The Striker - Ana Huang - E-Book

The Striker E-Book

Ana Huang

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Beschreibung

SIE IST DIE EINZIGE, DIE ER WILL. UND DIE EINZIGE, DIE ER NICHT HABEN KANN ...

Asher Donovan ist eine Legende - der Liebling der Premier League und der beste Fußballer der Welt. Doch die Teilnahme an illegalen Autorennen und der kürzliche Wechsel mitten in der Saison haben seinen Ruf angekratzt. Und als seine Rivalität mit einem Mannschaftskameraden dazu führt, dass sein neues Team die Meisterschaft verliert, werden er und sein Kontrahent zu einem gemeinsamen Training während der Sommerpause verdonnert. Das Problem? Bei der Trainerin handelt es sich nicht nur um die Frau, die er kurz zuvor in seinem Lieblingspub kennengelernt und die ihn auf den ersten Blick fasziniert hat, sondern Scarlett DuBois ist auch die Schwester seines Rivalen - und damit absolut tabu.

EINE PRICKELNDE SPORTS ROMANCE IN DER WELT DER ENGLISCHEN PREMIER LEAGUE

Auftakt der GODS-OF-THE-GAME-Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Ana Huang

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Seitenzahl: 837

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Motto

Playlist

Leser:innenhinweis

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Epilog 1

Epilog 2

Danksagung

Die Autorin

Die Bücher von Ana Huang bei LYX

Impressum

ANA HUANG

The Striker

Roman

Ins Deutsche übertragen von Katia Liebig und Maike Hallmann

ZU DIESEM BUCH

Asher Donovan ist eine Legende – der Liebling der Premier League und der beste Fußballer der Welt. Doch die Teilnahme an illegalen Autorennen und sein unberechenbares Temperament haben seinen Ruf angekratzt. So hat er mit seinem Wechsel mitten in der Saison von Holchester United zu einem neuen Club in London ganz Fußball-England gegen sich aufgebracht. Dazu kommt noch, dass sein größter Konkurrent ebenfalls bei Blackcastle unter Vertrag ist. Und als die Rivalität der beiden die Mannschaft die Meisterschaft kostet – und das ausgerechnet gegen seinen alten Verein –, verdonnert der Coach die beiden Streithähne zu einem gemeinsamen Training in der Sommerpause, um ihre Differenzen beizulegen. Asher kann es nicht fassen, dass er und Vincent an der Royal Academy of Ballet unter der Aufsicht der ehemaligen Primaballerina Scarlett DuBois ein Cross-Training absolvieren müssen. Denn sie ist die Frau, die nicht nur bei jedem Blick sein Herz höherschlagen lässt, sondern auch die Schwester seines Kontrahenten und damit absolut tabu. Und auch Scarlett hat sich geschworen, niemals mehr einen Fußballer zu daten, aber der charmante Stürmer macht es ihr verdammt schwer, sich nicht in ihn zu verlieben. Dabei ist Asher der Einzige, der ihr Herz brechen könnte …

Liebe jede Version deiner selbst – selbst jene, die du hinter dir lassen möchtest.

PLAYLIST

So High School – Taylor Swift

Applause – Lady Gaga

Smooth Operator – Sade

London Boy – Taylor Swift

Who Do You Think You Are – Spice Girls

Piece Of Me – Britney Spears

Paparazzi – Lady Gaga

Delicate – Taylor Swift

Can’t Get You out Of My Head – Glimmer of Blooms

It’s Gonna Be Me – ’NSYNC

Into You – Ariana Grande

Love Letter To Japan – the bird and the bee

Unstoppable – Sia

Iris – The Goo Goo Dolls

Let Me Down Slowly – Alec Benjamin

Sweet Caroline – Neil Diamond

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Contentwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1

ASHER

Ich litt nicht direkt unter Lampenfieber, aber wenn einem siebzigtausend Leute dabei zusahen, wie man es so richtig versaute, dann konnte man schon mal nervös werden.

Schweiß tropfte mir in die Augen, als mir der Linksaußen den Ball zuspielte. Der Jubel der Menge wurde frenetisch, und ich verspürte ein leichtes, beklommenes Ziehen im Bauch.

Normalerweise spornte mich die Begeisterung der Fans an. Schließlich träumte ich seit meiner Kindheit von genau solchen Momenten. Schon immer wollte ich als Profi auf dem Feld stehen und hören, wie Tausende Zuschauer meinen Namen skandierten, um dann derjenige zu sein, der meine Mannschaft zum Sieg führte.

Momente wie dieser bedeuteten, dass ich es geschafft hatte und all jenen, die an mir zweifelten, das Gegenteil bewies – und zwar immer und immer wieder.

Immerhin war ich Asher Fucking Donovan.

Aber heute, in der letzten Minute des letzten Spiels der Premier-League-Saison, fühlte ich mich einfach nur wie Asher, der neueste und umstrittenste Transfer von Blackcastle.

Es war meine erste Saison mit dieser Mannschaft, das Spiel stand unentschieden, und wir lagen in der Tabelle als Zweiter hinter Holchester United.

Um die Meisterschaft nach Hause zu bringen, brauchten wir diesen Sieg dringend, aber bisher war das Spiel das reinste Desaster.

Ein abgefangener Ball hier, ein verschossener Elfmeter dort … Es herrschte pures Chaos innerhalb des Teams, und ich konnte praktisch sehen, wie uns der Sieg durch die Finger glitt.

Immer frustrierter versuchte ich, die Verteidigung von Holchester zu durchbrechen. Bocci, Lyle, Kanu – ich kannte ihre Tricks. Aber leider kannten sie auch meine.

Das war das Problem, wenn man gegen sein altes Team spielte: Man konnte sie nicht überraschen.

Da ich keinen Ausweg mehr sah, gab ich den Ball an einen anderen Stürmer ab und versuchte, mich nicht von der heruntertickenden Zeit in den Wahnsinn treiben zu lassen.

Vierzig Sekunden.

Neununddreißig. Achtunddreißig.

Der Ballbesitz wechselte wie wild, bis schließlich durch eine völlig verrückte Mischung aus Glück und Pech Vincent den Ball bekam und den Konter einleitete.

Vor lauter Anspannung trat der Jubel um mich herum in den Hintergrund, verstummte fast zu einem leisen Rauschen.

Siebzehn.

Sechzehn.

Fünfzehn.

Ich war in der perfekten Position und hatte freie Sicht aufs Tor, aber Vincent sah sich suchend nach einem anderen Spieler um, dem er den Ball zupassen konnte.

Mein Puls hämmerte im Rhythmus der heruntertickenden Uhr.

Komm schon, du Bastard.

Es gab niemanden außer mir. In diesem Moment war ich der einzige Spieler unseres Teams, der eine reelle Torchance hatte. Endlich schien Vincent zu demselben Schluss zu kommen. Mit sichtlich zusammengebissenen Zähnen spielte er mir widerwillig den Ball zu.

Die Menge tobte, aber es war zu spät.

Vincent hatte mit seinem Zögern kostbare Sekunden verschenkt und Holchester damit die Zeit gegeben dazwischenzugehen und sich den Ball zu schnappen, ehe ich ihn erreichen konnte.

Ein kollektives Aufstöhnen ging durchs Stadion.

Ich blinzelte mir den Schweiß aus den Augen und versuchte, konzentriert zu bleiben, aber die spöttischen Blicke meines alten Teams und das grelle Scheinwerferlicht setzten mir auf eine Weise zu, wie ich es seit jenem Spiel vor all dieser Zeit nicht mehr erlebt hatte.

Fünf.

Mein Versuch, den Ball zurückzuerobern, scheiterte.

Vier.

Schlagzeilen und kurze Fernsehkommentare dröhnten durch meinen Kopf. Verräter. Judas. Überläufer. War ich den Rekordtransfer von 250 Millionen Pfund wert … oder der teuerste Fehler in der Geschichte der Premier League?

Drei.

Wie durch ein Wunder konnte ich beim zweiten Versuch dem gegnerischen Spieler den Ball abjagen.

Zwei.

Keine Zeit zum Nachdenken.

Eins.

Ich schoss.

Zeitgleich mit dem schrillen Schlusspfiff ging der Ball ins Aus, und im Stadion wurde es so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte.

Mein Team stand fassungslos übers Feld verstreut, während die Spieler von Holchester jubelnd in die Luft sprangen.

Es war vorbei.

Wir hatten verloren.

Meine erste Saison bei Blackcastle war zu Ende – die Saison, in der alle von mir erwartet hatten, dass ich den Pokal nach Hause brachte. Und wir hatten verloren.

Meine Umgebung verschwamm zu einem dumpfen Nebel aus Geräuschen und Bewegungen. Ich spürte meine schmerzenden Muskeln kaum oder wie ein Teamkollege mir tröstend einen Klaps auf den Rücken gab.

Ich spürte so gut wie gar nichts mehr.

Auf dem Weg zur Umkleidekabine sagte niemand ein Wort, aber unser aller Entsetzen war geradezu greifbar.

Das Einzige, was noch schlimmer war, als ein Spiel zu verlieren, war der Moment danach, wenn man dem Coach in die Augen blicken muss. Und er ließ uns nicht mal die Zeit, uns hinzusetzen, ehe er auch schon explodierte.

Frank Armstrong war in der Fußballwelt eine Legende. Als Spieler war er in den Neunzigerjahren durch seine Serie von Hattricks berühmt geworden. Als Trainer war er bekannt für seinen innovativen Führungsstil und sein aufbrausendes Temperament. Diesem Temperament ließ er jetzt die Zügel schießen.

»Das also versteht ihr unter einem guten Spiel?«, fragte er. »Das soll eure verdammte Bestleistung sein, ja? Denn ich sage euch eins, das war nicht mal annähernd das Niveau, das in der Premier League erwartet wird. Das war verdammt noch mal beschissen!«

Unzureichende Konzentration, mangelnde Teamarbeit, kein Zusammenhalt – er sprach all die Probleme an, die uns seit meinem Wechsel mitten in der Saison zu schaffen machten, und man musste kein Genie sein, um zu wissen, woran es lag.

Sogar während der Trainer uns zur Sau machte, wanderten Blicke zwischen mir und Vincent auf der anderen Seite der Umkleide hin und her.

Seit ich zu Blackcastle gestoßen war, war die Mannschaftsdynamik völlig im Arsch. Zum Teil war das ganz normal, wenn ein neues Mitglied in ein eingespieltes Team integriert werden musste. Aber in diesem Fall war das größte Problem, dass ich, der Torschützenkönig der Liga, und Vincent, der Starverteidiger und Mannschaftskapitän, einander zutiefst verachteten.

Wir spielten auf verschiedenen Positionen, aber unsere Rivalität war weithin bekannt.

Er war mein einziger ernsthafter Konkurrent in Bezug auf Presse, Status und Sponsoring – wichtige Faktoren in unserer Welt –, aber der Hauptgrund für unseren Zwist waren die Ereignisse bei der letzten Weltmeisterschaft.

Die Schwalbe. Die Schlägerei. Die Rote Karte.

Ich versuchte, nicht daran zu denken, denn ich befürchtete ernstlich, dass ich ihm dann auf der Stelle ins Gesicht schlagen würde. Und ich bezweifelte stark, dass der Trainer diese Unterbrechung seiner Tirade über Teamwork gutheißen würde.

»DuBois! Donovan!«

Als ich meinen Namen hörte, fuhr ich zusammen, ebenso wie Vincent. Der Coach war anscheinend fertig mit seiner Rede, denn die anderen fingen an, sich umzuziehen, während er uns finster anstarrte.

»Mein Büro. Sofort.«

Wir gehorchten ohne Widerspruch. Wir waren ja nicht verrückt.

»Wollt ihr mal raten, warum ich euch beide hierher zitiere?« Noch ehe die Tür vollständig geschlossen war, begann der Coach bereits mit dem zweiten Teil seiner Tirade.

Vincent und ich blieben stumm.

»Ich habe euch etwas gefragt.«

»Weil wir verloren haben«, sagte ich. Bei dem Wort verloren zog sich mein Magen zusammen.

Niemand verlor gern, aber die heutige Niederlage traf mich besonders hart. Mir war völlig klar, dass es Leute gab, die förmlich darum beteten, dass ich es bei Blackcastle vermasselte – zum Beispiel die Fans von Holchester United, die mich hassten, weil ich zu ihrem ärgsten Rivalen gewechselt war.

Schon in meiner Kindheit hatte ich viel Gegenwind erfahren – Lehrer, die meinten, ich würde es nie zu etwas bringen, Fußballfans, die mich für eine Eintagsfliege hielten, die Presse, die mein Leben nach irgendwelchen schmutzigen Enthüllungen durchwühlte –, und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass meine Kritiker recht behalten sollten.

»Nein. Nicht weil wir verloren haben«, schnauzte uns der Coach an. »Sondern weil ihr beiden es zulasst, dass eure lächerliche Rivalität euer Spiel beeinflusst, und das Schlimmste ist, dass es die Moral des gesamten Teams beeinträchtigt. Denn ausgerechnet ihr seid die beiden Spieler, zu denen die anderen aufsehen.«

Unter seinem zornigen Blick wurden wir auf unseren Stühlen immer kleiner.

»Ich wusste, dass es schwierig werden würde, aber ich habe geglaubt, ihr würdet euch miteinander arrangieren, weil ihr erwachsen seid. Aber offenbar habe ich es mit Kindern zu tun, denn hier stehen wir nun am Ende der Saison und haben nichts vorzuweisen außer einer Reihe von Fehlern, die leicht hätten vermieden werden können, wenn ihr gelernt hättet, wie man verdammt noch mal zusammenarbeitet!« Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter, und am Ende brüllte er, dass die Wände wackelten.

Das gedämpfte Stimmengewirr aus der benachbarten Umkleidekabine verstummte, und Schamesröte stieg mir ins Gesicht.

Die Enttäuschung des Trainers war fast so unerträglich wie der Verlust der Meisterschaft. Ich hatte ihn schon als Kind vergöttert, und die Aussicht, in seiner Mannschaft zu spielen, war ein wichtiger Grund für meinen Transferwunsch gewesen.

So hatte ich mir das Ende unserer ersten gemeinsamen Saison nicht vorgestellt.

Vincent neben mir rührte sich. »Coach, ich …«

»Von dir will ich gar nicht erst anfangen«, unterbrach ihn der Trainer. »Was zum Teufel war das in den letzten zwanzig Sekunden? Donovan stand perfekt! Du hättest ihm den verdammten Ball sofort zuspielen müssen. Chance sehen, Ball abgeben. Das gehört zum verdammten kleinen Einmaleins des Fußballs!«

Vincent presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er konnte schwer zugeben, was wir alle wussten: Er hatte den Ball nicht gleich weitergegeben, weil er nicht gewollt hatte, dass ich das Siegestor schoss. Dieses Tor wäre in der Presse endlos gefeiert worden, ich hätte die ganzen Lorbeeren für unseren Sieg eingeheimst, und das hätte Vincent nicht ertragen.

Egoistisches Arschloch. Ich verschwendete keinen Gedanken an die Frage, ob ich an seiner Stelle genauso gehandelt hätte.

Der Blick des Trainers wurde messerscharf. Er war lange genug dabei, um Vincents Beweggründe zu kennen, auch wenn der sie nicht zugab. »Da ihr euch unbedingt wie Kinder benehmen wollt, werde ich euch eben wie Kinder behandeln«, sagte er. »Normalerweise überlasse ich das Training außerhalb der Saison den Spielern selbst, aber nicht in diesem Sommer. In diesem Sommer trainiert ihr beide an der Royal Academy of Ballet. Und zwar gemeinsam.«

»Was?«

Vincent und ich explodierten gleichzeitig.

Mein Entsetzen über diese Entscheidung unseres Coaches war stärker als mein Selbsterhaltungstrieb. Die Vereine bestimmten praktisch nie, wie wir die Nebensaison verbrachten. Die Spieler kamen aus der ganzen Welt, und im Sommer hatten sie die Möglichkeit, nach Hause zu ihren Familien zu fahren und so zu trainieren, wie sie es für richtig hielten.

»Ich habe bereits mit der Direktorin von RAB gesprochen, sie hat zugestimmt«, teilte uns der Coach mit. »Ich habe nicht früher etwas gesagt, weil ich sehen wollte, ob ihr euch vielleicht beim letzten Spiel zusammenreißen und verdammt noch mal gewinnen könnt. Ihr habt es versaut, also werdet ihr den Sommer über Privatunterricht bei der gleichen Lehrerin haben. Sie ist eine der Besten und kennt sich ausgezeichnet mit Fußball aus. Bei ihr seid ihr in guten Händen.«

Ich wollte in niemandes verdammten Händen sein, sondern nur in meinen eigenen. Ich hatte nichts gegen Ballett. Ich hatte zwar selbst nie ergänzend mit Balletttechniken trainiert, kannte jedoch Spieler, die es ausprobiert hatten und gute Erfolge im Hinblick auf ihre Kraft, Flexibilität und Fußarbeit erzielt hatten.

Aber ich hatte meinen Trainingsplan bereits erstellt. Ich brauchte keinen Fremden, der mir sagte, was ich zu tun und zu lassen hatte.

Vincent richtete sich auf, sein Gesicht war gespenstisch bleich. »Sag mir nicht, dass …«

»Ihr werdet von Scarlett DuBois unterrichtet.« Der Trainer lächelte kühl. »Gern geschehen.«

DuBois? Wie …

»Vincents Schwester?«, stammelte ich. »Du machst wohl Witze. Das ist doch ein Interessenkonflikt!«

Ich hatte Vincents Schwester nie gesehen oder getroffen, aber ich hatte gehört, wie er von ihr sprach. Die beiden standen sich sehr nahe – na großartig. Ich konnte es wahrlich nicht gebrauchen, dass sich die DuBois-Geschwister gegen mich verbündeten.

»Ich will nicht mit meiner Schwester trainieren«, sagte Vincent. »Das ist nicht … Nein.«

»Wie gut, dass keiner von euch ein Mitspracherecht hat.« Der Coach senkte die Stimme wieder auf normale Lautstärke, aber sein Tonfall war nach wie vor schneidend. »Die Direktorin hat mir versichert, dass sie die Richtige für den Job ist und sich bei der Arbeit nicht durch persönliche Beziehungen wird beeinflussen lassen. Ich glaube ihr. Das bedeutet, ihr beide werdet mit Scarlett trainieren, und ihr werdet es ernst nehmen. Und noch eins, meine Herren?« Warnend musterte er uns. »Wenn ihr zurückkommt, überzeugt ihr mich besser davon, dass ihr verdammt noch mal in der Lage seid, zusammenzuarbeiten statt gegeneinander, oder ihr landet auf der Ersatzbank. Und es ist mir scheißegal, dass ihr der Kapitän und der beste Torschütze des Teams seid. Haben wir uns verstanden?«

»Ja, Sir«, murmelten wir.

Der Coach war fest entschlossen. Es gab nichts, was wir tun oder sagen konnten, um aus dieser Nummer rauszukommen, und das bedeutete, dass ich den ganzen verdammten Sommer mit den DuBois-Geschwistern verbringen musste.

Ich biss die Zähne zusammen.

Ich wusste nicht viel über Scarlett DuBois, aber da sie mit Vincent verwandt war, wusste ich immerhin eins ganz sicher: Ich würde sie nicht mögen.

Und zwar kein noch so kleines bisschen.

2

SCARLETT

»Und jetzt ein bisschen schneller. Zurück, zur Seite, zurück, zur Seite.« Ich ging durch den Raum und korrigierte die Körperhaltung und Ausrichtung meiner Schüler. »Achtet darauf, beim Rückschritt nicht über den anderen Fuß hinauszutreten. Jetzt demi-plié …«

Mein Bein meldete sich, doch ich ignorierte es. Es war nichts im Vergleich zu den heftigen Schmerzattacken, die manchmal Tage, Wochen oder sogar Monate andauern konnten, und die Stunde war ohnehin in zehn Minuten zu Ende. Anschließend würde ich mich in Ruhe um mein Bein kümmern.

Im Studio war es völlig still. Nur meine Stimme und die Klaviermusik, die die Bewegungen der Schüler begleitete, waren zu hören. Ich unterrichtete die Mittelstufen- und Fortgeschrittenenkurse, und auf diesem Level waren sie so konzentriert, dass neben ihnen eine Bombe hätte explodieren können, ohne dass sie es bemerkt hätten.

Früher hatte ich selbst einmal zu ihnen gehört, und so gerne ich auch unterrichtete, so wünschte ich mir doch, die Zeit zurückdrehen und wieder auf die andere Seite wechseln zu können. Damals war alles anders gewesen, und …

Hör auf damit. Kein Selbstmitleid, schon vergessen?

Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf meine Arbeit.

»Etwas schneller, Jenna. Achte auf die Musik. Hoch und halten …« Der Schmerz wurde stärker, und ich verstummte, fing mich aber gleich wieder. »Gut. Und die Seite noch ein wenig mehr öffnen.«

Seit fünf Jahren lebte ich jetzt mit mehr oder weniger konstanten Schmerzen und Erschöpfungserscheinungen, und so quälte ich mich auch durch die letzten Minuten dieser Stunde, ohne mir etwas anmerken zu lassen.

Trotzdem kostete es mich all meine Selbstbeherrschung, meinen Kurs nicht sofort aus dem Studio zu scheuchen, damit ich mich endlich hinsetzen konnte und nicht mehr reden musste.

Nur eine Minute, um den Schmerz wegzuatmen.

»Entschuldigen Sie, Ms DuBois?«

Ich sah auf. Emma stand vor mir und spielte nervös zuerst mit ihrem Rock, dann mit dem Halsbündchen ihres Trikots.

»Entschuldigen Sie die Störung, aber ich wollte Ihnen etwas erzählen.« Das sonst so zurückhaltende Mädchen strahlte vor Aufregung. »Ich habe doch letzte Woche für den Nussknacker vorgetanzt, erinnern Sie sich? Heute ist die Besetzungsliste veröffentlicht worden. Ich tanze die Zuckerfee!«

»Oh mein Gott.« Ich schlug mir die Hand vor den Mund. »Ich gratuliere. Emma, das ist ja großartig.«

Das war jetzt vielleicht nicht unbedingt die professionellste Reaktion, aber Emma war schon seit Jahren meine Schülerin, und auch wenn wir offiziell niemanden bevorzugen durften, war sie im Geheimen mein absoluter Liebling. Sie trainierte hart, hatte eine tolle Einstellung und verhielt sich den anderen gegenüber nie zickig oder egoistisch.

Und sie liebte den Nussknacker. Wenn also jemand diese hochkarätige Rolle verdiente, dann sie.

Ich hatte selbst mit im Auswahlkomitee gesessen, aber auch wir erfuhren die endgültige Besetzung erst, wenn die Direktorin sie offiziell bekanntgab. Und da ich meine Mails noch nicht gelesen hatte, hatte ich es noch nicht gewusst.

»Danke. Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte Emma atemlos. »Mein Traum ist wahr geworden, und ohne Sie hätte ich das niemals geschafft. Ich würde … ich meine, wenn Sie zufällig Zeit haben, würde ich mich freuen, wenn Sie zur Premiere kommen würden. Mir ist klar, es ist erst Mai, und die Premiere ist im Dezember, und ich weiß auch, dass Sie normalerweise nicht zu den Schulaufführungen gehen, aber ich dachte, ich frage trotzdem.« Sie errötete. »Die Aufführung ist wieder im Westbury Theatre.«

Westbury Theatre.

Ich fühlte mich, als hätte mir jemand in den Magen geboxt, und meine Freude versickerte wie Wasser im Sand.

Emma hatte recht. Ich ging nie zu den Schulaufführungen, weil sie immer im Westbury stattfanden.

Ich wollte meine Schülerinnen und Schüler ja unterstützen, aber allein der Gedanke, mich dem Westbury Theatre auch nur zu nähern, löste fast eine Panikattacke bei mir aus.

»Sie müssen nicht …« Emma bemerkte meinen Stimmungswechsel und kaute auf ihrer Unterlippe. »Die Premiere ist während der Feiertage. Ich verstehe also, wenn …«

»Nein, das ist es nicht.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Ich komme sehr gern, aber es kann sein, dass ich nicht in der Stadt bin. Ich weiß es noch nicht. Aber ich werde dir Bescheid sagen.«

Ich hasste es, sie anzulügen, aber das war immer noch besser, als ihr zu sagen, dass ich mir eher ein Bein abhacken würde, als noch einmal einen Fuß ins Westbury zu setzen.

Dort lauerten einfach zu viele Erinnerungen. Zu viele Geister dessen, was ich geliebt und verloren hatte.

»Okay.« Emmas Miene entspannte sich, und ihr Strahlen kehrte zurück. »Dann sehen wir uns in der nächsten Trainingsstunde?«

»Natürlich. Und noch einmal herzlichen Glückwunsch.« Diesmal war mein Lächeln echt. »Die Zuckerfee ist eine große Rolle. Du kannst stolz auf dich sein.«

Sobald sich die Tür hinter Emma geschlossen hatte, atmete ich zitternd aus und sank zu Boden.

Der Schmerz in meinem Bein wurde zu einem schrillen, spitzen Stechen, als hätte allein die Erwähnung des Westbury Theatre die schlimmste Variante meiner Schmerzen hervorgerufen.

Ein – eins, zwei, drei.

Aus – eins, zwei, drei.

Wenn möglich vermied ich es, Schmerzmittel zu nehmen, und so atmete ich mich durch diesen Schub hindurch, statt nach dem Notfallpäckchen in meiner Tasche zu greifen.

Zum Glück hatten sich meine Symptome im Laufe der Jahre dank einiger Änderungen in meinem Lebensstil und eines sorgfältigen Stressmanagements massiv gebessert. Es war nicht mehr so schlimm wie damals in den Monaten nach meinem Unfall, in denen ich kaum aus dem Bett aufstehen konnte, aber ein Spaziergang war es deshalb noch lange nicht.

Ich wusste nie, wann die Schmerzen oder die Erschöpfung mich überkamen, und war dadurch im Grunde immer in einer Art Alarmzustand, doch mit der Zeit hatte ich mehr oder weniger gelernt, damit zu leben. Mir blieb ohnehin nur die Möglichkeit, mich anzupassen oder mich im Selbstmitleid zu suhlen, und Letzteres hatte ich schon mehr als genug getan.

Mein Telefon klingelte, und ich nahm den Anruf an, ohne vorher aufs Display zu schauen, denn der Klingelton sagte mir bereits, wer dran war.

»Lavinia will dich in ihrem Büro sehen«, sagte Carina ohne irgendeine Form von Einleitung. »Keine Angst, es ist nichts Schlimmes.« Pause. »Glaub ich.«

Der Schreck ließ mich für eine Sekunde mein Bein vergessen. »Ernsthaft?«

Lavinia war die Direktorin der Royal Academy of Ballet und wahrscheinlich der Furcht einflößendste Mensch, dem ich je begegnet war. Seit mittlerweile vier Jahren arbeitete ich jetzt hier an der Akademie und hatte noch nie mitbekommen, dass sie jemanden spontan in ihr Büro rief.

Nicht gut.

»Ja.« Carinas Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Ich habe versucht rauszufinden, worum es geht, aber sie hat kein Wort verraten. Sie meinte nur, ich soll dir sagen, dass du nach deiner Stunde zu ihr kommen sollst.«

»Okay.« Ich schluckte. »Oh Gott, ich werde gefeuert.«

Ging es darum, dass ich nie zu den Schulaufführungen ging? Hielt sie mich für eine schlechte Teamplayerin? Ich meine, ich war sicher nicht die beste Teamplayerin, aber das lag nur daran, dass die Leute so …

»Nein! Ganz sicher nicht. Wenn sie dich feuert, muss sie mich ebenfalls feuern«, erklärte Carina. »Uns gibt’s nur im Doppelpack, und wir wissen beide, dass sie es sich nicht leisten kann, ihre beste Lehrerin und ihre zuverlässige Assistentin zu verlieren. Ich kenne die Passwörter zu all ihren PDFs.«

Ein kleines Lachen kratzte an der Oberfläche meiner Nervosität. Carina wusste immer, wie sie mich aufheitern konnte.

Nach meinem Unfall hatte ich viele meiner »Freunde« verloren, doch vor drei Jahren hatte ich dann Carina kennengelernt, die bei der RAB als Lavinias Chefassistentin angefangen hatte. Gleich am ersten Tag hatten wir festgestellt, dass wir beide auf Puzzle und schlechte Realityshows standen, und seitdem waren wir die besten Freundinnen.

»Ich komme«, sagte ich. »Bis gleich.«

Ich verzog das Gesicht, als ich vom Boden aufstand, doch der Schmerz verblasste allmählich zu einem erträglichen Maß. Oder vielleicht existierte er ohnehin nur in meinem Kopf und war bloß erträglich im Vergleich zu meiner Panik vor diesem spontanen Gespräch mit meiner Chefin.

Als ich Carinas Büro betrat, war sie am Telefon, doch sie gab mir ein stummes Viel Glück! und einen erhobenen Daumen mit auf den Weg, bevor ich an die Tür der Direktorin klopfte.

»Herein.«

So vorsichtig wie jemand, der einer wütenden Klapperschlange gegenüberstand, trat ich ein.

Lavinias Büro war so ordentlich und organisiert wie sie selbst. Riesige Fenster überblickten das Gelände der Akademie, und eine kunstvoll arrangierte Fotogalerie dominierte die Wand gegenüber der Tür. Die Bilder zeigten die berühmte Ballerina in allen Phasen ihrer Karriere, vom gerade aufblühenden kleinen Mädchen über den Weltstar bis hin zur pensionierten Legende.

Lavinia saß hinter ihrem Schreibtisch, das Haar zu einem Dutt zusammengebunden, die Brille auf der eleganten Nase, und blätterte durch ein paar Unterlagen.

»Bitte, setz dich.« Sie wies auf den Stuhl ihr gegenüber.

Ich kam ihrer Bitte nach und versuchte verzweifelt, meine durchdrehenden Nerven zu beruhigen – vergeblich.

»Wir sind beide sehr beschäftigt, deshalb komme ich gleich zum Punkt.« Lavinia hatte noch nie viel davon gehalten, um den heißen Brei herumzureden. »Wir werden diesen Sommer ein Trainingsprogramm für die Fußballspieler von Blackcastle organisieren. Und ich möchte, dass du die Leitung übernimmst.«

Mir klappte die Kinnlade runter. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass ein Cross-Training für Fußballer Gegenstand unseres Gesprächs sein würde.

Sicher, ich hatte solche Trainings in der Vergangenheit schon öfter geleitet, aber das waren meist Mannschaften aus der zweiten oder dritten Liga gewesen, nicht aus der verflixten Premier League.

»Und mit Leitung meinst du …?«

»Dass du sie trainieren wirst. Du bist eine meiner besten Lehrerinnen, und du kennst dich mit Fußball aus«, sagte Lavinia. »Ich bin mir also sicher, dass du das ganz hervorragend machen wirst.«

Ich verkniff mir die reflexhafte Ablehnung, die mir auf der Zunge lag. Mir war schon klar, warum sie gesagt hatte, ich würde mich mit Fußball »auskennen«. Schließlich war mein Bruder der Kapitän von Blackcastle.

Doch sosehr ich ihn und den Club auch liebte, so wenig wollte ich ihn oder seine Mannschaftskollegen trainieren müssen. Die meisten Spieler waren arrogant, egoistisch und unerträglich.

Ich sollte es wissen, schließlich war ich mal mit einem von ihnen zusammen gewesen.

Vincent bildete die einzige Ausnahme bei meiner Abneigung gegen Fußballspieler, und das auch nur, weil er mein Bruder war.

»Ich fühle mich geehrt«, sagte ich vorsichtig. »Aber ich bin diesen Sommer schon voll ausgelastet, und es gibt sicher Lehrer, die für diese Rolle weit besser geeignet sind als ich. Mit weniger Interessenskonflikten.«

Lavinias Augenbrauen wanderten einen Millimeter nach oben. »Willst du damit andeuten, dass es dir unmöglich ist, deine persönlichen Befindlichkeiten zu kontrollieren, um professionell zu agieren?«

Verdammt. Ich war direkt in die Falle getappt, die ich eigentlich hätte voraussehen müssen.

»Nein, natürlich nicht. Ich möchte nur Problemen zuvorkommen, die aufgrund der Wahrnehmung anderer möglicherweise entstehen könnten«, erwiderte ich das Erste, was mir einfiel. »Ich möchte nur verhindern, dass mir vorgeworfen wird, jemanden zu bevorzugen.«

»Ich werde mich um alle Probleme kümmern – sollten welche auftreten«, erklärte Lavinia gänzlich unbeeindruckt. »Und falls es dir ein besseres Gefühl gibt: Du wirst nur zwei Spieler trainieren, nicht das gesamte Team.«

Ich blinzelte, weil ich nun schon zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten völlig überrumpelt wurde.

Tatsächlich hatte ich mich schon gewundert, warum Blackcastle seine Spieler verpflichtet hatte, während der Sommerpause in London zu bleiben. Aber nach dem Spiel gestern Abend war das wohl eine außergewöhnliche Maßnahme.

Dass es nur zwei Spieler sein würden, erleichterte und sorgte mich gleichzeitig.

»Ich gehe davon aus, mein Bruder ist einer der Spieler?«, fragte ich, denn sonst hätte Lavinia anders auf meinen Einwand zum Interessenskonflikt reagiert. »Wer ist der andere?«

Es entstand eine kurze Pause, bevor sie antwortete: »Asher Donovan.«

Mein Magen rutschte mir in die Kniekehlen. »Asher Donovan?« Ich hätte meinen Ausbruch selbst dann nicht verhindern können, wenn ich es versucht hätte. »Du willst, dass ich Vincent und Asher den ganzen Sommer lang Privatunterricht gebe? Die beiden werden sich gegenseitig umbringen!«

Wie oft hatte ich mir Vincents Tiraden über Asher anhören müssen, und auch im Internet wurde ständig darüber diskutiert, wer von den beiden denn nun der Bessere sei. Meiner Meinung nach war das ein wenig unfair, denn die beiden spielten auf komplett unterschiedlichen Positionen. Aber die Leute liebten es einfach, sie gegeneinander aufzuwiegeln.

Das Ganze hatte schon vor Jahren angefangen, mit einer harmlosen Umfrage im Auftrag des Magazins Match, in der die Leute den besten Nachwuchsfußballer wählen sollten. Asher gewann mit exakt einem Punkt vor Vincent, was meinen Bruder komplett ausrasten ließ. Seitdem war die Rivalität der beiden eskaliert und beinhaltete mittlerweile, wer am meisten verdiente (Asher), wer die meisten Sponsoren hatte (Vincent), und wer die meisten Ballon d’Ors gewonnen hatte (Asher, wobei beide gleich oft nominiert worden waren). Bei der letzten Weltmeisterschaft hatte das Ganze mit Ashers Roter Karte dann seinen Höhepunkt erreicht und ihre Rivalität noch verbitterter werden lassen.

»Teil deiner Aufgabe wird es sein sicherzustellen, dass sie sich nicht umbringen.« Lavinias Miene wurde minimal weicher. »Mir ist bewusst, dass es nicht ganz fair ist, dir diese Sache so kurzfristig aufzubürden, aber als Frank mich deswegen anrief, waren wir uns einig, dieses Arrangement so lange wie möglich unter Verschluss zu halten, um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit davon erfährt.« Frank war der Trainer von Blackcastle. »Zumal er sich erst nach dem gestrigen Spiel endgültig für diese Maßnahme entschieden hat.«

Das klang alles nachvollziehbar, was jedoch nicht bedeutete, dass es mir auch gefallen musste. Im Gegenteil, je länger ich darüber nachdachte, desto unbehaglicher wurde mir.

Es war nicht schwer zu erraten, warum Frank Armstrong ausgerechnet meinen Bruder und Asher rausgepickt hatte. Ihre Feindschaft hatte jede Menge Probleme verursacht und am Ende verhindert, dass Blackcastle dieses Jahr die Premier League gewonnen hatte. Das Verhältnis der beiden war mindestens angespannt – an guten Tagen –, und Frank schien das Problem lösen zu wollen, indem er sie zwang, gemeinsam zu trainieren.

Alles schön und gut, nur leider bedeutete es, dass ich zwischen die Fronten geraten würde.

Asher Donovan. Ausgerechnet. Er war der Celebrity Crush fast aller Frauen, und vielleicht hätte auch ich eine Schwäche für ihn gehabt, wenn meine Loyalität nicht Vincent gehören würde und Asher nicht so einen zweifelhaften Ruf hätte. Ganz davon abgesehen hatte ich mir geschworen, niemals wieder mit einem Fußballspieler auszugehen.

Asher galt gemeinhin als der beste Spieler der Welt. Der Stürmer, der so atemberaubend spielte, wie er aussah. Der Retter, dessen Tore schon unzählige Male eine Niederlage seines Teams im letzten Moment verhindert hatten. Doch sein fußballerisches Talent wurde überschattet von zahlreichen fragwürdigen Vorfällen jenseits des Platzes: Autounfälle, exzessive Partys, ständig wechselnde Frauen an seiner Seite. Das alles war Futter für die Klatschpresse, das von der Öffentlichkeit verschlungen wurde wie Süßigkeiten auf einem Kindergeburtstag.

Ich war ihm noch nie persönlich begegnet, aber wenn andere Spieler schon einen Gotteskomplex hatten, wollte ich gar nicht erst wissen, welches Ausmaß seiner hatte.

»Gibt es irgendetwas, das ich sagen könnte, um aus der Sache rauszukommen?«, fragte ich hoffnungsvoll.

Lavinias Brauen hoben sich noch einen halben Zentimeter.

Ich unterdrückte ein Seufzen. Dachte ich mir schon.

»Das Training beginnt nächste Woche Montag«, erklärte sie. »Du hast bereits mit Fußballern trainiert, sodass es sicher ausreichen wird, deine alten Trainingspläne ein wenig zu überarbeiten. Ich habe deinen Kursplan für den Sommer bereits entsprechend angepasst. Noch irgendwelche Fragen?«

Ein subtiler Hinweis, dass dieses Gespräch beendet war.

»Nein«, sagte ich. »Ich werde den endgültigen Trainingsplan bis Montag fertig haben.«

»Gut.« Lavinia widmete sich wieder ihren Unterlagen. »Ich danke dir, Scarlett.«

Okay, das war ein deutlicher Hinweis, dass dieses Gespräch beendet war.

Als ich ihr Büro verließ, wartete Carina schon mit der Tasche in der Hand auf mich. Es war fünf nach halb sieben, also offiziell nach der Arbeitszeit.

Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. »So schlimm?« Sie konnte in meinem Gesicht lesen wie niemand sonst.

»Erzähl ich dir alles bei einem Drink«, sagte ich. »Ich brauche jetzt nämlich einen – und zwar dringend.«

3

ASHER

»Ich wette hundert Pfund, dass DuBois dir noch vor Ende des Monats eine reinhauen wird – oder du ihm«, erklärte Adil. »Wilson, bist du dabei?«

»Auf keinen Fall«, sagte Noah trocken. »Lass mich aus deinen Wetten raus, die enden nie gut.«

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst, und es kränkt mich, dass du mich so in den Sommer verabschiedest.« Adil griff sich theatralisch an die Brust. »Deine Worte werden mich auf dem ganzen Flug nach Hause beschäftigen. Sie schmerzen zutiefst.«

»Gut. Vielleicht hörst du dann in der nächsten Saison mal auf, ständig Unruhe zu stiften.«

»Redet man so mit seinem Teamkollegen? Was für ein Vorbild bist du für deine Tochter?«

»Tja, genau so redet man mit seinen Teamkollegen, und meine Tochter ist nicht hier«, sagte Noah.

Ich schüttelte den Kopf.

Noah, Adil und ich waren im AngryBoar,unserem Lieblingspub, um uns noch mal zu sehen, bevor die beiden in die USA beziehungsweise nach Marokko zurückflogen. Unsere katastrophale Niederlage gegen Holchester lag erst einen Tag zurück, aber sie wussten schon Bescheid, dass der Trainer Vincent und mich zwang, den Sommer über zusammen zu trainieren.

Ich hatte eigentlich auf Mitleid und ein bisschen Ablenkung gehofft, aber ich hätte es besser wissen müssen. Adil fand meine Situation urkomisch, und Noah war so stoisch wie ein Fels.

Arschgeigen.

»Ich bestelle uns noch eine Runde«, sagte ich. »Bin gleich wieder da.«

Adil verlegte sich darauf, Noah auf sein nicht vorhandenes Liebesleben anzusprechen, und Noah war viel zu beschäftigt damit, ihn zu ignorieren, um mir mehr als ein knappes Nicken zu schenken.

Ich machte mich auf den Weg zur Bar. Unterwegs erntete ich ein paar schiefe Blicke und abfällige Bemerkungen, aber niemand war offen auf Konfrontation aus.

Es gab einen Grund, weshalb Fußballer das Angry Boar liebten: Hier gab es starke Getränke, billiges Essen und keinerlei Blödsinn. Kameras und Autogrammbitten waren ebenso strikt verboten wie Schlägereien, und diese Regeln wurden von drei turmhohen Türstehern durchgesetzt sowie dem fiesesten Pubbesitzer diesseits der Themse.

Der letzte Gast, der gegen die Regeln verstoßen hatte, war (im wahrsten Sinne des Wortes) rausgeworfen worden und hatte jetzt Hausverbot auf Lebenszeit.

Ich bestellte an der Bar und sah mich in dem Pub um. Ein paar kichernde Frauen saßen zusammen in einer Nische, starrten mich unverhohlen an und tuschelten hinter vorgehaltener Hand miteinander. Ein vorbeikommendes Pärchen sah mich flüchtig an und schaute dann noch mal genauer hin. Die Frau öffnete den Mund, kam aber nicht dazu, etwas zu sagen, ehe ihr Freund sie hastig weiterzog. Über die Schulter warf er mir einen bösen Blick zu.

Ich blieb gelassen. Blicke und Getuschel gehörten nun mal dazu, und wenigstens waren keine Paparazzi hier, um mich in die Pfanne zu hauen.

»Hier, bitte.« Mac, der Besitzer, schob mir zwei Pints (für mich und Noah) und eine Cola (für Adil) über den Tresen. »Verschüttet es dieses Mal gefälligst nicht.«

»Komm schon, Mac, du bist doch nicht immer noch sauer wegen letzter Woche? Wir haben die Jukebox doch gar nicht kaputt gemacht.«

Das Angry Boar war eines der wenigen Pubs mit einer Jukebox, und sie war Macs ganzer Stolz.

Er starrte mich nur an, noch griesgrämiger als sonst. Er scherte sich einen Dreck darum, ob man prominent war, und würde einen Filmstar ebenso gründlich zusammenstauchen wie jeden anderen. Und genau dafür liebten wir ihn.

Ich grinste. »Nichts verschütten. Verstanden.« Ich schnappte mir die drei Gläser, drehte mich um – und prallte prompt gegen jemanden hinter mir und verschüttete unsere Getränke zum Teil über die Person.

Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass sie eben noch nicht dagewesen war, und sie stand so dicht hinter mir, dass die Kollision praktisch unvermeidlich gewesen war. Schließlich besaß ich keine Augen im Hinterkopf.

»Gottverdammt noch mal!«, explodierte Mac in meinem Rücken, während die Frau eine Reihe von so farbenfrohen Flüchen ausstieß, dass selbst ein Seemann errötet wäre.

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass so ein zierliches Geschöpf überhaupt zu einer solch deftigen Schimpftirade imstande wäre. Ich war zutiefst beeindruckt.

»Scheiße, tut mir leid.« Ich stellte die Gläser ab, schnappte mir eine Handvoll Servietten und versuchte ihr dabei zu helfen, ihr Oberteil zu säubern. »Ich habe dich nicht gesehen.«

»Offensichtlich. Ich …« Sie blickte auf, und ihr Gesichtsausdruck wäre urkomisch gewesen, hätte er nicht ausgerechnet mir gegolten. »Du.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. Ich war es gewohnt, beim anderen Geschlecht die unterschiedlichsten Reaktionen hervorzurufen, aber Entsetzen gehörte normalerweise nicht zum Repertoire.

»Sind wir uns schon mal begegnet?«, fragte ich. Dieses Du klang doch ein wenig persönlich. Allerdings war ich fast sicher, dass ich sie nicht kannte – andernfalls hätte ich mich sicher an sie erinnert.

Sie war objektiv und ohne jeden Zweifel umwerfend: glänzendes schwarzes Haar, zarte, cremefarbene Haut, hellgraue, von dichten Wimpern umrahmte Augen. Sie sah aus wie ein klassischer Hollywoodstar vom Format einer Ava Gardner oder Hedy Lamarr.

Aber es war mehr als nur ihr Aussehen. Ich war dank meines Berufs schon vielen schönen Frauen begegnet, aber diese Frau hatte etwas ganz Besonderes an sich. Selbst in einem mit Bier getränkten Shirt und Jeans strahlte sie eine Eleganz aus, die man nicht kaufen oder lernen konnte. So eine Ausstrahlung wurde einem in die Wiege gelegt.

»Nein, sind wir nicht«, sagte sie. »Aber ich weiß, wer du bist.« Ihr Ton verriet, dass das kein positiver Umstand war.

Interessant. Vielleicht war sie Holchester-Fan.

Hoffentlich nicht.

»Es erscheint mir unfair, dass du meinen Namen kennst und ich deinen nicht«, stellte ich fest.

Ich war nicht auf ein Date aus. Wenn ich der beste Fußballer der Welt werden wollte, durfte ich meine Zeit und Energie nicht in eine ernsthafte Beziehung investieren. Zwar behaupteten viele, ich wäre bereits der beste Fußballer der Welt, aber bisher hatte ich noch keine Weltmeisterschaft gewonnen, und solange ich das nicht geschafft hatte, konnte ich diesen Titel nicht in Anspruch nehmen.

Gegen einen kleinen Flirt war jedoch nichts einzuwenden – oder auch gegen einen größeren Flirt, wenn ich mir diese geheimnisvolle Frau so ansah.

»Das Leben ist nicht immer fair.« Sie klang amüsiert.

Die Frau neben ihr murmelte etwas vor sich hin, das mir verdächtig nach Er wird es noch früh genug herausfinden klang, aber sicher war ich mir nicht.

Ehrlich gesagt, war ich so fasziniert von ihr, dass ich erst jetzt überhaupt bemerkte, dass sie nicht allein war.

»Wenn das so ist, gebe ich mich mit deiner Nummer zufrieden.« Mit einem Nicken deutete ich auf ihr Shirt. »Ich schulde dir ein neues Oberteil.«

»Oh, du gibst dich also mit meiner Nummer zufrieden?« Ihre Augen funkelten vor Belustigung.

»Ja. Ganz anonym, wenn du willst. Kein Name, nur eine Nummer – natürlich nur, damit ich dir ein neues Shirt kaufen oder die Reinigung bezahlen kann.«

»Ja, natürlich. Ich bin sicher, dass du die Nummer nur für diesen Zweck verwenden würdest.«

Ich zuckte mit den Schultern, ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel. So leicht und unbeschwert hatte ich mich seit dem gestrigen Spiel nicht mehr gefühlt. In den Pub zu gehen war doch eine gute Idee gewesen.

»Ich kann nicht garantieren, dass sich das in Zukunft nicht ändern könnte, aber im Augenblick habe ich vollkommen reine Absichten.« Ich hob eine Hand. »Versprochen.«

Ich hatte wirklich vor, ihr ein neues Oberteil zu kaufen, also war es tatsächlich nicht gelogen. Technisch gesehen.

»Auch wenn ich großes Vertrauen in die Versprechen von Spielern habe …« Ihre Betonung ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht meinen Beruf meinte. »Ich muss dankend ablehnen. Ich kann mir die Reinigung leisten, und ich gebe Fremden ungern private Informationen.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Du solltest aber nicht noch mehr Bier über ahnungslose Leuten schütten. Ein gutes Ale sollte man nicht derart verschwenden.«

Damit wandte sie sich zum Gehen, und ich starrte ihr fassungslos hinterher. Ihre Freundin folgte ihr und warf mir auf dem Weg zum Ausgang einen Blick zu, halb augenrollend, halb lachend.

Was zum Teufel war das denn gerade?

Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen Korb bekommen hatte. Überraschenderweise war ich jedoch nicht verärgert, ich war … fasziniert.

Oh Gott. Der Typ, der jedes Mädchen bekommen konnte, das er wollte, war fasziniert von dem einen Mädchen, das sich von ihm nicht beeindrucken ließ. Ich war ein wandelndes Klischee.

»Puh, die hat dich ja knallhart abblitzen lassen.« Adils Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er und Noah zur Theke gekommen waren. Er schnappte sich seine Cola und grinste mich an. »Sie hat wohl das Match gestern gesehen und fand auch, dass du scheiße gespielt hast.«

»Halt die Klappe.« Aber ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Ich war viel zu sehr auf das Aufblitzen der dunklen Haare und der blauen Jeans der Frau konzentriert, die gerade durch die Tür verschwand.

Ich hatte Mystery Girl noch nie zuvor gesehen, aber aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass wir uns nicht zum letzten Mal begegnet waren.

Die Woche verbrachte ich damit, meine relative Freiheit zu genießen. Ich traf mich mit Freunden, sah mir Wiederholungen alter Serien an und fuhr ein paar Runden mit meinen Lieblingssportwagen. Ebenso sehr, wie mich Fußball beflügelte, beruhigte mich das Autofahren, und ich hatte eine bemerkenswerte Sammlung von Luxusfahrzeugen angehäuft, die ich für alltägliche Besorgungen oder auch für Rennen nutzte.

Für mein erstes Training an der Royal Academy of Ballet wählte ich jedoch einen unauffälligen Wagen. Paparazzi waren ein allgegenwärtiges Problem, und ich wollte es ihnen nicht zu leicht machen, mir auf den Fersen zu bleiben, indem ich einen knallroten Ferrari fuhr.

Als ich bei RAB ankam, stellte ich erfreut fest, dass Vincents Lamborghini nicht davorstand. Er fuhr nie zur Tarnung einen anderen Wagen, also wusste ich, dass er noch nicht hier war.

Ich parkte in der Nähe des Eingangs, und meine Gedanken drehten sich um die gefürchtete Cross-Trainingseinheit und um die Frau, der ich letzte Woche begegnet war.

Keine Ahnung, weshalb ich sie nicht aus dem Kopf bekam. Wir hatten nur wenige Worte miteinander gewechselt, und ich wusste nichts über sie, außer dass sie die Reinigung selbst bezahlen konnte und es nicht mochte, Fremden private Informationen zu geben.

Bei der Erinnerung daran musste ich grinsen.

Neben dem Fußball gab es nicht viel, was ich mir wünschte, aber ich hätte ohne Weiteres eins meiner Autos hergegeben, um sie wiederzusehen.

Vielleicht.

Möglicherweise.

Definitiv.

Bestimmt war es gut, dass sie mir nicht ihren Namen und ihre Nummer gegeben hatte. Eine derartige Ablenkung konnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.

Ich betrat die RAB, meldete mich bei der strahlend lächelnden Empfangsdame an der Rezeption und machte mich ihren Anweisungen gemäß auf den Weg zum Trainingsstudio.

Die Royal Academy of Ballet war in einem Herrenhaus untergebracht, das wie eine Kulisse aus einem Regency-Film aussah, und damit Welten entfernt von den nach Schweiß stinkenden, funktionellen Trainingsanlagen von Blackcastle. Es gab Gemälde von Ballerinas, Fotos von Ballerinas, Bronzestatuen von Ballerinas … im Grunde waren sie überall.

Subtilität war offensichtlich nicht die starke Seite der Akademie.

Andererseits prangte in den Einrichtungen von Blackcastle überall unser Teamlogo, ich sollte also nicht mit Steinen werfen.

Als ich bei dem Studio ankam, strömten gerade die Schüler des vorherigen Kurses hinaus. Da ich zu früh dran war, wartete ich, bis der letzte Schüler um die Ecke bog, bevor ich hineinschlüpfte. Glücklicherweise waren die beiden DuBois-Geschwister noch nicht hier, daher nutzte ich die Gelegenheit, mich umzusehen.

Ich hatte noch nie eine Ballettaufführung besucht, geschweige denn einen Trainingssaal betreten, aber er sah genau so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eine Wand aus Spiegeln reflektierte eine Reihe riesiger Bogenfenster mit Blick auf das gepflegte Gelände der Akademie. An der Wand erstreckte sich eine Holzstange über die gesamte Raumlänge, und der Fußboden glänzte so hell, dass ich mich fast darin spiegelte.

Das Einzige, was nicht ins Bild passte, war eine riesige, offene Trainingstasche, die wacklig, halb auf der Kante eines kleinen Tischs in der Ecke stand. Sie war vollgestopft mit allem möglichen Kram – ein Pullover, ein Buch und … was auch immer die Leute sonst noch in ihren Taschen verstauten.

Das Gewicht des Inhalts musste zu viel für die Tasche gewesen sein, denn noch während ich hinsah, kippte sie um, und mit einem lauten Klappern ergoss sich die Hälfte des Inhalts auf den Boden. Das Buch landete mit einem lauten Knall, Stifte kullerten herum, und ein Schal schwebte sacht auf eine kleine Schachtel hinab.

Ich erwartete, dass jemand hereinkam und nach dem Rechten sah, aber es blieb still.

Sollte ich das ganze Zeug einsammeln oder warten, bis die Besitzerin der Tasche zurückkam?

Wäre es ein Eingriff in ihre Privatsphäre, wenn ich mich für Ersteres entschied?

Scheiß drauf. Es wäre noch seltsamer, wenn sie hereinkäme und sah, wie ich tatenlos ihre verstreuten Besitztümer anstarrte.

Ich machte mich daran, alles wieder in die Tasche zu packen. Pullover, Buch, Stifte, Make-up, Schlüssel, Wasserflasche, Strumpfhose, Haarspray, Leinenslipper, Medikamente, Handtuch, Heatpack, Nähzeug, noch ein Buch … Himmel, das war ja wie die Zaubertasche von Mary Poppins. Wie zum Teufel hatte sie das alles in diese Tasche gestopft?

Ich steckte einen Proteinriegel zwischen Sonnenbrille und Fitnessbänder. Keine Ahnung, wie ich …

»Was machst du da?«

Ich blickte auf, und meine Antwort erstarb mir auf den Lippen.

Nein. Das kann nicht sein.

Bei unserer letzten Begegnung hatte sie das Haar offen getragen, und nun war es hochgesteckt, und statt Shirt und Jeans trug sie ein Balletttrikot, Stulpen über einer Strumpfhose und einen Wickelrock, aber es war unverkennbar sie.

Die Frau aus dem Pub.

Dasselbe mitternachtsschwarze Haar, dieselben roten Lippen und dieselben durchdringenden grauen Augen, die gerade ein Loch in mein Gesicht brannten.

Würde ich die Hitze ihres Blicks nicht geradezu körperlich spüren, hätte ich gedacht, ich hätte sie durch die bloße Kraft meiner Gedanken herbeigezaubert.

»Ich wollte nicht in deinen Sachen rumschnüffeln.« Ich schüttelte die Schockstarre ab und hob kapitulierend die Hände. »Die Tasche ist runtergefallen, ich habe nur alles wieder eingesammelt.«

Als Antwort bekam ich einen misstrauischen Blick, während sie auf mich zuging – oder besser gesagt, auf ihre Tasche.

Ich hätte wissen müssen, dass sie Tänzerin war. Schon im Pub hatte sie sich mit auffallender Anmut bewegt – die Haltung perfekt, sämtliche Bewegungen sanft und fließend. Aber während ich im Angry Boar einen Hauch von Unbehagen wahrgenommen hatte, strahlte sie hier die Leichtigkeit von jemandem aus, der ganz in seinem Element war.

»Bist du auf der Akademie?«, fragte ich.

Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig, was älter war als die übliche Zielgruppe der RAB, aber vielleicht war sie ja zur Weiterbildung hier.

Ein feines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Das kann man wohl so sagen.«

»Dann muss das ein Zeichen sein. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns zufällig ein zweites Mal über den Weg laufen?« Ich hoffte, dass sich unsere Termine hier in diesem Sommer überschneiden würden. Sie ab und zu mal zu sehen, würde meine unfreiwilligen Trainingseinheiten sicherlich ein wenig erträglicher machen. »Jetzt musst du mir aber deinen Namen verraten. Das ist nur höflich.«

»Oh, ich bin sicher, du wirst ihn noch früh genug erfahren«, sagte sie trocken und bückte sich, um ihren Schal aufzuheben, während ich das zweite Buch einsammelte. Ich erkannte den abgenutzten gelb-grünen Einband.

»Leo Agnelli«, sagte ich anerkennend. »Guter Geschmack.«

Als sie nach dem Buch in meiner ausgestreckten Hand griff, berührten sich unsere Finger, und ein elektrischer Funke schoss durch meinen Arm. Es war so heftig, so unerwartet, dass ich fast das Taschenbuch fallen gelassen hätte.

Was zum Teufel?

Sie erstarrte, und unwillkürlich fragte ich mich, ob sie es auch gespürt hatte, aber ihr Gesichtsausdruck war undurchdringlich. »Du liest Leo Agnelli?« Es klang ausgesprochen skeptisch.

»Gelegentlich.« Unsere Kleidung musste statisch aufgeladen gewesen sein, das war die einzig plausible Erklärung für diesen elektrischen Funken. »Sei nicht so überrascht, Chloe. Ich verspreche dir, dass ich auf andere Weise deiner Vorstellung eines dummen Sportlers gerecht werde.«

Das entlockte ihr ein kleines Lachen. Sie überspielte es rasch, aber es war zu spät. Ich hatte es gehört, und sie wusste, dass ich es gehört hatte. Dieser Moment war womöglich der Höhepunkt meiner beschissenen Woche.

»Mein Name ist nicht Chloe«, sagte sie.

»Dachte ich mir. Aber da du dich weigerst, mir zu sagen, wie du wirklich heißt, muss ich mein Glück versuchen, bis du es mir verrätst, Alice.«

»Das wird sehr schnell langweilig werden.«

»Zum Glück gibt es eine ganz einfache Lösung für dieses Problem.«

Ich war hartnäckiger als sonst, aber ich hätte mich gebremst, wenn ich auch nur das leiseste Anzeichen von Unbehagen bei ihr bemerkt hätte.

Doch das Lachen in ihren Augen verriet mir, dass sie nicht so genervt war, wie sie tat … und sie hatte ihre Hand noch immer nicht weggezogen.

Zu dieser Erkenntnis kamen wir offensichtlich gleichzeitig. Wir starrten unsere Hände an. Mit einem Mal knisterte die Luft, und ein weiterer elektrischer Funke durchzuckte mich.

Der erste war grell und kurz gewesen, wie ein Blitz an einem wolkenlosen Himmel. Dieser zweite war langsamer und hatte mehr Power, und auf einmal war mir so heiß, als würde ich nicht in einem klimatisierten Tanzstudio stehen, sondern im Markovic-Stadion meine Runden drehen.

Mystery Girl schluckte, und ich hörte auf einmal mein eigenes Blut in den Ohren rauschen statt des gleichmäßigen Summens der Klimaanlage.

Ich überlegte, was ich sagen sollte, aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, worüber wir eben gesprochen hatten oder warum ich eigentlich hier war.

Mich hatte keine Frau mehr so durcheinandergebracht wie sie, seit ich als Kind unglücklich in Hailey Brompton verliebt gewesen war. (Sie war in der fünften Klasse nach Brighton gezogen, und das hatte mir das Herz gebrochen.)

Die Freude über das Wiedersehen mit Mystery Girl wich einer leisen Beklemmung.

Wieso hatte sie eine so starke Wirkung auf mich, obwohl ich sie kaum kannte? Vielleicht war es gar nicht so gut, dass wir uns wiederbegegnet waren. Wenn ich klug wäre, würde ich mich von ihr fernhalten und mich auf meine Ziele bei Blackcastle konzentrieren: erst der Sieg in der Liga, gefolgt von der Europameisterschaft, dann die Weltmeisterschaft.

Meine unerklärliche Faszination für diese Frau hatte keinen Platz in der Gleichung. Flirten war das eine, den Fokus zu verlieren war etwas völlig anderes.

»Bringen wir es hinter uns.« Eine vertraute und gerade sehr unerwünschte Stimme durchbrach die Spannung. Vincent kam hereingeschlendert, mit Sonnenbrille auf der Nase, obwohl im Studio wohl kaum die Sonne schien. Was für ein Idiot.

Mystery Girl riss hastig die Hand weg und steckte das Buch in ihre Tasche.

Auch ich ließ den Arm sinken, aber der Hauch eines Kribbelns blieb.

»Wurde auch Zeit, dass du auftauchst«, sagte sie, die Wangen merklich röter als zuvor. »Ich dachte schon, ich müsste dich anrufen und an das heutige Training erinnern.«

»Es war viel Verkehr, und eigentlich bin ich ziemlich pünktlich. Ist ja nicht meine Schuld, dass du ständig zu früh kommst.« Vincent konzentrierte sich ganz auf sie und tat so, als wäre ich Luft. »Können wir anfangen?«

Trotz meiner Bedenken, dass ich wegen dieser Frau meinen Fokus verlieren könnte, durchzuckte mich ein Anflug von Eifersucht angesichts ihres vertrauten Umgangs.

»Kennt ihr euch?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.

Sie schien mir nicht der Typ zu sein, der auf Vincent abfuhr, aber man hatte schon Pferde kotzen sehen.

Sie öffnete den Mund, aber Vincent kam ihr zuvor.

»Natürlich.« Er sah mich an, als wäre ich dämlich. »Sie ist meine Schwester.«

4

SCARLETT

Ich wünschte, ich hätte ein Foto von Ashers Gesicht machen können, als Vincent ihm erklärte, dass ich seine Schwester sei. Wenn seine Kinnlade nur noch ein wenig tiefer gerutscht wäre, wäre sie auf dem Boden aufgeschlagen.

Ich hätte ihm meinen Namen nicht so lange vorenthalten sollen, aber irgendwie hatte es Spaß gemacht, den großen Asher Donovan so entgeistert zu erleben, bloß weil ich mich geweigert hatte, ihm wie alle anderen Frauen dieser Welt aus der Hand zu fressen.

Natürlich war ich nicht immun gegen die Faszination von Prominenten und durchaus in der Lage, mich wie ein verrücktes Fangirl aufzuführen. Sollte ich zum Beispiel jemals Nate Reynolds, meinem absoluten Lieblingsschauspieler, über den Weg laufen, würde ich vermutlich loskreischen und in Ohnmacht fallen. Nur eben nicht bei Fußballern. Mit einem von ihnen verwandt zu sein, nahm dieser Spezies eindeutig den Reiz.

»Deine Schwester?« Asher hatte endlich die Sprache wiedergefunden. Sein Blick glitt zwischen Vincent und mir hin und her.

Ich verstand seine Überraschung. Unsere Eltern hatten selbst keine Kinder bekommen können und uns deshalb als Babys adoptiert. Vincents dunkle Augen und seine leicht gebräunte Haut bildeten einen deutlichen Gegensatz zu meinen grauen Augen und dem blassen Teint. Doch auch wenn wir nicht biologisch miteinander verwandt waren, so war er doch in jeder Hinsicht mein Bruder.

Nur wenige wussten, dass wir adoptiert waren, und es war immer witzig, die Reaktionen zu beobachten, wenn die Leute erfuhren, dass wir Geschwister waren.

»Scarlett DuBois«, sagte ich ein wenig entschuldigend. Ich hätte wirklich früher etwas sagen sollen. »Deine neue Trainerin.«

Asher sah mich an, und ein irritierendes Kribbeln tanzte über meine Haut.

Trotz meiner Abneigung gegen Fußballer musste ich zugeben, dass dieser Mann einfach umwerfend aussah – und das meine ich im Sinne von »Nate Reynolds, zieh dich warm an«.

Die dichten dunklen Haare fielen ihm lässig in die Stirn und umrahmten gemeißelte Wangenknochen und sinnliche Lippen. Lange Wimpern, die jede Frau vor Neid erblassen ließen, betonten die grünsten Augen, die ich je gesehen hatte, und jeder Zentimeter seines Körpers war zu Höchstleistungsperfektion trainiert.

Doch seine Attraktivität bezog sich gar nicht sosehr auf sein Äußeres, auch wenn das, objektiv betrachtet, perfekt war. Es war sein Charisma und die lässige Leichtigkeit, mit der er sich im Rampenlicht bewegte, die es einfach unmöglich machten, den Blick von ihm abzuwenden. Asher war einer der berühmtesten Sportler dieses Planeten, doch er besaß den bodenständigen Charme des Jungen von nebenan.

Pure Männlichkeit, verpackt in cooles Selbstbewusstsein. Diese Kombination war so anziehend, dass selbst meine Abneigung gegen Fußballspieler nicht dagegen ankam. Wäre er nicht der Teamkollege und Erzrivale meines Bruders gewesen, wäre ich garantiert sabbernd in Ohnmacht gefallen.

Aber genau das ist er, also reiß dich zusammen.

»Jedenfalls …« Ich räusperte mich. Meine Haut kribbelte immer noch von der kurzen Berührung eben. Es musste an der statischen Aufladung meiner Kleidung liegen. Das hatte ich davon, wenn ich im Mai noch Wolle trug. »Lasst uns anfangen. Der Fokus unseres Trainings wird auf Kraft, Ausdauer und Flexibilität liegen. Wir machen ein kurzes Warm-up und gehen dann an die Beinarbeit.«

Als wir mit dem Training begannen, entspannte ich mich allmählich, und mein Unbehagen über Ashers Nähe wich dem Ehrgeiz, einen guten Job machen zu wollen. Ich hatte mir diese Aufgabe nicht ausgesucht, aber nun, da ich sie hatte, würde ich sie auch verdammt perfekt erledigen.

»Wir gehen jetzt zu tieferem Stretching über«, sagte ich, nachdem wir uns aufgewärmt hatten. »Wir legen ein Bein auf die Barre, atmen und senken dabei die Brust hinunter auf unser Bein. Macht es langsam, lasst euch Zeit …«

Ich zeigte ihnen, was ich meinte, und genoss die Dehnung und die leise Musik im Hintergrund. Das war immer der entspannteste Teil der …

»Scheiße!«

Bei Vincents Fluch hob ich ruckartig den Kopf. Ich nahm mein Bein herunter, drehte mich um und sah, wie er versuchte, sein Bein auf die Stange zu bringen. Fußball förderte die Flexibilität nicht annähernd so wie Tanz oder Gymnastik, sodass manche Dehnübungen für die Spieler sehr herausfordernd waren.

Asher hingegen befand sich bereits in der korrekten Haltung und verfolgte genüsslich, wie mein Bruder sich abmühte.

»Das ist eine simple Dehnübung, DuBois«, sagte er betont lässig. »Aber es ist schon okay, wenn du’s nicht hinkriegst. Wir können schließlich nicht alle Naturtalente sein.«

Vincent wurde knallrot. Er hasste es, nicht der Beste zu sein, vor allem wenn er hinter Asher zurückstehen musste. Ich hatte es nie laut ausgesprochen, doch ich war mir ziemlich sicher, dass genau das auch der Grund für seine Aktion bei der letzten Weltmeisterschaft gewesen war.

Normalerweise hätte er niemals so getan, als ob er sich verletzt hätte. Mein Bruder hasste Schwalben, doch seine Rivalität mit Asher ließ ihn oft ziemlich dumme Dinge tun.

»Überrascht mich nicht, dass deine Messlatte ziemlich tief hängt, wenn es um Talent geht«, fauchte Vincent. »Newsflash, Donovan: Ein paar Tricks und schicke Tore bedeuten nicht, dass du besser bist als andere.«

»Nun, die Ballon-d’Or-Juroren haben das offensichtlich anders gesehen, als sie mir letztes Jahr zum vierten Mal den Preis verliehen haben.« Asher hatte die begehrte Auszeichnung für den besten Spieler der Saison schon viermal gewonnen – Vincent nur zweimal. »Aber mir scheint, dass für dich die Latte gar nicht niedrig genug sein kann.« Asher grinste Vincent an.

»Das reicht!«, sagte ich scharf. »Zurück an die Arbeit. Wenn ihr euch streiten wollt, macht das in eurer Freizeit.«

Die beiden verfielen in trotziges Schweigen, versuchten aber nicht noch einmal, während des Trainings eine Diskussion anzufangen.

Ich bot Vincent Varianten für ein paar der Dehnübungen an, und wir verbrachten die folgende Stunde damit, diverse Fußarbeittechniken zu trainieren, denn in diesem Bereich konnten Fußballer am meisten vom Ballett profitieren.

Keiner der beiden hatte schon mal ein Cross-Training im tänzerischen Bereich absolviert, also ließ ich es am ersten Tag langsam angehen. Trotzdem waren sie am Ende schweißgebadet und entsprechend fertig.

»Sollte ich jemals behauptet haben, Fußball sei anstrengender als Ballett, nehme ich es zurück.« Mit großen Schlucken stürzte Vincent eine Flasche Wasser hinunter. Sein Gesicht glänzte vom Schweiß. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du das hier dein halbes Leben lang zum Spaß gemacht hast.«

»Das war nicht nur zum Spaß. Das war mein Job«, erinnerte ich ihn und spürte einen Stich bei dem Wort war, denn es bedeutete »früher« und »es ist nicht länger mein Job«. Jedenfalls nicht in der Hinsicht, dass ich selbst professionell tanzte.

Und ja, Ballett hatte mir wirklich Spaß gemacht, als ich jünger gewesen war. Ich hatte die Disziplin geliebt, die Choreografie, die Kostüme, aber vor allem war ich glücklich darüber gewesen, etwas entdeckt zu haben, für das ich Talent besaß. Während meine Freunde und Mitschüler verzweifelt überlegt hatten, was sie nach der Schule machen sollten, war meine Zukunft bereits fest geplant gewesen.

Doch dann war sie mir von einem regnerischen Sommerabend gestohlen worden, und ich war zurückgeblieben mit den Scherben von dem, was hätte sein können.

Ein unangenehmer Schauer rieselte über meine Haut, und ich wandte mich ab und wischte über die Stange, in der Hoffnung, dass Vincent meinen Stimmungsumschwung nicht bemerkte.

Ich war ihm dankbar, dass er im Gegensatz zu unseren Eltern nicht immer auf Zehenspitzen um meine Vergangenheit herumschlich, aber manchmal fühlte ich mich einfach nicht in der Lage, darüber zu sprechen.

»Wenn das Training zu hart für dich ist, hör lieber auf«, sagte Asher. Er griff nach einem Desinfektionstuch, um mir beim Abwischen der Stange zu helfen, und diesmal hatte das Prickeln auf meiner Haut nichts mit den Geistern der Vergangenheit zu tun. »Ich bin mir sicher, der Coach wird’s verstehen.«

Vincents Blick wurde schärfer. »Oh, mach dir um mich keine Gedanken. Ich sorge mich eher um dich.« Er warf die leere Wasserflasche in seine Sporttasche. »Schließlich hat nur einer in diesem Raum das Recht, sich Weltmeister zu nennen, und das bist nicht du.«

Die Temperatur im Raum fiel auf antarktische Minusgrade.

Ashers Miene verhärtete sich, und ich wand mich innerlich. Obwohl ich ihn kaum kannte, wusste selbst ich, dass die Erwähnung der Weltmeisterschaft in seiner Gegenwart ein No-Go war.

»Vielleicht nicht. Aber ich muss wenigstens nicht betrügen, um zu gewinnen.«

»Wer sagt, dass ich betrogen habe? Der Schiedsrichter jedenfalls nicht. Ebenso wenig wie …«

»Schluss jetzt!« Zum zweiten Mal an diesem Tag schnitten meine Worte durch einen Streit der beiden. »Die erste Zankerei habe ich euch durchgehen lassen, aber das wird nicht noch einmal vorkommen. Das hier ist eine Trainingseinheit, keine Schlammschlacht. Ich weiß nicht, wie es bei euch im Club läuft, aber in meinem Studio werdet ihr euch gefälligst wie Erwachsene benehmen. Wenn ihr dazu nicht in der Lage seid, werde ich das gerne an euren Coach weitergeben, denn ich bin nicht hier, um eure Babysitterin, Mediatorin oder Therapeutin zu spielen. Ist das klar?«

Mit offenen Mündern starrten die beiden mich an, und ihr Streit war vergessen.

Ich erhob so gut wie nie meine Stimme, doch meine unerwünschten Reaktionen auf Asher und die Aussicht, mir den gesamten Sommer hindurch das Gezanke der beiden anzuhören, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.

»Ist das klar?«, wiederholte ich.

»Absolut.« Asher antwortete als Erster, und sein wütendes Stirnrunzeln verwandelte sich in Anerkennung, während er mich musterte.

Das Stirnrunzeln war mir fast lieber.

»Na klar, Schwesterherz.« Vincent grinste, als ich ihn böse anfunkelte, versuchte aber nicht, Asher noch einmal zu provozieren. Wobei der ihn zuerst provoziert hatte, aber Vince hatte die Situation eskalieren lassen, indem er die Sache mit der Weltmeisterschaft auf den Tisch gebracht hatte. »Sehen wir uns Donnerstag zum Abendessen?«

Ich wusste genau, was er damit bezweckte. Er wollte Asher daran erinnern, dass er der Außenseiter in diesem Trio war. Doch wenn Vincent eine Vorzugsbehandlung von mir erwartete, bloß weil er mein Bruder war, dann hatte er sich geschnitten.

Trotzdem nickte ich. »Du bist diese Woche dran zu entscheiden, was es gibt.«

Vincent und ich trafen uns jeden Donnerstag z