The Lost Fisherman (Fisherman-Reihe 2) - Jewel E. Ann - E-Book

The Lost Fisherman (Fisherman-Reihe 2) E-Book

Jewel E. Ann

0,0
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist fünf Jahre her, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Ein unerwartetes Ereignis bringt mich zurück an den Ort, an dem alles begann. Aber ich bin nicht mehr die naive junge Frau, die er einst kannte. Und er ist nicht mehr der Mann, der mir fast alles genommen hat. Kann dies der richtige Zeitpunkt für uns sein? Oder ist es zu spät? Habe ich mich selbst gefunden, nur um ihn zu verlieren?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Epilog
Danksagung

Jewel E. Ann

 

 

The Lost Fisherman

(Fisherman-Reihe 2)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Englischen übersetzt von Lara Gathmann

The Naked Fisherman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2024 VAJONA Verlag VAJONA Verlag

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 OelsnitzGmbH

Originalausgabe bei VAJONA Verlag

 

 

Übersetzung: Lara Gathmann

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »The Lost Fisherman«.

 

Korrektorat: Aileen Dawe-Hennings und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: Julia Gröchel unter Verwendung von selbst

gezeichneten Motiven

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz

 

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur

Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

Kapitel 1

 

Aus sechs wurden zwölf Monate in Thailand mit Brendon. Rory hatte recht. Aus Freundschaften konnte mehr werden.

Spielerische Stupser.

Necken.

Flirtende Blicke.

Händchenhalten.

Gestohlene Küsse.

All die kleinen Dinge, die in den Kästchen abgehakt wurden. Wenn alle Kästchen angekreuzt waren, musste es Liebe sein. Richtig?

Ein Zwischenstopp in Tokio und ein weiterer in Los Angeles waren alles, was zwischen mir und meiner Mutter stand – zwischen mir und Fisherman.

Brendon verbrachte den Monat vor unserer Heimreise damit, Andeutungen über eine Heirat zu machen. Habe ich mir eine Hochzeit am Urlaubsort oder eine kirchliche vorgestellt?

Wie viele Kinder wollte ich haben?

Würde ich lieber in der Stadt oder in den Bergen leben? Ein Hund und zwei Katzen? Oder keine Katzen und zwei Hunde?

Brendon hatte immer noch seinen Job in der Anwaltskanzlei in Denver, der auf ihn wartete. Er würde gutes Geld verdienen und die Möglichkeit haben, aufzusteigen, vielleicht würde er sogar eines Tages Partner werden.

Ich hatte die Möglichkeit, … nichts zu tun.

Nun, das stimmt nicht.

Es gäbe Kinder zu erziehen, Hunde auszuführen und Kuchen zu backen.

Fisher verdiente gutes Geld. Wenn ich für das Leben einer Ehefrau und Hausfrau bestimmt war, warum habe ich ihn dann verlassen? In den Tagen vor unserer Abreise dachte ich mehr an Fisher als in den gesamten zwölf Monaten zuvor.

Brendon überredete mich, unsere Reise um ein paar Tage zu verlängern, damit wir ein paar Nächte in Tokio verbringen konnten.

»Reese, langsam«, murmelte er an meine Lippen – meinen besorgten Mund – als wir mit dem Aufzug zum Hotelzimmer fuhren.

Ich hatte das ungute Gefühl, dass Brendons Grund für die zusätzlichen Tage in Tokio mit einem Heiratsantrag zu tun hatten.

Heiratsantrag.

Hochzeit.

Sex.

Das war sein Plan.

Ich hatte aber andere Pläne. Aus irgendeinem Grund wollte ich meine Jungfräulichkeit, oder zumindest das, was davon übrig war, nicht in der Hochzeitsnacht verlieren. Was, wenn ich Brendon heiratete und der Sex nicht gut war? Was, wenn ich jede Sekunde damit verbrachte, ihn mit Fisher zu vergleichen?

Ich musste es wissen.

»Whoa ... ernsthaft, was ist los mit dir?« Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, zog Brendon meine Hand von seinem Schritt weg.

»Ich will nicht warten. Ich weiß … ich weiß, dass es falsch ist, aber ich will nicht warten.«

Er verengte seine Augen. »Reese, ich glaube, du hast nur gemischte Gefühle, weil du nach einem Jahr wieder nach Hause kommst. Geh duschen, trink etwas Wasser und schlaf eine Nacht darüber. Okay?« Er blieb vor der Tür zu meinem Zimmer stehen. Seine Antwort auf Sex war duschen, trinken und darüber schlafen? Würde jeder Mann, den ich traf, mich ablehnen? Würde ich jemals Sex haben?

»Okay.« Ich nickte. »Du hast recht. Gute Nacht.«

In dieser Nacht duschte ich, dachte an Fisher und berührte mich selbst.

Am nächsten Morgen waren wir die Ersten in der Schlange, um auf den Aussichtsturm des Tokyo Skytree zu gehen. Mit dem Berg Fuji in der Ferne, der an diesem Tag klar zu sehen war, kniete Brendon nieder und machte mir mit dem Diamantring seiner Großmutter einen Heiratsantrag.

Die Schaulustigen lächelten und staunten, alle Augen waren auf uns gerichtet. Nein … alle Augen waren auf mich gerichtet.

»Du bist die Frau meiner Träume, Therese Capshaw, und ich glaube, ich wusste es von dem Tag an, als wir uns kennenlernten. Erweise mir die Ehre, meine Frau zu werden.«

Mein Gehirn war wie gelähmt. Aber in diesem Moment war das Einzige, was ich tun konnte, zu nicken, damit alle damit aufhörten, mich anzustarren. Brendon eingeschlossen.

»Ja!« Er steckte mir den Ring an den Finger und stand auf. Er zog mich in eine feste Umarmung und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Ich war verlobt und ich bekam einen Kuss auf die Wange.

Auf dem Rückweg zu unserem Hotel zog ich an seinem Arm und zerrte ihn in eine Drogerie.

»Was machst du da?« Er lachte.

Ich führte ihn einen Gang hinauf und den nächsten hinunter und blieb bei den Kondomen stehen.

Er verengte seine Augen. »Reese …«

»Das heißt nicht, dass wir es tun müssen, sondern nur, dass wir vorbereitet sind.«

»Vorbereitet, zu sündigen?«

»Vorbereitet, damit wir nicht erklären müssen, warum wir unsere Hochzeit überstürzen, falls wir doch sündigen sollten.« Brendon schüttelte den Kopf, und ich wusste, dass er sich dabei nicht wohlfühlte. Aber ich fühlte mich auch nicht wohl dabei, ihn zu heiraten, ohne vorher Sex mit ihm gehabt zu haben. Und das sollte das einzige Zeichen sein, das ich brauchte.

Aber im Herzen war ich eigentlich immer noch eine naive junge Frau, die so viel zu lernen hatte, und mein Lieblingslehrer war zufällig eine halbe Welt weit entfernt und hatte es aufgegeben, mir mehr beizubringen als das, wie hart die Liebe doch sein konnte und das ach-so-wichtige Sinken oder Schwimmen.

Mit einer unglücklichen Grimasse, bei der sich seine Zähne in seine Lippe bohrten, nickte Brendon.

Dieses Nicken führte zu Vorfreude.

Die Vorfreude führte zu Verlockungen des Verbotenen.

Er hat vielleicht nicht von sich aus den Anfang gemacht, aber als wir uns an diesem Abend nach dem Essen in seinem Hotelzimmer wiederfanden, entwickelten sich die Dinge schnell in Richtung der Kondomschachtel.

»Ich liebe dich so sehr«, sagte Brendon immer wieder zwischen unseren Küssen und inmitten der Entledigung unserer Kleidung. Vielleicht glaubte er, Gott würde unsere Entscheidung nicht so kritisch sehen, wenn er mich – und Gott – immer wieder daran erinnerte, wie sehr er mich liebt. Es war nicht nur ein körperliches Bedürfnis – und hoffentlich auch kein unmoralischer Akt. Wir waren verliebt und einander verpflichtet.

Und mit wir meinte ich eher Brendon als mich.

Ich wollte nur wissen, wie es sich anfühlte, mit ihm Sex zu haben. Und ich liebte ihn. Es fühlte sich nur nicht so an wie mit Fisher. Vielleicht sollte es sich aber auch nicht so anfühlen wie mit Fisher.

»Ich bin so nervös, dass meine Hände nicht aufhören, zu zittern«, sagte Brendon, während er mit dem Kondom hantierte.

Nachdem er es übergezogen hatte, schloss ich die Augen.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Dinge mit Brendon nicht gut liefen: Er berührte mich, und ich stellte mir vor, es sei Fisher. Brendon begann, in mich einzudringen, und ich erinnerte mich an die Momente mit Fisher. Aber Brendon berührte mich nicht, wie Fisher mich berührt hatte. Er berührte mich eigentlich überhaupt nicht. Lediglich sein Schwanz, der zwischen meine Beine drang, und seine Lippen, die nervös über meinen Lippen schwebten, berührten mich.

Hat er meine Brüste nicht bemerkt? Vielleicht war er nicht die Art Mann, der auf Brüste steht. Wollte er mich nicht zwischen meinen Beinen küssen? Meine Klitoris erforschen? Mit seiner Zunge an meinem Hals entlangfahren, bevor er mir ins Ohrläppchen beißt?

Es war alles so anders.

Ich zuckte zusammen, als er ganz in mich stieß. Es fühlte sich nicht gut an, vielleicht weil er nichts dafür tat, dass es sich wenigstens ein bisschen weniger schrecklich und schmerzhaft anfühlte.

Für die nächsten fünf Minuten, vielleicht sogar weniger, stieß er in einem unregelmäßigen Rhythmus in mich. Er verfehlte meinen Kitzler jedes Mal, während seine schweren Atemzüge über mein Gesicht strichen – er grunzte und drückte mir gelegentlich einen kurzen, nassen Kuss auf den Mund.

»O mein …« Brendon kniff die Augen zusammen und blieb für ein paar Sekunden still, bevor ihm ein Schauer über den ganzen Körper jagte. Er öffnete die Augen und grinste. »Das war …«, er atmete aus, »… unglaublich. Ich liebe dich so sehr.« Als er von mir herunterrollte, setzte ich mich langsam, mit dem Rücken zu ihm und Tränen in den Augen, auf. Ich hatte ihm meine Jungfräulichkeit geschenkt, und ich bereute es nicht, zumindest nicht für mich. Brendon hatte sie verdient, weil es ihm etwas bedeutete. Ich glaube, es bedeutete ihm mehr als mir.

Die Tränen und Schuldgefühle? Nicht, weil ich gesündigt hatte.

Weil ich ihn in Versuchung geführt hatte. Er hatte für mich gesündigt. Er hatte es getan, weil er mich liebte. Er hatte es getan, weil es weniger falsch erschien, seit ich zugestimmt hatte, ihn zu heiraten.

Tränen … Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, weil ich wusste, dass ich ihn nicht heiraten konnte.

Und ich konnte nicht nach Hause zu Rory gehen … zu Fisher.

Es war an der Zeit, etwas für mich selbst zu tun. Es war an der Zeit, sich in die unendlichen Möglichkeiten zu verlieben. Zeit, allein zu gehen. Zeit, erwachsen zu werden.

Zeit, verdammt nochmal an mich selbst zu denken.

 

Kapitel 2

Vier Jahre später

 

»O mein Baby Girl!« Rory warf ihre Hände in die Luft und stürzte sich auf mich, wie sie es am Flughafen in Denver getan hatte, nachdem sie aus dem Gefängnis gekommen war.

Ich war damals eine naive, junge Frau gewesen. Ein Reh im Scheinwerferlicht und ohne Ahnung darüber, wo meine Reise überhaupt begann, geschweige denn, wohin sie mich führen würde.

Sie führte mich zu Fisher, dann nach Thailand und schließlich nach Ann Arbor, Michigan. In Thailand hatte ich mich freiwillig gemeldet, um einer Frau namens Alesha zu helfen. Sie war dreiundfünfzig. Eine Hebamme. Ähnlich wie bei Fisher habe ich bei ihr als Hilfsarbeiterin gearbeitet. Ich brauchte keine Erfahrung. Und genau wie Fisher hat Alesha mir viel beigebracht. Während meines Jahres in Thailand habe ich ihr bei dreiunddreißig Geburten zugesehen – und manchmal auch geholfen. Aber schon nach der ersten Entbindung wusste ich, dass sie den besten Job der Welt hatte.

Nachdem ich Brendon in jener Nacht in Tokio das Herz gebrochen hatte, änderte ich meine Reisepläne. Anstatt nach Colorado zu gehen, kehrte ich nach Houston zurück. Meine Großeltern halfen mir dabei, finanzielle Unterstützung für das College zu erhalten.

Ausbildung zur Krankenpflegerin an der University of Michigan.

Ein neuer Ort, an dem ich niemanden kannte. Der perfekte Ort, um meinem Traum zu folgen.

»Dein Vater wäre so stolz«, umarmte mich Rory an dem Tag, als ich meinen Bachelor-Abschluss erhielt.

Ich fand es toll, dass sie Dad angesprochen hat. Er wäre wirklich stolz auf mich gewesen.

Die Eltern meiner Mutter freuten sich auch für mich. Die Eltern meines Vaters setzten ihr falsches Lächeln auf und sahen zu, wie Rory und Rose mir gratulierten. Sie akzeptierten die Entscheidung meiner Mutter nicht: ein Leben mit ihrer Partnerin. Ich liebte meine Mutter und ich liebte auch Rose. Während der vier Jahre in Ann Arbor hatten sie mich im Durchschnitt dreimal im Jahr besucht. Ich habe es nie nach Denver geschafft, aber es hatte ihnen nichts ausgemacht, zu mir zu kommen.

Die boshaften Blicke der Eltern meines Vaters störten mich nicht weiter. Sie waren alt. Eingefahren in ihren Gewohnheiten. Und ihre Meinung prägte nicht mehr die meine.

Ich wusste, ich hatte einen Weg gefunden, Gott ohne Angst und Schuldgefühle zu lieben – das ist das befreiendste Gefühl überhaupt.

Sex? Ja …

Ich hatte während meiner vier Jahre in Michigan eine Handvoll Partner gehabt. Und sie alle waren bessere Liebhaber gewesen als Brendon. Um fair zu sein … es war damals auch Brendons erstes Mal gewesen.

Alkohol? Ich war keine große Trinkerin, aber ich hatte dennoch hin und wieder eine lustige Partynacht mit meinen Freunden genossen.

Freunde … Ich hatte so viele Freunde aus der Krankenpflegeschule. Sie fühlten sich für mich mehr wie Schwestern und Brüder an.

Ich hatte mir sogar ein Tattoo stechen lassen. Aber niemand, außer meine Liebhaber, hat es bisher zu Gesicht bekommen. Fisher war nicht der Einzige, der mehrere Partner haben durfte.

»Mittagessen?«, fragte Rory.

»Klingt perfekt!« Ich umarmte meine Großeltern, bevor wir uns auf dem Weg zum Parkplatz machten. Mom und Rose stiegen mit mir in ein Auto, während meine Großeltern ihren Mietwagen fuhren.

»Und wann fängst du deinen neuen Job an?«, fragte Rose.

Ich lachte. »Zuerst muss ich meine NCLEX-Prüfung bestehen. Dann werde ich mir einen Job suchen.«

»Dann kannst du im kommenden Herbst mit deinem Masterstudium beginnen, richtig?«

Ich nickte. »Das ist der Plan.«

»Wir ziehen aus dem Keller aus. Wir suchen uns eine eigene Wohnung. Da ist genug Platz für dich, falls du nach Denver zurückkommen willst«, sagte Mom.

»Du ziehst aus Fishers Keller aus?« Ich warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. Es fühlte sich komisch an, seinen Namen zu sagen. Ich hatte viel über ihn nachgedacht, seinen Namen aber nie ausgesprochen.

»Hast du Angie jemals kennengelernt?«, fragte Rory.

Ich schluckte schwer und nickte. »Ähm, ich glaube schon. Seine Jugendliebe?«

»Ja. Nun, sie ist letztes Jahr endgültig nach Denver zurückgezogen, weil es ihrer Mutter nicht gut ging. Tatsächlich ist ihre Mutter vor Kurzem gestorben. Sie und Fisher hatten sich gerade verlobt.«

Es spielte keine Rolle.

Das sagte ich mir immer und immer wieder. Mein Gehirn verstand es, auf dem Weg zu meinem Herzen waren die Worte aber irgendwo durcheinandergeraten und haben unnötige Schmerzen verursacht.

Fünf Jahre …

Es waren fünf Jahre vergangen, seit ich Fisher gesehen oder mit ihm gesprochen hatte. Ich dachte, ich hätte einen sauberen Schlussstrich gezogen. Warum also fühlten sich die Ränder des Lochs in meinem Herzen so rissig an, als wären sie noch nicht verheilt? Als würden sie nie verheilen.

»Es ist also an der Zeit, auszuziehen. Angie ist nett, aber ich glaube, sie wollen das Haus für sich allein haben, um eine Familie zu gründen«, sagte Rory.

Ich nickte langsam. »Ja«, flüsterte ich und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals an.

Am Restaurant angekommen ergriff Rose meine Hand, nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen war. Sie drückte sie kurz und schenkte mir ein sanftes Lächeln, ein ›Gehts-dir-gut?‹-Lächeln.

All diese Jahre …

Und sie hatte meiner Mutter nie von Fisher und mir erzählt. Das war ein weiterer Grund, warum ich Rose liebte. Ein weiterer Grund, aus dem ich wusste, dass meine Mutter sich in sie verliebt hatte.

Im Gegenzug drückte ich ihre Hand und lächelte, während ich die Freude über die Ereignisse des Vormittags, über meinen besonderen Tag, wieder in den Vordergrund holte.

Rose zwinkerte mir zu und ließ mich los, ohne dass Rory etwas merkte.

Das mit Fisher und mir hatte auf die bestmögliche Weise geendet. Ich hatte seine Liebe gespürt und immer geglaubt, dass er meine fühlte. Es war einfach nicht unsere Zeit gewesen.

Das Leben hatte die Führung übernommen.

Ich hatte nicht auf ihn gewartet.

Und er nicht auf mich.

Das war in Ordnung. So war das Leben.

Mit der Nachricht von seiner Verlobung bestätigte sich, was ich schon immer befürchtet hatte. Es würde nie eine Zeit für uns geben.

»Oh …« Rory drehte sich um, kurz bevor wir das Restaurant betraten. »Apropos Fisher, er hat eine Karte geschickt.« Sie kramte in ihrer Tasche und holte einen Umschlag heraus. »Danke.« Ich nahm ihn und steckte ihn in meine Tasche. Ich konnte die Karte erst lesen, wenn ich allein war. Selbst wenn es nichts weiter als eine gewöhnliche Abschiedskarte mit seiner Unterschrift sein würde, brauchte ich meine Ruhe, um mich mit Fisher Man auseinanderzusetzen.

 

 

 

 

 

Ich brauchte drei Tage, um seine Karte zu öffnen. Meine Familie war wieder nach Hause gefahren. Und meine beiden Mitbewohner – ebenfalls Absolventen der Krankenpflegeschule – waren den ganzen Tag weg.

Als ich den Umschlag langsam öffnete, indem ich meinen Finger unter die Lasche steckte, atmete ich tief ein. Es war in der Tat eine gewöhnliche Karte, aber sie enthielt mehr als nur seine Unterschrift. Er hatte mir eine lange Nachricht hinterlassen, die die gesamte linke Seite der Karte einnahm.

 

Reese,

 

kann ich sagen, wie stolz ich auf dich bin, ohne dass es herablassend klingt? Ohne dass du denkst, es sei eine Anspielung auf dein Alter? Ich bin es. Mehr noch, ich freue mich für dich. Rory sagte, du willst Hebamme werden und Babys zur Welt bringen.

Ich wusste, du würdest die Welt verändern, Leben berühren … so wie du meines berührt hast.

Ich bin sicher, Rory hat dir erzählt, dass ich heiraten werde. An diesem Punkt in meinem Leben halte ich es für die beste Entscheidung. Meine Familie ist begeistert, und mir geht’s gut, falls es dich interessiert, was vielleicht nicht der Fall ist. Geh und sei die wundervolle Frau, von der ich wusste, dass du sie sein würdest. Finde deinen Platz, deine Leute, das Leben, das du verdienst.

Herzlichen Glückwunsch!

 

The Naked Fisherman

 

Ich lachte durch meine Tränen hindurch. So viele Tränen. Er hatte mit The Naked Fisherman unterschrieben. Das machte mich glücklich und gleichzeitig unendlich traurig. Hatte er auf mich gewartet? Und hatte er dann doch eines Tages beschlossen, nicht mehr zu warten und seine Familie glücklich zu machen, indem er Angie einen Heiratsantrag machte? Gut … er war gut.

Kapitel 3

 

Ich bestand meine NCLEX-Prüfung.

Ich bekam meine eigene Wohnung.

Und ich hatte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch in einer Kinderarztpraxis.

Das Leben bescherte mir trotz der Nachricht von der Verlobung weiterhin sonnige Tage.

Am Morgen meines Bewerbungsgesprächs rief mich Rory an.

»Ich war noch nicht bei dem Vorstellungsgespräch«, sagte ich, als ich mich auf den Weg zu meinem Auto machte. »Ich bin jetzt auf dem Weg dorthin.«

»Reese.« Ihre Stimme drang mit einer kühlen Ernsthaftigkeit an mein Ohr.

Das ließ mich innehalten. »Was ist passiert?«

»Fisher hatte einen Unfall mit seinem Motorrad. Er wird gerade operiert. Wir wissen noch nicht, wie schwer seine Verletzungen sind. Ich dachte, ich lasse es dich wissen, falls du für ihn beten willst.«

»W-was?« Ich schlug eine Hand vor den Mund, während mir sofort Tränen in die Augen stiegen.

»Ich sage dir Bescheid, wenn er aus dem OP kommt … falls er aus dem OP kommt.«

Falls …

»Okay?«, fragte sie.

Ich nickte und presste ein winziges »Okay« an dem Kloß in meiner Kehle vorbei.

Nachdem Rory den Anruf beendet hatte, fielen mein Telefon und die Schlüssel auf den Boden. Das Display zerbrach. Ein Schluchzen nach dem anderen schüttelte meinen Körper.

Alles, was ich sehen konnte, war sein Gesicht. Diese Augen. Dieses Zwinkern. Das Lächeln, das er mir schenkte, kurz bevor er etwas sagte, das mich erröten ließ.

»Wirst du mich küssen?«

»Ich denke darüber nach.«

»B-bist du m-mein?«

»Du kennst die Antwort darauf.«

»Ich versuche so sehr, mich nicht in dich zu verlieben.«

»Ich weiß.«

Es ging mir gut …

Vielleicht nicht gut …

Aber es ging mir gut damit, Fisher nicht mehr in meinem Leben zu haben.

Doch es ging mir nicht gut damit, dass er nicht mehr in diesem Leben sein sollte. Wenn das passierte, würde ich nie wieder in Ordnung kommen.

Ich hob das Handy auf und rief die Nummer des Büros an, in dem ich das Vorstellungsgespräch hatte. Ich sagte es ab und buchte einen Flug nach Denver.

Als ich ankam, rief ich Rory an.

»Noch keine Neuigkeiten. Er ist immer noch im OP. Ist das Gespräch gut verlaufen?«

»Ich bin hier in Denver, am Flughafen.«

»Was?«

»In welchem Krankenhaus liegt er?«

»Reese, du kannst nichts tun. Ich hatte vor, dich anzurufen, sobald er aus dem OP kommt und wir mehr wissen.«

»Mom!« Es war eines der seltenen Male, dass ich sie Mom nannte und nicht Rory. »Welches. Krankenhaus?«

»Ich hole dich ab«, erwiderte sie in einem ruhigeren Ton, bevor sie den Anruf beendete.

Fünfundvierzig Minuten später stieg Rose aus der Beifahrerseite aus, als sie an den Bordstein fuhren.

»Wir beten alle für ihn«, flüsterte sie, als sie mich umarmte.

Ich blinzelte gegen die Tränen an, die in meinen Augen brannten, und nickte anstelle von echten Worten.

Als wir im Krankenhaus ankamen, saßen Fishers Familie und andere bekannte Gesichter von der Arbeit im Wartezimmer.

Seine Eltern und Geschwister.

Hailey.

Angie.

Wir tauschten ein paar nüchterne »Hallos« aus, bevor ich mich mit Rory und Rose in die hinterste Ecke des Raumes zurückzog. Und dann warteten wir. Als der Arzt herauskam, versammelten sich seine Eltern und Angie in einem Kreis um ihn herum. Ein kollektiver Seufzer der Erleichterung war zu spüren. Es waren gute Nachrichten. Fisher hatte die Operation überstanden.

Als wir beschlossen, dass nur die Familie ihn später am Abend sehen durfte, ging ich mit Rose und Rory nach Hause in ihr neues Haus.

»So weit seid ihr nicht gekommen.« Ich musste grinsen, als sie in die Einfahrt des Hauses fuhren, das etwa drei Blocks von Fishers entfernt lag.

»Das war eine Zwangsvollstreckung. Wir haben so wenig dafür bezahlt, es ist quasi gestohlen. Wir gehen mehrmals die Woche abends spazieren und landen doch immer wieder bei Fishers Haus und trinken Bier und Wein auf seiner Veranda.« Rory zuckte mit den Schultern und stellte das Auto ab. »Was soll ich sagen, er gehört zur Familie. Nur …« Sie runzelte die Stirn. »Nicht genug, um ihn heute Abend sehen zu können.«

Rose drückte das Bein meiner Mutter. »Wir werden ihn morgen sehen.«

Rory nickte.

Wir bestellten Abendessen, aber keiner von uns hatte großen Hunger. Stattdessen erzählten wir uns lustige Geschichten über Fisher. Als wäre er tot und wir würden in Erinnerungen an sein Leben schwelgen.

»Oh …« Rory leerte den Rest ihres Weins, »wie ist dein Vorstellungsgespräch gelaufen?«

Ich schüttelte den Kopf und schenkte mir ein weiteres Glas Wein ein. Endlich konnte ich mich zu den echten Erwachsenen im Raum gesellen. »Ich habe es abgesagt. Ich habe ihnen gesagt, es gäbe einen familiären Notfall.«

»Ich war ein wenig überrascht, als du mich vom Flughafen aus angerufen hast«, sagte Rory. »Ich weiß, dass ihr eine Zeit lang zusammen gearbeitet habt, und ich habe Witze darüber gemacht, dass ihr euch wie Geschwister verhaltet, aber wann habt ihr beide das letzte Mal miteinander gesprochen?« Rose warf mir einen nervösen Blick zu. Ich erwog, Rory einfach von Fisher und mir zu erzählen. Ich war fast vierundzwanzig. Was hätte sie jetzt schon sagen oder tun können?

Ich hatte mich weiterentwickelt. Er hatte sich weiterentwickelt.

Da er im Krankenhaus lag und verlobt war, oder aus welchem Grund auch immer, entschied ich mich, zu warten. Vielleicht würde es einen besseren Zeitpunkt geben. Vielleicht auch nie. Spielte es eine Rolle?

»Ich weiß nicht … es war seltsam. Ich meine … es ist Jahre her, dass wir miteinander gesprochen haben, aber als du es mir gesagt hast, hat es mich schwer getroffen. Ich bin mir nicht sicher, warum. Und ich habe nicht einmal nachgedacht. Ich habe einfach mein Vorstellungsgespräch abgesagt und den ersten Flug nach Denver genommen. Vielleicht liegt es daran, dass ich weiß, wie nahe du ihm stehst.«

»Ich bin sicher, er wird sich freuen, dich zu sehen, auch wenn die Umstände beschissen sind.«

Ich nickte langsam. Würde er sich wirklich freuen, mich zu sehen?

 

 

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg ins Krankenhaus, nachdem Rory mit Arnie gesprochen hatte. Er sagte, Fisher sei ein bisschen benebelt, aber sonst in Ordnung. Der Unfall war genau das gewesen – ein Unfall im Regen. Ein großer Lastwagen konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und hatte Fisher gerammt.

Doch als wir das Wartezimmer erreichten, war Angie in Tränen aufgelöst, während Fishers Schwestern sie trösteten.

Hatte die Situation eine plötzliche Wendung genommen?

Es war nicht unmöglich. Ich hatte schon viele Patienten erlebt, die aus dem OP kamen, stabil und gesund schienen, nur um Stunden später eine Nulllinie zu haben.

Arnie löste sich von der Gruppe der Frauen.

»Lange nicht mehr gesehen. Wie ist es dir ergangen?« Er umarmte mich.

»Gut«, log ich. »Bist du schon berühmt?«

Er ließ mich los und gluckste. »Fast.«

»Was ist hier los?« Ich nickte zu Angie und seinen Schwestern.

Arnie runzelte die Stirn. »Oh, mein Bruder verhält sich nur ein wenig so, als wäre er betrunken, das ist alles. Ich bin sicher, das liegt an den Schmerzmitteln. Die Ärzte sind noch nicht allzu besorgt.«

»Was meinst du damit, dass er sich ein wenig betrunken verhält?«, fragte ich.

»Gedächtnisprobleme. Er scheint nicht jeden zu kennen. Nun, er kennt mich. Unsere Schwestern. Unsere Eltern. Aber bis jetzt niemanden von der Arbeit. Tatsächlich kann er sich nicht daran erinnern, Häuser gebaut zu haben. Und …« Er rümpfte die Nase und flüsterte »Er erkennt Angie im Moment nicht.«

»O nein.« Rorys Augen weiteten sich, und ihr klappte der Kiefer auf. »Kommt schon, wir sollten herausfinden, ob er sich an seine Lieblingstrinkkumpanen erinnert.« Arnie grinste Rory und Rose an. Ich folgte den Dreien zu Fishers Zimmer. »Noch mehr Besucher. Tu so, als würdest du sie erkennen«, ärgerte Arnie Fisher, als wir in sein Zimmer traten.

Ich stand hinter Rory und Rose, als sie am Fußende seines Bettes innehielten. Ich konnte nur Teile von ihm sehen.

Sein bandagiertes Gesicht. Sein eingegipster Arm.

»Rory und Rose«, sagte er mit ziemlich schwacher Stimme.

Es spielte keine Rolle für mich, wie schwach seine Stimme war – sie bewirkte immer noch etwas in meinem verrückten Herzen.

»Ding. Ding. Ding.« Arnie gab Fisher ein langsames Klatschen. »Zwei von zwei, Bruder.«

»Kein Motorrad mehr für dich«, sagte Rose, als sie sich auf die Bettkante setzte, während Rory auf der anderen Seite des Bettes näher rückte und mich im Blick behielt.

Er kannte sie, also würde er auch mich kennen. Da war ich mir ziemlich sicher. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln.

Er lächelte zurück. »Hi.«

»Hi.«

»Bitte sag mir, dass wir uns noch nie begegnet sind. Ich fürchte, ich habe heute schon zu vielen Menschen das Gefühl gegeben, unbedeutend zu sein«, sagte Fisher.

Rory und Rose tauschten einen Blick aus.

»Wie kann es sein, dass dein Gehirn so schlecht funktioniert, dass die schärfsten Frauen in deinem Leben einfach … puff … weg sind?« Arnie schüttelte den Kopf.

Fisher verengte seine Augen, als ob er mich dadurch besser erkennen könnte, als ob sie schuld wären und nicht sein Gehirn.

»Das ist Reese, meine Tochter«, sagte Rory. »Aber du hast sie seit Jahren nicht mehr gesehen, also mach dir keinen Stress. Sie hat ein paar Monate lang mit mir in eurem Keller gewohnt. Und sie hat für weniger als … wie lange mit dir gearbeitet?« Sie schaute mich an. »Ein paar Monate?«

Ich nickte. Das war alles, wozu ich imstande war.

Natürlich weinte Angie. Wenn der Mann, den man liebte – geliebt hatte –, einen nicht erkannte, war das kein schönes Gefühl.

»Sie hat gerade ihren Abschluss an der Krankenpflegeschule in Michigan gemacht. Nächstes Jahr wird sie ihren Master machen. Hebamme. Sie wird Babys zur Welt bringen.«

Fisher erwiderte mit einem leichten Nicken: »Glückwunsch.«

»Danke.« Ich räusperte die Traurigkeit aus meiner Kehle. Ich glaube, nur Rose spürte meinen wahren Gefühlszustand. »Ich freue mich wirklich, dass es dir gut geht«, schaffte ich es, zu sagen.

»Ja. Ich kann mich nicht einmal an den Unfall erinnern.«

»Die Ärzte glauben, dass sein Gedächtnisverlust wahrscheinlich nur vorübergehend ist«, sagte Arnie.

Ich wusste, es könnte vorübergehend sein. Oder es könnte eine lange Zeit andauern. Oder es könnte dauerhaft sein. Das Gehirn war schwer einzuschätzen.

»Ich hoffe es.« Fisher starrte ein paar Sekunden lang aus dem Fenster. »Diese, ähm … Frau war sehr aufgebracht. Meine Verlobte?«

O mein Gott …

Diese Frau. Er reduzierte Angie auf ›diese Frau‹. Ich war nie ein Angie-Fan gewesen, aber ich war auch kein Unmensch. Ich fühlte ihren Schmerz. Er hatte mich nicht gebeten, ihn zu heiraten und ich war schon am Boden zerstört, weil er mich nicht erkannte. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie sich Angie gefühlt haben musste.

»Nun …«, erwiderte ich ein nervöses Lachen und spürte Roses Blick auf mir, »ich bin sicher, es muss herzzerreißend sein, wenn man für den, den man am meisten liebt, ein Fremder ist.«

Fishers Stirn legte sich in Falten. »Ich bin sicher, du hast recht.«

»Wir lassen dir ein bisschen Ruhe.« Rory beugte sich hinunter und küsste ihn auf die Seite des Kopfes. Ich wollte ihm so nahe sein.

Denn noch immer spüre ich die Wärme seiner Haut, das Streicheln seiner Lippen, die Intensität seiner Augen, wenn er mich mit Verwunderung und Vorfreude ansah. Die Ironie dabei? Hätte ich ihm meine Jungfräulichkeit ›geschenkt‹, hätte er sich nicht daran erinnert. Ich bereute nicht, dass es Brendon gewesen war. Auch wenn ich ihn verletzt hatte. Wäre es Fisher gewesen, hätte ich nicht weggehen können. Ich hätte den Verlust meiner Jungfräulichkeit wie eine Nierenspende behandelt.

Weitere Fisher-Man-Lektionen …

Es ging nicht um die ersten Male. Jeder Moment zählte. Jede Berührung. Jedes Wort. Es war egoistisch, unser beider Leben als nicht mehr als eine endlose Folge von Geben und Nehmen anzusehen. Es bedeutete, dass wir uns mehr oder weniger nur von einem Moment zum nächsten bewegten, ohne jede Bedeutung.

Ich wusste tief in mir, dass es nie um meine Jungfräulichkeit gegangen war. Nicht bei Fisher. Es ging immer um mein Herz.

Fisher in diesem Bett zu sehen und für ihn eine Fremde zu sein, war eine klare Erinnerung daran, dass weder ich noch irgendjemand anders sich auf einen anderen Menschen als Maßstab für Selbstwert und Erfolg verlassen sollte.

»Bereit?«, fragte mich Rory. Ich nickte langsam.

Kapitel 4

 

»Ich habe das vermisst … ihr wisst schon … Zeit mit euch beiden«, sagte ich mit einem langen Seufzer, als wir drei einige Tage, nachdem wir Fisher im Krankenhaus besucht hatten, eine Wanderung in die Berge machten.

»Wir waren noch nie hier oben«, sagte Rory und griff nach ihrer Wasserflasche in der Seitentasche ihres Rucksacks, als wir an einer Lichtung anhielten. »Ich habe versprochen, dich hierher zu bringen. Weißt du noch, als du unbedingt allein hier hochkommen wolltest?«

Ich nickte. »Kann ich jetzt ehrlich sein?« Ich schmunzelte.

Sie rollte mit den Augen. »Du bist trotzdem hergefahren?«

Ich schüttelte den Kopf und lachte. »Nein. Fisher hat mich … auf seinem Motorrad hergebracht.«

»Oh, Reese.« Rory schüttelte den Kopf. »Das hätte ich nicht wissen müssen, vor allem nicht seit seinem Unfall.«

»Ich sagte ihm, du würdest dich nicht darüber freuen, aber er sagte, wir bräuchten es dir nicht zu erzählen. Er hatte wirklich einen schrecklichen Einfluss. Ich kann nicht glauben, dass du mich bei ihm gelassen hast.«

Rose rieb sich die Lippen und genoss es, dass ich Rory so viel und gleichzeitig gar nichts erzählte.

»Sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, werde ich ein ernstes Wörtchen mit ihm sprechen.«

Rose lachte. »Du willst mit ihm darüber reden, dass er deine Tochter auf seinem Motorrad mitgenommen hat, obwohl er sich nicht mehr an sie erinnert? Guter Plan. Sorge dafür, dass ich dabei bin, wenn dieses Gespräch stattfindet. Ich will zuhören.«

Ich lachte. Es war nicht wirklich lustig, aber irgendwie war es das schon.

»Was glaubst du, was passiert, wenn er sein Gedächtnis nicht wiedererlangt?« Rory steckte ihre Wasserflasche zurück in ihren Rucksack. »Glaubst du, er wird sich wieder in Angie verlieben?«

Rose zuckte mit den Schultern. »Wenn es passiert, wird es unglaublich romantisch sein. Was gibt es denn Schöneres? Über sieben Milliarden Menschen auf der Welt? Und er verliebt sich zweimal in dieselbe Person? Leider fürchte ich, dass es nicht so kommen wird. Ich meine, ich kann mir vorstellen, dass er der nette Kerl ist, der sie trotzdem heiratet, weil alle sie anhimmeln. Und er wird den Leuten vertrauen, an die er sich erinnert.«

»Er kennt sie schon ewig«, sagte Rory. »Ich glaube, er wird sich an sie erinnern. Sie besitzt zu viel von seinem Herzen.«

»Es sei denn …« Mein Mund öffnete sich, ohne dass ich es merkte. Da war es bereits zu spät.

»Es sei denn, was?«, fragte Rory.

Abbruch!

»Es sei denn, es ist nicht die richtige Zeit. Ich meine, du hast gesagt, du wusstest vom ersten Tag an, dass es eine Verbindung zwischen dir und Rose gibt. Sicher, Fisher kennt Angie schon seit Jahren, aber warum hat es so lange gedauert, bis er sich entschlossen hat, sie zu heiraten? Es war nicht wie bei dir und Rose. Niemand stand ihnen im Weg. Ganz im Gegenteil. Alle wollten es. Außer Fisher. Ich sage nur, dass die Länge ihrer Geschichte nicht unbedingt ein Indikator für die Wahrscheinlichkeit ist, dass er sich wieder in sie verliebt. Was, wenn er nicht wirklich in sie verliebt war? Was, wenn sie nur die offensichtliche Wahl war, weil es keine bessere gab?«

Rory blinzelte langsam. »Okay, schreibt euch alle auf, dass Reese niemals mit Angie sprechen darf.« »Ich sage ja nicht, dass sie nicht nett ist.« Wir gingen weiter. »Oder ein guter Fang. Aber da muss noch mehr sein. Das ist alles, was ich sage.«

Rose stupste mich am Arm an. »Wir wissen schon … du erwähnst es nur.«

Ich schmunzelte. Ja, trotz meiner Lebenserfahrungen und emotionalen Offenbarungen – viele davon durch Fisher ausgelöst – gefiel mir die Vorstellung, dass er sich innerhalb weniger Wochen in mich verliebt hatte. Und da er es nicht bestreiten konnte, weil er sich nicht an mich oder uns erinnerte, war es für mich völlig in Ordnung, diese Version unserer Geschichte für immer in meinem Kopf leben zu lassen.

 

 

 

 

 

»Ich habe dich gern hier. Überlegst du, wieder nach Denver zu ziehen? Es gibt hier Jobs. Du kannst hier deinen Master machen«, fragte mich Rory aus, als wir zurück nach Denver fuhren.

»Lass sie in Ruhe«, schimpfte Rose mit meiner Mutter.

»Ich setze sie doch nicht unter Druck. Ich frage nur und nenne ein paar Fakten.«

»Sie wird nicht bleiben.« Rose rollte mit den Augen über Rorys Versuch.

»Das ist keine schlechte Idee«, murmelte ich vom Rücksitz.

»Was?« Rose drehte sich in meine Richtung, um mir einen skeptischen Blick zuzuwerfen.

»Siehst du? Ich kenne mein Mädchen. Sie war schon immer mein Mädchen.«

Ich brach Rory nicht das Herz, indem ich das bestritt. Ich war ihr Mädchen und vielleicht würde ein Teil von mir es immer sein, aber meine Absichten, zurück nach Denver zu ziehen, hatten wenig mit ihr zu tun.

Und an Roses Gesichtsausdruck konnte man ablesen, dass sie es wusste. Und sie war nicht glücklich darüber.

Aber das war mir egal.

Ich war nicht mehr das achtzehnjährige Mädchen, das Fisher gegenüberstand. Es war viel passiert. Und obwohl ich nicht erwartete, dass er sich jemals an mich erinnern würde, wollte ich ihm einfach nahe sein. Ich musste wissen, dass es ihm gut gehen würde, selbst wenn das bedeutete, dabei zu sein, während er sich wieder in Angie verliebte, sie heiratete und mit ihr eine Familie gründete.

Mein Glaube war noch nicht ganz erloschen. Ich glaubte daran, dass alles gut werden würde, was auch immer das heißen mochte.

Kapitel 5

 

»Hey, Girl!« Hailey schob ihren Schreibtischstuhl zurück, als ich die Bürotür öffnete.

»Hey, du.« Ich umarmte sie.

»Herzlichen Glückwunsch, Schwester Capshaw.«

Ich lachte und ließ sie los. »Danke. Ich bin noch nicht fertig. Aber ich freue mich darauf, das nächste Jahr zu arbeiten, anstatt zur Schule zu gehen. Danach werde ich meinen Master machen.«

»Wir hatten im Krankenhaus keine Gelegenheit, miteinander zu reden. Aber … Hebamme, richtig?« Hailey setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches.

»Ja. Ich habe mit einer Hebamme in Thailand gearbeitet. Ich habe nicht sofort entschieden, dass ich Hebamme werden wollte, aber ich habe mich auf jeden Tag mit ihr gefreut. Immer wenn sie gesagt hat, dass jemand in den Wehen liegt, bekam ich Bauchkribbeln. Und nach einer Geburt konnte ich wegen des Adrenalins stundenlang nicht schlafen. Und es wurde nie langweilig. Ich habe fast dreißig Geburten miterlebt, und sie waren alle ein bisschen anders. Sie waren alle auf ihre eigene Weise besonders. Also …« Ich musste nicht mehr anfangen, zu lächeln. Ich merkte, dass ich schon grinste, seit sie das Wort Hebamme gesagt hatte.

»Das ist großartig. Ich freue mich sehr für dich. Vielleicht solltest du wieder hierherziehen und meine Babys zur Welt bringen, wenn ich sie bekomme. Hoffentlich früher als später.« Sie streckte ihre Hand aus.

»O mein Gott! Du bist verlobt?«

»Verheiratet.« Sie schüttelte den Kopf. »Eine Hochzeit auf Hawaii. Weniger als zehn Leute waren da. Sein Name ist Seth und er ist Maschinenbauingenieur. Ich habe ihn online kennengelernt. Wir feiern bald unser Einjähriges.«

»Das gibt’s doch nicht! Ich kann nicht glauben, dass mir meine Mutter das nicht erzählt hat. Herzlichen Glückwunsch.«

»Danke. Also … warst du schon bei Fisher? Ich habe gehört, er könnte in ein paar Tagen nach Hause. Wie lange ist es jetzt her? Drei Wochen?«

Ich nickte. »Ja. Ich habe gehört, dass er bald nach Hause kann. Und ich habe ihn einmal gesehen.«

Sie rümpfte die Nase. »Hat er dich erkannt?«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Aber wenigstens bin ich nicht seine Verlobte.«

»O mein Gott! Oder? Ich fühle mich so schlecht für Angie. Was ist, wenn er die Erinnerungen nie mehr zurückbekommt? Und wird er überhaupt noch arbeiten können? Er kann sich an niemanden von der Arbeit erinnern, außer an seinen Vater und seinen Onkel. Erinnert er sich überhaupt noch an seine Fähigkeiten?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Es könnte sein, dass er sich nicht an sie erinnert. Oder er könnte morgen alle seine Erinnerungen zurückbekommen. Aber was soll Angie tun? Warten, bis sie zurückkommen? Oder damit leben, dass er sich vielleicht nie an sie erinnern wird und sie schauen muss, ob sie sich wieder ineinander verlieben können?«

»Nicht Fisher«, sagte Hailey und schüttelte den Kopf. »Ich sage nicht, dass der Unfall ihn nicht möglicherweise in anderer Hinsicht verändert hat, aber ich kann mir vorstellen, dass er es einfach tut. Also … dass seine Familie ihm erzählt, wie sehr er Angie liebte. Wie sie im Laufe der Jahre so viel durchgemacht haben, um schließlich zusammen zu sein. Und wie er voll und ganz bereit war für dieses Leben. Ich sehe ihn nicken und sie einfach … heiraten. Den Rest später herausfinden.«

»Das wäre …«, ich rümpfte die Nase, »interessant. Es würde sich anfühlen wie eine arrangierte Ehe von seiner Seite aus. Dieses ganze ›Vertraut uns, ihr seid perfekt füreinander‹. Ich könnte das nicht. Ich war einen Tag lang mit dem Falschen verlobt, und ich konnte es nicht durchziehen.«

»Warte, du warst …«

Ich legte meinen Finger auf die Lippen. »Und Rory weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich weiß nicht, ob er es irgendwem gesagt hat. Da ich Schluss gemacht habe, bezweifle ich sehr, dass er es jemandem erzählt hat.«

»Einen Tag?« Sie lachte. »Was ist passiert?«

Er war nicht Fisher Man.

»Es war impulsiv. Von seiner Seite aus und von meiner. Und ich hatte immer noch keine klare Entscheidung über meine Zukunft getroffen, also konnte ich nicht Ja zu einer Ehe und einer Familie sagen. Noch nicht.«

»Kluges Mädchen.«

»Wie sieht es hier aus? Wer hat jetzt das Sagen, solange Fisher sich erholt?«

»Ich natürlich.« Hailey zwinkerte. »Sein Vater und sein Onkel haben sich um alles gekümmert. Er hat tolle Leute, die für ihn arbeiten. Es gibt nicht viel, worüber man sich Sorgen machen muss. Es werden immer noch genügend Häuser gebaut.«

»Das ist gut.«

»Also, wann fliegst du nach Hause zurück? Du bist doch schon seit Wochen hier, oder?«

»Ich habe im Moment keinen Job, also habe ich es nicht eilig, nach Hause zu kommen. Es war schön, Zeit mit meiner Mutter und Rose zu verbringen. Aber ich werde wahrscheinlich bald nach Michigan zurückkehren.«

Nachdem Fisher nach Hause gekommen ist.

»Sicher, dass du nicht hierbleiben möchtest?« Sie neigte den Kopf und schenkte mir ein albernes Lächeln. »Um ehrlich zu sein, schließe ich das nicht aus, sofern ich einen guten Job finde. Und ich müsste mich über den Masterstudiengang informieren. Aber …« Ich zuckte mit den Schultern.

»Tu es!« Sie kicherte. »Ich bin ein bisschen voreingenommen, aber, tu es!«

Ich lachte. »Ich werde sehen, was sich in den nächsten Monaten bezüglich der Jobaussichten ergibt. Rory und Rose sind schon dabei, nach etwas hier in der Gegend zu suchen. Wenn ich wieder in Michigan bin, werde ich sehen, wie es um die paar offenen Stellen steht, die frei waren, bevor ich hierherkam.«

Bevor ich ein Vorstellungsgespräch sausen ließ, weil mein Herz zwar reifer war, aber immer noch so naiv wie früher, wenn es um Fisher ging.

 

 

 

 

 

Unter dem Vorwand der Jobsuche blieb ich gerade lang genug, bis Fisher aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Rory beschwerte sich überhaupt nicht. Rose auch nicht, aber ich wusste, dass sie mir auf die Schliche gekommen war.

»Ich habe Angie angerufen und ihr gesagt, dass wir ihr Abendessen vorbeibringen, aber nicht lange bleiben werden. Ich möchte nicht, dass sie sich Gedanken um Essen macht oder dass sich seine Familie darum kümmern muss.« Rory packte Behälter mit Essen in Tüten. Es war mehr als nur eine Mahlzeit.

»Gute Idee«, sagte Rose vom Küchentisch aus, wo sie an Unterrichtsplänen arbeitete.

»Erdnussbutterkekse.« Rory schüttelte eine mit Keksen gefüllte Dose. »Fisher liebt Erdnussbutter. Ich wette, davon dreht sich dir der Magen um, nicht wahr, Süße?«

Fisher ließ meinen Magen nicht mehr umdrehen. Er brachte ihn immer noch in Bewegung, aber nur auf positive Weise. Aber Erdnussbutter stand noch nicht wieder auf meiner Speisekarte.

»Ich habe es während der Schule mehrmals versucht, aber nein … kann es immer noch nicht essen.« Ich schaute von meinem Telefon auf. »Bereit?«

Sie nickte.

»Sei mir nicht böse, aber ich bleibe hier. Ich schaue am Wochenende bei ihm vorbei. Ich hänge mit meinen Unterrichtsplänen hinterher.« Rose runzelte die Stirn.

»Er wird es verstehen.« Rory küsste Roses Kopf. »Ich liebe dich. Wir sehen uns gleich.«

»Ich liebe dich auch«, murmelte sie.

All die schrecklichen Dinge, die mir über Homosexualität erzählt wurden. All die schrecklichen, verurteilenden Dinge, die mir durch den Kopf gingen. Und dann sah ich meine Mutter und Rose so verliebt. Wie konnten so viele schreckliche Dinge im Namen Gottes gesagt und getan werden? Es war nicht seine Schuld. Es war ein Fehler in dem menschlichen Bedürfnis nach Kontrolle.

»Vielleicht wird er sich an etwas erinnern, wenn er zu Hause ist«, sagte Rory, als wir zu seinem Haus fuhren.

»Vielleicht. Lebt Angie bei ihm?«

»Ja, tut sie, seit ihre Mutter gestorben ist. Heute Abend wird es für beide sicherlich seltsam sein. Mit einem Fremden ins Bett zu gehen.«

Ich nickte langsam und zog es vor, nicht an Angie und Fisher in einem Bett zu denken. Das letzte Mal, an das ich mich erinnerte, als sie in seinem Bett lag, war er gerade mit mir im Keller und tat unanständige Dinge auf dem Billardtisch. Vielleicht war es der Billardtisch, den sie ihm zeigen mussten.

Sei nicht diese Art von Person …

Mein Gewissen schimpfte mit mir, und das zu Recht.

Als wir in die Einfahrt fuhren und neben Fishers Truck parkten, schnappte ich mir eine der Taschen von Rory, um etwas in meinen Händen zu haben, womit ich meine Nervosität und mein Zittern verbergen konnte.

»Hat er ein neues Auto?«

»Ja, ich glaube, das ist etwa zwei Jahre alt«, sagte Rory und klingelte an der Tür.

»Hallo. Komm rein. Das ist so großzügig von euch.« Angie nahm uns die Taschen ab, als wir eintraten.

Fisher saß in einem Ledersessel, der Fernseher lief, die Decke lag über seinen Beinen.

»Hey, Schöner. Willkommen zu Hause.« Rory nahm sich die Freiheit – als eine der Personen, die er kannte –, küsste ihn auf den Kopf und tätschelte seine gesunde Hand. Sein anderer Arm war immer noch eingegipst.

Fisher strahlte wie ein Kind in der Kita, wenn ein Elternteil es abholte. Vertrautheit. »Hallo. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.« Seine Augen wanderten zu mir.

Ich lächelte. »Ich habe Hailey neulich gesehen. Sie hat mir versichert, dass alles in Ordnung ist. Du musst dich also nur erholen.«

»Hailey?«

»Hailey leitet dein Büro. Reese hat kurzzeitig für dich gearbeitet. Erinnerst du dich? Das habe ich dir im Krankenhaus erzählt. Reese ist vorbeigekommen, um Hailey zu sehen.«

»Tut mir leid.« Er rieb sich die Stirn. »Es ist viel passiert im Krankenhaus.«

»Ist schon okay. Wie geht es dir?«, fragte ich.

»Ziemlich gut. Ich kann noch nicht gut schlafen, aber ich bin oft müde. Ich mag es nicht, wie ich mich durch die Schmerzmittel fühle, aber alle sind der Meinung, dass ich sie trotzdem nehmen sollte. Ich glaube, sie wollen nur, dass ich den Mund halte und schlafe, während sie beten, dass mein Gedächtnis vollständig zurückkehrt.«

In dem Moment, als er das sagte, kam Angie aus der Küche, und ebenso schnell verschwand sie wieder. Rory warf mir einen Blick zu. »Ich sehe mal nach, ob Angie irgendwelche Fragen zu dem Essen hat, das wir mitgebracht haben.«

Ich nickte.

»Du kannst dich setzen.« Fisher hob sein Kinn und deutete auf das Sofa.

»Danke.« Ich ließ mich vorsichtig auf den Rand sinken und umklammerte meine Knie, um meine Hände ruhig zu halten. Alles war so seltsam, so unbeholfen.

»Was machst du so?« Er hat nichts von dem verstanden, was Rory im Krankenhaus zu ihm gesagt hat.

»Ich habe gerade die Krankenpflegeschule abgeschlossen.«

Er verzog die Lippen. »Hat Rory mir das gesagt? Ist das etwas, das ich hätte wissen müssen?«

»Ich glaube, sie hat es erwähnt, aber es ist in Ordnung. Du hast mir eine Karte zum Abschluss geschickt.« Mit einem albernen, angespannten Lächeln auf den Lippen zuckte ich mit den Schultern. »Also … danke.«

Er lachte. Das war der Fisher, den ich in Erinnerung hatte. Dieses leise Lachen, begleitet von einem leichten Kopfschütteln.

»Gern geschehen. Habe ich Geld in die Karte gelegt?«

»Kein Geld.«

»Hmm …« Er runzelte die Stirn. »Ziemlich geizig von mir. Tut mir leid.«

Okay, vielleicht war er doch nicht derselbe Fisher. Zu diesem Zeitpunkt war es wirklich schwer zu sagen.

Jetzt musste ich lachen. »Ist schon gut. Ich glaube nicht, dass College-Abschlussfeiern wie Highschool-Abschlussfeiern sind.«

»Vielleicht. Habe ich etwas Nettes in die Karte geschrieben?«

Ich fand sein aufrichtiges Interesse unterhaltsam. So herzzerreißend sein Unfall und sein Gedächtnisverlust auch waren, ich konnte nicht leugnen, dass der neue Fisher mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. »Ja, ich glaube, du hast etwas Nettes in die Karte geschrieben.«

»War es lahm wie ›Die Zukunft gehört dir‹ oder ›Viel Erfolg‹?«

Bei einem weiteren Lachen schüttelte ich den Kopf. »Nein. Wenn ich mich recht erinnere, war es viel origineller als das.«

»Es ist witzig. Ich versuche, mich daran zu erinnern, ob Rory jemals davon gesprochen hat, eine Tochter zu haben.«

»Nun, wenn du dich nicht an mich erinnerst, dann ist es unwahrscheinlich, dass du dich daran erinnerst, dass sie über mich gesprochen hat.«

Er starrte auf den Fernseher, aber ich spürte, dass er sich nicht auf die Sendung konzentrierte. »Hat es dir gefallen, für mich zu arbeiten?«

Ich biss mir auf die Lippen und dachte sorgfältig darüber nach.

Das war keine leichte Frage. »Du zögerst. Ist das ein Nein?«

»Du warst zielstrebig und engagiert. Ich war jung und, ehrlich gesagt, ein wenig verloren in meinem Leben zu der Zeit. Du hast mich eingestellt, um meiner Mutter einen Gefallen zu tun, aber ich bin mir sicher, dass es Tage gab, an denen du dich gefragt hast, warum du meiner Mutter dieses Angebot gemacht hast.«

»Ach? Wie kommst du darauf?«

Bevor ich antworten konnte, kamen Rory und Angie zurück.

Angies Augen waren rot. Sie hat eindeutig geweint. »Alles in Ordnung?«, fragte Fisher mit besorgter Miene. »Habe ich wieder Mist gebaut?«

Oh, Fisher …

Es war schwer, mich komplett in seine Lage zu versetzen, aber ich versuchte es. Ich versuchte, mir vorzustellen, dass ein völlig Fremder auf mich zukam und mir sagte, er sei mein Verlobter. Wir wären verliebt ineinander. Und ich konnte mich einfach nicht daran erinnern.

Wie geht man damit um? Wäre ich in der Lage gewesen, so zu tun? Als wäre ich verliebt?

Es war nicht so, dass ich es nicht von ihrer Seite aus betrachten konnte – klar, er erinnerte sich auch nicht an mich –, aber ich sah es ein bisschen mehr von seiner Seite aus. Wahrscheinlich, weil ich es mehr von seiner Seite aus sehen wollte.

»Du hast nichts getan, Babe. Es waren nur ein paar emotionale Wochen. Du bist jetzt zu Hause. Das Leben wird weitergehen.

---ENDE DER LESEPROBE---