Tanz diesen Tango nur mit mir - Carole Mortimer - E-Book

Tanz diesen Tango nur mit mir E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

Als Grace mit dem attraktiven argentinischen Milliardär Cesar Navarro einen Tango tanzt, knistert es sinnlich zwischen ihnen. Aber Cesar ist ihr Boss, sie nur seine Köchin. Wenn Grace nicht mit gebrochenem Herzen enden will, sollte sie ihm besser widerstehen …

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IMPRESSUM

Tanz diesen Tango nur mit mir erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Carole Mortimer Originaltitel: „A Taste of the Forbidden“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRABand 15 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Gisela Grätz

Umschlagsmotive: blanaru / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2022.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751515399

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Bist du sicher, dass du klarkommst, Beth?“

„Grace, wirklich! Hör auf, dir Sorgen zu machen! Steig einfach in dein Auto und fahr los!“ Ihre Schwester Beth schüttelte den Kopf und warf Grace einen ebenso liebevollen wie ungeduldigen Blick zu. „Ich bin dreiundzwanzig, nicht drei, und absolut in der Lage, allein zu leben. Abgesehen davon brauchen wir das Geld …“

Das stimmte. Die Rechnungen, die sich im letzten halben Jahr während der Krankheit ihrer Mutter angehäuft hatten, mussten bezahlt werden. Grace hatte in dieser Zeit ihre Stelle als Patissière in der Küche eines führenden Londoner Hotels aufgegeben, um Tag und Nacht bei ihrer Mutter bleiben zu können und es Beth zu ermöglichen, ihren Abschluss an der Universität von Oxford zu machen.

Inzwischen wohnte Beth wieder zu Hause und hatte einen Job bei einem angesehenen Londoner Verlagshaus, aber ihr Gehalt reichte nicht für sie beide und schon gar nicht, um die unbezahlten Rechnungen zu begleichen.

Was wiederum der Grund dafür war, dass Grace sich jetzt in die Wildnis von Hampshire aufmachte. Hier sollte sie, sofern sie die einmonatige Probezeit überstand, dauerhaft als Köchin und Haushälterin auf dem Anwesen des steinreichen Cesar Navarro arbeiten. Wahrscheinlich beschäftigte der erfolgreiche argentinische Geschäftsmann auch in den anderen Wohnsitzen, die er überall auf der Welt unterhielt, fest angestellte Köchinnen und Haushälterinnen. Grace überlegte, was die Leute wohl mit sich anfangen mochten, wenn er gerade nicht dort wohnte.

„Wie mag dieser Cesar Navarro wohl in Wirklichkeit sein?“ Beths Frage fasste ihre eigene Neugier in Worte.

Sie hörte auf, in ihrer riesigen Schultertasche zu wühlen, blickte hoch und schnaubte abfällig. „Keine Ahnung. Und ich bezweifle, dass ich den Mann irgendwann in nächster Zeit zu Gesicht kriegen werde.“

Ihre jüngere Schwester zog die Stirn kraus. „Wie kommst du darauf?“

Wer die beiden zusammen sah, konnte auf den ersten Blick erkennen, dass Beth, die große Blonde mit den braunen Augen, und Grace mit ihren eins sechzig, dem langen dunklen Haar und den blaugrünen Augen keine leiblichen Schwestern waren.

Grace war mit gerade einmal sechs Wochen adoptiert worden und bis zum Alter von acht Jahren als Einzelkind aufgewachsen. Dann hatten ihre Adoptiveltern die fünfjährige Beth nach Hause gebracht und sie Grace als ihre neue Schwester vorgestellt. Für die beiden Mädchen war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, und diese innige Zuneigung hatte ihnen geholfen, den tragischen Verlust ihres Adoptivvaters vor vier Jahren zu bewältigen. Er war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, den ihre Mutter zwar überlebt hatte, allerdings querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Vor zwei Monaten war Heather Blake schließlich den schweren Folgeerscheinungen ihrer Krankheit erlegen.

Grace grinste schief. „Den Anweisungen seines persönlichen Assistenten in London zufolge, der mich nach einer äußerst strengen Sicherheitsüberprüfung eingestellt hat, muss ich zusehen, dass das Frühstück pünktlich morgens um sieben fertig ist, damit Navarros Angestellter Raphael es ins Speisezimmer bringen kann. Bis Mr Navarro das Haus verlässt, habe ich mich aus den Wohnräumen fernzuhalten. Danach darf ich abräumen und das Haus in Ordnung bringen, bis auf sein Büro, das zu betreten mir untersagt ist.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Abends ist der Ablauf genauso. Wenn ich keine anders lautenden Instruktionen erhalte, hat das Dinner um Punkt acht fertig zu sein, damit es serviert werden kann, und ich muss das Haus spätestens um neun verlassen haben. Wahrscheinlich, weil es ab dann hoch hergeht bei Mr Navarro.“

„Glaubst du?“

„Nein.“ Grace verzog das Gesicht. „Ich nehme an, der feine Herr will vermeiden, dass sein Blick auf etwas so Unbedeutendes wie Hauspersonal fällt.“

Beth lachte leise. „Hört sich an, als wäre er ein bisschen überspannt, wenn es um seine Privatsphäre geht.“

„Bei den Milliarden, die er besitzt, ist er vermutlich gewöhnt zu bekommen, was er will und wann er es will.“ Im Gegensatz zu Leuten wie ihr, die nicht wählerisch sein durften. Trotz ausgezeichneter Zeugnisse hatte Grace in den vergangenen sechs Wochen keine Stelle als Patissière gefunden. In ihrer Verzweiflung war sie zu einer Zeitarbeitsfirma gegangen, wo man ihr die – sehr gut bezahlte – einmonatige Arbeit auf Probe in Cesar Navarros Haushalt in Hampshire vermittelt hatte.

„Hm.“ Ihre Schwester grinste. „Aber wenigstens bewohnst du dein eigenes Cottage auf dem Anwesen.“

„Auch nur eine Maßnahme, mit der Mr Navarro sich seine Privatsphäre sichert, nehme ich an.“

„Mach dir nichts draus, Schwesterherz. Ich komme, sobald es geht, am Wochenende vorbei und leiste dir für ein paar Tage Gesellschaft“, sprach Beth ihr Trost zu.

„Ich habe das Gefühl, die werde ich brauchen können!“ Grace lachte leise und umarmte Beth zum Abschied. „Und wenn du mich brauchst, ruf mich auf dem Handy an.“

Auf der Fahrt nach Hampshire ließ Grace sich die ungewöhnlichen Forderungen ihres zukünftigen Arbeitgebers noch einmal durch den Kopf gehen. Der Name Cesar Navarro war ihr nicht unbekannt gewesen – es gab wohl niemanden, der noch nicht von dem milliardenschweren argentinischen Tycoon gehört hatte. Mit Anfang dreißig schien er nicht nur Wohnsitze in den meisten Hauptstädten der Welt, sondern auch die Hälfte aller global operierenden Unternehmen zu besitzen. Nun ja, das mit der Hälfte mochte übertrieben sein. Ein Viertel war wohl realistischer.

Sein Imperium umfasste Hightech-Firmen ebenso wie breit aufgestellte Medienkonzerne, Fluggesellschaften, Immobilien, Hotelketten und Weingüter. Der Mann mischte in so vielen Branchen mit, dass Grace sich fragte, ob er überhaupt noch etwas anderes kannte als Arbeit.

Wahrscheinlich nicht.

Während sie auf die Einladung zu dem zweiten, entscheidenden Einstellungsgespräch gewartet hatte – in dieser Zeit war bestimmt die Sicherheitsüberprüfung erfolgt –, hatte sie im Internet nach Informationen über den einmaligen Mr Navarro gesucht.

„Zurückgezogen“ – so ließ er sich wohl treffend beschreiben. Zu dem Schluss war sie jedenfalls gelangt, als sie das Wenige gelesen hatte, das man im Netz über ihn finden konnte.

Der dreiunddreißigjährige Cesar Navarro war das älteste von zwei Kindern eines argentinischen Vaters und einer amerikanischen Mutter, die jedoch inzwischen von ihrem Mann getrennt lebte. Er war in Buenos Aires aufgewachsen, hatte in Harvard studiert und schon im Alter von dreiundzwanzig seine erste eigene Firma gegründet.

Sein Imperium hatte mittlerweile so riesige Ausmaße, dass Navarro die meiste Zeit mit seinem Privatflugzeug oder dem Helikopter von Firmensitz zu Firmensitz flog und für die Zeit seines Aufenthalts in dem Domizil wohnte, das er an dem jeweiligen Ort besaß.

Auf der Website waren Fotos aus früheren Jahren eingestellt, die ihn als bemerkenswert gut aussehenden Jugendlichen zeigten. Schon damals hatten seine Gesichtszüge mit den durchdringend blickenden dunklen Augen aristokratisch und unnahbar gewirkt. Auf keinem einzigen der Bilder war auch nur der Anflug eines Lächelns zu sehen gewesen.

Es gab nur zwei Aufnahmen von ihm als Erwachsenem auf der Internetseite, die eine war ein gestelltes Foto, die andere ein Schnappschuss aus größerer Entfernung. Auf beiden wirkte er noch immer unglaublich gut aussehend, aber – sofern überhaupt möglich – noch ernster und grimmiger.

Der Schnappschuss zeigte ihn auf dem Weg zu seinem Hubschrauber – in Begleitung eines dunkelhaarigen Mannes, den er um einige Zentimeter überragte. Er trug einen dunklen Anzug, der seinen schlanken Körper mit den breiten Schultern betonte; sein etwas zu langes schwarzes Haar war zerzaust – vermutlich von den Turbulenzen, die die Rotorblätter des Helikopters erzeugten –, und noch immer wurde seine kühle Miene vom durchdringenden Blick seiner dunklen Augen dominiert.

Angesichts seines atemberaubenden Reichtums und seines umwerfenden Aussehens hätte er eigentlich der größte Playboy aller Zeiten sein müssen, mit ständig wechselnden schönen Frauen an seinem Arm, von denen jede irgendwann sein Bett teilte. Stattdessen lebte er extrem zurückgezogen und verteidigte seine Privatsphäre wie besessen.

Grace konnte sich keinen Reim darauf machen. Außer …

Vielleicht hatte es einen Grund, dass Cesar Navarro nie mit einer schönen Frau an seiner Seite fotografiert wurde; vielleicht war es sogar derselbe Grund, weswegen er sein Privatleben so konsequent abschottete. Und vielleicht handelte es sich bei dem dunkelhaarigen Mann, der auf dem Foto neben ihm herging, gar nicht um einen Assistenten, wie sie zunächst angenommen hatte.

Also wenn das keine himmelschreiende Schande war: märchenhaft reich, Anfang dreißig und Single, so umwerfend attraktiv, dass einem als Frau die Luft wegblieb bei seinem Anblick – und das alles für einen anderen Mann!

Grace kicherte bei dem abwegigen Gedanken, wurde aber gleich wieder ernst, als sie sah, dass sie sich der Einfahrt zu Navarros Anwesen näherte – dem Ort, an dem sie nun für wenigstens einen Monat leben würde.

Ein imposantes schmiedeeisernes Tor kam in Sicht, zu dessen beiden Seiten sich eine mindestens drei Meter fünfzig hohe Mauer erstreckte. Zwei Wachleute in schwarzen Uniformen standen rechts und links der Zufahrtsstraße, das Haar militärisch kurz geschnitten, die Haltung wachsam und die Augen hinter dunklen Sonnenbrillen verborgen. Nicht dass der bedeckte Himmel an diesem Septembertag es erfordert hätte.

Einer der beiden Wachposten trat an ihren Wagen, als sie vor dem Tor bremste und das Fenster herunterkurbelte.

„Grace Blake?“

„Die bin ich, ja.“ Sie war erleichtert, dass sie erwartet wurde, aber auch ein wenig besorgt. Was mochte der Grund für die strengen Sicherheitsmaßnahmen sein? Bei ihrem gestrigen Telefonat hatte sie Kevin Maddox, den persönlichen Assistenten Navarros in London, so verstanden, dass ihr argentinischer Arbeitgeber erst morgen im Laufe des Tages eintreffen würde …

Der stämmige Wachmann warf einen Blick auf den Rücksitz und nickte knapp. „Wenn Sie kurz den Kofferraum aufmachen würden …?“

„Den Kofferraum …?“

„Ja, bitte.“ Er machte einen Schritt zurück, als Grace aus dem Auto stieg und die Heckklappe öffnete, dann unterzog er den gesamten Stauraum samt ihrem Koffer einer genauen Prüfung. Anschließend trat er zur Seite und sprach leise in einen kleinen Funksender, der an seinem Jackenaufschlag befestigt war. Sekunden später schwenkten die Torflügel langsam zur Seite.

„Wenn Sie die erste Abzweigung rechts nehmen, kommen Sie zu Ihrem Cottage“, informierte er Grace kurz angebunden und nahm seine wachsame Haltung neben dem nun offenen Tor wieder ein.

Grace stieg ins Auto und fuhr langsam an, bis sie auf gleicher Höhe mit ihm war. „Ich …“ Sie räusperte sich. „Man sagte mir, dass Mr Navarro erst ab morgen hier sein wird.“ Bei ihrem Glück hätte es sie nicht gewundert, wenn ihr neuer Arbeitgeber früher eingetroffen wäre als sie!

Der Wachmann verzog keine Miene. „Ja, das stimmt.“

„Oh.“ Verwundert runzelte sie die Stirn. „Sind die Sicherheitsmaßnahmen immer so streng, auch wenn er nicht hier wohnt?“

„Ja.“

„Oh“, murmelte Grace wieder. Sie konnte mehr fühlen als sehen, dass der prüfende Blick hinter den dunklen Sonnenbrillengläsern über sie glitt. „In Ordnung. Danke.“

„Der erste Abzweig rechts“, wiederholte der Wachmann knapp, das Gesicht geradeaus.

Graces Magen zog sich zusammen, als sie anfuhr und im Rückspiegel sah, wie die Torflügel sich schlossen. Sie war sicher, dass die Überwachungskameras auf sie gerichtet waren und verfolgten, wie sie langsam die von Bäumen gesäumte Auffahrt entlangfuhr und dann rechts abbog, um zu dem Cottage zu kommen, das nun fürs Erste ihr Zuhause sein würde.

Ihr Leben lang hatte sie tun und lassen können, was sie wollte, und kommen und gehen, wann sie es wollte. Ob sie es in diesem Hochsicherheitsgefängnis wirklich länger als vier Wochen aushalten würde?

„Ich akzeptiere keine Ausflüchte, Kevin.“ Mit großen Schritten betrat Cesar Navarro die Eingangshalle seines Domizils in England. Er hatte den ganzen Flug von Buenos Aires hierher gearbeitet und war zu müde, um einen Rückschlag bei den Verhandlungen hinzunehmen, für die er eigens hergeflogen war. „Wenn Dreyfuss nicht … Was ist das denn?“ Wie angewurzelt blieb er stehen.

Kevin zuckte zusammen, als er das dekorative Blumenarrangement auf dem Tisch in der Mitte der Halle sah. „Äh … ein Strauß Lilien?“

Cesar biss die Zähne zusammen. „Lassen Sie sie entfernen, sobald wir mit unserer Unterredung fertig sind“, befahl er knapp und setzte sich in Bewegung.

„Selbstverständlich.“ Kevin Maddox war klug genug, nicht nach dem Grund zu fragen, als er seinem Arbeitgeber in dessen Büro folgte.

Cesar setzte sich hinter den riesigen Mahagonischreibtisch und sah seinen Assistenten durchdringend an. „Ich dachte, ich hätte es hinlänglich klargemacht, dass ich im Haus keine Blumen möchte.“

Kevin machte ein verlegenes Gesicht. „Tut mir leid, ich fürchte, ich habe vergessen, Miss Blake darüber zu informieren …“

„Die neue Haushälterin?“ Cesar hob eine Braue.

„Mrs Davis ist in Rente …“

„Das ist mir bekannt. Ich meine mich zu erinnern, dass ich ihr eine Gratifikation gezahlt habe, als sie in den Ruhestand ging.“ Ein spöttisches Lächeln zuckte um Cesars Mundwinkel.

„Richtig“, bestätigte Kevin. Er war derjenige gewesen, der Mrs Davis den Scheck ausgehändigt hatte. „Anscheinend habe ich Miss Blakes Unterlagen zur Genehmigung an Raphael geschickt.“

„Anscheinend.“ Cesar nickte knapp. „Haben Sie eine Kopie bei sich?“

„Selbstverständlich.“ Kevin ließ seinen Aktenkoffer aufschnappen und entnahm ihm die gewünschte Mappe. „Sie ist ein bisschen jung, aber ihre Referenzen sind ausgezeichnet, und die Sicherheitsüberprüfung war in Ordnung.“

Cesar klappte die Mappe auf. Sobald sein Blick auf Grace Blakes Geburtsdatum fiel, hob er die Brauen. „Sechsundzwanzig. Ein bisschen jung …?“ Er musterte Kevin fragend.

Kevin wand sich förmlich vor Unbehagen. „Ihre Referenzen sind ausgezeichnet.“

„Das sagten Sie bereits …“ Cesar lehnte sich in seinem Sessel zurück und verengte die Augen. „Ist sie schön?“

Sein Assistent wurde rot. „Sie denken doch nicht, dass ich mich durch ihr Äußeres hätte beeindrucken lassen …!“

„Also ist sie schön“, sagte Cesar ironisch und überflog Graces Lebenslauf. „Die letzten acht Monate war sie arbeitslos …?“

„Nein. Oder besser gesagt, ihre Mutter war sehr krank. Sie hat ihren Job gekündigt, um sich um sie kümmern zu können.“

„Ersparen Sie mir Einzelheiten aus ihrem Privatleben, Kevin.“ An Cesars Kinn vibrierte ein Nerv.

„Ich wollte auch nur … Selbstverständlich.“ Der Assistent nickte, während Cesar ihn weiter durchdringend ansah. „Und wegen der Blumen spreche ich mit ihr, sobald wir hier fertig sind.“

„Tun Sie das.“ Cesars Kiefer spannte sich an, als er die Mappe mit Miss Blakes Unterlagen zuklappte und zur Seite legte, um sie später gründlich zu lesen.

Raphael war noch draußen, um sich in Bezug auf die Sicherheitsvorkehrungen auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Gleich anschließend aber, davon ging Cesar aus, würde er sicherstellen, dass die schöne junge Miss Blake erfuhr, was Cesar Navarro bei seinen Angestellten tolerierte und was nicht.

Grace raspelte Schokolade auf das Dessert, das sie für Cesar Navarros Dinner zubereitet hatte, als Kevin Maddox die Küche betrat. „Schön, Sie zu sehen, Kevin“, begrüßte sie den Assistenten herzlich.

Vor einer Viertelstunde hatte sie den Helikopter landen hören und gehofft, dass Kevin seinen Chef begleiten würde. Seit sie sich auf dem Anwesen befand, war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass jeder ihrer Schritte beobachtet wurde – entweder von den zahlreichen Wachen, die rund um die Uhr im Dienst zu sein schienen, oder von den Kameras, die überall im Haus und auf dem Gelände angebracht waren. Diese wurden in einem Kellerraum mit rund fünfzig Monitoren von Sicherheitsleuten überwacht.

Schon das Cottage, in dem sie untergebracht war, verdiente nichts weniger als die Bezeichnung luxuriös. Doch die Ausstattung des Haupthauses war schlichtweg atemberaubend: elegante antike Möbel und Skulpturen, Stuckdecken, von denen Kristalllüster herabhingen, und wundervolle Gemälde – alles Originale natürlich –, die die seidenbespannten Wände zierten.

Und erst die Küche …!

Wenn sie von den beiden Überwachungskameras und der Tatsache absah, dass sie einen Nummerncode eingeben musste, um durch die Hintertür hinaus- oder hereinzukommen, waren die zurückhaltend schlichten Küchenzeilen aus Eiche der erfüllte Traum eines jeden Kochs. Sie gaben dem Raum etwas Warmes, angenehm Altmodisches und boten gleichzeitig allen notwendigen Hightech-Komfort, um die erlesenen mehrgängigen Menüs auf den Tisch zu bringen, die der Eigentümer des Hauses von ihr erwartete.

Allerdings war es ein Albtraum, auf das Anwesen zu gelangen oder es zu verlassen. Das hatte Grace heute Morgen herausgefunden, als sie zum Lebensmitteleinkauf in die nächstgrößere Stadt gefahren war. Erst erfolgte ein gründlicher Sicherheitscheck beim Hinausfahren. Und beim Hereinkommen hatte der Wachmann von gestern – Rodney – jede einzelne Einkaufstüte durchsucht, ehe sie das Tor passieren durfte.

Entweder war Navarro total paranoid, oder er hatte Feinde. Bei beiden Möglichkeiten beschlich Grace ein unbehagliches Gefühl.

Nach nur vierundzwanzig Stunden in diesem Goldfischglas erschien ihr der unkomplizierte Kevin Maddox mit seinem angenehmen Äußeren, dem kurz geschnittenen blonden Haar und den tiefblauen Augen wie eine frische Brise.

„Was riecht denn hier so gut?“ Er schnupperte anerkennend.

Grace trug ihre „Arbeitsuniform“ – eine gestärkte weiße Bluse und einen knielangen schwarzen Bleistiftrock. Das lange Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, damit es ihr bei der Zubereitung des Essens nicht im Weg war. „Karotten-Ingwer-Suppe, gegrillter Seebarsch an neuen Kartoffeln und gedünstetem mediterranen Gemüse. Zum Dessert …“

„Ah.“ Kevin seufzte bedauernd, als er die gehaltvolle Mousse au Chocolat entdeckte, die Grace mit weißen und dunklen Schokoraspeln dekoriert hatte.

Sie runzelte die Stirn, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. „Mag Mr Navarro keine Schokolade?“

„Mr Navarro isst kein Dessert.“

Grace machte große Augen und stammelte: „Was, er …? Nie?“

„Nie.“

„Aber Süßspeisen sind meine Spezialität! Ich bin gelernte Patissière.“

„Das ist mir bekannt.“ Kevin zuckte mit den Schultern. „Und davor haben Sie ein Meisterdiplom französischer Küche erworben.“

„Das war …“ Grace unterbrach sich, als ihr klar wurde, dass ihr ungeduldiger Protest zwecklos war. Sie brauchte diesen Job, und wenn Cesar Navarro kein Dessert aß, dann aß er eben kein Dessert. „Gibt es sonst noch etwas, das Mr Navarro nicht essen mag?“ Sie nahm die Glasschüssel mit der Mousse au Chocolat und stellte sie in den Kühlschrank.

„Ich habe nicht gesagt, dass er Dessert nicht mag. Nur, dass er keines isst“, erwiderte Kevin.

„Hat er Angst vor Hüftspeck?“ Grace seufzte. „Entschuldigung, das hätte ich nicht sagen sollen.“

„Stimmt“, pflichtete Kevin ihr nüchtern bei. „Aber wo wir schon davon reden: Er mag auch keine Blumen in der Eingangshalle. Auch darauf hatte ich vergessen, Sie aufmerksam zu machen.“ Er verzog das Gesicht. „Mrs Davis war lange vor mir bei Mr Navarro angestellt. Sie kannte seine Marot… Vorlieben. Ich habe es versäumt, Sie darüber aufzuklären.“

Grace runzelte die Stirn. „Er mag die Lilien nicht?“

„Nein.“

„Welche Blumen will er dann im Haus haben?“

„Keine.“

Sie blinzelte. „Leidet er an einer Allergie? Heuschnupfen oder so?“ Wie schlimm der werden konnte, wusste sie. Je nach Pollenbelastung hatte ihre Schwester im Frühjahr, im Sommer und selbst noch im Herbst zur Erntezeit schreckliche Beschwerden.

„Nicht dass ich wüsste.“

Frustriert schüttelte Grace den Kopf. „Aber was kann man denn an Blumen im Haus nicht mögen?“ Die langstieligen rosa Lilien waren unglaublich schön und sie hatten göttlich geduftet, als sie sie heute Morgen in der Vase arrangiert hatte.

Kevin zuckte mit den Schultern. „Meiner Erfahrung nach ist es am besten, Mr Navarros Anweisungen nicht zu hinterfragen.“

„Wenn er sagt ‚spring‘, pflegen die Leute zu springen, nicht wahr?“, mutmaßte Grace scharfsinnig.

Kevin lachte. „Das trifft es, ja.“

„Ich soll also die Blumen aus der Eingangshalle entfernen, richtig?“

„Genau.“

„Meinetwegen.“ Sie zuckte die Schultern.

Kevin seufzte erleichtert. „Und wie leben Sie sich sonst ein, von diesen geringfügigen Problemen abgesehen?“

Gar nicht. Und nun, da Cesar Navarro tatsächlich eingetroffen war und sie noch mehr Einschränkungen unterworfen war, wusste sie nicht einmal, ob sie es überhaupt wollte …

Das Regelwerk, das man ihr vor ihrer Ankunft hier unterbreitet hatte, die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen, die auf dem Anwesen herrschten – all das hatte sie schon genug befremdet. Doch nun konnte sie Cesar Navarros Gegenwart im Haus förmlich spüren. Eine düstere, hochmütige, brütende Gegenwart, und das gesamte Anwesen schien davon durchdrungen. Kevin Maddox jedenfalls war bei Weitem nicht so entspannt und offen wie bei den beiden Einstellungsgesprächen oder dem gestrigen Telefonat. Und sicher hatten Rodney und seine Kollegen ihre Wachsamkeit noch um einiges erhöht, seit ihr Boss auf dem Anwesen weilte.

Wie konnte ein Mensch so leben? Ständig abgeschirmt, wie in einer Blase, komplett isoliert vom Rest der Welt? Grace wusste es nicht, aber diese Art zu leben war nichts für sie. Nicht dass sie je reich oder wichtig genug sein würde, um sich ernsthaft Gedanken um das Thema machen zu müssen.