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Ist ihre Liebe endgame? Seit sie sich erinnern kann, ist Bree in ihren besten Freund und berühmten Footballspieler Nathan verliebt. Aber Bree traut sich nicht, den nächsten Schritt zu machen. Bis ihr während einer Partynacht einer Reporterin gegenüber herausrutscht, dass sie Nathan liebt. Das Video von Brees Geständnis geht viral und plötzlich ist die ganze Welt davon überzeugt, dass die zwei zusammengehören. Für einen Marketingdeal, der für beide lukrativ ist, tun sie so, als würden sie daten. Aber dann verhält sich Nathan alles andere als platonisch und scheint mit Bree zu flirten … Meint er es ernst? Mit den Tropes Fake Dating und Friends to Lovers verzaubert The Cheat Sheet von Sarah Adams zahlreiche Fans auf TikTok!
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Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Katrin Mrugalla
© Sarah Adams 2021
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The Cheat Sheet«, zuerst erschienen als Selbstpublikation 2021
© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2024
Redaktion: Antje Steinhäuser
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: FAVORITBUERO, München, nach einem Entwurf von Ash Vidal
Covermotiv: Sarah Adams
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Cover & Impressum
SENSIBILITÄTSHINWEIS
Widmung
Cheat Sheet
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Epilog
BREE
Cheat Sheet
Zusatzkapitel
Ein Jahr später …
Danksagung
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
*NICHT LESEN, WENN IHR SPOILER VERMEIDEN MÖCHTET*
Leserinnen und Leser,
bitte beachtet, dass auf den folgenden Seiten Panikattacken dargestellt werden. Da ich selbst unter Angst- und Panikattacken leide, hoffe ich, dass ich dieses Thema mit gebührender Sorgfalt und Sensibilität behandelt habe.
Für meinen besten Freund, Chris.
Danke, dass du deine Witze mit mir immer zu weit treibst und mir so viel Material für meine Bücher lieferst.
Außerdem bist du superheiß. Das ist ebenfalls großartig.
Cheat Sheet:
🏈
Ein Spickzettel, den der Quarterback an seinem Schweißband trägt, um infrage kommende Spielzüge leicht nachschauen zu können.
Es ist nicht einfach, zwei Becher mit kochend heißem Kaffee und eine Schachtel Donuts zu balancieren, während man gleichzeitig versucht, eine Wohnungstür aufzusperren. Aber da ich die beste Freundin bin, die sich ein Mensch je wünschen könnte – woran ich Nathan erinnern werde, sobald ich es in seine Wohnung geschafft habe –, bekomme ich es hin.
Ich gebe ein Zischen von mir, als mir beim Öffnen des Schlosses ein paar Tropfen Kaffee aus dem kleinen Loch im Deckel auf mein Handgelenk spritzen. Bei meiner hellen Haut stehen die Chancen eine Million zu eins, dass ein wütender Fleck zurückbleiben wird.
Kaum habe ich den Fuß in Nathans Wohnung gesetzt (die man eigentlich nicht als Wohnung bezeichnen sollte, weil sie die Größe von fünf riesigen Wohnungen in einer hat), schlägt mir sein vertrauter sauberer und frischer Geruch entgegen. Ich kenne diesen Geruch so gut, dass ich überzeugt bin, ihm wie ein Bluthund folgen zu können, sollte Nathan jemals verloren gehen.
Mit dem Absatz meines Tennisschuhs trete ich die Wohnungstür laut genug ins Schloss, dass Nathan weiß, ich bin da.
ACHTUNG, ALLESEXYQUARTERBACKS! ZIEHTEUCHWASAN! EINEFRAUMITGIERIGEMBLICKISTIMANMARSCH!
Aus der Küche kommt ein schriller Schrei, und sofort runzle ich die Stirn. Als ich einen Blick um die Ecke werfe, sehe ich eine Frau in hellrosa Shorts und Camisole-Oberteil, die sich in die hinterste Ecke des umlaufenden Küchentresens aus cremeweißem Marmor presst. Vor der Brust hält sie ein Schlachtermesser umklammert. Wir sind durch eine massive Kücheninsel voneinander getrennt, aber wenn man ihre aufgerissenen Augen sieht, könnte man meinen, ich würde ein entsprechendes Küchenutensil direkt an ihre Halsschlagader halten.
»KOMM JA NICHT NÄHER«, kreischt sie, und ich verdrehe die Augen, denn wieso muss sie derart schrill klingen, als hätte sie eine Wäscheklammer auf der Nase und gerade erst einen ganzen Ballon voller Helium eingeatmet.
Ich würde die Hände hochheben, damit ich nicht abgestochen werde, aber mit dem ganzen Frühstückskram ist das nicht so einfach – Frühstück für Nathan und mich, nicht für Miss Schrill. Dies ist allerdings nicht mein erstes Rodeo mit einer von Nathans Freundinnen, deshalb tue ich, was ich immer tue, und lächle Kelsey an. Und ja, ich weiß, wie sie heißt, denn auch wenn sie bei jedem Zusammentreffen mit mir so tut, als würde sie sich nicht an mich erinnern, datet sie Nathan inzwischen schon ein paar Monate, und wir sind uns mehrfach über den Weg gelaufen. Ich habe keine Ahnung, wie er Zeit mit dieser Frau verbringen kann. Sie scheint das völlige Gegenteil von der Frau zu sein, die ich für ihn auswählen würde – das gilt für alle.
»Kelsey! Ich bin’s, Bree. Du erinnerst dich?« Nathans beste Freundin seit der Highschool. Die Frau, die vor dir hier war und noch lange nach dir hier sein wird. ERINNERST DU DICH AN MICH?
Sie stößt einen tiefen Seufzer aus und lässt erleichtert die Schultern herabsinken. »Oh, Himmel, Bree! Du hast mich zu Tode erschreckt. Ich dachte, du wärest so eine Stalkerin und irgendwie eingebrochen.« Sie legt das Messer hin, zieht eine ihrer perfekt gestylten Augenbrauen nach oben und murmelt nicht gerade übertrieben leise: »Aber andererseits … bist du das auch irgendwie.«
Ich kneife die Augen zusammen und lächle sie schmallippig an. »Ist Nathan schon auf?«
Es ist 6 Uhr 30 an einem Dienstagmorgen, deshalb weiß ich mit Sicherheit, dass er bereits aufgestanden ist. Jede von Nathans Freundinnen weiß, dass sie, will sie ihn an diesem Tag überhaupt zu sehen bekommen, genauso früh aufwachen muss wie er. Genau deshalb steht Satin-Pyjama-Kelsey in der Küche und sieht total genervt aus. Niemand mag den frühen Morgen so sehr wie Nathan. Nun, außer mir – ich liebe ihn ebenfalls. Aber wir sind gewissermaßen Spinner.
Langsam dreht sie den Kopf in meine Richtung, und in ihren zarten babyblauen Augen lodert der blanke Hass. »Ja. Er ist unter der Dusche.«
Vor unserem Lauf?
Kelsey schaut mich an, als würde es ihr in der Seele wehtun, das näher erläutern zu müssen. »Ich bin aus Versehen in ihn hineingelaufen, als ich vor ein paar Minuten in die Küche kam. Er hatte seinen Proteinshake in der Hand und …« Genervt macht sie eine Geste, die die Geschichte für sie zu Ende erzählt: Ich habe Nathan von oben bis unten mit seinem Shake bekleckert. Ich glaube, es bringt sie schier um zuzugeben, dass ihr etwas Menschliches unterlaufen ist, deshalb habe ich Mitleid mit ihr und drehe mich weg, um die Schachtel mit den Donuts auf die lächerlich große Kücheninsel zu stellen.
Nathans Küche ist fantastisch. Sie ist cremeweiß, schwarz und messingfarben gehalten, und die breite Fensterfront geht auf den Ozean hinaus. Dies ist auf der ganzen Welt mein Lieblingskochplatz, und er ist das genaue Gegenteil von meinem kleinen Müllcontainer fünf Häuserblocks die Straße runter. Aber jener trostlose kleine Müllcontainer ist bezahlbar und nicht weit von meinem Ballettstudio entfernt, deshalb kann ich mich alles in allem nicht beschweren.
»Das war bestimmt nicht weiter schlimm. Über so etwas regt sich Nathan nie auf«, sage ich zu Kelsey und hisse zum letzten Mal die weiße Fahne.
Sie holt ihr Samuraischwert heraus und schlägt sie in Fetzen. »Das weiß ich bereits.«
Na gut, wenn das so ist.
Ich trinke meinen ersten Schluck Kaffee und lasse mich von ihm unter Kelseys eiskaltem Blick wärmen. Es gibt nichts weiter zu tun, als darauf zu warten, dass Nathan auftaucht, damit wir mit unserer Dienstagstradition beginnen können. Sie reicht bis in unser erstes Jahr in der Highschool zurück. Ich war damals so eine Art selbst ernannte Einzelgängerin, nicht weil ich Menschen oder soziale Kontakte nicht mochte, sondern weil sich bei mir alles um Ballett drehte. Meine Mom riet mir oft, gelegentlich mit dem Tanzen zu pausieren, um zu einer Party zu gehen und mich mit meinen Freunden zu treffen. »Diese Zeiten, in denen du einfach ein Kind sein und Spaß haben kannst, dauern nicht ewig. Ballett ist nicht alles. Es ist wichtig, dass du dir auch unabhängig davon ein Leben aufbaust«, hat sie bei mehr als einer Gelegenheit gesagt. Und natürlich habe ich wie die meisten pflichtbewussten Teenager … nicht auf sie gehört.
Neben Tanzen und meinem Job im Restaurant, wo ich nach der Schule arbeitete, hatte ich im Grunde keine Zeit für Freunde. Aber dann kam er daher. Ich wollte meine Ausdauer verbessern, deshalb fing ich an, vor dem Unterricht auf der Aschenbahn der Schule zu laufen, und der einzige Tag, an dem ich das in meinen Terminkalender quetschen konnte, war der Dienstag. Als ich das erste Mal dorthin kam, stellte ich schockiert fest, dass dort bereits ein anderer Schüler lief. Und nicht irgendein Schüler, sondern der Kapitän des Footballteams. Mr Heißer als heiß. (Nathan hatte keine seltsame Phase. Mit sechzehn sah er aus wie fünfundzwanzig. Echt unfair.)
Sportler waren in der Regel unhöflich. Chauvinistisch. Total von sich überzeugt. Er sah mich in meinen abgewetzten Sneakers, das Haar oben auf meinem Kopf zu dem chaotischsten Bun hochgetürmt, den je jemand gesehen hat, und blieb stehen. Er kam zu mir, stellte sich mir mit seinem breiten Lächeln vor, das sein Markenzeichen war, und fragte mich, ob ich mit ihm laufen wolle. Wir redeten die ganze Zeit, waren vom ersten Moment an beste Freunde, die trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft viele Gemeinsamkeiten hatten.
Ja, ihr habt richtig geraten – er stammt aus einer vermögenden Familie. Sein Dad ist geschäftsführender Vorstand eines Technologieunternehmens und hat nie viel Interesse an Nathan gezeigt, außer wenn er mit ihm vor seinen Kumpeln von der Arbeit auf dem Golfplatz angeben kann, und seine Mom hat ihm im Wesentlichen nur Druck gemacht, er solle es an die Spitze schaffen und sie mit ihm ins Rampenlicht bringen. Sie hatten immer Geld, aber was sie nicht hatten, bis Nathan erfolgreich wurde, war gesellschaftliches Ansehen. Falls ihr es euch nicht bereits denkt: Ich bin kein großer Fan seiner Eltern.
Jedenfalls fing so unsere Dienstagstradition an. Und der Moment, in dem ich mich unsterblich in Nathan verliebte? Den kann ich auf die Sekunde genau benennen.
Wir waren auf unserer letzten Runde dieses allerersten Laufs, als er nach meiner Hand griff. Er brachte mich zum Stehen, und dann bückte er sich und band mir den Schuh. Er hätte mir einfach sagen können, dass sich mein Schnürsenkel gelöst hatte, aber nein – so ist Nathan nicht. Es ist egal, wer man ist oder wie berühmt er ist; wenn sich bei jemandem der Schnürsenkel gelöst hat, wird Nathan demjenigen den Schuh binden. Ich hatte noch nie jemanden wie ihn kennengelernt. Ich war ihm vom ersten Tag an verfallen.
Obwohl wir so jung waren, waren wir beide wild entschlossen, Erfolg zu haben. Er wusste immer, dass er es in die NFL schaffen würde, und ich wusste, ich würde auf die Juilliard School gehen und danach in einem Ensemble tanzen. Einer dieser Träume wurde Wirklichkeit und einer nicht. Leider verloren wir uns während der Collegezeit aus den Augen (na gut, ich habe dafür gesorgt), aber durch einen glücklichen Zufall zog ich, nachdem ich mit dem Studium fertig war, nach L. A., weil mir eine Freundin von einer anderen Freundin erzählt hatte, die eine Assistentin für ihr Tanzstudio suchte, genau zu dem Zeitpunkt, als Nathan bei den L. A. Sharks unterschrieb und ebenfalls in die Stadt zog.
Wir liefen uns in einem Café über den Weg, er fragte, ob ich um der alten Zeiten willen am Dienstag mit ihm joggen würde, und der Rest war Geschichte. Wir machten genau da weiter mit unserer Freundschaft, wo wir aufgehört hatten, als läge keine Zeit dazwischen, und unglücklicherweise verzehrte sich mein Herz noch genauso nach ihm wie damals.
Das Witzige ist, dass es nie danach aussah, als würde Nathan die Karriereleiter so weit hinaufsteigen, wie er das getan hat. Nope, Nathan Donelson wurde in der siebten Runde ausgetauscht und wärmte danach buchstäblich ganze zwei Jahre lang die Bank als Ersatz-Quarterback. Allerdings ließ er sich nie entmutigen. Er arbeitete härter, trainierte härter und tat alles dafür, bereit zu sein, wenn seine Chance auf dem Spielfeld kam, denn so geht Nathan alles im Leben an: mit nicht weniger als hundertprozentigem Einsatz.
Und dann, eines Tages, zahlte sich das alles für ihn aus.
Der zuvor eingesetzte Quarterback, Daren, brach sich während eines Spiels den Oberschenkelknochen, und sie mussten ihn gegen Nathan auswechseln. Wenn ich die Augen schließe, kann ich es noch immer vor mir sehen. Daren, der auf einer Trage vom Spielfeld geholt wird. Der Offensive Coach, der an der Seitenlinie zu Nathan läuft. Nathan, der von der Bank hochschießt und sich die Anweisungen des Coaches anhört. Und dann … kurz bevor er den Helm aufsetzte und in ein Spiel eingriff, das in die Geschichte als der Anfang seiner Karriere eingehen sollte, schaute Nathan zu mir auf der Tribüne hoch. (Damals hatte er noch keine Privatloge.) Ich stand auf, wir schauten uns an, und Nathan sah aus, als würde er gleich kotzen. Ich tat das Einzige, von dem ich wusste, dass es ihm entspannen helfen würde: Ich verzog das Gesicht wie ein Trottel und ließ die Zunge seitlich aus dem Mund hängen.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, und dann führte er sein Team in das beste Spiel der Saison. Nathan sprang für den Rest des Jahres als Quarterback ein und führte die Sharks zum Superbowl, wo sie den Sieg mit nach Hause nahmen. Jene Monate waren für ihn wie ein Wirbelsturm. Im Grunde waren sie das für uns beide, weil es das Jahr war, in dem ich von einer Assistentin in einem Tanzstudio zur Inhaberin des Studios wurde.
Heute bin ich hier, um mit Nathan zu laufen, und da er gestern Abend nicht so gut wie sonst gespielt hat, weiß ich, dass wir heute besonders intensiv laufen werden. Sein Team hat das Spiel trotzdem gewonnen (und es ist offiziell in den Play-offs, YAY), aber er hat zwei Bälle durch Interceptions verloren, und da Nathan in Bezug auf … nun, eigentlich alles ein Perfektionist ist, weiß ich, dass er hier herumstampfen wird wie ein Bär mit leerem Honigtopf.
Kelseys schrille Stimme reißt mich aus meiner Nostalgie. »Yeah, also versteh das bitte nicht falsch … aber was tust du hier?« Mit Versteh mich bitte nicht falsch meint sie: Glaub ja nicht, dass dies irgendetwas Nettes ist, weil ich vorhabe, es ganz besonders gemein klingen zu lassen. Ich wünschte, sie würde sich so verhalten, wenn Nathan in der Nähe ist. Wenn er dabei ist, ist sie zuckersüß.
Ich schenke ihr mein sonnigstes Lächeln und weigere mich, mir von ihr so früh am Morgen die Laune verderben zu lassen. »Was glaubst du denn, was ich hier tue?«
»Du bist eine fiese Stalkerin, die im Geheimen meinen Freund liebt und in seine Wohnung einbricht, um ihm Frühstück zu bringen.«
Seht ihr, das ist das Problem. Sie sagt die Wörter mein Freund, als wären es Trumpfkarten. Als hätte sie sie gerade auf den Tisch geworfen und ich müsste nach Luft schnappen und schockiert die Hände vor den Mund schlagen. Gütiger Himmel! Sie hat gewonnen!
Sie hat ja keine Ahnung, ihr Blatt ist kaum mehr als ein einsamer Kreuzfünfer. Freundinnen kommen und gehen in Nathans Leben wie Trenddiäten. Ich dagegen – ich war schon lange vor Kelsey mit den zwei Gesichtern hier, und ich werde noch lange danach hier sein, weil ich Nathans beste Freundin bin. Ich bin diejenige, die alles mit ihm durchgemacht hat, und er hat mit mir alles durchgemacht: die schlaksige Phase in der Highschool (ich, nicht er), der Tag, an dem er sich für College-Fußball eingeschrieben hat, der Autounfall, der meine gesamte Zukunft verändert hat, jede Magenverstimmung in den letzten sechs Jahren, der Tag, an dem ich das Tanzstudio übernahm, und als er, nachdem sein Team den Superbowl gewonnen hatte, mit Konfetti überschüttet wurde.
Aber am WICHTIGSTEN, ich bin der einzige Mensch auf der gesamten Welt, der weiß, wie er zu der fünf Zentimeter langen Narbe direkt unter seinem Nabel gekommen ist. Ich gebe euch einen Tipp: Es ist peinlich und hat etwas mit einem Waxing Kit zu tun. Ich gebe euch noch einen Tipp: Ich hatte ihn dazu herausgefordert.
»Yep!«, erwidere ich mit meinem strahlendsten Lächeln. »Klingt in etwa richtig. Stalkerin, die im Geheimen in Nathan verliebt ist. Genau das bin ich.«
Sie reißt die Augen weit auf, weil sie wirklich geglaubt hatte, damit könnte sie mir eins überbraten. Mit der Wahrheit kannst du mich nicht treffen, Kels. Na gut, abgesehen von dem Teil mit der Stalkerin.
Ich wende Kelsey den Rücken zu und warte auf Nathan. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich versucht, mich mit Nathans Mädchen anzufreunden. Egal was ich tue, um mir ihre Zuneigung zu verdienen, es ist ihnen vorbestimmt, mich zu hassen. Sie halten mich für eine Riesenbedrohung. Aber an der Stelle wird es traurig. Das bin ich nicht.
Sie alle bekommen Nathan auf eine Art, wie es nie bei mir sein wird.
»Weißt du«, sagt sie und versucht erneut, meine Aufmerksamkeit zu erringen, »du könntest dir eigentlich die Peinlichkeit ersparen und gehen. Denn wenn Nathan gleich kommt, habe ich vor, ihn zu bitten, dass er dich zum Gehen auffordert. Bis jetzt war ich geduldig, aber wie du dich ihm gegenüber verhältst, ist supermerkwürdig. Du klebst an ihm wie ein hängen gebliebenes Stück Toilettenpapier.«
Ich versuche, nicht allzu herablassend zu schauen, als ich sie mit einem übertriebenen Schon gut Schatz-Lächeln inklusive heruntergezogener Mundwinkel bedenke und nicke. Denn hier kommt, was ich vorher zu erwähnen vergessen habe: Ich bin keine Bedrohung für diese Frauen – bis sie ihn zwingen, sich zu entscheiden. Dann bin ich bedrohlicher als eine Glitzerbombe. Ich darf vielleicht nicht in Nathans Bett schlafen, aber seine Loyalität gilt mir – und für Nathan gibt es nichts Wichtigeres als das.
Kelsey lacht spöttisch und verschränkt die Arme vor der Brust. Wir sind ganz versunken in unseren Kampf der kriegerischen Blicke, als aus dem Zimmer hinter mir Nathans Stimme ertönt.
»Mmmm, rieche ich Kaffee und Donuts? Dann muss wohl Bree Cheese im Haus sein.«
Ich grinse Kelsey nicht gerade subtil an. Wie eine Siegerin.
Nathan kommt um die Ecke, in schwarzen Sportshorts und ohne T-Shirt. Gemeißelte gebräunte Brust, wie sie nur ein Profisportler haben kann, den Blicken freigegeben – und sein Adonis-V zwinkert allen zu und lässt sie erröten. Sein Haar ist feucht und glänzend, und seine Schultern sind vom heißen Wasser oben ein wenig rosa. Dies ist sein Direkt aus der Dusche-Look, und egal wie oft ich ihn gesehen habe, verschlucke ich bei dem Anblick jedes Mal wieder meine Zunge.
Er hat ein kleines Handtuch in der Hand, und das darf sein unglaubliches schokoladenbraunes Haar abrubbeln. Dieses glückliche Handtuch kichert vor Freude. Nathans Haar ist so wellig und entzückend, dass er deswegen einen Fünf-Millionen-Dollar-Werbevertrag mit einer Luxus-Haarpflegefirma hat. Nachdem der erste Werbespot ausgestrahlt war – Nathan, wie er aus der Dusche des Umkleideraums kommt, ein Handtuch um die Taille geschlungen, Wassertropfen an seinen straffen Muskeln, in der Hand diese Shampooflasche –, stürmten überall Frauen die Läden, um genau diese Marke zu kaufen, in der Hoffnung, es würde ihre Männer auf magische Weise in Nathan verwandeln. Zumindest wollten sie, dass ihre Männer so rochen wie Nathan. Aber hier ist ein weiteres Geheimnis, das nur ich kenne: Nathans Haar riecht nicht nach diesem Shampoo, weil er eine billige, gewöhnliche Marke in einer grünen Flasche bevorzugt, die er benutzt, seit er achtzehn war.
»Ich dachte, vielleicht brauchst du das.« Ich reiche Nathan einen dampfenden Becher Kaffee von unserem kleinen Lieblingscafé ein paar Blocks entfernt. Ich öffne die Donutschachtel wie eine Schatztruhe. Die Donuts glänzen im Licht. Bing!
Nathan legt stöhnend den Kopf schief, und sein Mundwinkel verzieht sich zu einem leichten Lächeln, als er das Handtuch auf den Küchentresen wirft. »Ich dachte, ich wäre dran, Kaffee und Donuts zu besorgen.« Er nimmt ein mit Ahornsirup glasiertes aus der Schachtel und beugt sich herunter, um mich flüchtig auf die Wange zu küssen, wie er das immer tut. Völlig platonisch. Brüderlich.
»Yeah, aber ich bin heute Morgen superfrüh mit einem Krampf in der Wade aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen, deshalb habe ich schon mal alles geholt.« Ich hoffe, er kauft mir meine kleine Lüge ab.
In Wahrheit konnte ich nicht schlafen, weil ich mich gestern Abend von meinem Freund getrennt habe und mich davor fürchte, es Nathan zu erzählen. Wieso? Weil ich weiß, er wird mir ein Loch in den Bauch fragen, bis er die Wahrheit über die Trennung herausgefunden hat. Und er darf nicht wissen, dass ich mich von Martin getrennt habe, weil Martin nicht Nathan ist.
Vielleicht hätte ich mir, wenn ich geschielt, mir die Ohren zugestöpselt und den Kopf hin und her geschlenkert hätte, einreden können, er sei Nathan. Aber wer will so leben? Es ist nicht fair, weder Martin noch mir gegenüber. Deshalb lautet das Ziel jetzt, einen Mann zu finden, der mich mehr anzieht als Nathan. Einen richtigen cute guy von einem Mann, genau danach halte ich Ausschau. Diesmal kommt nichts anderes infrage als völlige und totale Vernarrtheit.
Nathan zieht eine seiner dicken Augenbrauen nach oben. »Vermutlich hättest du gestern Abend vorm Insbettgehen eine Banane essen sollen.«
Ich verdrehe die Augen. »Yeah, yeah, aber meine Antwort ist noch immer dieselbe: Ich hasse Bananen. Die sind so matschig, und sie schmecken nach … Bananen.«
»Egal. Dein Kaliumspiegel ist eindeutig …«
Kelsey räuspert sich, und in dem Moment bemerken wir ihren zutiefst finsteren Blick. »Sag mal, kommt es dir nicht komisch vor, dass sie um 6 Uhr 30 in der Früh mit Donuts und Kaffee hier aufkreuzt, wenn du deine Freundin bei dir hast?«
Wieder dieses Reizwort. Und okay, ja, vielleicht hätte ich mir klarmachen sollen, dass Kelsey heute Morgen hier sein würde, und hätte warten sollen, bis sich Nathan mit Kaffee und Donuts mit mir trifft. Das geht auf meine Kappe. Manchmal vergesse ich, dass Nathan und ich keine sonderlich normale Freundschaft haben.
Nathan räuspert sich leise. »Tut mir leid, Kelsey, ich hatte einfach geglaubt, du erinnerst dich, dass ich dienstags immer mit Bree laufe.«
»Yup«, erwidert sie schmollend und verdreht die Augen. »Wie konnte ich das vergessen, wo es doch JEDENEINZELNENDIENSTAG stattfindet. Deinem einzigen freien Morgen während der Saison.«
Dies fühlt sich wie ein Privatgespräch an, bei dem ich nicht dabei sein sollte. Eigentlich stimme ich ihr gewissermaßen sogar zu. Es ist merkwürdig, dass Nathan und ich derart gute Freunde sind. Ich habe mich schon manches Mal aus der Gleichung herauszunehmen versucht, damit er mehr Zeit mit seiner Freundin verbringen kann, aber das lässt er nie zu. Wenn ich seine Freundin wäre, würde ich allerdings auch möglichst viel von seiner freien Zeit für mich haben wollen.
Die Dienstage sind in der NFL bei fast allen Teams frei. Aber hier ist das Geheimrezept, das nicht allen Spielern bekannt ist: Die besten gehen auch an ihrem freien Tag ins Training. Sie nutzen die zusätzliche Zeit, um an ihren Schwächen zu arbeiten, Termine mit Physiotherapeuten zu machen und Aufzeichnungen von alten Spielen anzuschauen – alles, was ihnen hilft, die anderen zu übertreffen. Nathan macht an Dienstagen nie blau, aber er geht ein bisschen später hin, damit wir morgens gemeinsam laufen können.
»Kannst du dir nicht wenigstens diesen einen Morgen freinehmen?« Sie betont jedes einzelne Wort, und ich weiß nicht, wie er ihre Stimme erträgt.
Nathans Augenbrauen sinken herab, und er verschränkt die Arme vor der Brust. Ich würde mich am liebsten aus der Küche stehlen, weil ich weiß, was als Nächstes passieren wird.
»Eigentlich nicht. Ich brauche eine ordentliche Joggingrunde, um mir das schlechte Spiel rauszulaufen, bevor ich heute ins Training gehe.«
Kelsey bleibt der Mund offen stehen. »Schlechtes Spiel? Schatz, ihr habt gewonnen! Wovon redest du?«
Wie aus einem Mund sagen Nathan und ich: »Zwei Interceptions.«
Yikes. Das hat Kelsey nicht gefallen. Ihre Augen verengen sich zu beängstigenden kleinen Schlitzen. »Nett. Siehst du, was ich meine? Dies ist keine normale Freundschaft. Und weißt du noch was? Ich habe es satt, mit was auch immer dies ist, wetteifern zu müssen. Es wird Zeit, dass du« – Sag es nicht, Kelsey! – »dich entscheidest. Entweder sie oder ich.«
Sie blinzelt ein paarmal, und ich drehe mich weg, um Kelsey in diesem Moment des Verlusts ein wenig Privatsphäre zu gönnen. Liebe Gemeinde, wir sind heute hier versammelt, um die unbedeutende und kaum erinnerungswürdige Beziehung zu betrauern, die Nathan und Kelsey miteinander hatten.
»Kelsey … ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich gerade nichts Festes will, und du hast gesagt, das wäre für dich in Ordnung …« Nathan hält inne.
Himmel, das tut mir leid für ihn, wirklich. Es bringt ihn um, Schluss zu machen, denn er ist ein riesiger, total solider Teddybär. Ich wünschte, ich könnte es ihm abnehmen, aber ich fürchte, ich würde eine gusseiserne Bratpfanne an den Kopf bekommen.
Kelsey kreischt: »Soll das ein Witz sein?! Du ziehst sie mir vor?«
Okay, ihr Tonfall gefällt mir nicht.
»Ja«, erwidert er entschieden.
Flammen lodern oben aus ihrem Kopf. »Dann kannst du mir nicht ernsthaft erzählen, dass du nicht mit ihr schläfst!«
»Tut er nicht, glaub mir«, werfe ich ein. Sofort mache ich mir Sorgen, dass das vielleicht ein bisschen zu bitter rauskam, deshalb füge ich hinzu: »Wirklich. Nur Freunde. Wir wären schrecklich zusammen. Wir sind mehr wie Bruder und Schwester.« Igitt, das hinterlässt einen üblen Geschmack auf der Zunge.
Sein Kinn deutet zu mir herunter, und er braucht eine Sekunde, aber dann lächelt er. »Yeah. Wir waren nie …« Er spricht nicht weiter, und ich sehe, wie er schluckt, weil es ihm schwerfällt, uns auch nur auf die Art vorzustellen. »… Freunde plus.«
Nie. Nicht ein einziges Mal. Nada. Nichts. Null. Ein flüchtiger Kuss auf die Wange ist das Äußerste, was ich je an Körperkontakt mit Nathan hatte, und deshalb weiß ich auch, dass er nicht auf mich steht. Ein Mann, der Hals über Kopf in eine Frau verliebt ist, behält nicht sechs Jahre lang am Filmabend die Hände bei sich. Und Nathan und ich behalten die Hände immer bei uns.
Deshalb arbeite ich jetzt so gut ich kann daran, ihm zu beweisen, dass es mir ja SOGUT mit dieser Freundschaftssache geht. Denn, ehrlich, es ist auch so. Würde ich ihn gern heiraten und seine riesigen, muskulösen Babys bekommen? Ja. Auf der Stelle. Aber das ist uns nicht vorherbestimmt, und ich werde den Teufel tun, unsere Freundschaft zu zerstören, indem ich alles verkompliziere, weil er rausfindet, dass ich auf ihn stehe, während er bereits mehr oder weniger dabei ist, das nächste Model auf seiner Liste anzurufen.
Das größere Problem ist: Würde ich ihm erzählen, was ich wirklich empfinde, würde er mir nachgeben, weil er mich wirklich als gute Freundin schätzt. Er würde sich alle Mühe geben, mich vielleicht ein paar Wochen daten, aber dann würde er sich eine suchen, mit der die Chemie wirklich stimmt, und ich hätte meinen besten Freund verloren. Das wäre es nicht wert.
Yeah – ich bin zufrieden, wie es ist.
Irgendwann werde ich jemanden finden, der genauso großartig wie Nathan ist.
(Vermutlich nicht.)
»Okay. Nun dann … genieß deine seltsame Freundschaft. Ich gehe nämlich.« Kelsey schweigt, aber ich höre keine Schritte. Ich glaube, sie wartet, dass er sie zurückhält. Dies ist für alle seltsam. »Wirklich. Jetzt gleich. Ich gehe endgültig, Nathan.«
Neiiin, geh nicht, denke ich, ohne es auch nur ansatzweise so zu meinen.
Und dann stürmt sie davon. Nathan folgt ihr zur Tür und sagt etwas in die Richtung, dass sie noch ihren Pyjama anhat, und sollte sie nicht erst ihre Sachen holen? Sie erwidert, er solle sie ihr schicken, weil sie seinen Anblick keine Sekunde länger erträgt. Das Drama hat seinen Höhepunkt erreicht.
Ich höre, wie die Tür zugeknallt wird, und mache einen Freudensprung. Ein Glück, die sind wir los!
Außerdem hole ich mein Handy heraus und schicke meiner großen Schwester eine Nachricht.
Ich: Und wieder ist eine Geschichte. Kelsey ist draußen!
Lily: Sie hat sich länger gehalten, als ich gedacht hätte.
Ich: Mit anderen Worten, zu lange.
Lily: Sei nett, vielleicht ist er traurig.
Ich: Hmm, ich war immer nett, besten Dank auch.
Lily: Ich wette, du hast ein fieses Lächeln im Gesicht.
Als Nathan endlich wieder in die Küche zurückkommt, ringe ich meinem Gesicht ein mitfühlendes Stirnrunzeln ab und beweise so, dass Lily unrecht hat. »Tut mir leid, mein Freund.«
»Nein, tut es dir nicht«, widerspricht er kichernd und lehnt sich mit der nackten Hüfte an den Küchentresen.
Ich wünsche mir wirklich, er würde mehr anziehen. Es tut weh, etwas so Schönes anzuschauen und es niemals zu berühren. Nathans Haut ist wie heißer goldener Sand von einem exotischen Strand, der sich um einen gemeißelten Körper schmiegt und bei dem man sich sofort dehydriert fühlt. Seine perfekt geformte Figur ist der Grund, weshalb er zum Sexiest Man Alive gewählt wurde und auf dem Cover der Pro Sports Magazine-Sonderausgabe war, in der die ganzen unterschiedlichen Körpermerkmale von Profiathleten herausgestellt und gefeiert werden und erklärt wird, was sie tun müssen, um ihre Körper in Höchstform zu halten. Es ist eine stilvolle Fotostrecke mit genau richtig platzierten Händen und Oberschenkeln, damit die wichtigsten Teile verdeckt sind. Aber ja, Nathan war in der Zeitschrift splitterfasernackt. Und obwohl ich fünf Exemplare besitze, habe ich es nie über mich bringen können, eins aufzuschlagen (das Cover zeigt ihn nur von der Taille aufwärts). Es gibt Grenzen, die darf man bei einer Freundschaft einfach nicht überschreiten. Nacktheit ist eine davon.
Ich nehme mir ein Donut und schiebe es mir in den Mund, um mich am Lächeln zu hindern. »Nein! Das meine ich ernst. Kelsey schien … ganz nett zu sein.«
»Du hast ihr gestern Abend in der Loge die Zunge rausgestreckt.«
»Himmel! Wissen die Avengers von dir und deiner übermenschlichen Sehkraft?«
Er lächelt und zupft an meinem unordentlichen Pferdeschwanz. »War Kelsey gemein zu dir, wenn ich nicht dabei war? Sei ehrlich?«
Nathan hat schwarze Augen. Nicht schokoladenfarben, nicht braun. Pechschwarz. Und wenn ihr Blick so auf mich gerichtet ist, fühlt sich das an, als müsste ich ersticken. Als könnte ich mich ihrer Intensität nicht entziehen, selbst wenn ich es versuchen würde.
Ich zucke mit den Schultern und trinke einen Schluck von meinem Kaffee. »Sie war nicht gerade liebenswürdig, aber das ist unwichtig.«
»Was hat sie gesagt?«
»Ist doch egal.«
Er rückt mir näher. »Bree.«
»Nathan. Siehst du, das kann ich auch.«
Er ist ziemlich … nachdenklich. Zwischen seiner und meiner Brust liegen gerade mal fünfzehn Zentimeter. »Tut mir leid, wenn sie es geschafft hat, dass du dich schlecht fühlst. Mir war nicht bewusst, dass sie sich dir gegenüber so verhält, sonst hätte ich mich schon vor langer Zeit von ihr getrennt.«
Mir schmerzt ein wenig das Herz. Wenn es ihm derart wichtig ist, mich in seinem Leben zu haben, wieso steht er dann nicht auf mich? Nein. O nein. Gar nicht erst anfangen, darüber nachzudenken. Ich weigere mich, solch ein Mädchen zu sein. Wir sind Freunde, und damit bin ich glücklich. Dankbar dafür. Und vielleicht wird mir das Leben eines Tages einen Mann schicken, der mich genauso liebt wie ich ihn. Wie auch immer, im Moment komme ich damit klar.
»Na ja, ich habe es nicht unbedingt besser gemacht. Vermutlich hätte ich nicht so früh hierherkommen und einfach die Wohnung betreten sollen.« Ich beiße ein großes Stück von meinem Schokoladendonut ab. »Ich sollte klarere Grenzen ziehen.«
»Vermutlich.« Er klingt todernst. Aber als ich ihn anschaue, grinst er – mit Grübchen rechts und allem.
Ich stoße ihn spielerisch gegen den Arm. »Aha. Wenn das so ist, sollte ich dir vielleicht den Schlüssel zu meiner Wohnung wegnehmen. Dort ein paar Grenzen setzen.«
Er kaut, noch immer grinsend, den letzten Bissen seines Donuts. »Viel Glück. Den gebe ich niemals wieder her.« Als er an mir vorbeigeht, streift er mich mit dem Arm, und ich frage mich, ob es eine Überschreitung dieser Grenzen wäre, wenn ich mich an ihn kleben würde wie eine Klette.
Ich glaube, ich brauche diese Laufrunde mehr als er, wenn auch aus völlig anderen Gründen.
Schwitzend und erledigt vom Laufen lassen Bree und ich uns auf den Boden vor meiner riesigen weißen Couch sinken. Links habe ich durch bodentiefe Fenster einen Drei-Millionen-Dollar-Blick auf den Ozean, aber rechts von mir ist der Ausblick, für den ich, könnte ich ihn jeden Tag für den Rest meines Lebens genießen, meine Seele verkaufen würde. Offensichtlich weiß Bree nicht, was ich für sie empfinde.
Ich klopfe mit dem Knöchel gegen ihr Knie, gleich neben der unebenen Narbe, die ihr gesamtes Leben verändert hat. »Was machst du nachher? Magst du dich mit mir im CalFi zum Mittagessen treffen?«
CalFi ist das Stadion meiner Mannschaft. Erst kürzlich ist eine Trainingsanlage hinzugekommen, in der wir während der Woche üben und trainieren, komplett mit Cafeteria, in der einige der besten Köche aus dem Sportbereich arbeiten. Und ich, falls ihr euch wundert, bin ein übereifriger Welpe, der Bree anfleht, mit mir zu spielen – immer mit mir zu spielen.
Sie dreht den Kopf, bis der Blick ihrer sanften braunen Augen genau auf meine gerichtet ist. An Bree ist alles honigbraun, langes, wild gelocktes Haar, dazu ein umwerfender Mund mit Grübchen auf beiden Seiten von der Größe meines Daumens. Sie hat ein Julia Roberts-Lächeln – eins, das so einzigartig und faszinierend ist, dass ihm, wenn man es einmal gesehen hat, kein anderes jemals wieder nahe kommt. Unsere Köpfe lehnen an der Couch, und ihre und meine Stirn berühren sich fast. Ich würde mich gern noch zwei Zentimeter vorbeugen. Fünf Zentimeter. Ich möchte ihre Lippen spüren.
»Ich kann nicht. Ich habe heute um elf einen Kurs. Kreative Bewegung für Kleinkinder.«
Ich runzele die Stirn. »Du unterrichtest nie Dienstagvormittags.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Tja, nun, ich musste zweimal die Woche vormittags einen weiteren Kurs anbieten, um die Miete für das Studio zahlen zu können. Mein Vermieter hat mich letzten Monat kontaktiert und mir gesagt, dass die Grundsteuer erneut erhöht worden ist, deshalb muss er die Miete um zweihundert Dollar raufsetzen.«
Bree will aufstehen, aber ich schiebe den Finger hinten durch den Träger ihres Tanktops und ziehe sie wieder neben mich hinunter. Das grenzt schon an so etwas wie Flirten, und als sie mich mit weit aufgerissenen Augen anschaut, wird mir sofort klar, dass es daneben war. Ich nehme rasch den Gesprächsfaden wieder auf, um mich nicht zu verraten. »Du gibst bereits zu viele Kurse pro Woche.«
Bree beschäftigt lediglich eine Angestellte, die Stepptanz und Jazz unterrichtet, und sie muss wirklich eine weitere einstellen, die ihr Arbeit abnimmt. Ihr Studio ist mehr ein Non-Profit-Unternehmen, aber in ihren Betriebskosten wird das nicht berücksichtigt, weil Studios in L. A. unglaublich teuer sind. Es ist unfair, denn in L. A. gibt es eine Menge Menschen mit niedrigem Einkommen und ohne ausreichende Versorgung, deren Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden. Bree hatte schon immer den Wunsch, einen Ort für Kinder zu schaffen, die sonst niemals Tanzunterricht bekommen würden, und verlangt von den Eltern nur eine geringe Gebühr.
Das Problem ist, die Kursgebühr ist zu gering für ihr derzeitiges Geschäftsmodell. Sie weiß das, fühlt sich aber verpflichtet. Mir gefällt es ganz und gar nicht, dass die von ihr gewählte Lösung lautet, mehr Kurse zu geben und mehr von sich einzubringen, um das Defizit auszugleichen, statt Geld von mir anzunehmen.
»Ich unterrichte die normale Menge an Kursen einer durchschnittlichen Tanzlehrerin«, erwidert sie warnend mit leicht schneidendem Unterton. Brees schneidender Unterton klingt allerdings so bedrohlich wie ein Cartoon-Kaninchenjunges. Ihre Augen sind groß und funkeln, und ich liebe sie gleich noch mehr.
Ich senke die Stimme und schicke mich an, ein Thema anzuschneiden, das, wie mir durchaus bewusst ist, heikel ist. »Ich weiß, dass du klarkommst, und ich weiß, dass du unglaublich widerstandsfähig bist, aber als Freund sehe ich nur ungern mit an, wie du trotz so viel Schmerzen im Knie arbeitest. Und ja, ich weiß, dass deine Schmerzen schlimmer geworden sind, weil ich heute beim Laufen gesehen habe, dass du dein rechtes Bein schonst.« Reflexartig hebe ich die Hände. »Bitte hau mich nicht. Ich will mich nur vergewissern, dass du auf dich achtgibst, während du dich um alle anderen da draußen kümmerst.«
Sie wendet den Blick ab. »Mir geht es gut.«
»Wirklich? Würdest du es mir erzählen, wenn es nicht so wäre?«
Sie kneift die Augen zusammen. »Du machst da ein viel zu großes Drama draus, Nathan.«
Es soll mir wehtun, wie sie meinen Namen sagt, stattdessen löst es in mir nur den Impuls aus zu lächeln. Bree ist eins der stärksten menschlichen Wesen, das ich kenne, aber irgendwie ist sie auch das sanfteste. Sie bringt es nie richtig über sich, mich oder irgendeinen anderen Menschen in ihrem Leben anzufahren.
»Mein Knie fällt nicht ab, wenn ich es zu sehr einsetze, und ein bisschen Schmerz halte ich aus. Du weißt, ich habe keinen Einfluss auf meine Miete. Wenn ich die Kursgebühr für die Kinder also niedrig halten möchte, muss ich zusätzlich Unterricht geben, bis ich eine andere Lösung finde. Schluss, aus, fertig. Und – AH!« Als sie sieht, dass ich ihr widersprechen will, legt sie mir den Finger auf die Lippen. »Ich werde kein Geld von dir nehmen. Darüber haben wir schon tausendmal geredet, ich muss dies allein schaffen.«
Ich lasse die Schultern sinken. Der einzige Trost dafür, dass ich in dieser Auseinandersetzung regelmäßig den Kürzeren ziehe, ist die Tatsache, dass ich ihre Haut gerade an meinen Lippen spüre. Ich werde für immer schweigen, wenn sie mir verspricht, sich niemals zu rühren. Und wenn sie so die Finger gegen meine Lippen presst, muss ich mich nicht schuldig fühlen, weil ich ihr nicht erzähle, dass ich seit Jahren heimlich einen Teil der Miete für ihr Studio zahle. (Stimmt nicht, ich fühle mich noch immer schuldig, dass ich das hinter ihrem Rücken mache.)
Brees Vermieter hat die Miete damals erhöht, als sie das Studio von der alten Inhaberin übernahm. An jenem Abend hat sie auf meiner Couch geweint, weil sie es sich nicht mehr würde leisten können (ähnlich wie jetzt wieder). Sie glaubte, sie würde sich etwas Billigeres außerhalb der Stadt suchen müssen, was ihrem Ziel, den Kindern in der Stadt ein Tanzstudio zu bieten, völlig zuwidergelaufen wäre.
Sagen wir einfach, ihr Vermieter hatte auf magische Weise einen Sinneswandel und rief sie am nächsten Tag an, um ihr zu sagen, er habe ein paar Posten verschoben und müsse die Miete nun doch nicht erhöhen. Eins steht mit Sicherheit fest: Sollte Bree jemals herausfinden, dass ich jeden Monat mehrere Hundert Dollar zu ihrer Miete zuschieße, werde ich meine Lieblingsbaumelteile verlieren. Vermutlich hätte ich es nicht tun sollen, aber ich konnte nicht mitansehen, wie ihr Traum einfach zerplatzte. Nicht noch einmal.
Bree wurde kurz vor dem Highschoolabschluss für die Tanzausbildung an der Juilliard School angenommen, und bis heute habe ich niemanden gesehen, der sich über irgendetwas in seinem Leben mehr gefreut hätte. Ich war der Erste, dem sie es erzählt hat. Ich habe sie hochgehoben und herumgewirbelt, und wir haben gelacht – tief im Inneren ein bisschen verunsichert, was es für unsere Freundschaft bedeuten würden, wenn wir getrennte Wege gehen würden. Sie würde nach New York ziehen, und ich hatte ein Footballstipendium für die UT. Allerdings hatte ich nicht vor, die Stadt zu verlassen, ohne Bree zu sagen, was ich für sie empfand, und das mit uns hoffentlich offiziell zu machen. Wir waren immer nur Freunde gewesen, aber damit war ich durch und bereit für mehr.
Und dann passierte es.
Eines Tages missachtete ein Mann eine rote Ampel und fuhr ihr nach dem Unterricht seitlich in den Wagen. Glücklicherweise blieb sie am Leben, aber ihre Karriere als Profiballerina war gestorben. Ihr Knie war zertrümmert, und ich werde nie vergessen, was sie sagte, als sie mich schluchzend aus dem Krankenhaus anrief. Für mich ist alles gelaufen, Nathan. Davon werde ich mich nicht erholen können.
Die Rekonstruktions-OP war krass für sie, aber das Brutalste war die Physiotherapie in jenem Sommer. Ihr Feuer war erloschen, und nichts, was ich hätte tun können, hätte es wieder entfacht. Ich wollte sie nicht verlassen, als es Herbst wurde – es fühlte sich nicht richtig an, meine Träume weiterzuverfolgen, während sie mit ihren zu Hause festsaß. Mehr noch, ich wollte einfach mit ihr zusammen sein. Football bedeutete mir nicht so viel wie sie.
Doch dann zog sie sich zurück. Oder besser: brach die Verbindung ab. Sie ließ mir keine andere Wahl, als wie geplant auf die UT zu gehen – und nachdem ich dann dort war, reagierte sie auf keinen meiner Anrufe und keine meiner Nachrichten. Es fühlte sich an wie die schmerzhafteste Trennung überhaupt, dabei hatten wir nie gedatet. Vier Jahre lang bestand kein Kontakt zwischen uns, und ich weiß bis heute nicht, warum sie das getan hat. Jetzt ist sie in ihrem neuen Leben erfolgreich, deshalb reden wir nicht mehr über die Vergangenheit. Ich habe zu viel Angst vor der Antwort, weshalb sie mich damals aus ihrem Leben gestrichen hat.
Als ich mit dem Studium fertig war, von den Sharks unter Vertrag genommen wurde und nach L. A. zog, war Bree ebenfalls dort. Ich glaube, es war kitschiges, altmodisches, echtes Schicksal, das uns wieder zusammenbrachte. Ich ging in ein nahe gelegenes Café, über meinem Kopf ertönte die Glocke, und sie sah von einem Buch hoch und schaute mir quer durch den Raum in die Augen. Sie war wie ein Defibrillator auf meiner Brust. Wamm. Seitdem hat mein Herz nie mehr wie vorher geschlagen.
An jenem Tag fand ich meine alte Freundin wieder. Die Freundin, die ich vor dem Unfall kannte, die so voller Leben und Energie war, nur noch intensiver. Sie war gesünder, sie hatte diese unglaublichen weichen weiblichen Kurven, die vorher nicht da gewesen waren, und ihr Knie war gut genug geheilt, dass sie als Lehrerin in dem Studio arbeiten konnte, dessen Inhaberin sie jetzt ist. Leider hatte sie damals einen Freund. An seinen Namen kann ich mich nicht erinnern, aber er war der Grund, weshalb ich sie nicht sofort um ein Date bat.
Wir nahmen unsere Dienstagstradition wieder auf, und seitdem drehe ich Loopings in der weiten, niemals endenden Hölle, die auch als »Friendzone« bekannt ist. Ich fürchte, ich werde in dieser Friendzone sterben, weil Bree mich permanent daran erinnert, dass sie an irgendetwas Romantischem nicht interessiert ist. Fast täglich sagt sie irgendetwas Schreckliches wie:
»Nur Freunde.«
»Quasi mein Bruder.«
»Nicht kompatibel.«
»Zwei Amigos.«
Wie auch immer, das war jedenfalls der Grund, weshalb ich es getan habe. Ich konnte es nicht ertragen, mich rauszuhalten und zuzusehen, wie sie etwas verlor, das ihr wichtig war, wenn ich es ihr diesmal so leicht erhalten konnte. Also habe ich heimlich ihre Miete bezahlt, und sie wird schrecklich wütend werden, sollte sie es jemals rausfinden.
Ich nehme mir vor, mich später mit dem Vermieter in Verbindung zu setzen, und in dem Moment zieht Bree ihre Hand zurück. »Ernsthaft, mach dir keine Sorgen! Mir wird etwas einfallen, wie immer. Aber fürs Erste nehme ich ein paar Ibuprofen und lege zwischen den Kursen einen Eisbeutel drauf. Mir geht es gut. Ehrlich.«
Da ich nur ihr Freund bin, bleibt mir nichts anderes übrig, als kapitulierend die Hände zu heben. »Okay, ich höre ja schon auf. Ich frage nicht mehr, ob ich dir Geld geben kann.«
Es ist niedlich, wie sie hochnäsig das Kinn vorreckt. »Danke.«
»He, Bree?«
»Ja?«, fragt sie misstrauisch.
»Möchtest du bei mir einziehen?«
Sie stöhnt laut und lässt den Kopf wieder an das Couchkissen sinken. »Nattthaaaannnn. Hör auf damit!«
»Ernsthaft, überleg doch mal. Wir hassen beide deine Wohnung …«
»Du hasst meine Wohnung.«
»Weil sie nicht für menschliche Besiedlung geeignet ist! Ich bin mir tausendprozentig sicher, dass es dort Schimmel gibt, die Treppe ist total klebrig, und keiner weiß warum, und dieser GERUCH! Was ist das überhaupt?«
Sie zieht eine Grimasse, denn sie weiß genau, wovon ich rede. »Es wird vermutet, dass es ein Waschbär ist, der zwischen die Wände geraten und gestorben ist, aber wir können nicht sicher sein. Oder …« Ihr Blick wird unstet. »… vielleichtaucheinemenschlicheleiche.« Das Letzte nuschelt sie, und ich überlege, ob ich sie als Geisel nehmen und sie gegen ihren Willen zwingen soll, in meiner sauberen, schimmelfreien Wohnung zu leben.
»Das Beste daran, wenn du hier wohnen würdest, du müsstest keine Miete zahlen, und dann müsste das Studio nicht so viel abwerfen.« Es ist ein Schlupfloch, eine Möglichkeit für sie, ihre Kosten zu senken, ohne auch nur einen Cent von mir anzunehmen.
Bree hält meinem Blick so lange stand, dass ich schon glaube, sie schwankt. »Nein.«
Sie ist eine Nadel, und ich bin ein voll aufgeblasener Luftballon. »Wieso nicht? Du wohnst doch praktisch bereits hier. Du hast sogar dein eigenes Zimmer.«
Sie hebt korrigierend den Finger. »Gästezimmer. Es ist ein Gästezimmer.«
Es ist ihr Zimmer. Sie besteht darauf, dass ich es Gästezimmer nenne, aber sie hat dort Kleidung zum Wechseln, einige bunte Kissen, die sie selbst mitgebracht hat, und in den Schubladen einiges an Make-up. Sie schläft mindestens einmal die Woche hier, wenn wir zu lange aufgeblieben sind, um uns einen Film anzuschauen, und sie zu müde ist, um nach Hause zu gehen. Yeah, das ist das andere – ihre Wohnung ist nur fünf Häuserblocks die Straße runter (ja, fünf Häuserblocks machen in einer großen Stadt wie L. A. einen riesigen Unterschied), also wohnen wir praktisch bereits zusammen, nur getrennt durch Hunderte andere mit uns Zusammenwohnende. Logik.
»Nein, und ich meine es ernst – hör auf damit«, erwidert sie in einem Ton, der mich wissen lässt, dass ich mich allmählich in den aufdringlichen Arschlochfreund verwandele und mich zurücknehmen muss.
So mancher ist vielleicht in Versuchung, zu glauben, mein Vollzeitjob wäre Profisportler. Falsch. Er besteht darin, mich dazu zu zwingen, mich mit Bree innerhalb dieses Graubereichs zu bewegen, wo ich innerlich wild auf sie bin und äußerlich nichts als ihr platonischer Freund. Es ist eine grausame Form von Folter. Es ist, als würde man, ohne zu blinzeln, in die Sonne starren, obwohl es höllisch brennt.
Oh, und habe ich erwähnt, dass ich sie vor ein paar Wochen nackt gesehen habe? Yeah, das hat es nicht besser gemacht. Bree weiß es nicht, und ich habe nicht vor, es ihr zu erzählen, weil sie deswegen supermerkwürdig werden und mir eine ganze Woche aus dem Weg gehen würde. Wir haben beide einen Schlüssel zur Wohnung des jeweils anderen, also sperrte ich auf, wie ich das immer tue, nur hatte ich diesmal vergessen, ihr vorher Bescheid zu sagen, dass ich komme. Sie kam splitterfasernackt aus dem Badezimmer und ging dann wieder hinein, ohne mich zu sehen, der ich im Flur stand und mit meiner Kinnlade den Boden wischte. Ich drehte mich sofort um und ging, aber dieser wunderschöne Anblick ist für alle Zeiten in mein Gehirn eingebrannt – nein, mehr als eingebrannt … eingraviert, festgeschrieben, zum Denkmal geworden.
»Sag mir einen vernünftigen Grund, weshalb du nicht hier wohnen willst, und ich fange nie wieder davon an. Großes Pfadfinder-Ehrenwort.« Ich hebe die rechte Hand.
Bree betrachtet sie, versucht nicht zu lächeln, und dann beugt sie meinen kleinen Finger und meinen Daumen nach innen. »Du bist kein Pfadfinder, deshalb hat dein Ehrenwort nichts zu bedeuten, aber ich kann nicht bei dir einziehen, weil es zu … merkwürdig wäre. So, da hast du deine Antwort. Jetzt musst du damit aufhören.« Bree springt vom Boden auf, und diesmal lasse ich sie. Als sie in die Küche geht, schwingt ihr lockiger Pferdeschwanz hinter ihr her, und ein paar lockere Strähnen kleben an ihrem verschwitzten Hals.
Ich folge ihr, weil ich noch nicht ganz bereit bin, das Thema fallen zu lassen, denn ich glaube, dass ich jetzt den eigentlichen Grund weiß. »Für wen wäre das merkwürdig? Für dich oder für Martin? Er weiß doch sicher, dass er sich wegen uns keine Gedanken zu machen braucht.« Ich kann ihren Freund nicht ausstehen. Er hat sie nicht verdient. Ich meine, ich habe sie auch nicht verdient, aber darum geht es nicht. Wie muss jemand drauf sein, für den es okay ist, wenn seine Freundin in einem gesundheitsgefährdenden Gebäude wohnt und er ihr nicht anbietet, bei ihm einzuziehen?
Bree wendet den Blick ab, und ihr Mundwinkel zuckt. Sie ringt mich sich, und ich ziehe die Augenbrauen hoch, um ihr Mut zu machen. »Bree?«
Sie dreht sich weg und langt mit ihrer Hand und den stets präsenten bunten geflochtenen Bändern am Handgelenk in ihre monströse Handtasche. »Habe ich schon gesagt, dass ich etwas für dich habe? Es wird dich aufheitern nach der Trennung von Kreischi … ich meine Kelsey.« Sie kichert über ihre kleine Stichelei, und ich versuche, sie mein Lächeln nicht sehen zu lassen. Meine Trennung von Kelsey ist mir so was von egal. Mich interessiert mehr, wieso sie gerade das Thema zu wechseln versucht.
Sie wühlt und wühlt und wühlt in ihrer Handtasche herum, und ich weiß, was kommt. Bree hat eine Obsession für Krempel. Wenn sie etwas sieht, bei dem sie an jemanden aus ihrem Freundes- oder Familienkreis denken muss, kauft sie es und stopft es in diese Mary-Poppins-Tasche, um uns später damit zu beglücken. Ich habe zwei komplette Regalbretter mit Dingen, die sie mir im Laufe der Jahre geschenkt hat. Ihre Schwester Lily hat drei. Wir haben mal gewettet, wer mehr hat. »Breempel« nennen wir sie, und ich habe verloren. Lily lag um sieben in Führung.
Endlich findet Bree, was sie sucht, und aus den Tiefen ihrer Tasche taucht ein Miniatur-Magic-8-Ball auf.
Ihre regenbogenfarbenen Fingernägel glänzen, als sie ihn vorsichtig auf meine nach oben gedrehte Handfläche legt und leise sagt: »Nummer acht. Du weißt schon, weil du Nummer acht in deiner Mannschaft bist.« Ich werde ihn neben meine Spielkarte mit der Nummer acht, mein Shotglas mit der Nummer acht und meine Geburtstagskerze mit der Nummer acht legen. »Ach ja, und Martin und ich haben uns getrennt.«
Moment mal, was?
Die Erde hört auf, sich zu drehen. Grillen schweigen. Jeder wo auch immer auf dem Planeten dreht sich um und sieht uns an. Ich dagegen muss mit aller Kraft versuchen, neutral zu bleiben. Irgendwie weiß ich instinktiv, dass es entscheidend für den Status quo unserer Freundschaft ist, wie ich jetzt reagiere. Mach bloß nichts kaputt, Nathan.
»Wann?«
»Gestern Abend. Wir haben uns nach dem Spiel getrennt.« Ihre Antwort kommt schnell. »Also eigentlich habe ich mich nach dem Spiel von ihm getrennt. Er kam damit aber gut zurecht. Es war ziemlich beidseitig.«
Ich kann es nicht glauben. »Wieso erzählst du mir das jetzt erst?«
Sie zuckt mit den Schultern und konzentriert sich darauf, ihre Armbänder eins nach dem anderen an ihrem Handgelenk auf und ab zu schieben. »Ich habe einfach nicht dran gedacht.«
»Lüge. Niemand vergisst mal eben, dass er sich von jemandem getrennt hat, mit dem er sechs Monate zusammen war.«