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"Werde seine beste Freundin und beweise mir, dass das alles platonisch geht." "Warum?" "Warum nicht? Du kannst einen neuen Freund gewinnen oder das Ganze bleibt nicht platonisch und ihr beide findet zueinander." Es ist immer eine dumme Idee, mit Aaron zu wetten. Sophie aber ist fest entschlossen, zu gewinnen, und da Marc und sie ein gemeinsames Hobby teilen, gestaltet sich ihr Plan einfacher als gedacht. Schon bald verbringen die beiden viel Zeit miteinander, und Sophie sieht ihren Sieg in greifbarer Nähe. Allerdings hat sie die Rechnung ohne Marc gemacht. Der ist nämlich plötzlich gar nicht mehr uninteressiert, und so verschroben, wie er sein kann, so sexy ist er auch.
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
Widmung
Kapitel 1 - Sophie
Kapitel 2 - Marc
Kapitel 3 - Sophie
Kapitel 4 - Marc
Kapitel 5 - Sophie
Kapitel 6 - Marc
Kapitel 7 - Sophie
Kapitel 8 - Marc
Kapitel 9 - Sophie
Kapitel 10 - Marc
Kapitel 11 - Sophie
Kapitel 12 - Marc
Kapitel 13 - Sophie
Kapitel 14 - Marc
Kapitel 15 - Sophie
Kapitel 16 - Marc
Kapitel 17 - Sophie
Kapitel 18 - Marc
Kapitel 19 - Sophie
Kapitel 20 - Marc
Kapitel 21 - Sophie
Kapitel 22 - Marc
Kapitel 23 - Sophie
Kapitel 24 - Marc
Kapitel 25 - Sophie
Kapitel 26 - Marc
Kapitel 27 - Sophie
Kapitel 28 - Marc
Kapitel 29 - Sophie
Kapitel 30 - Marc
Kapitel 31 - Sophie
Kapitel 32 - Marc
Kapitel 33 - Sophie
Kapitel 34 - Marc
Kapitel 35 - Sophie
Kapitel 36 - Marc
Carolin Emrich
The way to find me
Sophie & Marc
Liebesroman
The way to find me: Sophie & Marc
»Werde seine beste Freundin und beweise mir, dass das alles platonisch geht.«
»Warum?«
»Warum nicht? Du kannst einen neuen Freund gewinnen oder das Ganze bleibt nicht platonisch und ihr beide findet zueinander.«
Es ist immer eine dumme Idee, mit Aaron zu wetten. Sophie aber ist fest entschlossen, zu gewinnen, und da Marc und sie ein gemeinsames Hobby teilen, gestaltet sich ihr Plan einfacher als gedacht. Schon bald verbringen die beiden viel Zeit miteinander, und Sophie sieht ihren Sieg in greifbarer Nähe. Allerdings hat sie die Rechnung ohne Marc gemacht. Der ist nämlich plötzlich gar nicht mehr uninteressiert, und so verschroben, wie er sein kann, so sexy ist er auch.
Die Autorin
Carolin Emrich wurde 1992 in Kassel geboren. Schon als kleines Mädchen bat sie ihre Mutter, ihr nicht nur vorzulesen, sondern ihr auch das Lesen beizubringen. Sobald sie dieses beherrschte, gab es kein Halten mehr. Stapelweise wurden die Bücher verschlungen und bald schon begann sie, eigene kleine Geschichten zu Papier zu bringen. Im Alter von 15 Jahren verschlug es sie auf eine Fanfiction-Plattform, wo sie auch heute noch ihr Unwesen treibt. Im Herbst 2015 reifte dann die Idee heran, ein Buch zu schreiben. Aber vorher stellte sich die Frage: Kann ich das überhaupt? Um dieser auf den Grund zu gehen, begann sie zu plotten und schrieb daraufhin ihr Fantasy-Debüt »Elfenwächter«. Weitere Jugendbücher sind derzeit dabei, Gestalt anzunehmen.
Beruflich schloss Carolin Emrich im Juli 2015 ihre Ausbildung zur Industriemechanikerin erfolgreich ab.
www.sternensand-verlag.ch
1. Auflage, Januar 2021
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021
Umschlaggestaltung: Rica Aitzetmüller | Cover & Books
Illustrationen: Mirjam H. Hüberli
Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig
Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-163-5
ISBN (epub): 978-3-03896-164-2
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Für alle,
die auch dumme Fehler verzeihen.
Und für Ida.
Zwei Monate zuvor
»Wer ist der Meinung, dass die beiden nur zusammen gegangen sind, damit sie ein bisschen Zeit für sich haben?«, fragte unser Kumpel Aaron in die Runde. Er saß auf dem Boden vor dem Bett, neben ihm seine Freundin Sina, die auch meine beste Freundin war.
Wir trafen uns gern zu sechst in der WG von Dennis und Aaron, denn dort hatten wir unsere Ruhe, konnten zocken, Pizza essen und quatschen. Ab und zu lernten wir sogar zusammen hier.
Rieke und Dennis, das angebliche Nicht-Paar unter uns, hatte eben angeboten, Pizza zu holen. Aaron vermutete schon eine ganze Weile, dass uns die beiden etwas vorspielten. Heimlich lief da mehr zwischen ihnen, ganz sicher.
Ich hob widerstrebend die Hand, denn auch ich sah da mehr als nur Freunde. Vor allem, da sie noch vor Kurzem stark zerstritten gewesen waren und keiner von beiden an einer festen Bindung interessiert gewesen war, dafür kannte jeder ihren Aufreißer-Ruf an der Uni. Sie nahmen sich da beide nichts.
Aaron und Sina meldeten sich ebenso.
»Aaron«, seufzte Marc, der neben mir auf dem Bett saß und die beiden am längsten von uns kannte, denn sie waren schon zusammen zur Schule gegangen. »Dachte, du wärst endlich drüber hinweg.«
Aaron und Marc hatten über den Beziehungsstatus unserer Freunde sogar eine Wette abgeschlossen, bei der Marc als Sieger hervorgegangen war. Das bedeutete aber, dass Aaron ein Seminar belegen musste, wovon er nach wie vor glaubte, es zu Unrecht zu machen. Deswegen schien er auf jedes Zeichen zu achten.
»Nein. Da geht eindeutig was. Ich würde da ja am liebsten … Sina, komm mit.« Aaron warf den Controller weg, fuhr sich aufgeregt durch die blonden Haare, sprang auf und griff nach der Hand meiner besten Freundin.
»Du willst da jetzt nicht wirklich hinterhergehen«, murmelte Sina fassungslos, aber er scheuchte sie nur, damit sie sich in Bewegung setzte. »Ja, ich komme. Lass uns gehen.« Sie warf mir noch einen entschuldigenden Blick zu, dann hörten wir, wie sie sich im Flur die Schuhe anzogen, ehe sie weg waren.
»Toll.« Mit dem Fuß, der auf der Bettkante auflag, stupste ich gegen Marcs Knie. »Erzähl mir etwas über dich, sonst wird mir langweilig.«
Er grinste und schnippte sich eine Locke aus der Stirn. »Ich jogge gerne.«
»Das ist jetzt nicht sonderlich interessant«, murmelte ich und zwirbelte eine meiner braunen Haarsträhnen mit zwei Fingern. Wann immer sich jemand in die Haare fasste, befiel mich der Drang, es nachzumachen.
»Findest du es spannender, dass ich manchmal nachts in fremde Gebäude einsteige und Fotos schieße?«
»Nicht dein Ernst?«, fragte ich nach, obwohl ich nicht davon ausging, dass er log. »Du machst auch Urban Exploring?«
Marc war gerade dabei, sich eine der Flaschen aufzuschrauben, die Rieke heute Abend mitgebracht hatte. Es war Amaretto und da keimte eine ganz böse Erinnerung daran auf, wie ich mich mal damit abgeschossen hatte. So wie Marc auf den Partys wirkte, die wir zusammen besucht hatten, gab es von ihm wahrscheinlich zu jedem Getränk eine Kotz-Geschichte. Die vom Hefe-Weizen durfte ich live miterleben. Ich hatte so sehr lachen müssen, dass ich mich verschluckte und ihm beinahe noch Gesellschaft geleistet hätte.
»Hmhm«, stimmte er mir zu und bot mir die Flasche an. »Ich gucke mir eher die Fotos an, da ich keinen habe, der mitgehen würde. Normalerweise habe ich kein Problem mit fremden Menschen, aber das würde ich doch gerne mit Freunden machen. Wollte neulich wo mitgehen und dann tauchten die einfach nicht auf. Solche Späße halt.«
Ich strich mir über das Shirt, um es von den Häkchen an meinem Bauchnabelpiercing zu befreien. Hätte ich gewusst, dass sich der neue Anhänger ständig im Stoff meines Oberteils verfing, würde ich bauchfrei tragen. »So geht es mir auch. Ich habe zwar eine kleine Gruppe, der ich mich gern anschließe, nur gehen die nicht so oft. Oder zu Zeiten, zu denen ich nicht kann.«
»Aber da wir jetzt wissen, dass wir dasselbe Hobby haben …«, setzte Marc an und forderte mich mit einem Kopfnicken auf, seinen Satz zu vervollständigen.
Zuerst nahm ich ebenfalls einen Schluck, auch wenn es mich schüttelte, als ich ihn hinunterwürgte. »… könnten wir zusammen losziehen. Hätte ich das mal schon letztes Wochenende gewusst, da bin ich vor Langeweile eingegangen.«
»Na ja, wann haben wir beide uns denn groß darüber unterhalten?«
Da musste ich ihm zustimmen. Ich war das Anhängsel in diesem Freundeskreis. Es fiel gar nicht so sehr auf, wenn ich nicht dabei war.
»Willst du Fotos sehen?«, erkundigte ich mich und zog bereits mein Handy aus der Tasche.
»Oh ja, zeig mal.« Marc stellte die Flasche wieder vor Dennis’ Bett, auf dem wir noch immer saßen. Er rutschte näher zu mir, damit er auf dem Display etwas erkennen konnte.
Ich rief ein Album auf, das noch gar nicht so alt war. Als er bei einer Aufnahme ranzoomen wollte, streiften seine Finger meine. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte, es passierte jedoch gar nichts; kein Stocken, kein Herzklopfen. Auch nicht, als er langsam den Kopf drehte, um mich anzusehen. Sein Atem streifte mein Gesicht und ich konnte kleine blasse Sommersprossen auf seiner Nase erkennen. Eine dunkelbraune Locke hing ihm in die Stirn und ich war versucht, sie ihm wegzustreichen. Wahrscheinlich wäre sie augenblicklich zurück an Ort und Stelle gerutscht. Seine Augen bestanden aus einer Mischung zwischen grün und braun. Ich konnte nicht genau ausmachen, welche Farbe überwog, aber wenn man mir eine Waffe an die Schläfe hielte, würde ich sagen, sie wären dunkeloliv. Seine Lippen hatten eine hellrosa Farbe und sie glänzten, als er darüber leckte, um sie zu befeuchten.
Als sie meine berührten, war ich überrascht, wie weich sie sich anfühlten. Er küsste meiner Meinung nach mit genau dem richtigen Druck. Mit seiner Zunge benahm er sich zurückhaltend, doch das glich ich aus, und beim nächsten Mal war er mutiger. Ich spürte seine Finger an meinem Knie und lehnte mich zurück, bevor ich dem Drang nachgab, in seine Haare zu fassen.
Marc musterte mich neugierig, nicht so, als wäre er überwältigt und müsste sich erst wieder einkriegen. Das war bei mir zum Glück auch nicht der Fall. Der Kuss hatte sich sehr interessant angefühlt, gut, aber da war nichts. Kein Kribbeln, nichts. War wahrscheinlich besser so.
Während ich noch darüber nachdachte, wie wir die Situation jetzt so auflösten, dass es für alle gut ausging, zuckten seine Mundwinkel. Das war ansteckend und wir schaukelten uns glucksend hoch, bis wir richtig lachen mussten. Wahrscheinlich wusste keiner von uns beiden, warum.
»Das machen wir nicht noch mal«, sagte Marc, als er wieder Luft bekam, und ich konnte ihm nur zustimmen.
Als ich mein Handy wieder zur Hand nahm, weil wir ja noch etwas angucken wollten, klingelte seins. Da ich so nah neben ihm saß, sah ich den Namen auf dem Display. Dennis.
»Fuck«, murmelte Marc, ehe er dranging und sich dabei hochrappelte.
»Warum sagst du nicht Bescheid, dass Aaron und Sina hinter uns her sind? Was wäre, wenn sie uns erwischt hätten?«, ertönte Dennis’ Stimme, noch ehe Marc wirklich hätte aufstehen können, damit es nicht an meine Ohren gelangte.
»Das ist nicht dein Scheißernst?«, fauchte ich ihn an und er sackte wieder an die Wand zurück.
»Hast du mich gehört?«, fragte Dennis nach, und Marc schluckte.
»Ja, Sophie allerdings auch.«
»Alter … nicht wirklich?«
Da ich noch so nah neben ihm saß, brauchte ich mich gar nicht groß zu dem Handy vorzubeugen. »Hast dich ja laut genug beschwert. Erklärst du mir freiwillig, was das soll, oder muss ich dich kidnappen und foltern?«
Marc warf mir einen leicht verstörten Blick zu, ehe er Andeutungen machte, das Handy weiterzureichen.
»Marc, erklär es ihr bitte und sie soll den Mund halten. Mach ihr das klar. Wir sehen uns dann gleich.« Damit legte Dennis einfach auf.
»Ich höre«, brummte ich.
»Ähm.« Das Erste, was Marc tat, war, ein Stück von mir wegzurutschen. »Also, Rieke und Dennis konnten sich lange nicht leiden. Durch Aaron und mich mussten sie sich irgendwie arrangieren. Beide sind nie Beziehungstypen gewesen und jetzt sind sie halt zusammen und wollen es nicht an die große Glocke hängen. Die Wette kam doof dazwischen, sie wollen es noch niemandem verraten.«
»Warum sagen sie es dann nicht einfach nur Aaron?«, fragte ich nach.
»Na ja, erst wollten sie es generell für sich behalten, aber ich hab es zufällig erfahren. Wegen der Wette hab ich sie jedoch gebeten, es noch ein wenig vor Aaron geheim zu halten, damit ich das Seminar nicht machen muss.«
»Und ich soll jetzt allen Ernstes die Klappe halten und meiner besten Freundin nichts sagen?« Das ging nicht. Ich hatte ja schon beim Gedanken daran ein schlechtes Gewissen.
»Tu es für Rieke und Dennis. Aaron hat immer so eine große Klappe, dem tut es mal ganz gut zu verlieren. Außerdem hat er durch das Seminar Sina kennengelernt, das ist doch positiv. Bitte, nur bis zum Ende des Semesters. Dann ist das Thema durch.«
»Ich habe keine Ahnung, ob ich das durchhalte. Es ist eure Schuld, falls ich es ausplappere!« Mit dem Finger zeigte ich auf Marc, damit er merkte, wie ernst es mir war.
»Ja.« Mit einem Nicken deutete er auf mein Handy. »Wollten wir uns nicht noch etwas angucken?«
Heute
Die Party war okay. Es war nichts Herausragendes, doch das erwartete ich zum Start der Prüfungsphase auch nicht. Ich musste einfach den Kopf noch mal frei bekommen, ehe es richtig losging.
Meine beste Freundin stand zusammen mit ihrem Freund Aaron, Rieke und Dennis bei einigen anderen Leuten. Mich zog es zuerst zu zwei anderen bekannten Gesichtern. Jenny und Nils arbeiteten wie ich beim Studifunk. Nils war vor mir dran, Jenny nach mir, was uns immer ein wenig Zeit zum Quatschen ließ.
»Na«, sagte ich und stellte mich zu den beiden.
»Guten Abend«, begrüßte mich Jenny, während Nils nur nickte. Er konnte durchaus gesprächig sein, aber Partys waren nicht so sein Ding.
»Kannst mein Bier haben«, bot er an, was ich auch gerne annahm. Mir war es egal, woher mein Getränk kam, Hauptsache, ich wurde versorgt.
»Wieso tue ich mir das Studium eigentlich an, wenn ich keinen Bock auf die Prüfungen habe?«
Nils lehnte den Kopf leicht zur Seite und musterte mich. »Da gäbe es mehrere Möglichkeiten.« Er hob die Hand, um an den Fingern abzuzählen. »Du bist masochistisch veranlagt. Du weißt nicht, was du stattdessen machen willst. Du willst nur deine Eltern stolz …«
»Jaja, ist gut«, unterbrach ich ihn. »Die Frage war eigentlich rhetorisch und ich wollte nur, dass ihr mir zustimmt.«
Jenny zog die Augenbrauen hoch und erinnerte mich daran, dass Nils es nicht so mit rhetorischen Fragen hatte. Er gab auf alles eine Antwort, wenn er eine hatte. Der Kerl benahm sich allerdings auch oft wie ein wandelndes Lexikon, was zeitweise ein bisschen anstrengend sein konnte.
Ich wollte mich gerade abwenden, um zu gucken, wo meine anderen Freunde waren, als Marc neben mir auftauchte.
»Hi«, sagte er, was wir drei erwiderten.
»Was gibt’s?«, hakte ich nach.
»Ich wollte mal gucken, wer deine anderen Freunde sind, wegen denen du uns so schmerzlich ignorierst.«
Grinsend rollte ich mit den Augen, weil ich wusste, dass er das nicht ernst meinte. Er sah auch gar nicht mehr so nüchtern aus.
»Wie lange bist du schon hier?« Mit meiner Bierflasche stupste ich an seinen Becher.
»Eine Weile.«
»Was trinkst du?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Keine Ahnung.«
»Du musst doch wissen, was da drin ist«, behauptete ich, aber er schüttelte nur mit dem Kopf.
»Ich hab gesagt, überrasch mich, und er tat es.«
»Wen hast du gefragt?« Ich sah zu unseren Freunden rüber.
»Nee, nicht die. Irgendeinen, der da bei den Getränken stand.«
Das konnte echt nur Marc. »Und das trinkst du jetzt einfach? Was, wenn da K.-o.-Tropfen drin sind? Dann liegst du in zwei Stunden irgendwo vergewaltigt in einem Gebüsch.«
»Ich bin ein Mann«, sagte er, als würde es alles erklären.
»Ja, und auch mit dir kann man Dinge anstellen, die du nicht willst. Du besitzt genauso Körperöffnungen, die … du weißt schon.«
»Du machst dir zu viele Gedanken.« Er hielt mir den Becher hin. »Ist was mit Cola. Probier. Auf zwei Opfer hat er vielleicht keine Lust.«
Auch wenn ich eben noch darüber lamentiert hatte und immer auf mein Getränk achtete, griff ich nun zu und nippte. Es war tatsächlich Cola, spontan hätte ich Pepsi vermutet, und Alkohol. Sehr viel Alkohol. Er brannte meine Kehle hinab und es hätte wohl kaum einen Unterschied gemacht, wenn das Zeug pur gewesen wäre.
»Oh Gott«, brachte ich unter Husten raus. Ich reichte ihm den Becher wieder zurück und musste erst mal Bier nachtrinken.
»Stell dich nicht so an«, zog er mich auf. »Trink lieber was anderes als Bier. Ich mische dir was. Wünsche?«
»Nicht so stark wie deins da«, bestellte ich und er legte mir einen Arm um die Schultern.
»Oh, du vertraust mir.« Er klang dabei so lieblich, und wenn er nicht so betrunken wäre und lallen würde, nähme ich ihm den flirtenden Ton vielleicht sogar ab.
»Ja, und jetzt geh. Du stinkst wie ein Schnapsladen.« Ich schob ihn von mir weg.
»Ich bin ein Schnapsladen«, rief er so laut, dass sich einige zu ihm umdrehten.
»Du bist ein Idiot und deine Leber stellt bald Antrag auf Asyl in einem anderen Körper«, erwiderte ich lachend, nicht minder leise. Marc war einfach witzig, gerade wenn er getrunken hatte.
Ich kannte ihn gar nicht wirklich anders. Ich traf ihn in der Mensa oder mal bei Aaron und Dennis zum Zocken. Am ehesten sahen wir uns auf Partys und da war nichts mehr von dem vergleichsweise zurückhaltenden Kerl übrig.
»Uns hat er nichts angeboten«, murmelte Jenny. »Aber ich hätte auch nichts Alkoholisches gewollt.«
»Na ja, er ist betrunken«, entschuldigte ich meinen Kumpel.
Erneut wollte ich mich abwenden, um die anderen zu suchen, da wurde ich wieder aufgehalten. Diesmal war es Aaron, der neben mir stand.
»Was machst du denn hier? Ich wollte gerade zu euch kommen.«
»Muss ich einen Grund haben?«, wollte er wissen und ich nickte deutlich.
»Scheinst dich gut mit Marc zu verstehen, hm?«
Mit einer Handbewegung, die Trinken andeuten sollte, zog Jenny Nils mit sich.
»Ja, sicher. Wir sind doch alle irgendwie befreundet.«
»Nur Freunde?«, hakte er nach.
»Klar. Männer und Frauen können auch nur befreundet sein. Da muss nicht immer mehr sein.«
»Das glaube ich nicht«, hielt Aaron dagegen.
»Du bist mit Rieke befreundet. Und Marc auch. Ist das etwa was anderes?«
Er griff sich nachdenklich ans Kinn. »Ja, ist es. Rieke ist quasi ein Kerl mit Brüsten für uns. Selbst wenn man wollte, ließe sie sich einfach nicht so recht sexualisieren. Weißt du, was ich meine?«
»Nein. Ihr seid befreundet, es funktioniert, fertig.«
»Willst du deine These beweisen?«, erkundigte sich Aaron und grinste mich dabei spitzbübisch an.
»Ich will das gar nicht fragen, aber ich muss. Wie?«
»Mit einer kleinen Wette.«
Ich sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Lernst du nie aus deinen Fehlern? Ehrlich, wie alt bist du, Aaron? Fünf?«
»Das fragt mich Sina auch manchmal«, warf er ein. Dem konnte ich nur zustimmen. »Es ist ganz simpel. Marc ist ein super Kumpel, du bist eine gute Freundin. Ihr habt ein gemeinsames Hobby, ihr versteht euch gut. Nutz es, freundet euch an, werde neben Rieke seine beste Freundin und beweise mir, dass das alles platonisch geht.«
Das war … »Warum?«
»Warum nicht? Du kannst einen neuen Freund gewinnen, der erste Sahne ist. Oder das Ganze bleibt nicht platonisch und ihr beide findet zueinander. Zu verlieren hast du nichts. Außer den Wetteinsatz, wenn ich gewinne.«
»Du wirst nicht gewinnen. Niemals«, stellte ich klar, denn Aaron wusste anscheinend gar nicht, dass es da mal einen Kuss zwischen uns gegeben hatte, der nichts auslöste. Wir waren nach wie vor Kumpels. Das konnte ich gar nicht verlieren. »Marc ist nicht mal mein Typ. Er ist quasi das Gegenteil davon. Ich stehe auf blonde, muskulöse Männer. Surfertypen, Sonnyboys. Das ist Marc überhaupt nicht. Meine Kerle sind so frei nach Taylor Swift: I knew you were trouble. Ich will dich nur vorm Verlieren beschützen.«
Aaron zog die Augenbrauen hoch und grinste mich an. »Du hast Angst.«
»Um was wetten wir denn überhaupt?«, lenkte ich ab.
»Ah, du bist dabei. Pass auf. Ich wette, dass ihr nicht nur Freunde sein könnt. Das geht bis zum Start des neuen Semesters und bis dahin läuft auch etwas zwischen euch. Wenn du es schaffst, eine seiner besten Freundinnen zu werden, ohne dass etwas zwischen euch läuft, hast du einen Gefallen gut. Egal was. Wenn ihr was miteinander anfangt, hast du verloren und ich darf einen Gefallen einlösen.«
»Es wird nichts zwischen uns laufen, also bin ich dabei.«
Aaron hielt mir die Hand hin und ich schlug ein.
»Ey, ich will auch einschlagen. Einer für alle!«, rief Marc, der gerade mit den Getränken zurückkam, und drückte seine Hand auf unsere, wobei er Colagemisch darüber verteilte.
Ein Jahr zuvor
»Wie, du hast Schluss gemacht?«, fragte mich meine beste Freundin Rieke und lehnte sich auf ihrer Couch zurück. Sie wohnte in einer WG mit vier anderen Frauen. Heute waren die alle ausgeflogen, weswegen wir im Gemeinschaftswohnzimmer saßen und nicht in ihrem Zimmer.
»Ja, irgendwie … sie hat sich nie gemeldet, wenn sie mit ihren Freundinnen unterwegs war, und hat sich sogar noch beschwert, dass ich klammern würde. Ich meine, es interessiert mich eben, was sie so macht und wann sie zu Hause ist. Ist es denn zu viel verlangt, sich eben zu melden, wenn man sicher daheim angekommen ist?«
»War nicht genau das dein Problem mit der Vorherigen? Dass sie nicht mal einen Abend mit ihren Freundinnen genießen konnte, ohne dir zu schreiben? Das hast du doch bei Svenja immer bemängelt. Sie wollte auch immer, dass du dich meldest. Wie kommt es, dass es dich nun stört, wenn Nadine das nicht macht?«
»Das ist ein Unterschied«, behauptete ich, aber ich ahnte bereits selbst, dass das Problem woanders lag.
»Wie erkläre ich dir das jetzt am besten?«, murmelte sie und fuhr sich durch die dichten braunen Locken, die ihr bis über die Schultern fielen. Würde ich meine Haare wachsen lassen, sähen sie sicher ähnlich voluminös aus.
»Sag’s einfach.«
»Okay. Pass auf, du bist mein bester Freund und ich meine das auch nicht böse, ja? Du neigst dazu, dich relativ schnell zu verlieben, wenn es das überhaupt ist. Meine Vermutung ist ja, dass es vielleicht Sympathie ist, keine Liebe. Ich meine, du bist ein hübscher Kerl, an Angeboten mangelt es dir nicht, aber ich habe das Gefühl, dass du im Moment nur eine Freundin brauchst, weil du es alleine nicht aushältst. Und das ist nie eine gute Grundlage für eine Beziehung und den Frauen gegenüber auch echt unfair.« Sie kniff die Lippen zusammen und sah mich irgendwie entschuldigend an.
»Ich weiß«, sagte ich und ihre braunen Augen wurden ein bisschen größer. Wahrscheinlich hatte sie mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass ich ihr zustimmen könnte. »Ich hab mir da schon selber Gedanken drüber gemacht, warum es manchmal nach ein paar Wochen schon wieder vorbei ist. Aber ganz ehrlich, ich kann nicht alleine sein. Ich brauche jemanden. Ich mag es, jemanden zu haben, mit dem ich die ruhigen Momente verbringen kann. Nach einer Party gemeinsam runterkommen, Sonntage auf der Couch verbringen, Filmnächte, wach bleiben, bis die Sonne aufgeht … Einfach jemanden, der mir näher ist als alle anderen und neben mir liegt, damit ich schlafen kann. Am Anfang wirkt es immer so, als würde es passen, aber dann nach einer Weile …« Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Es brach mir jedes Mal das Herz, einer Frau wehzutun, die ich ja trotzdem gernhatte.
»… beendest du es und stolperst direkt über die nächste«, vollendete sie meinen Satz. Ich nickte, auch wenn mir das Thema ein wenig unangenehm war. Immerhin war es Rieke. Mit wem, wenn nicht ihr, könnte ich sonst darüber sprechen? »Ich finde es schon mal cool, dass du das selber gemerkt hast, denn genau das hätte ich dir jetzt erklären wollen.«
Ich lehnte mich zurück und streckte die Beine unter dem hellen Holztisch aus.
»Meiner Meinung nach solltest du eine Pause einlegen. Du musst wieder lernen, alleine zurechtzukommen. Sonst wirst du keine glückliche Beziehung führen können.«
Mit einem Seufzen setzte ich mich wieder aufrecht hin. »Und was schlägst du vor? Und jetzt komm mir nicht wahnwitzig mit einer Therapie um die Ecke. Es gibt Menschen mit echten Problemen.«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hast echte Probleme, aber gut. Ich bin doch im Moment auch single und wenn was ist, kannst du dich jederzeit melden. Ich ziehe deine Gesellschaft immer einem anderen Kerl vor, das weißt du. Lass uns zusammen die Nächte um die Ohren schlagen, wenn du nicht schlafen kannst, und dabei Millionen Serien gucken.«
»Du lügst«, sagte ich ihr auf den Kopf zu. »Du könntest Sex haben, stattdessen betüddelst du mich, weil ich nicht schlafen kann. Lüg mich nicht an.«
»Ach, Marc. Nimm es einfach an und versprich mir, erst mal mit dir selber zurechtzukommen, bevor du dich wieder auf eine andere Person einlässt, okay?«
Ich nickte, denn mit Rieke ließ es sich da schlecht diskutieren. Außerdem wusste ich insgeheim, dass sie wirklich immer für mich da war, wenn ich sie brauchte. Wahrscheinlich würde sie im Ernstfall sogar mit mir eine Leiche verschwinden lassen und mir ein Alibi besorgen. Dafür war sie einfach meine beste Freundin. Die beste, die ich mir wünschen konnte.
Heute
Ich war ein absoluter Frühaufsteher. Das Klischee vom bis mittags schlafenden Studenten traf auf mich keineswegs zu. Es sei denn, man wusste nicht mehr, wie lange die Party gegangen war, weil man irgendwann einfach einen Filmriss erlitt.
Als ich mich jetzt mühsam rumdrehte, zeigte mein Wecker auf dem Nachttisch fast elf Uhr mittags an. Meine Bettdecke lag auf dem Boden, was in Anbetracht der Temperaturen, die bereits jetzt im Zimmer herrschten, eine reine Wohltat war.
Langsam quälte ich mich auf die Beine und musste erst mal meine Zunge vom Gaumen schaben. Sollte ich erst einen Kaffee trinken und dann eine Tablette gegen die dröhnenden Kopfschmerzen nehmen oder umgekehrt? Es war mir aber auch nie möglich, mir endlich mal zu merken, in welcher Reihenfolge ich es besser vertrug. Heute spülte ich die Tablette mit einer Tasse Kaffee runter, während Papa am Küchentisch saß und seine Zeitung las.
»Spät geworden gestern, hm?«, fragte er, dabei sollte es wohl mehr eine Feststellung sein. Wenn ich nicht wusste, wie ich nach Hause gekommen war, musste es in den frühen Morgenstunden gewesen sein. Entweder schaffte ich bewusst frühzeitig den Absprung oder eben nicht. »Hättest Brötchen mitbringen sollen.«
»Tja, wenn ich gewusst hätte, was ich mache und wo, dann wäre das vielleicht eine Option gewesen.«
Papa sah mich über den Rand seiner Lesebrille an. Es gefiel ihm nicht, dass ich manchmal so über die Stränge schlug, aber er äußerte sich auch nie wirklich dazu.
»Du bist ja auf«, sagte Mama, die mit Einkäufen in die Küche kam. Bis ich schnallte, dass es angemessen wäre, ihr zu helfen, war Papa längst aufgestanden.
Ich sah also dabei zu, wie meine Eltern die Einkäufe ausräumten, und trank dabei meinen Kaffee aus, der heute pechschwarz war und eigentlich zu stark.
»Ich gehe mal duschen«, gab ich irgendwann bekannt und machte mich erst auf den Weg in mein Zimmer, um zu lüften.
Als ich die Tür aufstieß, empfing mich der ganze abgestandene Alkoholatem. Beinahe wäre ich rückwärts wieder rausgegangen. Stoßlüften musste reichen, sonst kam zu viel Wärme herein. Mein Zimmer besaß den Vorteil, dass es auf der Nordseite lag, so wurde es lediglich warm hier drin, nicht brütend heiß. Wenn man nicht vergaß, das Fenster rechtzeitig zu schließen.
Nachdem ich mir frische Klamotten rausgesucht hatte, schloss ich die Fenster direkt wieder und ging erst mal unter die Dusche, damit ich endlich klarkam.
Noch immer war ich definitiv nicht nüchtern. Vielleicht wusste ja einer meiner Freunde, was ich gestern so gemacht hatte und wie es endete.
Das Haus lag wie ausgestorben vor mir, als ich nur mit einem Handtuch durch den Flur huschte.
Mittlerweile ging es mir so weit gut, dass ich beschloss, ein wenig an die frische Luft zu gehen. Joggen würde ich nicht schaffen und dafür war es auch jetzt zu warm, aber wenigstens den Kreislauf in Schwung bringen musste ich.
Als ich in T-Shirt und Shorts die Haustür öffnete, schlug mir eine Wand aus Hitze und stehender Luft entgegen. Ich atmete tief durch, ging aber trotzdem los. In Ruhe und langsam, jedoch kontinuierlich.
Mit einem Blick auf meine Smartwatch wäre ich gern wieder umgedreht. 36 °C und ich hatte die Befürchtung, dass es über Nacht nicht wirklich abkühlen würde, wenn es nicht regnete.
Der Rasen im Park hatte braune Flecken, und die Blätter, die im leichten Windhauch von den Bäumen segelten, taten das nicht, weil der Herbst begann.
Die Wege lagen wie leer gefegt vor mir. Keiner, der klar bei Verstand war, wagte sich nun raus. Außer mir, der nichts Besseres zu tun hatte, als einen Sonnenbrand zu bekommen. Es knisterte tatsächlich unter meinen Latschen, als ich zwischen den Wegen über ein kleines Stückchen Wiese lief.
Doch was sollte man ändern? Einen Park konnte man nicht wässern, so wie mein Vater seinen Rasen. Und dann meckerte er, wenn er ihn mähen müsste, weil das Gras wuchs.
David und ich versuchten ihm jeden Sommer zu erklären, dass er einfach nicht gießen sollte. Das war auch wieder nicht okay. Könnten ja Löcher im Rasen zurückbleiben, die im Herbst matschig wurden. Mir reichte eine kleine Runde um den Block, damit ich irgendwie außer Atem war und genug hatte. Sonst besaß ich eine gute Kondition, aber die Kombination aus Kater und Affenhitze tat auch mir nicht gut.
David stand in der Küche, als ich reinkam, um mir etwas zu trinken zu holen. Er hatte sich gerade ein Glas Eistee eingeschenkt.
»Hat Mama den gemacht?«, wollte ich wissen und holte mir ein Glas aus dem Schrank über der Spüle.
»Klar. Hatten wir je Eistee hier, der nicht selbst gemacht ist?« Er schob mir den Krug rüber.
Ich zuckte mit den Schultern. »Am Ende ist er von dir und ist nicht süß genug.«
»Der Tee vielleicht nicht, aber ich«, behauptete er.
David war drei Jahre jünger als ich und nein, er war nicht süß. Während ich als Ausgleich zur Uni joggen ging und im September meinen ersten Halbmarathon bestreiten wollte, hatte David vor ein paar Jahren neben seiner Ausbildung Bodybuilding für sich entdeckt.
Er war also das krasse Gegenteil von mir. Nicht nur körperlich, denn er war seit bald vier Jahren mit seiner ersten Freundin zusammen. Ob ich ihn dafür beglückwünschen sollte oder eher bemitleidete, entschied ich jeden Tag aufs Neue.
»Bock, eine Runde mit mir zu zocken?«, wollte ich wissen, während David den Krug wieder abdeckte und in den Kühlschrank stellte.
»Ja, können wir, nur nicht ewig. Wollte noch weg.«
David war immer unterwegs. Entweder mit seiner Freundin Kathi, bei seinen Kumpels aus dem Fitnessstudio oder mit Leuten von der Arbeit. Ich könnte das gar nicht mehr. Meine Akkus mussten in Ruhe – und vor allem ohne Menschen um mich herum – aufladen. Etwas, was mir früher gar nicht möglich gewesen war.
Mit unseren Gläsern verzogen wir uns in mein Zimmer und versuchten uns gegen zerstörerische Maschinen zu behaupten und das Geheimnis um Aloy zu lüften.
Am Montagmorgen war ich wieder fit und ansprechbar. Nach meiner Laufrunde packte ich meine Sachen zusammen und saß pünktlich im Bus. Ich tippte ein wenig auf meinem Handy herum und versuchte noch etwas zu entspannen, ehe der hektische Alltag losging. Am Bussteig der Uni traf ich auf Aaron.
»Guten Morgen«, begrüßte er mich und ich erwiderte seinen Handschlag.
»Hi. Wo musst du hin?«
Aaron deutete über den Campus und murmelte etwas von »persönlicher Untergang«. Ja, gut, da konnte ich mich anschließen.
»Wollen wir uns noch etwas zu trinken holen?«, fragte ich, als wir das Mensagebäude passiert hatten.
»Auf jeden Fall. Das halte ich sonst nicht aus. Irgendetwas Kaltes mit Koffein. Hab bei Sina geschlafen, da gibt’s nur Kaffee und Wasser.«
Sina war seine Freundin und sie hatte eine fast sechsjährige Tochter. Die war schon voll in unseren Kreis integriert, da Riekes kleine Schwester Fiona im selben Alter war. Es hatte uns tatsächlich gar nicht so gestört, aber manch einer reagierte sehr irritiert, wenn eine Einundzwanzigjährige mit einem Fast-Schulkind ankam.
»So ist es mit einem kleinen Kind«, zog ich ihn auf.
»Ich habe mich ja grundsätzlich gar nicht beschwert. Michelle ist toll. Am Wochenende hat sie mich gefragt, warum ich immer wieder nach Hause gehe. Es wäre doch viel cooler, wenn ich einfach bleiben würde. Hat ein Weilchen gedauert, bis sie zufrieden damit war, dass das noch ein bisschen Zeit hat.«
»Klingt süß. Sie mag dich halt.«
Aaron nickte und wir stellten uns an der Cafeteria an. »Auf jeden Fall.«
Wir kauften uns beide einen Eiskaffee und liefen weiter über den Campus. Es war warm. Jetzt schon. Heute Morgen hatte es sich aushalten lassen, doch für die letzten Tage der Woche waren wieder Rekordtemperaturen angesagt.
»Wollen wir am Wochenende etwas zusammen unternehmen?«, fragte ich noch, bevor sich unsere Wege wieder trennten.
»Weiß noch nicht, ob ich Zeit habe. Ich muss lernen und wir wollen auch irgendwann mit Michelle an den See. Wir haben neulich ohne Schwimmflügel geübt und sie kann es fast, sie muss sich nur mal trauen.«
Mit einem Grinsen hob ich meinen Becher. »Süß, wie du dich da reinhängst.«
»Ja, ich weiß auch nicht.« Aaron nahm einen Schluck. »Das macht einfach Spaß. Gerade wenn Michelle solche Meilensteine erreicht, da ist man einfach furchtbar stolz. Ich meine, ich bin nicht ihr Vater, aber wenn ihr Vater nicht so für sie da ist, will ich es wenigstens sein.«
»Dann entscheiden wir das spontan und schreiben uns zusammen, wenn etwas geht«, schlug ich vor.
»Das ist gut. Ich muss jetzt los.« Er winkte mir noch mal, ehe er in eine andere Richtung davonlief.
Ich machte mich auf den Weg zu meinem ersten Kurs und würde dabei nicht zu sehr versuchen, an Donnerstag zu denken. Denn da stand ein Vortrag an und wir waren keine guten Freunde.
Wir hatten schon in der Schulzeit eine knifflige Beziehung zueinander gehabt. In der Grundschule hatte ich kein Wort rausgebracht und war sogar das ein oder andere Mal in Tränen ausgebrochen, weil ich mir nicht zu helfen wusste.
Auf dem Gymnasium war es ansatzweise besser geworden und die mündliche Prüfung im Abi hatte ich zumindest bestanden, doch es gab eindeutig Leute, denen mündliche Prüfungen leichter fielen.
Als ich das Gebäude betrat, wurde es ein wenig kühler, leider ließ sich meine Stimmung nicht so leicht ändern.
Wenn das jetzt bis Donnerstag so weiterging, würde ich wahnsinnig werden. Und damit endete der ganze Mist auch noch nicht. Am nächsten Montag folgte gleich eine mündliche Prüfung. Zum Glück die einzige dieses Semester.
Tapp, tapp, tapp. Gleichmäßig schlugen meine nackten Fersen an die Wand meines Zimmers. Ich lag auf dem Rücken auf dem Bett, die Decke hatte ich auf den Boden geschmissen und versuchte krampfhaft, nicht daran zu denken, dass ich lernen sollte.
Obwohl es wichtig war und eigentlich keinen Aufschub duldete, war ich dennoch zu müde und hatte schlicht keine Lust. Mir war schon klar, dass ich auch einfach den Arsch zusammenkneifen und mich ransetzen konnte. Es machte aber doch zu viel Spaß, mich im Selbstmitleid der armen, überforderten Studentin zu suhlen.
Wenn ich wenigstens jemanden hätte, der mich von meiner Unlust ablenken würde, doch Zeit hatte wohl auch keiner. Hätte Sina nichts zu tun, wüsste ich das. Manchmal sahen wir uns fast jeden Tag, wobei das nun vermutlich ein Ende hatte, da sie ihre Freizeit eher mit ihrem Freund verbrachte. Das fand ich verständlich und solange sie mich nicht ganz vergaß, konnte ich das ab.
Ich fischte mein Handy vom Nachttisch und scrollte durch meine Chats. Schließlich schrieb ich Aaron, ob er mir Marcs Handynummer geben würde. Wenn ich mich ablenken wollte, dann musste es so richtig sein. Da konnte ich auch direkt die Wette in Angriff nehmen.
Er schrieb gleich zurück und übermittelte mir die Nummer seines Kumpels selbstverständlich gerne. Wundervoll. Marcs leeres Chatfenster lag vor mir und ich hatte so viele Möglichkeiten. Unser gemeinsames Hobby konnte ein guter Einstieg sein, da hatte Aaron recht gehabt. Das musste ich nutzen.
Sophie, 16:29 Uhr: Hi, Sophie hier. Hab gedacht, ich frage dich mal, ob du Bock hast, am Sonntag mitzukommen. Wollte mir eine alte Mühle in der Nähe angucken.
Ich wartete eine Weile, doch die Häkchen wurden weder blau noch antwortete er. Das war eindeutig unbefriedigend. Während ich überlegte, ob ich in eine Klimaanlage investieren sollte, klopfte es an meine Tür.
»Was machst du?«, fragte Mama, die in Kleid und Sandalen dastand. Ein Einkaufskorb stand zu ihren Füßen und sie hielt ihr Portemonnaie in der Hand.
»Weiß ich nicht. Mich ablenken.«
»Ich will jetzt einkaufen. Brauchst du was?«
Mit einem Seufzen rollte ich mich auf den Bauch. »Wollen wir die Woche grillen? Bringst du mir Joghurt mit? Nur bitte nicht diesen komischen, den wir neulich hatten, da waren so seltsame Stücke drin, die ganz sicher keine Heidelbeeren darstellten.«
»Dann solltest du besser mitkommen.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Aber jetzt bitte, ich möchte nicht den ganzen Feierabendbetrieb abkriegen.«
»Dafür ist es zu spät. Ich ziehe mir eben Schuhe an.«
Im Auto war es warm. Draußen war es warm und auf dem Parkplatz des Supermarktes war es noch viel wärmer. Erst bei den Kühltheken wollte ich stehen bleiben.
»Wenn du noch länger in die Auslage starrst, lasse ich dich hier«, drohte meine Mutter, was mich dazu verleitete, mir meine Joghurts auszusuchen.
Es war ja nicht so, als würde ich nicht gerne in der Kühltruhe schlafen, aber zur Uni dauerte es dann morgen früh zu lange. Außerdem öffnete der Laden nicht vor acht Uhr und ob ich vorher rechtzeitig hier rauskam, war fraglich.
Wieder zu Hause setzte ich mich auf den Boden vor mein Bett. Mit dem Rücken lehnte ich mich an das Holzgestell und streckte die Beine aus.
Marc hatte sich in der Zwischenzeit gemeldet.
Marc, 16:45 Uhr: Hi, klar, gerne. Wann am Sonntag? Muss irgendwann auch noch lernen, aber das müssen wir ja alle.
Sophie, 18:09 Uhr: Erinner mich nicht daran. Was hältst du von 6 Uhr?
Marc, 18:10 Uhr: 6 Uhr morgens?
Sophie, 18:10 Uhr: Jep. Da ist es noch nicht so warm und wir haben noch genug Zeit, über den Tag etwas zu machen. Oder ist dir das zu früh?
Marc, 18:11 Uhr: Nee, nee, ich wollte es nur wissen.
Sophie, 18:11 Uhr: Musst die Nächte dann einfach zum Schlafen nutzen.
Marc, 18:12 Uhr: Das mache ich, glaub mir. Ich bin gar nicht so der Typ, um Nächte durchzumachen. Auch nicht zum Lernen. Nur wenn ich feiern gehe.
Sophie, 18:12 Uhr: Ich nutze die auch tendenziell zum Schlafen. Auf die ein oder andere Weise. :-P
Marc, 18:12 Uhr: ^^
Ich wartete noch einen Moment, es kam jedoch nichts mehr von ihm. Da war ich ja mal gespannt, ob er morgens um sechs Uhr wirklich fit war. Nicht dass ich ihn aus dem Bett klingeln musste. Das würde ich wahrscheinlich auch tun, denn das konnte witzig werden. Hoffentlich war er dann nüchtern. Falls er direkt von einer Party kam, ließ ich ihn stehen. Eine Alkoholeiche konnte ich nicht gebrauchen.
Ich schrieb Sina, ob sie nicht doch Zeit hatte – Fehlanzeige. Nachdem mich selbst Sinas mehrmals empfohlene und hoch angepriesene Lieblingsserie auf Netflix nicht packte, musste ich den Tatsachen ins Auge sehen: Lernen war unumgänglich.
Mittwochnachmittags lief ich immer ein bisschen beschwingter durch die Gänge der Uni. Ja, unter normalen Umständen hielt ich mich gerne hier auf und lernte Neues, allerdings waren die Prüfungen etwas anderes. Sie waren das Grauen.
Ich tat gerne mal so, als hätte ich ein schweres Leben, aber eigentlich durfte ich mich echt nicht beklagen. Ich wohnte noch zu Hause, mir wurden die Studiengebühren bezahlt und ich liebte den Job beim Studifunk. Radio war etwas, was ich mir im Gegensatz zu Jenny und Nils auch später vorstellen könnte.
Eigentlich hatte ich mehr als genug Zeit, mich endlich um ein Praktikum zu kümmern. Das musste ich so langsam mal tun. Und was passte da besser als ein Praktikum beim Radio? Allerdings sollte mich mal jemand antreiben, damit ich die Bewerbung abschickte. Prokrastination war mein dritter Vorname.
An unserem Radio gefiel mir vor allem, dass ich mittlerweile für Klatsch und Tratsch zuständig war.
Vor ein paar Wochen hatte ich für ein mittelgroßes Drama gesorgt, weil ich aus Jux verkündet hatte, dass der beliebteste Junggeselle am Campus nun vergeben war. Wir hatten das alle superlustig gefunden, bis Rieke eines Morgens einen filmreifen Brief mitbrachte. Da hatte sich jemand die Mühe gemacht, so richtig wie im Fernsehen Buchstaben auszuschneiden und ihr eine astreine Morddrohung zu schicken.
Zuerst fanden wir es alle witzig, doch als ein zweiter kam, änderte sich das. Rieke hatte es nicht auf die leichte Schulter genommen und bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt erstattet. Wir sollten aber keine allzu großen Erwartungen haben, da selbst Dennis nicht mal eine Vermutung hatte, welche seiner vielen Verflossenen dafür infrage käme. Gruselig, was bei manchen Menschen nicht richtig lief. Seitdem war zum Glück kein weiterer Vorfall dieser Art passiert.
Als ich den Vorraum zur Aufnahmekabine betrat, wischte Nils gerade mit einem Lappen auf dem Tisch herum, auf dem Pult und Mikro standen. Er trug seine Haare gerade so lang, dass er sie zu einem Zopf binden konnte, was meiner Meinung nach echt bescheuert aussah. Da ich quasi die gleiche Frisur trug, hielt ich mich mit Kritik jedoch zurück.
»Was hast du angestellt?«, fragte ich, was ihn zusammenzucken ließ. Anscheinend hatte er mich nicht kommen gehört.
»Entspann dich«, bat er. »Nichts passiert.« Mit einer Rolle Zewa kam er zu mir rüber.
»Ich kenne dein ›nichts passiert‹. Am Ende gibt es wieder ein riesengroßes Drama.«
Meine Tasche stellte ich auf einem der Stühle ab. Wer wusste schon, was hier noch alles ausgeschüttet oder umgeworfen worden war?
»Du übertreibst«, stellte er klar, aber damit bekam er mich nicht.
»Ich übertreibe? Du bist doch die Dramaqueen schlechthin.« Mit dem Finger deutete ich auf ihn, um meinen Worten mehr Nachdruck zu geben.
»Du nicht?« Er ließ sich locker auf einen Bürostuhl im Vorraum fallen.
»Hä? Nein. Wenn ich irgendwas nicht bin, dann eine Dramaqueen. Meine Katze ist eine. Das ist schrecklich.«
»Was hast du für eine?« Nils drehte sich auf dem Stuhl hin und her, ehe er nach einer Flasche Apfelsaftschorle griff, die ganz nah an der Wand auf dem Tisch stand.
Ob das der Übeltäter war?
»Eine graue Perserkatze. Ewig alt. Hab sie quasi schon immer. Sie heißt Tiffy. Und hasst Menschen.« Hatte ich sie nie zuvor erwähnt?
»Ach.« Nils schraubte die Flasche auf und warf den Deckel wieder zurück auf den Tisch. »Mich mögen alle Tiere.«
Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Das kannte ich schon. Es hatten bereits einige Leute behauptet, dass sie mit Tieren gut konnten, aber Tiffy war … na ja, Tiffy eben.
Meine Eltern durften sie anfassen und wenn sie gut drauf war, durfte ich es auch. Ansonsten niemand.
Selbst Sina, die schon ewig bei uns ein und aus ging, musste aufpassen. Tiffy hatte sich einmal an ihr Bein gehängt, weil meine beste Freundin die Katze hinter einer Ecke übersah.
Ich wollte mich nicht drauf versteifen, doch noch immer war ich quasi überzeugt, dass Tiffy das absichtlich getan hatte. Sie wollte einen Grund finden, Menschen wehzutun.
Marc verglich sie gelegentlich mit dem schwarzen Vieh aus Friedhof der Kuscheltiere, wenn wir über sie sprachen. Er sollte froh sein, sie noch nie live und in Farbe erlebt zu haben.
»Keine Sorge, ich hab da drinnen nichts kaputt gemacht«, erklärte Nils und deutete zum Aufnahmeraum.
»Das will ich stark hoffen«, erwiderte ich, was ihm nur ein Schulterzucken entlockte.
»Du müsstest es doch nicht bezahlen.«
»Natürlich nicht, trotzdem muss das ja nicht sein.«
Er stellte seine Flasche wieder an den sicheren Platz zurück, an dem er sie zuvor abgestellt hatte. »Nee, nee, schon klar.« Mit einem abklärenden Rundumblick erhob er sich. »Ich bin jetzt weg. Du willst doch wahrscheinlich eh noch etwas vorbereiten.«
Nicht unbedingt sofort, aber dazu musste ich Nils nicht aufhalten. »Alles klar. Wir sehen uns«, verabschiedete ich ihn, woraufhin er nickte und winkend verschwand.
Ich nahm seinen Platz auf dem Stuhl ein, jedoch nur kurz. Dann wollte ich mich lieber meiner Playlist widmen.
Meine Tasche nahm ich mit rüber, stellte sie am Schreibtisch ab und kippte erst mal eines der Oberlichter. Die Luft roch alt mit einer Note abgewetzten Gummis. Auf den Lamellen am Fenster lag ganz fein Staub. Das Thema der Woche lautete 90s, da dazu am Samstag mal wieder eine Party stieg. Ich selbst würde nicht hingehen können, doch das machte mir nichts aus. Ich freute mich auf die Mühle und es erfüllte mich mit Euphorie, dass ich in Zukunft jemanden hatte, der gerne und regelmäßig mitkommen würde.
Mithilfe des Internets suchte ich mir eine Liste mit den damaligen Charts heraus. Alle konnte ich schließlich nicht kennen.
Um Punkt halb vier ließ ich meine Stunde mit den Backstreet Boys starten. Was war mehr 90er als die Backstreet Boys?
Mit dem Fuß wippte ich ein bisschen mit, doch ich musste auch drauf achten, dass ich mein Mikro rechtzeitig wieder anstellte.
»Hallo Leute«, sagte ich, nachdem die letzten Töne verklungen waren. »Hier ist wieder Sophie mit Sag’s Sophie. Ich hoffe, eure Woche war nicht so katastrophal wie meine. Das Thema der heutigen Sendung habt ihr sicher bereits erkannt. Heute steht alles im Zeichen der 90er Jahre. Am Samstag steigt nämlich die Party des Jahres. Ihr müsst euch mal eine Pause gönnen. Deswegen lasst ihr es dann ab 20 Uhr so richtig krachen. Alle weiteren Infos bekommt ihr nach Fanta Vier. Wie immer könnt ihr mir auf Twitter und Facebook schreiben. Auch Kommentare auf unserer Website sind immer gern gesehen.«
Damit ließ ich Die da? von den Fantastischen Vier laufen und checkte dabei den Kommentarbereich unserer Website.
Es gab tatsächlich Leute, die auf meine Sendung warteten, was ich immer noch nicht so richtig geschnallt hatte. Das war, als hätte ich Fans. In einem der Kommentare wurde ich auf eine Party aufmerksam gemacht, die ich ankündigen sollte. Bei so was musste ich mich immer rückversichern, ob es gewünscht war, die Feier hier zu erwähnen. Private Feiern ließ ich deswegen generell links liegen. Ich konnte da nie sicher sein, ob es dem Gastgeber recht war, wenn plötzlich viel mehr Menschen auftauchten.
Ich erkundigte mich also, ob der Gastgeber dort schrieb und es abgesegnet hatte. Die Antwort fiel negativ aus. Immerhin. Er hätte mich auch anlügen können.
Normalerweise nahm ich solche Partyanfragen nur auf, wenn ich den Anfragenden kannte und genau wusste, wo und zu welchen Bedingungen die Party stattfand.
Letztes Jahr hatten wir eine Grillstelle an der Donau klargemacht und als Mitbringparty war das echt gut gelaufen. Beim nächsten Team-Meeting sollte ich das unbedingt noch einmal vorschlagen. Das Ganze ließe sich recht spontan organisieren.
Genau in dem Moment ploppte auf meinem Handy die Wetter-App auf und warnte aufgrund der aktuellen Höchsttemperaturen vor Grillen mit offenem Feuer. Als hätte mein Handy gewusst, was ich vorhatte. Das fühlte sich irgendwie gruselig an.
Mit spitzen Fingern drückte ich die Sperre wieder rein und schob es weit von mir weg.
Um mich abzulenken, suchte ich noch zwei Lieder raus, die ich anschließend direkt spielen wollte, und kümmerte mich weiter um die Anfragen.
Eigentlich half mir das Joggen immer, den Kopf frei zu bekommen und mich weniger mit meinen Sorgen zu beschäftigen. Es gab nichts Schöneres, als den Tag damit zu starten, eine Runde laufen zu gehen. David würde etwas anderes sagen, aber mein kleiner Bruder hatte da kein Mitspracherecht.
Heute jedoch half sogar meine morgendliche Routine nicht dabei, runterzukommen. Dafür hasste ich Vorträge zu sehr. Und heute stand mir einer bevor.
Es war immer noch warm draußen, als ich in kurzer Laufhose und T-Shirt das Haus verließ. Meine Smartwatch sagte mir, dass wir um fünf Uhr morgens bereits 24 °C hatten.
Normalerweise startete ich meine Aufwärmrunde im Sommer mit einem lockeren Pullover, da es nachts vergleichsweise empfindlich abkühlte, aber das war heute nicht nötig. In weiser Voraussicht hatte ich gar keinen übergezogen.
Ich trabte locker rüber in den Park, dehnte mich ein wenig und lief eine kleine Runde. Dann stellte ich meine Stoppuhr und machte mich daran, meine Zeit vom Vortag zu übertreffen. Ich hatte nur noch bis zum September, um mich richtig auf den Halbmarathon vorzubereiten, und so langsam musste ich aufhören, so viel zu trinken und jedes Wochenende unterwegs zu sein. Meine Distanzläufe wiesen noch nicht die Zeit auf, die ich anstrebte, um den Halbmarathon in anderthalb Stunden zu meistern.
Das war tatsächlich ein sehr ambitioniertes Ziel, doch es gab kaum etwas Besseres, als den inneren Schweinehund zu besiegen. Da traf es sich eigentlich sehr gut, dass mich Sophie gefragt hatte, ob wir uns am Sonntag eine alte Mühle ansehen wollten. Das hieß, dass ich Samstag zu Hause bleiben würde, und mehr als meine Bücher bekamen mich nicht zu Gesicht.
Das Lauftraining lief heute nicht so gut, wie ich es gerne gehabt hätte, aber ich schob es einfach darauf, dass ich mit dem Kopf ganz woanders war.
Als ich wieder über die Straße ging, überzog ein dünner Schweißfilm meine bloßen Arme. Selbst jetzt fror ich nicht. Nicht mal ein kleines bisschen.
Noch lag das Haus in völliger Ruhe, als ich meine Klamotten in den Wäschekorb warf und unter die Dusche stieg. Kalt ließ ich den Schweiß abwaschen, damit ich schnell das Wasser wärmer drehen konnte.
Wenn ich vom Sport kam, musste ich immer kurz kalt anfangen, da ich sonst das Gefühl hatte, nicht richtig sauber zu werden. Doch danach entspannte ich kleiner Warmduscher lieber bei einer heißeren Temperatur. Ich hasste kaltes Wasser.
Die Uhr im Bad zeigte halb sieben, als ich aus der Dusche trat und die Glaswände mit einem Gummiwischer abzog, damit keine Kalkflecken zurückblieben. Ich hatte noch reichlich Zeit zu frühstücken und mich dann auf den Weg zu machen, um nicht zu spät zu kommen.
Normalerweise würde mich das freuen, doch der Grund, weswegen ich so früh auf war, bereitete mir Magenschmerzen. Vorträge waren nicht mein Fall, da konnte ich noch so oft üben und mir Karteikarten schreiben.
Wenn ich da vorne stand und zu einer Menge Leute sprechen musste, begann ich, zu stammeln. Daran gewöhnte man sich, aber es nahm mir nicht die Aufregung, wegen der ich nicht hatte schlafen können.
»Guten Morgen«, begrüßte mich mein Bruder, der in der Küche stand und sich sein Frühstück zubereitete.
»Hi«, erwiderte ich und wuschelte mir durch die feuchten Locken.
Ich konnte mit denen eh machen, was ich wollte, sie saßen nie so, wie ich es mir vorstellte. Würde David seine Haare länger tragen, würden sie sich auch locken, doch er rasierte sie immer so kurz, dass es nicht passierte.
»Das ist ein Wetter, was?«, fragte er mich und kontrollierte den Topf auf dem Herd.
»Du kochst jetzt nicht gerade Eier, oder? Massephase oder was?«, wollte ich wissen, aber David grinste nur. »Wie lange sind die schon drin?«
Mit einem prüfenden Blick suchte ich nach einer Eieruhr. Im Hause Brunner kochte niemand Eier, ohne eine Uhr zu stellen.
»Sechs Minuten«, informierte mich mein kleiner Bruder, nachdem er auf sein Handy gesehen hatte.
»Du kochst sie hart.«
»Ja, natürlich, ich will sie mit zur Arbeit nehmen.«
Mit einem Seufzen griff ich mir ein Ei aus der Verpackung und legte es ans Ceranfeld, damit ich es gleich reintun konnte, wenn David fertig war.
»Guten Morgen. Seid ihr zwei heute Abend zu Hause?«, fragte Papa, der bereits mit der Tageszeitung in die Küche kam und aussah, als würde er direkt loswollen.
David und ich warfen uns einen fragenden Blick zu.
»Ich ja, bin wahrscheinlich mit Lernen beschäftigt«, sagte ich und schielte zum Handy.
Herrgott, die Eier waren doch bereits hart. Noch härter ging es nicht.
David nickte irgendwo neben mir. »Wollte mal gucken, was Kathi so vorhat. Eigentlich ist nichts geplant. Wieso?«
»Hab gedacht, wir könnten mal wieder einen Spielabend machen. Was meint ihr?«
Sein Ernst? Wusste er etwa nicht mehr, was beim letzten Mal passiert war? Ich stimmte zu, aber mit einer Diskussion am frühen Morgen, was für Spiele wir vorschlugen und ob David sich zusammenreißen würde, wollte ich nichts zu tun haben.
Im Bus ging ich meine Karteikarten noch einmal durch und hatte wirklich das Gefühl zu wissen, was ich gleich erzählen würde. Aber mir war auch klar, dass es nur eine Momentaufnahme sein konnte. Vorne vor den Leuten sah es schon wieder ganz anders aus.
Zum Glück fand der Vortrag gleich in der ersten Vorlesung statt, sodass ich es direkt hinter mir hatte.
Den Blick ließ ich gesenkt, als ich über den Campus huschte. Meine Freunde liefen hier sicher irgendwo herum, doch dafür hatte ich keinen Kopf.
Das tat mir immer leid, wenn sie mich grüßten und ich in solchen Momenten nicht reagierte, aber da mussten sie Verständnis aufbringen.
Auf meinem Sitzplatz in der Vorlesung wippte ich die ganze Zeit mit dem Bein. Es war mir nicht möglich, es ruhig zu halten. Meine Finger tippten lautlos auf den Tisch.