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Die Welt der Moleküle Atome und Elektronen strapaziert unsere Vorstellungskraft von Zeit. In Millionsteln einer milliardstel Sekunde finden chemische Reaktionen statt. Noch tausend Mal schneller, in Attosekunden, wechseln quantenmechanisch Elektronen ihren Aufenthaltsort in Atomen. Wer diese Elementarteilchen »fotografieren« will, muss ebenso schnell sein. Die Attosekundenphysik bietet die Chance. Dieses noch junge und gleichsam faszinierende Wissenschaftsgebiet stellt Thorsten Naeser, Wissenschaftsjournalist, Fotograf und Öffentlichkeitsreferent am Institut für Attosekundenphysik des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching, in Ultraschneller Tauchgang in die Atome erstmals allgemein verständlich vor. Er erzählt die Geschichte der Ultrakurzzeitphotographie, der Quantenmechanik und schließlich der auf modernster Lasertechnologie basierenden Attosekundenphysik. Schnell wird klar: Die Jagd nach immer kürzeren ?Belichtungszeiten?, noch winzigeren Sekundenbruchteilen und spektakulären Bildern aus dem Mikrokosmos ist in vollem Gang.
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Seitenzahl: 246
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort
Vorwort
1 Die Erforschung des Lichts – eine Reise durch die Zeit
Das Lebenselixier des blauen Planeten
Als der Mensch das Feuer zähmte – Interview mit Wil Roebroeks
Licht aus Korpuskeln
Ist die Lichtgeschwindigkeit endlich?
Elegante Lichtwellen
Die Psychologie des Lichts
Die geheimen Botschaften im Licht
Vier Formeln für das Licht
Licht als Verkehrsmittel
Am Vorabend der modernen Physik
Im Bann der Lichtphänomene
Das Atom wird quantisiert
Licht und Materie im Wechselspiel
Rosinen im Kuchenteig
Elementarteilchen in Bewegung
Elektronen als Lichtfänger
Rätselhafte Teilchen
Licht – die elementarste Größe in den Naturwissenschaften
Unsichtbares Licht
Ultraviolettes Licht
Infrarotlicht
Röntgenlicht
Röntgenlicht aus neuen Maschinen
Kohärentes Licht
Der Quantenkosmos – eine fremdartige Welt
Nachtschicht, Schnitzel und Atome
2 Der Laser – eine ganz spezielle Lichtquelle
Die stimulierte Emission – Albert Einstein schuf die Grundlage
Eine Erfindung mit Anlaufschwierigkeiten
Licht aus der Röhre
Laserpulse am Limit
Die hohe Kunst der Spiegelherstellung
3 Die flüchtige Zeit
Von der Sonnenuhr bis zur Atomuhr
Chronofotografie – die Zeit im Bild
Rotierende Spiegel
Ultrakurze Zeitintervalle
4 Alles schwingt – Moleküle und Atome im Licht
Im Nanokosmos der goldenen Sonnenblumen
Eine Stradivari für Licht und Elektronen
Wenn Licht auf Moleküle trifft
Der Fotograf der Moleküle
Fotosynthese im Femtosekundenlicht
Moleküle im Wellenstrudel
5 Eine neue Zeitrechnung beginnt
Vorstoß in unbekannte Dimensionen
Am Rand der Vorstellungskraft
Fluoreszierende Atome ebneten den Weg – Interview mit Anne L’Huillier
Am Vorabend der Attosekundenphysik
Die Bibel war Motivation – Interview mit Paul Corkum
Die Attosekundenphysik kommt ins Rollen – Interview mit Ferenc Krausz
6 Die Attosekundentechnik
Wie ultrakurze Lichtblitze entstehen
Die Geburt eines Attosekunden-Lichtblitzes
Die schnellste Stoppuhr der Welt
Elektronen als Zeitmesser
Attosekunden-Pulszüge
Die Vermessung des Lichts
Tiefer Blick ins Kryptonatom
Von 80 auf 67 Attosekunden in vier Jahren
Die schnellste Kamera der Welt – eine Entstehungsgeschichte
Gezähmte Lichtwellen
Auf dem Weg zu einer neuen Elektronik – Interview mit Eleftherios Goulielmakis
Lichtblitze im Streifflug
Lichtblitze aus dem Spiegel
Reflexionen an der rasenden Elektronenwand
7 Blick in die Forschung
Thomas Young in der Attowelt
Erste Messung im Festkörper
Turbulenzen im Kristall
Absprachen im Atom
Ein Stroboskop für Quanten
Eine Laseruhr für Quantenphänomene
Im Inneren von Molekülen
Im Attosekundenkino
Elektronen im Molekülzerfall
Bewegungsfreudige Elektronen
Ultrakurzzeit-Spektakel im Kryptonatom
Auf Albert Einsteins Spuren
Billardspiel im Atom
Gedankenspiele über den Mikrokosmos – Interview mit Vladislav Yakovlev
Blockbuster aus dem Mikrokosmos
Attosekunden-Nanooptik – von der Antike ins 21. Jahrhundert
Nano-Pingpong
Blitzlicht aus dem Nanotrichter
Stromschalter aus Licht
Wissenschaft kommunizieren: Ein Schuss Fantasie
Wissenschaft kommunizieren: Attosekundenphysik im Newsticker
Wohin führt uns die Attosekundenphysik?
8 Noch kürzer und noch stärker
Die Zukunft hält einiges parat
Neuland
Opium für die Physik
A Appendix
B Appendix
Glossar
Danksagung
Literaturnachweis
Personenregister
Stichwortverzeichnis
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Laser, Licht und Leben
Techniken in der Medizin
2006
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Bäuerle, D.
Laser
Grundlagen und Anwendungen in Photonik, Technik, Medizin und Kunst
2009
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Physik ohne Ende
Eine geführte Tour von Kopernikus bis Hawking
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Diels, J., Arissian, L.
Lasers
The Power and Precision of Light
2011
ISBN: 978-3-527-41039-2, Ebenfalls in digitalen Formaten erhältlich.
Autor
Thorsten Naeser Max-Planck-Institut für Quantenoptik Hans-Kopfermann-Str. 1 85748 Garching Deutschland
Cover
Hintergrund: Ausschnitt von optischen Systemen auf einem Lasertisch (Copyright Thorsten Naeser).
Vordergrund: Erste Fotografie einer Lichtwelle. Im Jahr 2004 gelang es, die Schwingungen eines infraroten Laserpulses mit Attosekunden-Lichtblitzen im Bild festzuhalten (Copyright Eleftherios Goulielmakis/LMU-MPQ Labor für Attosekunden-Physik).
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Geleitwort
Als im Jahr 1999 Ahmed Zewail für seine Momentaufnahmen von Molekülreaktionen und die Begründung der »Femtochemie« den Nobelpreis für Chemie erhielt, verfolgte ich zusammen mit meinen Kollegen an der Technischen Universität Wien gespannt die Preisverleihung in Stockholm. Schon damals war klar: Die Veränderung der Struktur und die Zusammensetzung von Molekülen ist nicht allein durch die Femtosekunden schnelle Bewegung von Atomen bedingt. Letztere werden erst durch die Anregung und daraus resultierende Bewegung von Elektronen ausgelöst. Es war auch bekannt, dass Elektronenbewegungen noch tausend Mal schneller sind als Molekülreaktionen. Folglich muss die »Stoppuhr«, mit der ihre Dauer gemessen werden kann, Attosekunden feine Einteilungen haben und die Kamera, mit der sie in scharfen Momentaufnahmen festgehalten werden können, mit einer entsprechend kurzen Belichtungszeit ausgestattet sein. Beides erfordert Attosekunden kurze Lichtblitze, die damals nicht verfügbar waren.
Attosekunden dauern nur noch Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Auf dieser Zeitskala hüpfen Elektronen aus einer chemischen Bindung in eine andere und steuern dadurch lebenswichtige Vorgänge in Biomolekülen. Solche Elektronensprünge können aber auch Veränderungen hervorrufen, die letztendlich zu lebensbedrohenden Fehlfunktionen in Organismen führen.
Im Attosekunden-Kosmos fließen die schnellsten elektrischen Ströme. Mit ihrer Hilfe könnte eines Tages die heutige Mikrowellenelektronik bis hin zur Lichtwellenelektronik weiterentwickelt werden, bis an die ultimative Grenze der elektronischen Datenverarbeitung. Direkte Einblicke in die Attosekunden schnellen Elektronenbewegungen und deren Steuerung versprechen daher sowohl in den Lebenswissenschaften und Medizin, als auch in der Elektronik und Informationstechnologie neue Perspektiven zu eröffnen.
Doch wie ist es möglich, die unvorstellbar schnellen Elektronen-Vorgänge im Attosekundenbereich in »Zeitlupe« sichtbar zu machen? Die Kurzpuls-Lasertechnik war mit Femtosekunden-Zeiträumen, begrenzt durch die Wellenlänge des sichtbaren Lichts, an ihr Limit gestoßen. Man musste also neue Wege finden, um noch kürzere Lichtblitze zu generieren, mit denen man dann ultraschnelle Bewegungen beobachten könnte. Dabei spielten die kürzest möglichen Laserwellen und die Kontrolle über ihre Schwingungen eine Schlüsselrolle. Die Technik wurde in den 90er Jahren dank zahlreicher Innovationen in Forschungslaboratorien auf der ganzen Welt verfügbar. Mit ihrer Hilfe konnten wir in Kooperation mit Kollegen aus Deutschland und Kanada in unserem Labor an der TU-Wien an der Jahrtausendwende erstmals einzelne Attosekunden-Lichtblitze produzieren und mit diesen anschließend Elektronen-Bewegungen in Echtzeit beobachten.
Seitdem hat sich viel getan. Tausende von Forschern auf der ganzen Welt ließen sich in den Bann der »Elektronenchronoskopie und -photografie« ziehen. Die kürzesten Lichtblitze dauern heute nur noch 70 Attosekunden, die präziseste »Stoppuhr« kann Zeitspannen von wenigen Attosekunden messen. Lichtwellen lassen sich innerhalb ihrer Wellenlänge verformen, um mit deren maßgeschneiderten Kraft Elektronenbewegungen in Atomen, Molekülen und Festkörpern zu steuern. Die Fähigkeit, Vorgänge im Attosekundenbereich sowohl messen als auch steuern zu können, birgt ein enormes Potenzial für bahnbrechende fundamentale Erkenntnisse und technologische Entwicklungen.
Damit dieses Potenzial in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zum größtmöglichen Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft und zur Verbesserung unserer Lebensqualität über Entwicklungen in der Medizin- oder Informationstechnik voll ausgeschöpft werden kann, müssen wir für diese junge Disziplin das Interesse derer wecken, die vorher von Attosekunden kaum gehört haben. Thorsten Naeser nahm sich dieser äußerst ehrgeizigen Aufgabe an, als er sich unserer Gruppe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) und an der Ludwig-Maximilians Universität (LMU) München im Jahre 2008 als Referent für Öffentlichkeitsarbeit anschloss. Seither hat er in Dutzenden Präsentationen und Pressemeldungen über unsere Attosekundenforschung sowie auf unserer Website attoworld.de – mit faszinierenden Bildern und in beeindruckend leicht verständlicher und zugleich wissenschaftlich präziser Didaktik – berichtet.
Seine jahrelange erfolgreiche Arbeit an der Schnittstelle unserer MPQ-LMU Forschungslabore mit Wissenschaftlern aus mehr als zwei Dutzend Ländern und der Öffentlichkeit aus dem In- und Ausland bildete die Basis für dieses Buch, motiviert durch das Interesse und Begeisterung seiner »Kunden«: Schülergruppen, Journalisten und interessierte Laien. Sie halten das Buch eines Wissenschaftsjournalisten und Fotografen in der Hand, der wie kaum ein anderer seiner Zunft in täglichem Kontakt zum Gegenstand seines Schriftstücks, dem Elektronenkosmos und den Attosekundenwissenschaften steht.
Mit diesem Buch erhalten Sie, liebe Leser, einen umfassenden Einblick wie sich die Attosekundenphysik seit ihren Anfängen entwickelt hat und wie die kürzesten Lichtblitze dem Mikrokosmos langsam seine Geheimnisse entreißen. Wir wissen, dass wir noch am Anfang unserer Forschungsarbeit in der Welt des Allerkleinsten stehen. Diese Tatsache provoziert Visionen und Forscher leben von Visionen. Sie treiben uns täglich an, die Grenzen unseres Wissens noch ein Stückchen weiter auszudehnen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser, erhellende Einblicke in eine Wissenschaft, die uns täglich aufs Neue in ihren Bann zieht.
Ferenc Krausz
Vorwort
»Es werde Licht! Und es ward Licht.«
Die Bibel.
Im Lauf der Jahrtausende haben die Menschen alles Erdenkliche angebetet. Darunter waren Steine, Bäume, Schlangen oder der Regen. Fast allen Kulturen gemeinsam war jedoch die Verehrung des Lichts oder seiner direkten Quelle – der Sonne. Die Babylonier nannten ihren Sonnengott Schamasch, die Griechen Helios und die Maya Itzamná.
Weniger im religiösen als im physikalischen Sinn spielt Licht in diesem Buch die Hauptrolle. Ohne Licht wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Doch die Natur hat das Licht nicht nur zu einer Quelle des Lebens auserkoren, sie hat in ihm auch eine Unmenge an Informationen gespeichert – über ferne Galaxien, genauso wie über Moleküle, Atome oder Elektronen. Die Kunst der Physik ist es, diese Informationen auszulesen und ihren Code zu entziffern. In vielen Disziplinen hat die Physik die für das menschliche Auge begreifbaren Dimensionen um viele Größenordnungen schon lange unterschritten. Vorgedrungen ist sie mittlerweile bis zum Allerkleinsten – in die Welt der Quanten.
Eine solche Reise in das Innerste der Materie gleicht einer Zwiebelschale. Elektronen, die in diesem Buch zu den Hauptakteuren gehören, sind dabei noch lange nicht die innerste Schale, auf die man in so einer kosmischen »Zwiebel« stößt. Während Elektronen durchaus noch über eine physikalisch gesehen relevante Masse verfügen, schwirren durch das Universum auch viele masselose Partikel. Unzählige dieser Teilchen regnen täglich auf die Erde und durch unsere Körper hindurch, ohne dass wir es überhaupt merken.
Alle Elementarteilchen zusammen prägen das heutige Bild der Physik – sowohl in der Erforschung des Mikro- als auch des Makrokosmos. Denn wer größere Zusammenhänge, ja vielleicht irgendwann einmal sogar das Universum, verstehen will, der muss sich unweigerlich mit dem Allerkleinsten beschäftigen. Und da gibt es noch unendlich viele offene Fragen. Das haben sowohl Teilchenals auch Astrophysik erkannt und nähern sich seit einigen Jahren einander an.
Hier ähnelt die Physik dem legendären Fabelwesen Urobos (griechisch für Selbstverzehrer). Diese Urschlange beißt sich in den eigenen Schwanz. In der antiken Mythologie symbolisiert der Urobos ein vollendetes Wesen, genauso wie die ewige Wiederkehr und die Unendlichkeit. Die Alchemisten sehen in ihm die ständigen Wandlungsprozesse der Materie. Das Erhitzen, Verdampfen, Abkühlen und Kondensieren einer Flüssigkeit – alles dient zur Verfeinerung von Substanzen.
Beginnt man am Kopf der Schlange mit einer Längenskala und den größten kosmologischen Dimensionen, der Größe des Universums von rund 1030 Zentimetern und bewegt sich von dort zu den kleinsten Dimensionen von 10−21 bis 10−25 Zentimetern an ihrem Schwanz, schließt sich der Kreis der Natur.
Am Schwanz des Urobos machen die Wissenschaftler mit gleich zwei ausgewachsenen Problemen Bekanntschaft: kleine Dimensionen und extrem schnelle Vorgänge. Beidem stellt sich seit mehr als einem Jahrzehnt die Attosekundenphysik. Sie will die unendlich vielen weißen Flecken auf der Landkarte dieses Mikrokosmos mit einer »Geografie« füllen. Die Forscher bewegen sich hier nicht nur am Rande der Erkenntnis, sondern auch am Rande der heutigen technologischen Möglichkeiten.
Wo genau uns die Attosekundenphysik hinführen wird, ist schwer vorherzusagen. Die Entwicklung der Technik ist den Kinderschuhen entwachsen, der Wissenszuwachs daraus gewinnt gerade erst an Fahrt. Das lässt Visionen aufleben, die zu haben jedem Forscher gestattet sein sollte. Denn ohne Visionen als Motivation und den nötigen Ehrgeiz wären wir noch nicht viel klüger als vor vielen Hunderttausend Jahren – als der Mensch allmählich lernte, das Feuer zu beherrschen.
Abb. 1 Der Drache Urobos in dem alchemistischen Werk »De Lapide Philosophico«, das der Frankfurter Kupferstecher Lucas Jennis imJahr 1625 veröffentlichte.
Thorsten Naeser
»Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.«
Mephistopheles zu Faust,Johann Wolfgang von Goethe.
Im Jahr 1953 gelang Harold Urey und Stanley Miller an der Universität Chicago ein bahnbrechendes Experiment. Die beiden Chemiker simulierten die Bedingungen, wie sie auf der Erde vor rund 4,5 Milliarden Jahren geherrscht haben müssen. Der Blaue Planet war gerade im Entstehen. Für heutige Verhältnisse herrschten damals unwirtliche Bedingungen. Es gab keinen Sauerstoff in der Atmosphäre, orkanartige Stürme trieben meterhohe Wellen über gewaltige Urozeane. In vielen Regionen tobten permanent heftige Gewitter.
Jene Urozeane und die dazugehörige Atmosphäre stellten Harold Urey und Stanley Miller in einem Glaskolbensystem in ihrem Labor nach. In einem Kolben erhitzten die Chemiker Wasser und Ammoniak. In einem zweiten mixten die Chemiker Methan, Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid zu einer künstlichen Atmosphäre zusammen. Diese setzten die Forscher über Elektroden heftigen »Gewittern« aus. Das Experiment war ein geschlossener Kreislauf. Durch die elektrischen Entladungen entstanden aus den Gasen wasserlösliche Verbindungen. Durch Kühlen kondensierten sie und wurden dann wieder in den »Urozean«-Glaskolben geleitet. Dazu setzten die beiden Chemiker die Glaskolben-Anordnung permanent ultravioletter Strahlung aus.
Nach einigen Tagen war es soweit und die Sensation perfekt. In dem Reagenzglas bildeten sich erste organische Verbindungen. Die beiden Forscher entdeckten einfache Moleküle, darunter Aminosäuren und Zucker, die als Bausteine des Lebens gelten.
Neben vielen bahnbrechenden Erkenntnissen bewiesen die Experimente einmal mehr: Leben auf der Erde ist ohne Licht kaum vorstellbar. Die Strahlung der Sonne ist das Lebenselixier des blauen Planeten. Alle Energie, die wir Menschen verbrauchen, stammt letztendlich aus dem Sonnenlicht. Ob wir uns ernähren, Erdöl verbrennen oder Wasser- und Windkraft in Strom umwandeln – immer ist irgendwo die Sonne mit im Spiel. Licht ist pure Energie. Sie steht der Erde seit ihrer Entstehung zur Verfügung. Dabei unterlag die Einstrahlung auf der Erde unregelmäßigen Schwankungen. Insgesamt jedoch hat die Menge der eingestrahlten Energie über die Jahrmilliarden zugenommen. Doch die Natur störte das nicht; sie reagierte auf die Veränderungen und wusste die Strahlungsmenge aus dem Universum immer für sich zu nutzen.
Zwar wurde die Frage nach den Mechanismen der Entstehung des Lebens durch das Experiment von Urey und Miller nicht vollständig geklärt. Aber bis heute gilt der Versuch als ein wichtiger Meilenstein für die Erforschung des Ursprungs des Lebens. Auch heute noch geht man davon aus, dass sich damals unter extremen Umweltbedingungen aus Atomen, wie Kohlenstoff und Wasserstoff gepaart mit Stickstoffverbindungen, komplexere Moleküle bildeten. Daraus entwickelten sich Kleinstlebewesen, zu denen die heute ältesten bekannten Lebensformen, die Archaebakterien, gehören. Über die Jahrmilliarden sind daraus immer variantenreichere Formen des Lebens entstanden.
Und der Ideenreichtum der Natur ist ungebrochen. Er reicht so weit, dass wir bis heute bei Weitem nicht alle Varianten der Evolution kennen. Immer wieder entdeckt man neue Lebensformen in den Tiefen der Ozeane, in den verborgensten Winkeln der Regenwälder oder den Eiswüsten des Planeten. Aber auch die gemäßigten Breiten des Globus haben sicher noch lange nicht all ihre Geheimnisse preisgegeben.
Abb. 2 Wil Roebroeks. Foto: privat.
Wann lernten die Menschen das Feuer und damit auch das Licht zu kontrollieren? Diese Frage ist nicht restlos geklärt. Die Meinungen der Archäologen gehen weit auseinander. Wil Roebroeks, Professor für Archäologie des Paläolithikums an der Universität Leiden, gibt Auskunft über die Erforschung der Beziehung zwischen Mensch und Feuer.
Wann haben die Menschen Ihrer Meinung nach zum ersten Mal den Umgang mit dem Feuer beherrscht?
Roebroeks: Diese Frage wird nach wie vor heftig diskutiert. Die Meinungen gehen auseinander. Sie variieren in dem Zeitraum zwischen 1,8 Millionen Jahren und etwa 300 000 bis 400 000 Jahren vor heute. Meine Kollegin Paola Villa und ich selber tendieren zu dem jüngsten Zeitraum. Wir nehmen an, dass die ersten Menschen von Afrika nach Europa wanderten, ohne dass sie das Feuer bereits kontrollierten.
Wie lernten die Menschen den Umgang mit dem Feuer?
Roebroeks: Das ist natürlich reine Spekulation, darüber etwas zu sagen, aber wir müssen durchaus in Erwägung ziehen, dass die Menschen gerade in vulkanisch geprägten Regionen oft mit dem Feuer konfrontiert waren und dort den Umgang mit ihm lernten. Das dürfte zum Beispiel im afrikanischen Rift Valley und im Afar-Dreieck der Fall gewesen sein. Studien auf Java haben auch gezeigt, dass tropische Waldbrände Lehrmeister für den Gebrauch von Feuer von Homo erectus gewesen sein könnten. Das Leben in feuerreichen Gebieten könnte den gelegentlichen Gebrauch von Feuer begünstigt haben, aber archäologisch nachweisbar ist das kaum.
Wie kann man den Gebrauch von Feuer nachweisen, wenn er mehrere 100 000 Jahre zurückliegt?
Roebroeks: Wir können den Gebrauch von Feuer vor mehr als 250 000 Jahren bei den Neandertalern an mehreren Hundert Feuerstellen nachweisen. Dort wird ersichtlich, dass sie zum Beispiel ihre Jagdbeute mit Hilfe von Feuer zubereiteten. Man findet immer wieder verbrannte Knochenstücke oder Holzkohle. Allerdings muss man bei solchen Funden aufpassen, dass man sie in den richtigen Kontext stellt, denn solche Überreste können auch durch natürliche Brände entstanden sein.
An einigen Stellen können wir aber auch zeigen, dass die Neandertaler mit Feuer Werkzeuge hergestellt haben. In einigen Fällen produzierten sie sogar Klebstoff, was ein komplizierter Prozess war, bei dem die Neandertaler sicher Kontrolle über das Feuer und die damit verbundene richtige Temperatureinstellung benötigten.
Wo liegen die ältesten von Menschen benutzten Feuerstellen in Europa?
Roebroeks: Mit zu den ältesten Feuerstellen in Europa gehört zum Beispiel »Beeches Pit« in Großbritannien. Dort gibt es Nachweise, dass vor 400 000 Jahren, im Mittleren Pleistozän, mit Feuer gearbeitet wurde.
Es mag heute etwas seltsam anmuten, einen der größten Naturforscher des 17. Jahrhunderts als Philosophen zu bezeichnen. Doch zu einer Zeit, in der Theologie, Naturwissenschaft und Philosophie noch nicht durch klare Richtlinien getrennt waren, war es durchaus üblich, einen Gelehrten wie Isaac Newton als Philosophen zu bezeichnen. Und in der Tat: Neben harten Zahlen und Fakten finden sich in Newtons Werken nicht selten tief philosophische Gedankengänge.
Zeittafel 1 Im Zeitraffer: Vom Feuer bis zur himmlischen Kathedrale.
Vor 1,5 Millionen Jahren
Der Mensch lernt das Feuer kennen und allmählich für sich zu nutzen.
Rund 10 000 v. Chr
.
Kienspäne dienen als Lichtquellen. Kienspäne sind harzreiche Holzstücke. Sie gelten als die ältesten bekannten Grubenbeleuchtungen in Mitteleuropa und wurden bis ins 19. Jahrhundert verwendet.
Ab 3000 v. Chr.
In Mesopotamien und Ägypten benutzen die Menschen Bronzespiegel. Die Spiegel dienten oft als Grabbeigaben.
5. Jhd. v. Chr.
Griechische Philosophen und Gelehrte schreiben ihre Naturbeobachtungen auf. Dabei spielen Licht und Optik eine wichtige Rolle. So schreibt zum Beispiel Euklid (360–280 v. Chr.) in seiner »Optika«, dass Licht in geraden Linien reist. Er beschreibt die Gesetze der Reflexion. Er glaubt, dass Licht aus den Augen austritt und Objekte beleuchtet.
5. Jhd. v. Chr.
Römer und Griechen nutzen einfache Linsen als Brenngläser.
Um 1000 n. Chr.
Der Mathematiker und Astronom Alhazen (965–1040) veröffentlicht sein Werk »Opticae Thesaurus«. Darin beschreibt er zahlreiche optische Experimente. Alhazen erkannte die Bedeutung der Linse im Auge und widerlegte die Sehstrahlen-Theorie von Euklid. Er erkannte über die Beobachtung des Mondes auch, dass Lichtbrechung in der Luft stattfinden muss.
11. und 12. Jhd n. Chr.
In Europa entstehen gotische Kathedralen. Das Licht spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Gotteshäuser sind in Rubinrot, Saphirblau, Smaragdgrün oder Gold getaucht. Farbe bedeutet Sieg des Lichts über die Finsternis: Gott ist Licht. Zentrales Element der Kirchen ist die Fensterrose, die vorwiegend nach Westen ausgerichtet wird. Die untergehende Sonne bringt das Lichtrad zu seiner größten Strahlkraft.
Heute gilt Newton vor allem als Begründer der klassischen Mechanik. Der englische Adelige konnte sich aber auch große Meriten bei der Erforschung des Lichts auf die Fahnen schreiben. Im Jahr 1669 übernahm Newton den prestigereichen Lukasischen Lehrstuhl für Mathematik am Trinity College in Cambridge (England). Neben der Mathematik lehrte Newton dort aber auch Optik. Denn Newtons Interesse galt schon länger den Phänomenen rund um das Licht. Er hatte bereits seine Antrittsvorlesung über die Theorie der Farben gehalten. Das lag insofern nahe, als dass man damals davon ausging, dass der Kosmos nach strikten mathematischen Grundsätzen angelegt sei.
Im Jahr 1704 veröffentlichte Newton dann sein Hauptwerk über die Optik: »Opticks or a treatise of the reflections, refractions, inflections and colours of light«. Bereits 1666 hatte er weißes Licht mit Hilfe von Prismen in seine farbigen Bestandteile aufgespalten. Daraufhin stellt Newton seine »Korpuskeltheorie« auf. Er kommt zu dem Schluss, dass Licht aus unveränderlichen, atomähnlichen Lichtteilchen besteht. Der Eindruck von Farbe entsteht durch die unterschiedliche Größe der Korpuskel. Ebenso war Newton der Überzeugung, dass die Erwärmung von Gegenständen durch Licht, nicht nur durch bloße Druckwirkung zustande kommt, sondern es müsse zudem irgendeine Art von Bewegung vorhanden sein. Bei vielen seiner Zeitgenossen, stieß der große Naturforscher mit seinen Thesen auf erbitterten Widerstand. Man ging in der Regel davon aus, dass Licht nur aus Wellen besteht.
Ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts endlich oder unendlich? Diese Frage beschäftigte die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten. Vor allem die Anhänger von Aristoteles plädierten dafür, dass die Lichtgeschwindigkeit unendlich groß sei.
Einen ersten schlagkräftigen Beweis für die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit, lieferte der dänische Astronom Ole Christensen Rømer (1644–1710). Als Beweis dienten ihm die Monde des Planeten Jupiter. Der italienische Mathematiker Giovanni Domenico Cassini hatte 1668 in Bologna aufgrund der Umlaufzeiten eine exakte Tabelle aufgestellt, wann sich die Jupitermonde verfinsterten. Je nachdem in welcher Entfernung die Erde zum Jupiter steht, verändert sich jedoch der Zeitpunkt, zu dem man die Verfinsterung von der Erde aus aufzeichnen kann. Je weiter die Erde vom Jupiter entfernt ist, desto später beobachtete man das Eintreten der Monde in den Jupiterschatten.
Aus dieser Tatsache schloss Ole Rømer, dass die Geschwindigkeit des Lichts endlich sein muss. In seinem Artikel »Démonstration touchant le mouvement de la lumière trouvé par M. Roemer de l’Académie des sciences« gab Rømer allerdings keine Geschwindigkeit an. Er schrieb lediglich, dass das Licht 22 Minuten benötigt, um einmalden Durchmesser der Erdbahn um die Sonne zurückzulegen (rund 300 Millionen Kilometer). Aus Rømers Beobachtungen wiederum errechnete der niederländische Astronom Christiaan Huygens im Jahr 1678 die Geschwindigkeit des Lichts mit 212 000 Kilometern pro Sekunde.
»Schließlich bleibt noch viel mehr über die Natur des Lichts zu erforschen übrig, als ich davon entdeckt zu haben glaube, und ich würde demjenigen zu grossem Danke verpflichtet sein, der meine hierhin mangelnden Erkenntnisse ergänzen könnte.«
Christiaan Huygensim Vorwort zu »Abhandlung über das Licht«.
Das Licht zu beherrschen ist seit vielen Jahrhunderten der Traum der Naturforscher. Wie man Licht mit Spiegeln umleitete, war schon mehrere Jahrtausende bekannt. Auch einfache Linsen waren schon lange in Gebrauch.
Doch erst richtig in Mode kamen Linsen und andere Optiken, wie etwa Fernrohre oder Mikroskope, zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Man experimentierte viel, doch die Erfolge, das Licht zu kontrollieren, ließen erst einmal zu wünschen übrig.
Linsen und vor allem Teleskope waren auch die große Leidenschaft von Christiaan Huygens (1629–1695). Doch was der Niederländer durch seine gekauften Optiken beobachten konnte, stellte ihn nicht zufrieden. Die Abbildungsqualität war einfach zu schlecht. Huygens Ehrgeiz war geweckt, er ging das Problem neu an und beschäftigte sich erst einmal ausgiebig mit der Natur des Lichts. Danach machte er sich daran, neue Geräte zu entwickeln.
Um das Jahr 1650 bemerkte Huygens, dass man die Eigenschaften des Lichts erklären konnte, wenn man es analog zu Wellen im Wasser betrachtet. Daraufhin formulierte der Astronom das berühmte Huygenssche Prinzip, nach dem jeder Punkt auf einer sich vorwärts bewegenden Wellenfront selbst eine Quelle neuer Wellen ist. Aus diesem Prinzip entwickelte er die Wellentheorie des Lichts. Er schreibt in seiner »Abhandlung über das Licht«: »Hinsichtlich der Fortpflanzung dieser Wellen ist ferner noch zu bedenken, dass jedes Theilchen des Stoffes, in welchem eine Welle sich ausbreitet, nicht nur dem nächsten Theilchen, welches in der von dem leuchtenden Punkte aus gezogenen geraden Linie liegt, seine Bewegung mittheilen muss, sondern nothwendig allen übrigen davon abgiebt, welche es berühren und seiner Bewegung widersetzen. Daher muss sich um jedes Theilchen eine Welle bilden, deren Mittelpunkt dieses Theilchen ist.«
Außerdem war der Naturforscher überzeugt, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich sein muss. Zunächst wurde Huygens nicht ernst genommen, da man die »Korpuskeltheorie« von Isaac Newton favorisierte. Diese Theorie lehnte Huygens strikt ab. Er argumentierte, dass sich die Lichtteilchen gegenseitig stören müssten, wenn sie sich gegenläufig bewegten.
Seine bahnbrechenden Erkenntnisse ermöglichten es Huygens, die optischen Qualitäten von Teleskopen und Linsen deutlich zu verbessern. Mit einem selbst gebauten und stark verbesserten Teleskop entdeckte er im Jahr 1655 schließlich den Saturnmond Titan. Ebenso wies er nach, dass der Mars rotiert.
Anfang des 18. Jahrhunderts war man sich also noch sehr uneinig was Licht eigentlich sei: Man hatte die Wahl, was man glauben wollte: Der französische Philosoph und Mathematiker René Descartes (1596–1650) vertrat die Meinung, dass der Lichteindruck im Auge durch Bewegung von Kügelchen hervorgerufen wurde. Christiaan Huygens war der Ansicht, dass der Stoff, aus dem das Licht ist, Wellennatur haben muss. Und auch Isaac Newton war noch im Rennen mit seiner »Korpuskeltheorie«, wonach Licht aus unveränderlichen, atomähnlichen Lichtteilchen bestehen muss.
»Da wir die Farben in ihrer Entstehung sowie deren harmonische Verhältnisse kennen, so läßt sich erwarten, daß auch die Charaktere der willkürlichen Zusammenstellungen von der verschiedensten Bedeutung sein werden.«
Johann Wolfgang von Goethein »Zur Farbenlehre« (1810).
Der Brocken im Harz ist für seine spektakulären Winterimpressionen bekannt. Verschneite Bäume stehen wie Statuen in einer tiefweißen Landschaft. Märchenhaft wirkt das Szenario vor allem dann, wenn zuvor ein kräftiger Wind durch die Bäume geblasen hat und sie sich in eisige Schneeskulpturen verwandelt haben. Im Winter 1777 besuchte Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) den Brocken. Er war überwältigt von der Natur und beschreibt einen besonders eindrucksvollen Sonnenuntergang: »Waren den Tag über, bei dem gelblichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich gewesen, so mußte man sie nun für hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Teilen widerschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch die stärkeren Dünste höchst gemäßigter Strahl die ganze, mich umgebende Welt mit der schönsten Purpurfarbe überzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner Schönheit einem Smaragdgrün verglichen werden konnte.«
Spätestens zu diesem Zeitpunkt befasste sich einer der größten deutschen Dichter intensiv mit dem Phänomen Licht und seinen farblichen Erscheinungen. Zwar irrte Goethe vor allem in seinen naturwissenschaftlichen Betrachtungen des Lichts. So behauptete er, dass Licht eine unteilbare Einheit sei und Farben durch das Zusammenwirken von Hell und Dunkel zustande kommen.
Doch Anerkennung erfuhr Goethe vor allem in seinen psychologischen Deutungen des Farbspektrums in seinem 1810 erschienen Werk »Zur Farbenlehre«. Darin entwickelt er den berühmten Farbkreis und ordnet jeder Farbe besondere Attribute zu. So verbindet er etwa Gelb mit heiteren, sanften und warmen Gefühlen. Blau habe die Aura der Kälte und wirke schattenhaft.
Wie man Farben gezielt einsetzt und besondere Stimmungen erzeugt, haben Goethes Zeitgenossen, die Maler der Romantik, eindrucksvoll gezeigt. So leben die Bilder von Caspar David Friedrich (1774–1840) oder William Turner (1775–1851) vor allem durch den gezielten und charakteristischen Einsatz des Lichts. Beide Maler schafften über das Licht geheimnisvolle Stimmungen. Während bei Friedrichs Bildern das Licht für das melancholisch Göttliche steht und meist klare Formen beleuchtet, spielt es bei Turners Werken eine ganz andere Rolle. Hier löst es nicht selten alle Konturen auf – Licht und Farbe verschlingen alles.
Im Licht verstecken sich eine Menge Informationen. Diese bahnbrechende Erkenntnis gelang dem Münchner Optiker und Physiker Joseph von Fraunhofer (1787–1826). Fraunhofer spaltetet Licht in sein Spektrum auf. Dabei bemerkte er, dass sich an einigen Stellen der Farbpalette dunkle Streifen befinden. Das war jedoch keine Sensation mehr. Schon einige Jahre zuvor hatte der englische Chemiker William Wollaston (1766–1828) diese merkwürdigen Striche bemerkt. Er konnte sie aber nicht deuten.
Fraunhofer löste das Rätsel. Er erkannte, dass diese Linien in der Natur des Sonnenlichts selbst liegen. Die nach ihm benannten Fraunhoferschen Linien sind so genannte Absorptionslinien. Sie entstehen durch die Eliminierung bestimmter Wellenlängen des Lichts durch Gase, die sich in der Sonnen-Chromosphäre befinden. Die Chromosphäre ist eine Schicht um die Sonne, die überwiegend aus Helium und Wasserstoff besteht, jedoch auch Spuren anderer Elemente enthält. Fraunhofer erkannte, dass prinzipiell jedes chemische Element in Gasform, das von einer dahinterliegenden Lichtquelle durchleuchtet wird, bestimmte charakteristische dunkle Absorptionslinien im Spektrum der Lichtquelle hinterlässt. Die gasförmigen Elemente blockieren genau die Wellenlängen der Lichtquelle, die sie selbst abstrahlen würden, wenn sie heißer wären. Im Fall unseres Sonnenlichts blockieren mehrere gasförmige Elemente die Strahlung an bestimmten Stellen des Spektrums. Damit geben sie mit Hilfe der Absorptionslinien Einblicke in die Zusammensetzung der beobachteten Molekülbzw. Atomansammlung rund um die Sonne. Insgesamt fand Fraunhofer rund 570 solcher Linien und wurde damit zum Begründer der modernen Spektralanalyse.
Mit Fraunhofers Entdeckung wurde es nun erstmals möglich, genauere Einblicke in das ferne Universum zu erhalten, denn das von Sternen ausgesendete Licht verfügt über Absorptionslinien. Sie befinden sich, je nach Stern, an unterschiedlichen Stellen und geben damit Aufschluss über die chemischen Zusammensetzung seiner Atmosphäre.
Und so verwundert es nicht, wenn man als Spaziergänger auf Joseph von Fraunhofers Grabstein im altehrwürdigen, Efeu umrankten Südfriedhof in München die Inschrift »Aproximavit sidera« liest: Er brachte uns die Gestirne näher.