Talon - Drachennacht - Julie Kagawa - E-Book

Talon - Drachennacht E-Book

Julie Kagawa

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Beschreibung

Auch wenn ihr dadurch größte Gefahr droht, hat sich das Drachenmädchen Ember endgültig von der mächtigen Organisation Talon losgesagt. Nun hat sie auch noch ihren wichtigsten Verbündeten verloren: Garret, den Georgsritter, der ihr Feind sein sollte, der sie aber liebt. Obwohl Ember tief für ihn empfindet, hat sie ihn doch von sich gestoßen. Zutiefst verletzt, reist Garret nach London. Dort entdeckt er ein schreckliches Geheimnis über den Georgsorden. Ein Geheimnis, das sie alle, Ritter wie Drachen, ins Verderben reißen könnte. Und er erfährt, dass Ember dabei ist, in eine tödliche Falle zu laufen. Er muss zurück zu ihr …

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Seitenzahl: 579

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JULIE KAGAWA

Talon

DRACHENNACHT

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Charlotte Lungstrass-Kapfer

 

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe erscheint unter dem Titel The Talon Saga Book 3: Soldier bei Harlequin Teen, Ontario Copyright © 2016 by Julie Kagawa Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Redaktion: Sabine Thiele Covergestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Motivs von © Shutterstock / Pindyurin Vasily Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich ISBN: 978-3-641-17185-8V004
www.heyne.de

 

Das Buch

Ember und Garret könnten ein glückliches Paar sein – in einer anderen Welt, in der sie nicht dazu bestimmt wären, sich auf ewig zu bekriegen. In einer Welt ohne die Ritter des Sankt-Georgs-Ordens und ihre Widersacher, die Drachen der mächtigen Organisation Talon. In einer Welt, in der die Liebe eines Ritters zu einem Drachenmädchen nicht als das schlimmste Vergehen geahndet würde …

Für den Augenblick hat das Schicksal Ember und Garret erst einmal auseinandergerissen. Garret reist nach London, um in die Tiefen des Ritterordens vorzudringen. Was er dabei entdeckt, stellt sogar seine ärgsten Befürchtungen in den Schatten. Er ahnt, dass sie in höchster Gefahr schweben, vor allem Ember, die weiterhin gemeinsam mit den rebellischen Drachen im Untergrund gegen Talon kämpft. Als Garret zu ihr eilen will, um sie zu warnen, wird er entführt. In seiner dunkelsten Stunde kommt Hilfe von unerwarteter Seite …

Die Autorin

Schon in ihrer Kindheit gehörte Julie Kagawas große Leidenschaft dem Schreiben: Langweilige Schulstunden vertrieb sie sich damit, all die Geschichten festzuhalten, die ihr im Kopf herumspukten. Nach Stationen als Buchhändlerin und Hundetrainerin machte sie ihr größtes Interesse zum Beruf und wurde Autorin. Mit ihren Fantasy-Serien Plötzlich Fee und Plötzlich Prinz wurde sie rasch zur internationalen Bestsellerautorin. Drachennacht ist der dritte Band in der Talon-Serie um eine magische Liebe, die nicht sein darf. Julie Kagawa lebt mit ihrem Mann in Louisville, Kentucky.

 

 

Für Nick

 

 

Erster Teil

AUFKLÄRUNG

 

 

Garret

Die Welt stand in Flammen.

Das Feuer war überall, knisterte in seinen Ohren, ­erfüllte die Luft mit Hitze und Rauch. Hustend drückte der Junge sich in eine Ecke, in die der Brand noch nicht vorgedrungen war. Tränen strömten über seine Wangen, brannten in seinen Augen. Er konnte nicht atmen. Alles war so heiß, der Schweiß lief über seinen kleinen Körper und durchnässte seine Kleidung. Obwohl er kaum Luft bekam, kroch er auf den Wandschrank auf der anderen Seite des Zimmers zu. Er wollte nur weg von hier, wollte sich in der tröstlichen Dunkelheit dort drin verkriechen und hoffen, dass dann alles einfach verschwand.

»Garret!«

Eine verschwommene Gestalt huschte an ihm vorbei, dann wurde er vom Boden hochgerissen. Sofort entspannte er sich und drückte sein Gesicht an ihren Hals. Ganz fest hielt sie ihn. Jetzt war er in Sicherheit. Solange sie da war, konnte ihm nichts passieren.

»Halt dich fest, mein Kleiner«, flüsterte sie und rannte los. Der Junge schloss krampfhaft die Augen. Am Rücken und an den Armen spürte er die Hitze, seine nackten Beine taten weh, aber Angst hatte er jetzt nicht mehr. Irgendwo in der Nähe rief jemand etwas, dann fielen Schüsse, aber auch das war ihm egal. Sie hatte ihn gefunden, und nun würde alles gut werden.

Als kühle Luft über seine Arme strich, riskierte er einen Blick über ihre Schulter. Sie hatten das Haus verlassen, die roten und gelben Flammen stiegen hinter ihnen in den Himmel auf. Dafür waren die Schreie und Schüsse näher gekommen, und nun rannten auch einige Menschen an ihnen vorbei, direkt auf den Lärm und das Chaos zu. Ein ohrenbetäubender Knall ließ die Erde beben, und der ­Junge zuckte erschrocken zusammen.

»Alles gut«, murmelte sie und streichelte ihm übers Haar. Er spürte ihren rasenden Herzschlag, als sie mit müden Schritten die Straße hinunterlief. »Es ist okay, Garret, uns ist nichts passiert. Jetzt müssen wir nur noch Daddy finden und …«

Lautes Brüllen hallte durch die Luft. Er blickte in den Himmel hinauf und sah etwas Großes, Schreckliches, das mit schwarzen, ledrigen Schwingen auf sie hinunterstieß. Dann senkte sich Dunkelheit über ihn.

»Meine Damen und Herren, wir nähern uns dem Flughafen Heathrow und leiten nun den Sinkflug ein. Bitte kehren Sie auf Ihre Plätze zurück und vergewissern Sie sich, dass Ihr Sicherheitsgurt geschlossen ist.«

Als die Stimme des Piloten aus dem Lautsprecher drang, öffnete ich die Augen und blinzelte mehrmals, bis ich das Flugzeuginnere wieder klar sehen konnte. Die Beleuchtung im Gang war ausgeschaltet, nur hier und da war der schwache Schein einer Leselampe zu sehen. Vor dem Fenster kroch gerade ein feiner, rosafarbener Lichthauch über den Horizont und tauchte die Wolken unter uns in ein kräftiges Rot. Die Passagiere schliefen fast alle noch, auch die alte Dame neben mir. Mit dem Dröhnen der Triebwerke in den Ohren gähnte ich ausgiebig, dann schüttelte ich verwundert den Kopf. War ich etwa eingenickt? Das passte so gar nicht zu mir, auch nicht auf einem zehnstündigen Transatlantikflug.

Vertraute und gleichzeitig verstörende Traumfetzen schwirrten durch meinen Kopf: Hitze, Qualm, Flammen und Gewehrfeuer; eine Frau, die mich in Sicherheit brachte; das Brüllen eines Drachen.

Diesen Albtraum hatte ich schon öfter gehabt, jahrelang war ich im Schlaf von Tod, Feuer und vor allem von ­Drachen heimgesucht worden. Im Laufe der Zeit hatten die Träume nachgelassen, aber hin und wieder wurde ich noch in das brennende Zimmer zurückversetzt, in dem ich als Vierjäh­riger festgesessen und aus dem mich eine Frau, an die ich keinerlei Erinnerung hatte, in Sicherheit gebracht hatte, während die Schreie sterbender Männer in unseren Ohren widerhallten.

Und durchlebte wieder den Moment, als ich zum ersten Mal eines der Monster sah, deren Vernichtung ich später mein Leben widmen sollte. Sah, wie es brüllend auf uns herabstieß. An dieser Stelle endete der Traum, beziehungsweise die Erinnerung. Niemand wusste genau, wie ich dem Flammentod entkommen war. Im Orden hatte man mir erklärt, dass ich die Erinnerung verdrängt habe, was bei Kindern mit derart traumatischen Erlebnissen nicht ungewöhnlich sei. Sie sagten auch, dass ich nach meiner Rettung drei Tage nicht gesprochen habe.

Es gibt wohl kaum etwas Traumatischeres, als zusehen zu müssen, wie die eigene Mutter von einem Drachen zerfleischt wird.

Ich lehnte mich zurück und sah aus dem Fenster. Weit, weit unter mir funkelten Lichter, wo vor wenigen Stunden noch reine Schwärze gewesen war. Mir war es nur recht, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, mit angenehmer Bewegungsfreiheit, statt eingepfercht zwischen lauter Fremden zu sitzen. Zu Beginn des Fluges hatte meine Sitznachbarin ununterbrochen geredet, mir erzählt, wie sehr ich sie an ihren Enkel erinnere, mir Fotos diverser Familienmitglieder gezeigt und sich darüber beklagt, dass niemand sie mehr besuchen komme. Als ihr die Bilder ausgegangen waren, hatte sie angefangen, mich auszufragen: wie alt ich sei, wo denn meine Eltern seien, ob ich ganz allein nach Europa reise … Irgendwann hatte ich mir aus reinem Selbstschutz die Kopfhörer in die Ohren gestopft und mich schlafend gestellt. »Armer Junge«, hatte sie gemurmelt und anschließend ein Rätselheft aus ihrer Tasche gezogen, in dem sie schweigend herumgekritzelt hatte, bis sie irgendwann einschlief. Während des restlichen, viel zu langen Fluges über den Atlantik war ich sorgsam darauf bedacht, sie in ihren Schlafphasen nicht zu wecken und wilde Betriebsamkeit vorzutäuschen, wann immer sie wach war.

Wir flogen durch ein Luftloch, und die Frau neben mir reagierte mit einem leisen Murmeln auf den kleinen Hüpfer, doch ihre Augen blieben geschlossen. Ich lehnte den Kopf ans Fenster und beobachtete die Lichter, die tief unter uns vorbeizogen. Fliegen Drachen jemals so hoch?, fragte ich mich müde.

Meine Gedanken schweiften ab. Ein anderer Drache erschien vor meinem inneren Auge, leuchtend rot, nicht schwarz, strahlend und fröhlich, nicht todbringend. Schmerz flackerte in mir auf, doch ich schob ihn entschlossen beiseite, zwang mich, zu vergessen und die Emotionen auszuschalten. Sie war nicht länger ein Teil meines Lebens; dieses Mädchen mit den grünen Augen, das so gerne lächelte und Gefühle in mir geweckt hatte, zu denen ich bis dato nie fähig gewesen war … Ich würde sie nie wiedersehen. Nein, ich hasste sie nicht, war nicht einmal besonders wütend auf sie. Wie hätte ich das sein können, nachdem sie mir das Leben gerettet und mir in so vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet hatte, auch darüber, was im Orden alles falsch lief? Mein Leben lang hatte ich ihresgleichen abgeschlachtet, und sie hatte mir ihre Freundschaft geschenkt, mich vor der Hinrichtung bewahrt und Seite an Seite mit mir gegen Talon und den Georgsorden gekämpft.

Doch sie war ein Drache, und als ich ihr endlich meine Gefühle gestanden und von ihr verlangt hatte, sich zu ihren zu bekennen, hatte sie sich dagegen gesperrt. Gemeint, sie sei nicht sicher, ob Drachen überhaupt derartig empfinden könnten, dass sie eigentlich keine menschlichen Gefühle haben dürften. Und dass sie sich zu ihrem Drachenfreund Riley hingezogen fühle, der ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hatte. Dass sie diesen Drang nicht länger ignorieren könne.

Da hatte ich erkannt, dass die Liebe zu einem Drachen aussichtslos war. Es war so leicht gewesen, die Augen vor ihrer wahren Natur zu verschließen und nur das Mädchen in ihr zu sehen. Natürlich hatte ich nie vergessen, was sie in Wirklichkeit war, vor allem nicht, wenn sie ihre wahre Gestalt annahm und mich so wieder daran erinnerte, wie mächtig, wild und gefährlich ein Drache sein kann. Doch es war noch weitaus komplizierter. Ständig spukte in meinem Hinterkopf die Überlegung herum, dass Ember mich – selbst wenn sie dazu fähig war, meine Gefühle aufrichtig zu erwidern – um Hunderte von Jahren überleben würde. Es gab einfach keine gemeinsame Zukunft für uns. Wir ge­hörten zwei unterschiedlichen Spezies an, die einen erbarmungslosen Krieg gegeneinander führten und auch nicht davor zurückschrecken würden, uns zu vernichten. Selbst wenn ich beide lieben konnte, das Mädchen und den Drachen – was für ein Leben konnte ich ihr als ehemaliger Georgskrieger schon bieten? Ich wusste ja nicht einmal, wie meine eigene Zukunft aussah.

Meine Entschlossenheit kehrte zurück. Es war richtig gewesen zu gehen. Jetzt konnte sie mit ihresgleichen zu­sammen sein, wie es sich gehörte. Sie war bei Riley und seinen Einzelgängern. Ein gefährliches Leben, ständig auf der Flucht vor Talon und den Georgskriegern, aber Ember war clever und stur, und Riley war sowohl der Drachen­organisation als auch den Kriegern des Heiligen Georg schon sehr, sehr lange entwischt. Sie brauchten mich nicht. Ember Hill, das Drachenmädchen, in das ich mich verliebt hatte, würde gut zurechtkommen.

»Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit dem Landeanflug auf den Flughafen Heathrow«, meldete sich erneut der Lautsprecher. »Bitte schalten Sie sämtliche Laptops und anderen elektronischen Geräte aus und klappen Sie die Tische hoch. Wir werden in ungefähr fünfzehn Minuten in Heathrow landen.«

Meine Sitznachbarin fuhr grunzend aus dem Schlaf hoch und blinzelte verwirrt. Dann nahm sie ihr Nackenkissen ab und drehte sich lächelnd zu mir um.

»Wir haben es geschafft«, verkündete sie, woraufhin ich steif zurücklächelte. »Es wird guttun, sich wieder richtig die Beine zu vertreten, nicht wahr? Ich sage Ihnen, diese Flüge werden auch immer länger. Wo wollen Sie in London denn genau hin, mein Junge?«

»Knightsbridge«, log ich. »Ich habe Bekannte dort, bei denen ich ein paar Wochen bleiben kann.«

Sie nickte, dass die grauen Löckchen wippten. »Dann sollen die Ihnen aber die Sehenswürdigkeiten zeigen! London ist eine wundervolle Stadt. Werden Sie sich auch den Buckingham Palace ansehen? Und die Westminster Abbey?«

»Ich bin mir noch nicht sicher, Madam.«

»Oh, nach Buckingham müssen Sie unbedingt! Man kann doch nicht nach London kommen, ohne den Palast zu besichtigen!« Sie ging nahtlos zu einem Vortrag über sämtliche Touristenhighlights über, was ich mir ansehen und was ich besser meiden solle sowie die verborgenen »Klein­ode« der Stadt. So plapperte sie weiter, bis das Flugzeug gelandet war und wir uns nach und nach in den betriebsamen Flughafen Heathrow hinausschoben.

Ein Taxi brachte mich zu einem kleinen Hotel in South Kensington, ganz in der Nähe des Hyde Parks. Im Licht der Straßenlaternen zog die Innenstadt von London an mir vorbei. Als wir eine alte Kirche passierten, blitzte etwas Weißes auf. Ganz offen flatterte die Flagge des Heiligen Georg – das rote Kreuz auf weißem Grund – über dem Gebäude. Das bedrückende Gefühl, das mich während des Fluges fast vollständig verlassen hatte, kehrte mit voller Wucht zurück.

Ich war also angekommen – in London, der Stadt, wo der Einfluss des Ordens am größten war. Obwohl ich bislang erst ein Mal hier gewesen war, konnte ich mir in einem Punkt absolut sicher sein: Weder hier noch in den umliegenden Kleinstädten würde ich irgendwelche Drachen finden. Die Präsenz des Georgsordens war in dieser Stadt nicht zu übersehen. Überall in London stieß man auf sein Symbol, das rote Kreuz auf einem weißen Schild: auf Plaketten, an Kirchen, an Hauswänden. Natürlich war der Heilige Georg auch der Schutzpatron Englands, und wir mussten uns seine Flagge mit dem Rest des kleinen Landes teilen, doch trotzdem war die Botschaft an Talon eindeutig: Drachen unerwünscht.

Für mich war es gefährlich, überhaupt hier zu sein, das wusste ich. Der Orden war hinter mir her, und wenn man mich entdeckte, würde ich nicht lebend aus der Stadt herauskommen. Zu meinem Glück war der Großteil der bewaffneten Truppen des Ordens allerdings an anderen ­Orten stationiert, da die Waffengesetze in Großbritannien sehr streng waren. Aber der Patriarch, also das Oberhaupt des Ordens, regierte mit dem Rest des Rates von London aus, und von hier aus wurden auch sämtliche Aktivitäten des Ordens überwacht. Falls man meine Anwesenheit in der Stadt aufdeckte, säße mir innerhalb kürzester Zeit der gesamte Orden im Nacken.

Doch genau das war auch der Grund, warum ich hergekommen war. Nur beim Patriarchen konnte ich Antworten finden. Wie viel wussten er und der Rat tatsächlich über Talon? Hatten sie wirklich keine Ahnung davon, dass es Einzelgänger gab, Drachen, die nichts mit der Organisation und dem Krieg zu tun haben wollten? Irgendwie konnte ich nicht glauben, dass sie derart unwissend waren, schon immer so unbeleckt gewesen sein sollten. Mit Sicherheit wusste man im Orden davon, und falls die Ordensleitung Geheimnisse hatte, musste ich sie aufdecken. Weil der Orden mir gesagt hatte, ich würde dadurch die Welt vor Unheil schützen, hatte ich Dutzende Leben ausgelöscht, sowohl Drachen- als auch menschliche. Diesen Opfern und allen Unschuldigen, die ich vielleicht getötet hatte, schuldete ich die Wahrheit.

Nachdem ich im Hotel eingecheckt hatte, warf ich meine Reisetasche aufs Bett und griff sofort zu meinem Wegwerfhandy. Ja, ich war seit mehr als zehn Stunden unterwegs, trotzdem wählte ich die Nummer, die ich mir noch in den Staaten sorgfältig eingeprägt hatte.

Während es klingelte, schaute ich auf die Uhr: 6:32 Uhr morgens, Londoner Zeit. Sehr früh, aber er wusste, dass ich mich melden würde, sobald ich angekommen war. Trotzdem musste ich es sieben Mal klingeln lassen, bis es in der Leitung klickte und eine raue Stimme fragte: »Ja?«

»Ich bin da«, antwortete ich leise.

Er grunzte. »Keine Probleme mit dem Orden?«

»Nein.«

»Gut. Wenn ich du wäre, würde ich den Ball schön flach halten. Obwohl du eigentlich sowieso nicht hier sein dürftest.« Er schnaubte, und ich konnte förmlich vor mir sehen, wie er den Kopf schüttelte. »Sturer Hund. Ich halte es immer noch für puren Wahnsinn, ausgerechnet hierherzukommen, während der Orden ein Kopfgeld auf dich ausgesetzt hat, Sebastian.«

Mit einem leisen Lächeln antwortete ich: »Hier werden sie als Allerletztes nach mir suchen.«

»Was aber nicht heißt, dass du dein Glück auf die Probe stellen solltest.«

»Ich brauche deine Hilfe, Andrew. Wenn es nicht wichtig wäre, wäre ich bestimmt nicht hergekommen. Aber wenn du denkst, es wäre zu gefährlich, sich mit mir zu treffen, kann ich auch wieder verschwinden.«

»O Mann, hör schon auf«, knurrte Andrew. »Als würde ich den Typen hinhängen, der mir das Leben gerettet hat.« Mit einem schweren Seufzer fuhr er fort: »Aber wir müssen verdammt vorsichtig sein, der Orden hat hier seine Augen wirklich überall. Wenn die uns zusammen sehen, sind wir beide tot.«

»Wann wäre ein guter Zeitpunkt?«

»Heute«, lautete die prompte Antwort. »Zwölf Uhr mittags. Ich schicke dir gleich eine SMS mit der Adresse.«

»Roger.«

Ich legte auf, überprüfte zweimal, ob die Zimmertür verriegelt war, und ließ mich dann endlich auf das Bett fallen. Mit müden Augen starrte ich an die Decke. Ich durfte jetzt nicht schlafen – zum einen wegen des anstehenden Treffens, zum anderen, weil der Jetlag meine innere Uhr sonst endgültig aus der Bahn werfen würde. Wie gerne hätte ich eine Pistole oder wenigstens ein Messer gehabt, aber es war heutzutage einfach unmöglich, so etwas an Bord einer normalen Verkehrsmaschine zu schmuggeln. Vorerst musste ich also ohne Waffe zurechtkommen. Die Tür war mit ­einem Riegel und einer Kette gesichert; wollte jemand hier einbrechen, um mich umzubringen, wäre ich zumindest gewarnt.

Also gut, Führer aller Georgskrieger, hier bin ich. Was habt ihr uns verschwiegen? Und wird dieses Wissen das letzte bisschen Vertrauen, das ich noch in die Ideale des Ordens setze, zerstören? Werde ich herausfinden, dass ihr ebenso verdorben und charakterlos seid wie die Vertreter von Talon?

Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort überhaupt wissen wollte.

 

 

Ember

Auf drei, hauchte Riley von der anderen Seite des Tür­sturzes aus. Ich nickte ihm zu und spürte, wie sich meine Muskeln anspannten, während ich die weiße Tür anstarrte, auf der eine goldene 14 prangte. Durch das Holz, von dem bereits die Farbe abblätterte, war das Geräusch eines Fernsehers zu hören. Mein Drache wand sich knurrend; er spürte die Aggression, die in der Luft lag. Ich kniff die Augen zusammen. Riley holte tief Luft und hob die Pis­tole, die er sonst immer unter seiner Lederjacke verbarg. Eins … zwei … drei!

Sein Stiefel traf direkt neben dem Messingknauf auf die Tür, die daraufhin krachend aufflog. Mit einem Hechtsprung landete ich im Zimmer, Riley dicht hinter mir, der mit gezückter Waffe das Hotelzimmer absuchte. Es war klein und schmutzig, das Bett in der Ecke war nicht gemacht, der Fernseher lief mit voller Lautstärke … aber es war niemand zu sehen.

»Verdammt!« Riley ließ die Pistole sinken und sah sich wütend um. »Schon wieder weg. Wahrscheinlich haben wir den schleimigen Mistkerl nur knapp verpasst.« Genervt zerrte er sein Handy aus der Hosentasche, drückte eine Taste und hob es ans Ohr. »Wes? Er ist schon weg.« Pause. »Ich habe keine Ahnung, woher er wusste – wir reden hier von Griffin! Der war doch schon immer eine paranoide Mistschabe!« Seufzend fuhr er fort: »Ja, genau, wir kommen zurück. Ruf an, falls es einen Notfall gibt.«

Indem ich langsam ausatmete, ließ ich meinen Drachen und das Verlangen nach Rache widerstrebend im Dunkel verschwinden. »Und was jetzt?«, fragte ich Riley, der nur abfällig schnaubte.

»Dummerweise stehen wir jetzt wieder am Anfang. Wes wird ihn erneut aufspüren, dann sehen wir, in welches Versteck der Mistkerl sich diesmal verkrochen hat. Aber das kostet Zeit, und die wird für uns langsam knapp. Verdammter Mist.« Er schlug so heftig gegen die Wand, dass es dumpf im Korridor widerhallte. »So dicht dran. Also komm, Rotschopf. Wir sollten nachsehen, ob er irgendwas dagelassen hat, bevor die Cops auftauchen. Ein Hinweis auf sein nächstes Reiseziel wäre nett.«

Hastig durchsuchten wir das Zimmer, aber abgesehen von jeder Menge Müll hatte Griffin uns nichts hinterlassen, zumindest nichts, was zu ihm zurückverfolgt werden konnte. Nicht einmal ein zerknüllter Kassenzettel war zu finden.

»Das Zimmer hat er wahrscheinlich auch bar bezahlt«, knurrte Riley, nachdem wir den Papierkorb geleert, unter dem Bett nachgesehen und das Bad durchstöbert hatten – ohne Ergebnis. »Er hat seine Spuren wirklich gut verwischt, der verfluchte Dreckskerl. Anscheinend hatte er es ziemlich eilig bei seiner Abreise. Offenbar weiß er, dass wir ihm auf den Fersen sind.« Riley fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Ich weiß nicht, was mich mehr nervt: die Tat­sache, dass er so ein verdammter Schweinehund ist, oder die Erkenntnis, dass er nur so verflucht gut ist, weil ich es ihm beigebracht habe.«

»Irgendwann macht er einen Fehler«, versicherte ich ihm. »Genau wie beim letzten Mal. Und dann wird Wes ihn erwischen. Er kann nicht ewig vor uns davonlaufen.«

»Da kennst du Griffin schlecht«, murmelte Riley. »Aber ja, ich schätze, du hast recht.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Wie dem auch sei, hier gibt es nichts zu finden und nichts, was wir jetzt noch tun könnten. Fahren wir.«

Wir verließen das Zimmer und gingen zurück zum Parkplatz. In einer Ecke stand ein verbeulter schwarzer Mustang mit getönten Scheiben. Riley riss die Fahrertür auf, glitt hinter das Steuer und zog die Tür mit einer solchen Wucht hinter sich zu, dass der ganze Wagen erzitterte.

Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und konnte gerade noch etwas sanfter meine Tür schließen, bevor Riley den Motor startete und mit quietschenden Reifen vom Parkplatz fuhr. Das Licht der Straßenlaternen huschte über seinen verkrampften Kiefer und die schmalen Augen, die starr durch die Windschutzscheibe blickten. Seufzend lehnte ich mich in dem Kunstledersitz zurück und schaute nach draußen. Hinter der Scheibe zog wieder einmal eine vollkommen nichtssagende, durchschnittliche Kleinstadt des Mittleren Westens vorüber. In letzter Zeit hatten wir so viele von denen abgeklappert, dass ich mich nicht einmal mehr an den Namen dieses Städtchens erinnern konnte.

Ich konnte verstehen, dass Riley frustriert war. Der Mensch, hinter dem wir her waren – Griffin Walker –, ­hatte als Informant für Riley gearbeitet, bis wir herausgefunden hatten, dass er heimlich auch Informationen an Talon und den Georgsorden verkauft hatte. Griffin war der Verräter, der Maulwurf im Netzwerk der Einzelgänger. In Las Vegas hatte er uns an Talon verraten, weshalb wir beide fast draufgegangen wären. Aber viel schlimmer war, dass seinetwegen sämtliche Verstecke und damit auch alle Nestlinge, die Riley aus den Fängen von Talon befreit hatte, in Gefahr waren. Wir mussten ihn aufspüren und herausfinden, was er alles wusste und wie viel davon er an die Organisation weitergegeben hatte. Doch wie sich herausstellte, war es viel schwieriger als erwartet, einen einzelnen Menschen auf der Flucht zu erwischen. Heute waren wir ihm zum zweiten Mal im Laufe eines Monats dicht auf den Fersen gewesen, nur um dann festzustellen, dass unser schlüpfriges Ziel­objekt mal wieder untergetaucht war.

Das war extrem frustrierend, aber gleichzeitig sorgte es dafür, dass ich nicht … an andere Dinge dachte. Dinge, mit denen ich mich jetzt wirklich nicht auseinandersetzen wollte. Indem ich Riley bei der Jagd nach Griffin half, war ich so beschäftigt, dass mir weder die Zeit noch genügend Energie blieb, um über anderes nachzugrübeln. Und Riley war fest entschlossen, sein Untergrundnetzwerk zu retten und seine Nestlinge auch weiter vor Talon zu verstecken. Die Suche nach dem Verräter, der uns an die Organisation und an den Georgsorden verkauft hatte, nahm ihn voll und ganz in Anspruch. Nach dem Vorfall in Las Vegas hatten wir tagelang nur über Griffin oder Talon gesprochen, was einerseits eine Erleichterung war, andererseits aber auch enttäuschend. Wenn wir irgendwann nicht mehr Vollgas gaben, würden die Erinnerungen zurückkommen. Erinnerungen an … gewisse Personen. Und ich war einfach noch nicht bereit, mich dem zu stellen.

Sobald wir unser Hotel erreichten, gingen wir in Wes’ Zimmer und verriegelten die Tür hinter uns. Der Mensch saß in der Ecke am Schreibtisch, über seinen Laptop gebeugt – also exakt in derselben Position wie Stunden zuvor, als wir aufgebrochen waren. Er warf uns nur einen müden Blick zu, als wir eintraten, und schüttelte dann den Kopf.

»Nichts«, erklärte er, bevor Riley fragen konnte. »Keine Telefonate, keine neuen Kreditkartentransaktionen, überhaupt nichts. Die Spur ist kalt, Kumpel. Griffin ist offiziell vom Radar verschwunden.«

»Verdammt.« Riley ging zu ihm hinüber. »Widerlicher, schleimiger Mistkäfer. Such weiter«, befahl er, woraufhin Wes sich seufzend wieder dem Laptop zuwandte. »Wir waren so nah dran, Wes! Wir dürfen nicht zulassen, dass er jetzt noch abhaut.«

Ich rieb mir die Augen und beschloss zu gehen; Riley und Wes würden nun sowieso stundenlang in der Arbeit versinken. Wes lebte quasi vor dem Bildschirm, und Riley würde aus seinem Zorn genug Energie ziehen, um ­weiterzumachen. Mir ging sein ständiges Dauertempo aber langsam an die Substanz. »Dann viel Spaß, ihr beiden«, verabschiedete ich mich und ging zur Tür. »Ich werde mir ein Nickerchen gönnen, bis ihr mich wieder braucht.«

Riley drehte sich kurz um, und seine goldenen Augen fixierten mich durchdringend. Mein Drache rührte sich, er sah in dem Blick eine Herausforderung, die erwidert werden musste. Indem er zurückstarrte, wollte er Riley – nein, eigentlich Cobalt –, dazu zwingen, sich zu zeigen und ihm entgegenzutreten. Das würde Cobalt nicht tun, was mein Drache ebenso gut wusste wie ich, denn Riley würde es niemals riskieren, entdeckt zu werden, nur weil er ohne zwingenden Grund seine wahre Gestalt annahm. Trotzdem hofften meine Dracheninstinkte, dass er es tun würde. Riley zögerte, als wollte er noch etwas sagen, aber dann raunte Wes ihm etwas zu, und er wandte sich ab.

»Versuch dich auszuruhen, Rotschopf«, riet er mir, während er sich zum Computer hinunterbeugte. »Wahrscheinlich brechen wir in ein paar Stunden auf.«

Also zog ich mich in mein Zimmer zurück, das genau gegenüberlag, ging ins Bad und streifte meine Kleidung ab. Den schwarzen Vipernanzug ließ ich nachlässig auf den Boden fallen. Das dunkle Gewebe zog sich zu einem flachen Haufen zusammen, was ich mit einer Grimasse quittierte, bevor ich in die Dusche stieg.

Nachdem ich das Wasser auf kochend heiß gestellt hatte, stellte ich mich seufzend unter den Strahl, schloss die Augen und spürte dem warmen Dampf nach, der um mich herum aufstieg. Heute waren wir so nah dran gewesen. So kurz davor, diese verrückte Jagd zu beenden, herauszufinden, was Griffin der Organisation verraten hatte, und dieses Leck endgültig zu stopfen. Früher oder später würden wir ihn mit Sicherheit aufspüren. Vor Wes konnte sich niemand lange verstecken, und wer meinte, Rileys Nestlingen oder in seinen Verstecken Ärger machen zu müssen, war selbst schuld. Besessen wäre vielleicht ein zu starkes Wort, aber Riley war unnachgiebig und zielstrebig, und sein Untergrundnetzwerk bedeutete ihm mehr als alles andere auf dieser Welt. Na ja, und so ein klein bisschen rachsüchtig war er auch.

Nachdem ich die Dusche abgestellt hatte, trocknete ich mich ab, zog mir schnell etwas über und ging in das leere Zimmer, wobei ich aus Gewohnheit den Fernseher einschaltete. Geräusche waren immer gut, Stille wirkte bedrückend und irgendwie einsam. Und wenn es zu still war, begaben sich meine Gedanken gerne auf Wanderschaft, und zwar immer an Orte, an denen ich sie nicht haben wollte. Zu Erinnerungen, die noch zu frisch und zu schmerzhaft waren, um sie zu beleuchten. Zu Leuten, deren Abwesenheit ein gähnendes Loch in meinem Inneren hinterlassen oder deren Verrat etwas in mir zerbrochen hatte, dessen Scherben mich innerlich zerrissen.

Ich ließ mich auf das Bett fallen, suchte mir wahllos einen Actionfilm und drehte den Ton laut genug auf, um meine Gedanken zu übertönen. Konzentrier dich, ermahnte ich mich, während ich zusah, wie irgendein Typ in einem Sportwagen durch enge Gassen raste, Mülltonnen umfuhr und beinahe ein paar Passanten plattmachte. Momentan gab es Wichtigeres als mein Gefühlschaos. Immerhin war ich kein normaler Nestling mehr, der sich um nichts sorgen musste als seine Freizeitgestaltung, seine gelungene Anpassung und die Frage, ob er den Erwartungen der Orga­nisation gerecht wurde. Ich war ein Einzelgänger, Teil von Rileys Untergrundnetzwerk, und stand auf der Fahndungsliste von Talon vermutlich direkt unter Cobalt, dem meistgesuchten Drachen überhaupt. In Vegas hatte die Organisation mir deutlich vor Augen geführt, wozu sie fähig war. Wenn ich die Sache nicht ernst nahm, würden noch mehr Menschen und noch mehr Drachen sterben.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Grübeleien. »Rotschopf?«, drang die vertraute Stimme gedämpft durch das Holz. Sofort spitzte mein Drache die Ohren. »Bist du noch wach?«

Während ich vom Bett sprang, zur Tür ging und sie öffnete, scheuchte ich meinen Drachen zurück in die Dunkelheit. Riley hatte die Hände in den Taschen vergraben, die dunklen Haare hingen ihm in die Stirn. Müde sah er aus, aber trotzdem lächelte er, als er mich sah.

»Hey«, begrüßte er mich leise. »Ich, äh … wollte noch kurz mit dir reden, bevor du dich hinlegst. Kann ich einen Moment reinkommen?«

Mit einem betont lässigen Achselzucken trat ich beiseite, aber in meinem Inneren begann es zu toben, und mir wurde heiß. »Hat Wes irgendeinen Hinweis auf Griffin gefunden?«, fragte ich. Immer schön bei der Sache bleiben!

Riley schüttelte den Kopf. »Nein, bisher noch nicht. Aber deswegen bin ich nicht gekommen.« Ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, lehnte er sich gegen die Wand und musterte mich eindringlich. Ich hockte mich auf den Bettrand. »Ich mache mir Sorgen um dich, Rotschopf«, begann er. »Seit wir Vegas verlassen haben, bist du nicht mehr ganz du selbst.«

Mühsam rang ich mir ein Grinsen ab. »Wie sollte ich denn sein?«

Er seufzte schwer. »Keine Ahnung. Irgendwie … gesprächiger? Widerspenstiger?« Frustriert zuckte er mit den Schultern, offenbar wusste er selbst nicht weiter. »Du hast nicht mehr wirklich mit mir geredet, seit wir Vegas verlassen haben. Und immer wenn ich etwas sage, ganz egal, was es ist … stimmst du mir zu. Das ist befremdlich.«

»Du willst also, dass ich mich mit dir streite?«

»Momentan? Absolut.« Stirnrunzelnd fuhr er sich durch die Haare. »Streite mit mir, sag mir, dass ich unrecht habe. Sag einfach etwas, irgendwas! Ich habe keinerlei Einblick mehr in deine Gedanken, Ember. Ich verstehe ja, dass es nicht leicht für dich war, Dante an Talon zu verlieren, und …«

»Ich versuche einfach nur, meinen Beitrag zu leisten«, unterbrach ich ihn, bevor er weiterreden konnte. Während er überrascht blinzelte, versuchte ich schnell, die Wut und die Trauer, die jedes Mal in mir aufstiegen, wenn ich den Namen meines Bruders hörte, zu verdrängen. »Ihr sollt nicht durch mich behindert werden, immerhin weiß ich, was auf dem Spiel steht, wie wichtig das für uns alle ist.« Rileys Miene verfinsterte sich, und ich wandte mich achselzuckend wieder dem Fernseher zu. »Ich bin jetzt ein Einzelgänger«, fuhr ich fort. »Keine Spielchen mehr. Keine heimlichen Alleingänge, keine Ablenkung durch irgendwelchen Menschenkram. Ich werde lernen müssen zu schießen, zu kämpfen und … zu töten, sonst werden noch mehr von uns ihr Leben lassen.« Vor meinem inneren Auge sah ich wieder den kleinen dunklen Drachen, wie er reglos auf dem Betonboden des Lagerhauses lag und seine gelben Augen blicklos ins Leere starrten. Schnell vertrieb ich die Erinnerung aus meinen Gedanken.

»Also … ja.« Ich drehte mich zu Riley um. »Ich nehme das alles hier sehr ernst. Und das heißt auch, dass ich deine Anweisungen befolge und mich auf die Mission konzen­triere. Nichts anderes zählt jetzt.«

»Ember …« Plötzlich schien Riley von noch viel größerer Erschöpfung niedergedrückt zu werden. Er stieß sich von der Wand ab, kam zu mir und sah mich fast schon traurig an. »Das heißt doch nicht, dass du dich dabei vollkommen aufgeben sollst. Lass nicht zu, dass du an diesem Leben zerbrichst. Du bist noch so jung und hast ein sehr, sehr langes Leben vor dir. Klar, ich will nicht, dass du dich nachts rausschleichst oder irgendwelche wilden Partys schmeißt, aber es darf auch nicht sein, dass du dich Tag für Tag nur noch mit Krieg und Kampf beschäftigst. Sonst bist du bereits ausgebrannt, bevor du das Erwachsenenalter erreichst. Oder du wirst so wütend und verbittert, dass du erst recht irgendwelche Dummheiten machst.« Kurz huschte ein trockenes Grinsen über sein Gesicht, aber dann wurde er wieder ernst. Ich erwiderte sein Lächeln nicht, woraufhin er sich noch dichter vor mir aufbaute – so nah, dass ich das Leder seiner Jacke riechen und diese feine Hitze spüren konnte, die seine Haut abstrahlte.

»Du sollst es doch nicht hassen, hier bei uns zu sein, Rotschopf«, fuhr er fort. »Ich will nicht, dass du es bereust, dich losgesagt zu haben. Ja, ich war in letzter Zeit ständig abgelenkt, aber du sollst wissen, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, ganz egal, worum es geht. Du musst das nicht allein durchstehen. Glaub mir, ich habe schon so ziemlich alles überstanden, was du dir nur vorstellen kannst.« Mit einem leisen Schnauben fügte er hinzu: »Frag Wes, der kann dir ein paar Horrorgeschichten erzählen.«

Mein Puls beschleunigte sich. Wenn er mir so nah war, spürte ich dieses Kribbeln im Rücken, und meine Haut spannte, weil der Drang, mich zu verwandeln, übermächtig wurde. Riley zögerte kurz – offenbar wurde ihm erst jetzt bewusst, wie dicht er vor mir stand –, doch er wich nicht zurück. Als ich zu ihm hochschaute, waren es Cobalts goldene Augen, die meinen Blick erwiderten.

Einen kurzen Moment lang tanzten wir beide am Rand des Vulkans, unsere Drachen verharrten dicht unter der Ober­fläche und warteten nur darauf, dass der andere den ersten Schritt machte. Doch dann trat Riley zurück und wandte den Blick ab.

»Du solltest jetzt etwas schlafen«, meinte er. Mein Drache stieß ein frustriertes, enttäuschtes Knurren aus. »Es war ein langer Tag, und wir wollen morgen in aller Frühe aufbrechen. Ich werde dich wecken, wenn wir startklar sind.«

»Riley!«

Hektisches Klopfen ließ uns zusammenzucken. Fast schon erleichtert lief Riley zur Tür und riss sie auf. Draußen stand Wes. »Hast du ihn gefunden?«, fragte er den Menschen mit finsterer Miene.

»Nicht so ganz, Kumpel.« Wes streifte mich mit einem schnellen Blick und kniff kurz die Augen zusammen, bevor er an Riley gewandt fortfuhr: »Aber das musst du dir an­sehen. Griffin hat Kontakt zu uns aufgenommen. Ich habe gerade eine Nachricht von dem Schleimscheißer bekommen.«

»Wo steckt er?«

»Keine Ahnung«, gab Wes achselzuckend zu. »Aber er will sich demnächst mit uns treffen, von Angesicht zu Angesicht. Will uns einen Deal vorschlagen. Er schreibt, er hätte Informationen, die er uns überlassen würde, im Gegenzug verlangt er … Schutz.«

Riley war fassungslos. »Schutz? Wie kommt er auf den Gedanken, dass ich …« Kopfschüttelnd unterbrach er sich. »Verdammt«, hauchte er dann. »Talon. Talon ist jetzt auch hinter ihm her. Er hätte niemals Kontakt zu uns aufgenommen, wenn ihm nicht der Arsch auf Grundeis ginge.«

»Ganz genau.« Ein grimmiges Lächeln huschte über Wes’ schmales Gesicht. »So sehe ich das auch. Und unter normalen Umständen würde ich sagen, diese doppelzün­gige Kakerlake kann sehen, wo sie bleibt – soll er den Sturm ernten, den er gesät hat. Wäre doch mal eine Abwechslung, wenn er von den Vipern gejagt wird. Aber …«

»Aber wir brauchen diese Informationen, die er angeblich hat«, knurrte Riley. »Und wir dürfen nicht zulassen, dass Talon an dieses Wissen herankommt.« Aufgebracht fuhr er sich durch die Haare. »Was verlangt Griffin von uns?«

»Er wird uns einen Treffpunkt nennen, wenn wir seinen Bedingungen zustimmen«, erklärte Wes, »die da wären: Wir dürfen ihm nicht den Arsch aufreißen, wenn wir ihn finden, und wir müssen ihm einen sicheren Unterschlupf besorgen, in dem er sich verkriechen kann, solange er es für nötig hält.«

Riley ballte die Fäuste. »Also schön«, presste er zähneknirschend hervor. »Ich kann es nicht riskieren, noch mehr Verstecke zu verlieren, und ich kann auch nicht zulassen, dass Talon Griffin in die Finger bekommt. Er weiß zu viel über uns.« Mit einem knappen Nicken befahl er Wes: »Nimm Kontakt zu Griffin auf. Sag ihm, dass wir seine Bedingungen akzeptieren. Und dass er versuchen soll, sich nicht von einer Viper umlegen zu lassen, bevor wir bei ihm sind.«

Wes nickte und huschte aus dem Zimmer. Sofort drehte Riley sich zu mir um, doch der Moment war verflogen; Cobalt war verschwunden, er war einfach nur wieder Riley.

»Tut mir leid, Rotschopf.« Er war bereits auf dem Weg zur Tür. »Ich sollte wohl besser dabei sein, wenn Griffin sich das nächste Mal meldet. Kommst du klar?«

Ich nickte. »Werde mich nicht vom Fleck rühren«, verkündete ich knapp. Er folgte Wes nach draußen und zog die Zimmertür hinter sich zu.

Während ich ihm hinterherblickte, spürte ich, wie sich eine schwere Last auf mich herabsenkte. Mein Verstand sagte mir, dass Riley einfach anderweitig beschäftigt war. Griffin zu finden und sein Untergrundnetzwerk wieder abzusichern hatte oberste Priorität für ihn, anders sollte es ja auch gar nicht sein. Rein rational akzeptierte ich das.

Doch gleichzeitig drängte sich mir die Frage auf, ob seine Gefühle für mich sich vielleicht geändert hatten. Er hatte mir keinerlei Hinweis gegeben, was er von mir erwartete, eigentlich wusste ich nicht einmal, ob er mich überhaupt noch wollte. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte … Jedes Mal, wenn wir allein waren – egal ob im Auto oder in einem Hotelzimmer –, blieb er auf Distanz. Achtete darauf, mir bloß nicht zu nahe zu kommen. Heute Abend war das perfekte Beispiel: Zwischen uns war etwas gewesen, und wir hatten es beide gespürt … aber er hatte einen Rückzieher gemacht. Hatte er denn schon vergessen, was er mir erst vor ein paar Wochen versprochen hatte? Oder war ich nur eine flüchtige Ablenkung gewesen, über die er längst hinweg war?

Ich sprang auf, verriegelte die Tür und kroch zurück ins Bett. Mein Drache wand sich immer noch unruhig unter meiner Haut, sodass es mir schwerfiel, mich zu entspannen. Heute Nacht würde ich wohl keinen Schlaf finden, wie in fast jeder Nacht seit der Sache in Vegas. Ich war zwar erschöpft, aber mein Gehirn schaltete sich einfach nicht aus. Und wenn ich mal schlief, warteten bereits die Träume auf mich, in denen mich bewaffnete Menschen durch enge Gänge jagten, gehäutete Drachen an Wänden aufgehängt wurden und immer wieder Lilith auftauchte, um mich zu verhöhnen. Oder mich aufzustacheln, damit ich alles und jeden um mich herum abschlachtete. Irgendwann wachte ich schweißgebadet auf, und das Blut rauschte in meinen Ohren, während die Schreie und die Schüsse nur langsam in der Dunkelheit verhallten.

Aber diese Träume waren nicht die schlimmsten. Beängstigender waren jene, in denen ich mich in einer Sackgasse wiederfand, herumwirbelte, um mich endlich meinen Verfolgern zu stellen, und dann … dann tauchte Dante aus der Dunkelheit auf und musterte mich mit kalten grünen Augen. Manchmal war es auch nicht Dante, sondern ein Mensch mit kurzen blonden Haaren und bleigrauen Augen, der seine Waffe auf mich richtete. Ein- oder zweimal auch ein schmales, blasses Mädchen mit dunklen Locken. In manchen Träumen sprachen wir miteinander, aber ich konnte mich hinterher nie daran erinnern, was gesagt wurde. Manche endeten mit einer Entschuldigung, andere mit einem Schuss, der mich aus dem Schlaf riss und mein Herz unkontrolliert rasen ließ. Aber oft war ich im Traum auch plötzlich in Drachengestalt und fragte mich, was eigentlich passiert war, während neben mir auf dem Betonboden ein verkohlter Leichnam lag. Zuerst erkannte ich ihn nicht, wusste gar nicht, was ich da vor mir hatte, bis er die Augen aufschlug – schwarze, grüne oder bleigraue – und ein ein­ziges Wort hauchte: Warum?

Wenn ich aus diesen Träumen erwachte, bekam ich kaum Luft, und meine Augen brannten. Diese Bilder hinderten mich daran, wieder einzuschlafen, sodass ich den Fernseher und sämtliche Lichter einschalten musste und verzweifelt versuchte, bis zum Morgen alles zu vergessen.

Riley wusste nichts von meinen Albträumen. Die Jagd und die Sicherheit seines Netzwerkes nahmen ihn zu sehr in Anspruch. Manchmal hatte ich den Verdacht, dass Wes etwas ahnte, zumindest schaute er mich morgens immer so komisch an, wenn ich zu den beiden rüberging; dann wirkte sein sonst so ausdrucksloses Gesicht fast besorgt. Aber ich durfte jetzt nicht zusammenbrechen. Es waren nur noch wir drei übrig: Riley, Wes und ich. Riley brauchte einen ebenbürtigen Partner an seiner Seite, jemanden, auf den er sich verlassen konnte – kein Kind, um das er sich Sorgen machen musste. Ich musste mich auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Ich durfte nicht zulassen, dass noch mehr von uns starben.

In meinem Bauch breitete sich das konstante, schmerzhafte Pochen aus, das durch den Stress entstand, sich nicht verwandeln zu können. Ich spürte noch immer Rileys ­Nähe, diese Hitze, wenn sich unsere Blicke begegneten. Meine Drachenseite wollte ihn, inzwischen war überdeutlich geworden, dass ich diese Instinkte nicht einfach ignorieren konnte. Aber gleichzeitig musste ich auch ständig an ihn denken. Wo war er jetzt? Was machte er gerade? Je angestrengter ich versuchte, ihn zu vergessen, desto öfter suchten mich diese Gedanken heim und führten mir vor Augen, dass ich einen Fehler gemacht hatte.

Ich vermisste meinen Soldaten.

Frustriert schob ich die Kissen zurecht. So etwas darfst du nicht denken, Ember, wies ich mich selbst zurecht. Er ist fort, und das ist auch besser so. Er ist ein Mensch, du bist ein Drache. Das hätte niemals funktioniert. Lass ihn ziehen.

In meiner Kehle bildete sich ein dicker Kloß, und ich ­atmete tief durch, verdrängte diese Erinnerungen, zumindest für den Moment. Bald würde Griffin sich wieder melden, und dann würde Riley von hier verschwinden wollen. Viel Zeit zum Ausruhen blieb da nicht, aber ich würde ja sowieso nicht viel Schlaf abbekommen.

Ich griff nach der Fernbedienung, stellte den Ton lauter und ließ mich gegen das Kopfteil des Bettes sinken. Wer brauchte schon Schlaf, wenn man sich genauso gut die ganze Nacht lang Autoverfolgungsjagden und sinnlose Explosionen ansehen konnte? Ich kuschelte mich in die aufge­türmten Kissen und schaltete Hirn und Augen auf Durchzug, während die Realität für eine Weile von brüllenden Motoren und Hollywood-Drama verdrängt wurde.

 

 

Riley

»Sag mal, Kumpel«, beschwerte sich Wes ungeduldig, »hast du überhaupt gehört, was ich gerade gesagt habe?«

»Hä?« Ich drehte der Tür den Rücken zu, um mich den bösen Blicken meines Partners zu stellen. »Tut mir leid, Wes. Was?«

Schmollend fuhr er fort: »Ich sagte, dass wir verdammt vorsichtig sein sollten, falls Griffin tatsächlich Ärger mit Talon hat. Wissen wir denn, ob das nicht wieder eine brillant konstruierte Falle ist und wir direkt reinspazieren? Ich würde es diesem Mistkerl jederzeit zutrauen, dass er uns ein zweites Mal reinlegt.«

Ich nickte. »Ja, ich weiß.« Stirnrunzelnd kratzte ich mich am Kinn. »Aber was bleibt uns denn anderes übrig? Immerhin weiß keiner, an welche Art von Information er inzwischen noch rangekommen ist.«

»Verdammte Scheiße«, knurrte Wes. »Für jemanden, der keine Ahnung von Computern hat, gräbt der Typ echt verdammt viele Infos aus.«

Achselzuckend erklärte ich ihm: »Er macht das jetzt schon ziemlich lange, Wes, fast so lange wie wir. Und er war auch schon eine schleimige, kleine Kröte, bevor wir uns kennengelernt haben.«

Damals hatte Griffin als Verbindungsmann für die Organisation gearbeitet, Firmen infiltriert, die für Talon von Interesse waren, und alles über diese Konzerne in Erfahrung gebracht: Geschäftspraktiken, Finanzen, sämtliche schmutzige Wäsche. Manchmal hatte er sogar Firmenmitglieder umgedreht. Und das alles, um eine feindliche Übernahme durch Talon vorzubereiten.

Doch irgendwann hatte sein Informationsbeschaffungstalent Griffin in Schwierigkeiten gebracht. Als seine Kontakte sich immer weiter verzweigt hatten und die ausgegrabenen Geheimnisse immer gewichtiger geworden waren, hatte Talon schließlich beschlossen, dass er zu viel wusste. Durch sein Netzwerk hatte Griffin von seinem drohenden »Ruhestand« erfahren und daraufhin Kontakt zu mir aufgenommen. Der Deal war simpel: Wenn ich ihn aus der Organisation rausholte und ihm beibrachte, wie er unter dem Radar fliegen konnte, würde er mir alles überlassen, was er über Talon wusste. Das hatte sich gut angehört, und die versprochenen Informationen waren zu verlockend gewesen, um nicht zuzuschlagen, also hatte ich mitgemacht.

»Nur blöd, dass du nicht wusstest, was für ein verlogener Heuchler er ist, und zwar bevor du ihn in unsere Operationen mit eingebunden hast«, murmelte Wes. »Ich habe ihn nie gemocht, Riley, sagte ich das bereits? Der hatte von Anfang an etwas Zwielichtiges an sich.«

»Du hast es erwähnt, ja, so um die sechzig Mal, glaube ich.« Ich fragte mich, was Ember wohl gerade machte, und schaute unwillkürlich Richtung Tür. »Wenn die Nachricht von Griffin da ist, schaltest du den verdammten Laptop aus und schläfst ein paar Stunden«, befahl ich Wes. »Du läufst ja nur noch auf Red Bull und Mountain Dew, außerdem können wir alle etwas Schlaf gebrauchen.«

Stirnrunzelnd lehnte Wes sich zurück. »Das klingt aber so gar nicht nach dir, Riley. Ich hätte gedacht, du rennst sofort aus der Tür, wenn wir von ihm hören.«

»Würde ich auch, aber Ember braucht mal eine Pause. Sie ist ausgepowert, da ist diese ständige Rumrennerei nicht gerade hilfreich. Ich dachte, ich lasse sie zumindest ein paar Stunden schlafen, bevor wir wieder losziehen.«

»Sie schläft aber nicht, Kumpel«, erwiderte Wes leise, ohne mich aus den Augen zu lassen. Stirnrunzelnd sah ich ihn an.

»Was redest du denn da?«

Der Blick des Menschen verfinsterte sich. »Ist es dir nicht aufgefallen? Verdammt, Riley. Hast du dir das Mädchen in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist nicht nur aus­gepowert, sie ist fix und fertig. Die Hälfte der Zeit sitzt sie wie ein Schlafwandler daneben, wenn wir etwas besprechen. Wenn ich um drei Uhr morgens aus dem Zimmer gehe, brennt bei ihr immer noch Licht, und der Fernseher läuft.« Kopfschüttelnd fuhr Wes fort: »Wenn du mich fragst, schläft sie nachts nicht mehr als zwei oder drei Stunden, und ein erschöpfter Drache ist eine tickende Zeitbombe. Was bedeutet, dass sie irgendwann explodieren wird, wenn du nicht rechtzeitig herausfindest, was ihr den Schlaf raubt.«

Verblüfft lehnte ich mich an das Bettgestell und ließ die vergangenen Wochen Revue passieren. Mir war schon aufgefallen, dass Ember immer stiller wurde, ich hatte sie aber erst heute darauf angesprochen. Seit einigen Tagen hatte sie sich sehr in sich selbst zurückgezogen, was mir Sorgen machte, aber ich war davon ausgegangen, dass die stän­digen Ortswechsel und die Dauerbelastung der Jagd auf Griffin ihren Tribut forderten. Sie war auch reizbarer und schnippischer geworden und fauchte Wes jedes Mal an, wenn er einen seiner Sprüche abließ. Dass sie erschöpft war, wusste ich. Aber ich hatte keine Ahnung gehabt, dass sie überhaupt nicht mehr schlief.

Das war nicht gut. Ausgelaugte Drachen waren nicht nur reizbar und launisch, wir konnten zu einer echten Gefahr werden, wenn wir die Kontrolle verloren und unsere Ur­instinkte sich Bahn brachen. Wer einen erschöpften Drachen reizte, konnte davon ausgehen, dass er sich die Finger verbrannte – im wörtlichen Sinn.

»Was meinst du, was belastet sie so?«, fragte ich Wes. »Ich habe vorhin mit ihr geredet, aber keine klare Antwort bekommen. Sie meinte nur, sie wolle uns nicht zur Last fallen, aber das kann ja wohl nicht alles sein.«

Genervt verdrehte Wes die Augen. »Keine Ahnung, Kumpel. Wir haben in letzter Zeit doch eigentlich nichts Belastendes erlebt, oder?« Kopfschüttelnd zählte er an den Fingern ab: »Also, wie war das? In den letzten Wochen wurde sie angeschossen, ist in einen Hinterhalt der Georgskrieger geraten und hat gesehen, wie Talon dich entführt hat. Außerdem musste dein liebreizender Nestling gegen eine von Liliths mörderischen Vipernlehrlingen kämpfen …« Wes verzog das Gesicht. »Such es dir aus, Kumpel. Sie ist kein Soldat, sie wurde nicht wie du jahrelang für so etwas ausgebildet. Verdammt noch mal, Riley, vor einigen Wochen hat sie zum ersten Mal einen Menschen getötet und musste mit ansehen, wie vor ihren Augen ein Drache ermordet wurde. Was denkst du denn, was das mit ihr macht?«

»Verflucht.« Ruckartig fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Was war nur los mit mir? Seit wir Crescent ­Beach verlassen hatten, waren wir nur auf der Flucht gewesen oder hatten gekämpft. Ember hatte die ganze Zeit Gewalt, Blut und Tod erlebt, nichts anderes. Ich war so abgestumpft, dass mir das nichts mehr ausmachte, aber sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben getötet. Natürlich machte ihr das zu schaffen.

Ich wollte gerade wieder zu ihr rübergehen, als der Laptop ein leises Ping von sich gab. Wes drückte ein paar Tasten und runzelte die Stirn.

»Das ist Griffin. Er hat den Treffpunkt geschickt.«

Wieder kochte die Wut in mir hoch, und mühsam unterdrückte ich das Knurren, das in meiner Kehle aufstieg. Um mein Untergrundnetzwerk zu schützen, würde ich das Spiel dieses hinterhältigen Verräters mitspielen und ihm nicht den Kehlkopf durch den Schlund rausreißen, aber gefallen musste mir das deswegen noch lange nicht. »Wo?«

»Morgen Abend in … Louisiana?« Wes starrte auf den Bildschirm und stöhnte. »O Mann, was für ein Scheiß. Er ist in New Orleans.«

 

 

Dante

Ich räumte die letzten Sachen aus meinem Schreibtisch, legte den Deckel auf den Karton und stellte ihn auf die Tischplatte; man würde ihn später zum Wagen hinunterbringen. Noch keinen Monat hier, und schon räume ich mein Büro. Ich trat ans Fenster, um noch ein letztes Mal die Aussicht auf die Skyline von Los Angeles zu genießen. Aber wenigstens bewege ich mich in die richtige Richtung – nach oben. Hoffe ich zumindest. Wie üblich hatte Mr. Roth mir keine Details genannt. Er hatte lediglich gesagt, dass ich zu einem anderen »Projekt« versetzt würde, bei dem meine Stärken besser zum Einsatz kämen. Also blieb es meiner Vorstellung überlassen, was ich nun für Talon tun sollte. Vor allem nach dem Fiasko mit Pearl und Faith und dem gescheiterten Versuch, Ember in die Organisation zurückzuholen.

Ember … Der Himmel hinter der Scheibe wirkte verlockend, doch er hatte auf mich nie eine so starke Anziehungskraft ausgeübt wie auf sie. Wo bist du? Warum konntest du nicht einfach tun, was Talon verlangt? Nun bleibt ihnen keine andere Wahl. Dass du dich dafür entschieden hast, bei diesem Einzelgänger zu bleiben, kann die Organisation nicht einfach ignorieren. Und diesmal bin ich vielleicht nicht da, um dich zu schützen.

»Ah, Mr. Hill. Sind Sie so weit?«

Ich drehte mich um. Mr. Roth war in Begleitung eines Menschen hereingekommen. Der dünne junge Mann ging schnurstracks zum Schreibtisch, nahm den abgestellten Karton und verschwand damit, wobei er sorgfältig darauf achtete, keinem von uns in die Augen zu sehen. Der erwachsene Drache würdigte ihn keines Blickes, dafür warf er mir ein strahlendes Lächeln zu, das allerdings wie immer nicht bis zu seinen Augen vordrang.

»Aufregend, nicht wahr?« Mr. Roth verschränkte die Hände vor dem Körper. »Neuer Wohnort, neuer Auftrag, eine weitere Chance, um aufzusteigen. Sie müssen doch sehr erfreut darüber sein, dass die Organisation so großes Inter­esse an Ihnen zeigt, Mr. Hill. Ein solches Privileg wird nicht vielen zuteil.«

»Jawohl, Sir«, bestätigte ich, und es freute mich tatsächlich. Es freute mich, dass man bei Talon auf mich aufmerksam geworden war und dass ich durch meine Beteiligung an der Rückholmission für Ember – auch wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt hatte – meinen Wert für die Organisation hatte beweisen können. Trotzdem gab es da etwas, das mir keine Ruhe ließ, auch wenn ich verzweifelt versuchte, es zu unterdrücken. Deshalb wagte ich nun einen Vorstoß. »Eine Frage hätte ich allerdings, Mr. Roth.« Dieser zog überrascht eine Augenbraue hoch. »Was ist mit meiner Schwester? Sie treibt sich immer noch dort draußen herum, mit Cobalt. Was gedenkt Talon in Bezug auf sie zu unternehmen?«

Mr. Roth lächelte noch immer, doch ein kaltes Funkeln trat in seine Augen. »Wegen Ihrer Schwester brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, Mr. Hill«, versicherte er mir. »Es wurden bereits Maßnahmen eruiert, um sie aufzuspüren und in den Schoß der Organisation zurückzubringen. Sie müssen sich allerdings darüber im Klaren sein, dass sie ein Einzelgänger und damit in den Augen von Talon eine Kriminelle ist. Selbstverständlich werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um sie heil und unversehrt in Gewahrsam zu nehmen, aber Sie haben ja selbst erlebt, wie weit sie in ihrem Bestreben geht, sich uns zu entziehen. Bei der letzten versuchten Kontaktaufnahme mit Ember Hill ist ein Agent ums Leben gekommen. Wir können es uns nicht leisten, dass sich Derartiges wiederholt.«

Obwohl er all das ganz ruhig und sachlich vorbrachte, hatte sich eine gewisse Schärfe in seinen Ton geschlichen, und ich spürte, wie mir bei der Erinnerung daran ein kalter Schauer über den Rücken lief. Talon hatte eine junge Viper namens Faith damit beauftragt, Ember zur Organisation zurückzubringen. Ihre Aufgabe hatte darin bestanden, so nah wie möglich an Ember heranzukommen und ihr Vertrauen zu erlangen, um sie dann im richtigen Moment dazu zu überreden, mit ihr zurückzukehren. Ein guter Plan. Zusammen mit einer zweiten Agentin, Pearl, war es Faith auch gelungen, sich in Cobalts Versteck einzuschleichen, wobei weder Ember noch der Einzelgänger Verdacht geschöpft hatten. Doch dann war irgendetwas ganz schrecklich schiefgegangen, denn am Ende war Faith tot, die Mission gescheitert und Ember wieder verschwunden.

Später hatte ich herausgefunden, dass Pearl überlebt hatte, doch auch ihre Mission – Cobalt gewisse Informationen zu entlocken – war nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Sie war ohne viel Aufsehen zur Organisation zurückgekehrt und sofort versetzt worden, allerdings wusste ich nicht, wohin. Seit sie damals zu ihrer Mission aufgebrochen war, hatte ich sie nicht mehr gesehen.

»Ihre Schwester fällt nicht länger in Ihren Verantwortlichkeitsbereich, Mr. Hill«, fuhr Mr. Roth fort. »Aber seien Sie versichert, dass wir sie finden werden. Vertrauen Sie darauf, dass Talon nur das Beste für sie will und sämtliche Vorkehrungen getroffen werden, um Ms. Hill lebend und wohlbehalten zu uns zurückzubringen. Doch Ihnen wird nun eine andere Aufgabe zuteil. Ein anderes Projekt, bei dem Sie Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen können. Und wir hoffen sehr, dass dies bei Ihnen ­oberste Priorität haben wird.«

»Jawohl, Sir.« Die unterschwellige Drohung war mir nicht entgangen. »Selbstverständlich. Ich wollte nur noch einmal bestätigt wissen, dass ich mir um meine Schwester keine Gedanken mehr machen muss und mich nun voll und ganz auf meine Aufgabe konzentrieren kann.«

Im Beisein von Mr. Roth hielt ich mein selbstbewusstes Lächeln aufrecht, kaschierte damit aber nur die nagenden Schuldgefühle. Ember war schon immer mein »Verantwortlichkeitsbereich« gewesen. So lange hatte ich auf uns beide aufgepasst, Embers Fehler ausgebügelt, sie gedeckt, sie wieder und wieder aus Schwierigkeiten herausgeboxt. Talon gegenüber würde ich das niemals zugeben, aber es war zum Teil meine Schuld, dass sie in Crescent Beach zum Einzelgänger geworden war. Wenn ich sie besser im Auge behalten oder ihr mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte, dann hätte ich meine Schwester vielleicht davon abhalten können, sich Cobalt anzuschließen und dadurch ihre Zukunft wegzuwerfen.

Ich hatte ja versucht, ihr zu helfen. Hatte getan, was ich konnte, um sie zur Organisation zurückzubringen, denn ich wusste: Wenn sie erst wieder bei uns war, würde sie ihren Fehler einsehen. Aber Ember hatte auf stur geschaltet und sich geweigert, und nun lag ihr Schicksal nicht länger in meinen Händen. Ich konnte lediglich darauf vertrauen, dass die Organisation meine Zwillingsschwester finden und zu Talon zurückbringen würde, wo sie hingehörte.

»Ausgezeichnet, Mr. Hill.« Mr. Roth nickte. Noch immer lag dieses kalte Lächeln auf seinen Zügen. »Genau das wollen wir von Ihnen hören. Verbannen Sie Ihre Schwester aus Ihren Gedanken – ihr Schicksal liegt in guten Händen, das versichere ich Ihnen.« Er deutete auf die Tür. »Sollen wir? Der Wagen wartet, und Sie sind ja sicherlich schon sehr gespannt zu erfahren, was wir für Sie geplant haben.«

Ich nickte. Mein Aufstieg in der Organisation hatte begonnen, genau wie ich es immer gewollt hatte. Meine Pläne waren ins Rollen gekommen, und ich durfte nicht länger in der Vergangenheit verharren, auch wenn das hieß, dass ich Ember vorerst loslassen musste. Ohne mich noch einmal umzudrehen trat ich mit Mr. Roth auf den Flur hinaus und zog die Bürotür hinter mir zu. Dieser Teil meines Lebens war beendet.

 

 

Garret

Touristenattraktionen machten mich immer nervös.

Ich mochte keine Menschenmengen. Vermutlich war das der Soldat in mir, der zu viele Menschen in direkter kör­perlicher Nähe als Quelle möglicher Gefahren empfand. Natürlich konnte man sich in einer Menschenansammlung gut verstecken, aber dasselbe galt schließlich auch für den Feind – auch er konnte mit der Menge verschmelzen und so lange unentdeckt bleiben, bis es zu spät war. Ich war nicht gerne eingekesselt, und noch weniger mochte ich es, von Fremden berührt zu werden, was an solchen Orten ständig passierte. Offenbar waren Touristen sich ihrer Umgebung überhaupt nicht bewusst, denn sie rempelten sich ständig gegenseitig an.

Mit gesenktem Kopf und tief ins Gesicht gezogener Base­ballkappe schlängelte ich mich zwischen den Menschen am Themseufer hindurch. An diesem strahlend schönen Herbst­nachmittag quoll die Strecke am Fluss quasi über vor Leuten, die gemächlich über die Bürgersteige schlenderten. Trotzdem konnte ich mein Ziel mühelos über ihren Köpfen ausmachen, immerhin ragte es über einhundertdreißig Meter weit in die Höhe – das gigantische weiße Riesenrad, das unter dem Namen London Eye bekannt war, zeichnete sich glasklar vor dem blauen Himmel ab. An seinem Fuß war die Menge sogar noch dichter, und die Warteschlange vor den Stufen, die zu den transparenten Glaskabinen führten, war wirklich eindrucksvoll. Zähneknirschend marschierte ich weiter.

»Sebastian.«

Ein Mann erhob sich von einer Bank und kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Genau wie ich trug er unauffällige Zivilkleidung, trotzdem erkannte ich den Soldaten an ihm: Es lag an den Augen, die ruhelos die Menge absuchten. Er humpelte leicht, schonte das rechte Knie; ein Andenken an einen Überfall, der sich zum Fiasko entwickelt und uns beinahe alle das Leben gekostet hatte. Ich schüttelte ihm die Hand, und er deutete mit dem Kopf auf das Ende der Warteschlange vor dem Riesenrad.

»Ich habe die Angestellten bestochen«, erklärte er mir leise, während wir darauf zugingen. »Wir werden unsere Kabine für die gesamte halbe Stunde der Fahrt für uns ­allein haben. Falls du mich so lange ertragen kannst.« Er grinste breit und präsentierte dabei schiefe, aber makellos weiße Zähne.

»Warum ausgerechnet hier?«, wunderte ich mich. »Scheint mir ein regelrechter Präsentierteller zu sein.«

Er lachte leise. »Denk nach, Sebastian. Der Orden verabscheut Menschenansammlungen, Leichtlebigkeit und … na ja, alles, was Spaß macht. Außerdem meiden sie die Touristenviertel der Stadt wie der Teufel das Weihwasser. Hier würden die sich niemals blicken lassen.« Mit einer Hand zeigte er auf das Riesenrad. »Außerdem bietet es uns eine geschlossene Glaskabine nur für uns zwei, bei der es vollkommen ausgeschlossen ist, dass uns jemand belauscht. Solange sie keinen Scharfschützen einsetzen, werden sie nicht an uns herankommen.«

Was höchst unwahrscheinlich war, aber trotzdem suchte ich die Umgebung nach möglichen Schützen ab, vor allem die Gebäude am gegenüberliegenden Flussufer. Ein ungutes Kribbeln lief über meine Haut. So viele dunkle Fenster, Simse und Geländer. Falls Tristan hier wäre, würde er jetzt irgendwo dort hocken und geduldig und reglos hinter seinem Gewehrlauf verharren.

»Wie hat dein Partner es eigentlich aufgenommen?« Andrew schien meine Gedanken zu lesen. »Hast du noch einmal mit ihm gesprochen, seit … äh …«

»Nein«, antwortete ich leise. »Ich habe ihn seit meinem Prozess nicht mehr gesehen.« Und hoffentlich würde ich meinen ehemaligen Partner auch niemals wiedersehen, denn falls doch, würde er höchstwahrscheinlich versuchen, mich umzubringen. Und falls Tristan St. Anthony einen solchen Befehl erhielt, wäre ich tot, noch bevor ich realisiert hätte, dass er auf tausend Meter an mich herangekommen war. Wäre schon ironisch, wenn ich von dem Menschen abgeknallt würde, der mir einmal so nahegestanden hatte wie ein Bruder.

Mit leisem Misstrauen musterte ich Andrew – wie viel wusste er eigentlich? Hatte der Orden den anderen Häusern irgendwelche Details mitgeteilt? Dass mein Name bekannt war, wusste ich: ein aufrührerischer Soldat, der zum Feind übergelaufen war. Laut Befehl des Ordens war ich bei Sichtkontakt zu erschießen, ohne Wenn und Aber. Soldat Tadellos war zum Ordensfeind Nummer eins geworden.

Falls Andrew vorhatte, mich zu erledigen, konnte ich im Moment nichts dagegen tun außer abzuhauen oder ihn hier am überfüllten Flussufer zu überwältigen. Da keine dieser Möglichkeiten mir zu dem verhelfen würde, weshalb ich gekommen war, wartete ich geduldig in der Schlange, bis wir ganz vorne standen. Der Kartenabreißer nickte Andrew kurz zu, öffnete die Tür der Gondel und winkte uns hinein. Die Tür schloss sich, und die Kabine setzte ihre Fahrt fort.

Wachsam ging ich weiter in die große Glaskapsel hinein und sah mich um. Offenbar war der ovale Raum für grö­ßere Gruppen gedacht. Man hätte problemlos ein ganzes Auto hier drin abstellen und trotzdem noch darum herumgehen können. In der Mitte gab es eine Holzbank, und sämtliche Wände waren durchsichtig, sodass man problemlos auf ganz London hinunterschauen konnte.

Andrew lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und fixierte mich ernst. »Entspann dich, Sebastian. Wie ich bereits sagte: Ich habe gehört, was drüben in den Staaten passiert ist, oder zumindest das meiste davon. Ich weiß, was man dir vorwirft. Und ob es nun stimmt oder nicht, du hast mir einmal das Leben gerettet. So etwas vergisst man nicht. Mir ist egal, was der Orden behauptet – jeder, der einmal an deiner Seite gekämpft hat, weiß, dass du deine Brüder niemals einfach so verraten würdest. Nicht ohne einen Grund.«