

Mein erster Arbeitstag lief nicht gut an. Der Wecker schrillte, ich hatte schlecht geschlafen. Die ganze Nacht über war ich immer wieder aufgewacht. Hatte mir laufend all das vorgestellt, was schieflaufen könnte. Tiefer als ich hatte meine Hand geschlafen. Sie war eingeschlafen, wollte es – taub und schlaff –, partout nicht in die alte Form zurückschaffen. Allerhand, dachte ich alarmiert. Würde mir die Hand denkbar schlecht in die Parade fahren? Ich mich in aller Form entschuldigen und vom Arzt behandeln lassen müssen? Was würde das für einen Eindruck machen, am ersten Tag? Blöde Vorstellung. Sie bedrückte mich unschön. Lange war ich schön drum herumgekommen, in einem Unternehmen vorstellig zu werden… Die letzten Jahre hatte ich wirklich gute Arbeit geleistet, und vieles unternommen, um mich vor der ernsten Arbeitswelt zu drücken. Ich bewegte mich um die Welt. War unterwegs, um chillige, nützliche und gemeinnützige Dinge im Lebenslauf aufzulisten. So wie mein Volontariat in einer Redaktion in Chile. Oder meine Reise zu den Schildkröten Madagaskars, die ohne meine Hilfe den Weg ins Meer nicht gefunden hätten. Überall brauchte man mich, doch was brauchte ich? Mehr – Geld, Knete, Kohle. Asche. Über mein Haupt. Ich hatte nur wenig davon. Puh! Zu wenig, um mir mein Ödipus-Leben zu finanzieren. Jeden Tag wurde es öder. Ich ging wenig aus, verließ mein WG-Zimmer immer seltener, mied Leute und Bräute.

[Weiter im Takt...]

Ja, es braute sich etwas zusammen. Jedes Rausgehen kostete. Kostete Energie, kostete mich häufig aber auch Münzen oder gar Scheine. Nie schien ich gefeit. Es fing damit an, dass jemand auf mich traf und einen vortrefflichen Kaffee mit mir trinken wollte. Schwer abzuwehren. Schließlich wusste man, dass ich Zeit hatte, derzeit keiner Beschäftigung nachging. Im Nachgang betrachtet muss ich anmerken, dass ich zeitweise auch einfach zu gesellig war, um mich zu erwehren. Und zu neugierig. Das Leben und die geschäftige Gesellschaft anderer Leute brachten mich in Form: Ich gierte förmlich nach Tragödien und Lebensbrocken. Ich lebte auf, wenn Fassaden bröckelten und Mauern einbrachen. So wie es bei fast allen Gemäuern in meiner Straße der Fall war. Die Sicherheit der eigenen klammen vier Wände leichtfertig verlassend, konnte es auch leicht passieren, dass ein klammer Mitbewohner mich um Geld bat. So in den Klammergriff genommen, konnte ich nur schwerlich erklären, warum ich keine vier Euro auslegen konnte. Aber ich war tatsächlich in einer schwierigen Lage und log nicht: Die geltende Geldwelt war beschwerlich. All das also der Grund, warum ich mir diesen ersten Arbeitstag eingehandelt hatte. In einem Handel, der zügig auf meine Bewerbung hin gehandelt hatte. Knappe vier Wochen war es her, dass ich ein Gespräch führte. Mit dem Abteilungsleiter aus der Führungsetage. Der aus meinen Worten wohl ableitete, dass ich motiviert war. Die wahren Motive kannte er wahrlich nicht. Die Wahrheit über meine Finanznöte, die kaum eine Note in meiner Tasche bewahrte. Doch wollte ich niemandem auf der Tasche liegen. Es lag allein an mir, meine Not zu ändern. Das Problem war aber: Ich wollte es nicht wirklich, es holte mich lediglich die Wirklichkeit ein. Die Notwendigkeit, im Einzelhandel mitzuwirken. Notgedrungen zu handeln und mir möglichst keine schlechte Benotung einzuhandeln. Ich zog die Nase hoch, zog mir die Hose über den Po, zog Strümpfe an die Füße. In meinem Rücken zog es – die Tücken der Nacht – doch zog das Argument beim neuen Chef sicher nicht. Schwups, in die Bahn, mir sicher den Weg bahnen. Bahn frei für den neuen Mitarbeiter! Die Mitarbeit bestand in erster Linie darin, linientreu die Waren in die Regale zu stellen, für deren Verkauf ich Provision erhielt. Aber was waren das bloß für Waren? Nie hatte ich so etwas Provisorisches gesehen. Ich hastete von einem Karton zum nächsten. Nach der ersten Offenbarung hatte ich sogleich die Zweite. Das Öffnen weiterer Kisten zeigte die ganze Geschmacksverirrung des Händlers. Das Ganze schmeckte mir nicht: wo war ich gelandet? Kein Land in Sicht. Ich war umzingelt von irren Artikeln, die die Welt nicht brauchte. Die Verwirrung war groß. Ich hatte mich in ein Reich des steilen Stils verirrt. Ich arbeitete eine längere Weile still und recht gelangweilt vor mich hin. Stilfragen versuchte ich dabei nicht weiter zu hinterfragen und befüllte die Regale mit immer mehr Freistil. Ich wollte die freche Seite der freimütigen Artikel freilegen, ihre Besonderheit entblößen. Doch eigentlich stellten sie bloß eine große Frechheit dar. Einerseits waren sie weder Augenschmaus noch Augenweide. Andererseits würde sich kein Reichtum aus ihnen ergeben. Es reichte. Es ergab keinen Sinn, dachte ich ergeben.

Ich wollte nicht. Und musste nun handeln. Ich zog meine Schürze aus, schürzte die Lippen, stürzte in das Büro des Chefs. Und verkündete meine Kündigung. Er nahm davon kunde, seufzte – und auf: in die nächste Runde.

Taktgefühl 2: nicht verbiegen

AUFTAKT STORY II

Es war beschlossene Sache: Sie wollte nicht durchhalten, nicht weitermachen bis zum Finale, dem finalen Schulabschluss. Keinen Schulterschluss mit den Leuten, die nur diese eine Tür, das Abitur, vor Augen hatten. Sie wollte nicht mit aufsteigen, auf der Leiter emporklettern, und auch nichts mit den am Erfolg klettenden Emporkömmlingen zu tun haben. Die Kunst, das war ihr Metier, das war ihr Gebiet, auf dem sie sich auskannte, was ihr geboten und seit früher Kindheit gut bekannt war. Gute Bekannte hatten ihr immer schon zu diesem Weg geraten. Auch wenn sie damit nicht überall als gut geraten anerkannt sein würde. Doch wer brauchte Rat, wenn man das Rad neu erfinden konnte? Sie wollte weg. Ihren eigenen Weg. Sich finden. Und sich eines nicht bieten lassen: Bevormundung. Lieber machte sie den Mund auf und verkündete vollmundig, dass sie Leine ziehen würde. Die Reißleine. Sich nicht mehr mitziehen lassen wollte, von Mitschülern und Lehrern. Sich nicht belehren lassen, sondern etwas Eigenes auf die Beine stellen wollte. Ja, um ihrer Kunst zu Ansehen zu verhelfen, musste sie die Beine behände in die Hand nehmen. Sie hatte Ansehnliches vor. Wollte große Kunst machen, großartig werden. Und dazu brauchte sie eines nicht: komfortable Konformität. Sie hatte Angst, klein gehalten und einheitlich gemacht zu werden. Immer ängstigte sie der Eindruck, nicht aus der Reihe tanzen zu dürfen.

[Weiter im Takt ...]

Dabei wollte sie genau das: einen eindrücklichen Tanz aufführen. Eine verrückte Aufführung offenbaren. Sich kennenlernen und nicht von Bekanntem erdrücken lassen. Neues entdecken. Neuartiges kreieren. Neuheiten erfinden. Sich selbst dabei finden. Ihre Empfindungen waren einfach zu stark, um sie auf einer Schulbank unterzubringen. Es brachte einfach nichts, sie musste abbrechen. Und alle sich damit abfinden. Natürlich würde sie ein gefundenes Fressen für die Lehrer sein, die ihr immer schon prophezeit hatten, es durch ihre Eigenheit in der Schule nicht weit zu bringen. Aber belehrende Prophezeiungen waren verzeihbar und nicht das, was sie beeinflussen sollte. Sie suchte ihren ganz eigenen Flow, denn ihr Leben sollte im Fluss verlaufen. Und eben nicht in einem Flussbett, wie es sich die Gymnasiasten erträumten, die sich ganz weich betten wollten. Sie träumte einen gänzlich anderen Traum, den einer Traumtänzerin, und der ging so: Es würde ihr gut er