The Writer's Cut - Eric Idle - E-Book

The Writer's Cut E-Book

Eric Idle

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Beschreibung

Ein sehr verrückter und leicht versauter Roman von Monty-Python-Star Eric Idle. Stanley lebt in Hollywood und schreibt gelangweilt Drehbücher, als ihn die Muse küsst: Er wird einen Hollywood-Roman schreiben mit vielen Sexszenen und vielen Promis. Sofort macht das die Runde, und plötzlich wollen alle in diesem Roman eine Rolle spielen, denn wer nicht vorkommt, zählt nichts in Hollywood. Der Buchvertrag ist unterschrieben, die Marketingmaschine läuft auf Hochtouren, doch leider gibt es eine Kleinigkeit, die Stanley meistens erfolgreich verdrängt oder im Champagner ertränkt, vor allem, weil er kaum noch die Zeit findet vor lauter Medienauftritten: Noch hat er keine Zeile geschrieben …Ein Gag jagt den nächsten in dieser umwerfend komischen Satire, die nicht nur Fans von Monty Python hoch erfreuen wird.

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Seitenzahl: 185

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Eric Idle

The Writer’s Cut

Ein Reality-Roman aus Hollywood

Deutsch von Julian Müller

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Eric Idle

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

MottoVorrede1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel
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Überlege gut, was du dir wünschst.

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Chateau Marmont

Sunset Boulevard

West Hollywood

12. November 2003

 

Euer Ehren,

was ich jetzt erzähle, ist wirklich so passiert.

Ich kann nur um Vergebung bitten und auf die Gnade des Gerichts hoffen.

Es tut mir leid.

Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, reinen Tisch machen zu dürfen.

In meinen Kreisen nennt man das eine Rückblende.

 

Stanley Hay

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1

Los Angeles. Januar 2003

Mein Name ist Stanley Hay, und von Beruf bin ich Autor. Ich schreibe Drehbücher für Filme und für Sitcoms. Und Gags für Fernsehshows. Vielleicht kennen Sie ein paar davon. »Ich glaube an eine strikte Trennung von Kirche und Erde.« Der ist von mir. Bin so einigen damit auf die Füße getreten. Dabei will ich gar nicht unbedingt Ärger. Aber anscheinend habe ich ein Talent dafür. Ich kann vom Texten und davon Abkupfern ganz gut leben, wollte aber schon immer einen richtigen Roman schreiben, und dieses Jahr, im Januar 2003, war es so weit.

Nur leider lief es ganz anders als geplant.

Steve Martin sagt, das Problem mit fiktionaler Literatur ist, man liest ganz vergnügt ein Buch, und auf einmal wird daraus ein Roman. Sie sollten mal hören, wie er das sagt. »Es wird ganz romanig.« Steve hat’s voll drauf, echt. Ich könnte mich jedes Mal krummlachen. Einfach nur, wie er das sagt. »Ganz romaaaanig.« Aber ist doch so, oder? Das ist das Problem bei Romanen. Sie sind viel zu offensichtlich erfunden. Vielleicht haben wir diese Plots mit Handlungsfäden und Figuren einfach satt, der übliche Schrott eben. Aha, sie landet doch mit ihm im Bett. Er kriegt sie doch rum. Sie brennen alle durch und heuern bei der Navy an … Ich meine, wir lesen seit Jahrhunderten Bücher und glotzen seit Jahrzehnten Filme und Serien, und bis wir erwachsen sind, haben wir Hunderttausende Geschichten bis zu Ende ertragen, also wissen wir alles über unerwartete Wendungen und Schicksalswenden, Peripetie und diesen ganzen aristotelischen Dreck, den man an der Uni zu fressen kriegt. Aber das echte Leben hat keinen Plot. Es plätschert einfach so dahin.

Und genau das wollte ich schreiben. Einen Reality-Roman. Einen Roman über einen Hollywoodautor, der einen Roman über einen Hollywoodautor schreibt, der einen Roman über Hollywood schreibt.

Warten Sie. Es steckt mehr dahinter. Das war nur, damit ich Sie zum Schmunzeln kriege. Ich bin schließlich ein Gag-Schreiber. Ich nehme jeden Lacher mit, selbst wenn er billig ist. Das habe ich weiß Gott schon teuer bezahlt.

Ich nenne meinen Roman The Writer’s Cut. Das ist ein postironischer Titel, weil es das so nie geben wird. Einen Film als Writer’s Cut rauszubringen, das macht niemand. Da würden die schon eher den Caterer’s Cut bringen, den Snackbar-Cut oder den Parkservice-Cut. Wir sind im postironischen Zeitalter. Mit Reality-TV haben wir Ironie endgültig hinter uns gelassen. Genau wie in der Politik. Da sitzt ein Clown im Weißen Haus, und keiner lacht.

The Writer’s Cut wird sehr heutig in Sachen Struktur, Stil und Inhalt, mit jeder Menge Sexszenen, logisch, weil sich das gut verkauft. Ich werde natürlich selbst in meinem Roman vorkommen. So läuft das doch heutzutage. Ich will ein Star sein, wie jeder andere auch. Ich will, dass man mich im Fernsehen sieht, wie ich mein Buch in die Kamera halte. Na und? Manche Leute wollen den Mount Everest bezwingen, andere ziehen sich ein Hühnerkostüm an und steigen in den Wrestling-Ring. Im postironischen Zeitalter ist das alles erlaubt.

Ein dickes Buch wird es nicht. Wälzer sind out. Die verkaufen sich nicht. Wir leben im Zeitalter des O-Tons. Kurz, knackig, unverblümt. Mein Roman bringt Klatsch und Tratsch über das Leben auf den Straßen und unter den Laken Hollywoods, voller Sex und Sternchen. Und voller Skandale. Mit der Wahrheit nehme ich es natürlich nicht so genau, dafür ist das Leben eines Autors einfach nicht spannend genug.

Aufgestanden. Geschrieben. Einen abgeseilt. Geschrieben. Wieder ins Bett. Aufgestanden. Geschrieben. Kopfschmerzen gehabt. Keine Ideen gehabt. Drink gemacht.

Das ist total unspannend, obwohl ich meine Freundin Tish einmal dazu gebracht habe, nackt für mich zu posieren, während ich schrieb. Warum sollen nur Maler Aktmodelle haben? Ich dachte, ein Modell könnte mir helfen, etwas Außergewöhnliches zu schreiben. Also ließ Tish alle Hüllen fallen und bettete ihren Luxuskörper aufs Sofa, während ich meinen Laptop hochfuhr.

Ich schrieb kein einziges Wort.

Maler haben dann wohl doch mehr Disziplin.

Für mich hatte Schreiben schon immer etwas Erotisches.

Das und Sex.

Sorry, musste sein. Typisch Gag-Schreiber.

»Du und dein Witzreflex«, meinte Tish mal.

»Dein Reflex ist erst ein Witz«, konterte ich und meinte ihren Würgereiz beim Blasen. »Wer den Mund voll nimmt, muss es nehmen, wie es kommt.«

Sie war stinksauer. Tish kann Komiker nicht ausstehen. Jedenfalls nicht mich. Sie kann einfach nicht über sich lachen. Sie ließ mich tagelang nicht ran.

Von meiner Englischprofessorin am College weiß ich alles übers Schreiben. Das und wie man die Klitoris zum Glühen bringt. Sie war eher nicht die typische Englischdozentin. Sondern blond, gebaut wie ein Playmate und gab Shakespeare- und Yogaseminare an der University of Santa Barbara. In meinem letzten Jahr an der Uni brachte sie mir ein bisschen was übers Schreiben bei und einen ganzen Haufen über die Klitoris. Sie gab mir eine Eins, aber ich glaube, mehr für meine Anstrengungen als für meine Fähigkeiten in Liebes- oder Literaturdingen. Witzig war sie jedenfalls, und wir erzählten uns im Bett oft literarische Witze.

»Wie nennt man Intellektuelle, die Erotikromane schreiben?«

»Die Kliterati.«

»Was sagen schwule Literaten auf einer Party? ›Melville bloß deinen Poe.‹«

»Wie heißt Beethovens 69.?«

»Die Post-Orale.«

Jetzt verstehen Sie vielleicht, wieso ich bei den Gag-Schreibern gelandet bin.

Apropos: Geht das nur mir so, oder ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie viel Sex einen heutzutage von überall her anspringt? Fernsehen, Werbung, Filme, Zeitschriften. Wir sind wie unter Hypornose. Der Katalog von Victoria’s Secret, der jeden Monat durch den Briefschlitz flattert, ist praktisch sexuelle Belästigung. Ich sollte ihn abbestellen. So oft trage ich Damenunterwäsche nicht. Ich sitze beim Friseur und lese in Frauenzeitschriften Artikel, bei denen man rot werden muss.

Wo finde ich das Perineum? (Und ich dachte, das wäre ein Londoner Club.)

Wie du IHN mit dem Mund kirre machst! (Indem du ohne Punkt und Komma quasselst?)

Analsex: Wann darf er die Hintertür benutzen? (Wenn er seinen Schlüssel vergessen hat?)

Hilfe.

Und das zwischen pornomäßiger Dessouswerbung und Proben von erregenden Duftneuheiten. Ich kriege allein schon vom Lesen einen Ständer, mitten beim Friseur. Dabei haben wir uns so daran gewöhnt. Das lockt kein Schamhaar mehr hinterm Schlüpfer vor.

Die Hauptstoßrichtung meines Romans (blöder Kalauer, ich weiß) wird die sexuelle Beichte eines Hollywoodautors sein. Im Wesentlichen ist es also ein oberflächlich getarnter Angriff auf mich selbst, inklusive Genitalwarzen und so. Eine männliche Bettgeschichte mit Schwerpunkt auf anzüglichen und lüsternen Storys aus den Hollywood Hills, zusammengestellt aus den dicktuerischen Anekdoten meiner Freunde und aufgehübscht mit völlig übertriebenen Episoden aus den Jahren, in denen ich reihenweise Schauspielerinnen flachgelegt habe. Ich werde so viele namentlich nennen, wie mir die Anwälte erlauben, und ansonsten sehr deutliche Hinweise geben. Zum Beispiel kann ich andeuten, dass ich mit Jennifer, Kate, Kirsten, Cameron und Daryl ein Wochenende im Bett verbracht habe, ohne es je konkret zu behaupten. Das ist alles nur Gemunkel, total widerlegbar. Und total kommerziell. Billiger Trick, ich weiß, aber hey, einen auf dicke Hose, das wollen die Leute heute lesen.

Ich finde das eine Mörderidee.

Sie kam mir auf dem Weg ins Valley zu einem Vortreffen für ein Treffen, bei dem ich ein Treffen ausmachen sollte. Irgendwer hatte eine Idee für ein Konzept, und jetzt brauchten sie einen Drehbuchschreiber (mich), der ihnen sagt, was das für eine Idee ist. So läuft das hier in Hollywood. Wir gehen zu irgendwelchen Meetings und hören Leuten beim Rumbrüllen zu. Wenn Sie mich fragen, sind die hier in Hollywood die ganze Zeit auf hundertachtzig. Eine Mischung aus unterdrückter Wut, gescheiterten Ambitionen und zu viel Koffein. Sie sitzen in ihren Autos, gestikulieren wild mit den Armen und brüllen in ihr Smartphone.

»Der kann mich mal. So ein Pisser. Blöder Arsch!«

Dass überhaupt jemand heil ankommt, ist ein Wunder.

Heute fahre ich zu einem Pitch Meeting bei Mercy Champion.

Mercy Champion gehören einige der bestkostümierten und erfolgreichsten Comedyserien im Fernsehen.

Ich habe keine Ahnung, was ich pitchen werde.

+ + +

Um zehn sollte ich Sam im »Büro« treffen. So nennen wir das Deli-Restaurant in West Hollywood, wo wir frühstücken und stundenlang dummes Zeug quatschen, bevor wir dann beruflich dummes Zeug schreiben. Sam ist mein Partner, ein Komiker mit Haaren in Karottenfarbe, der aussieht wie ein wolliger Lolli. Seine Haare sind zottelig wie bei einem rostigen Schaf. Er hat so viele davon, er könnte Donald Trump welche spenden und hätte immer noch genug für einen hässlichen Strickpullover. Sam trägt eine trendige Hornbrille (ein Tom-Ford-Imitat) und ist ziemlich schmächtig, dafür aber verdammt witzig. Wir arbeiten gerade an einer saugut bezahlten Neufassung eines unterirdischen Drehbuchs für Mickey Mikado bei Disney, die am besten gestern fertig sein soll. Frosch dich nicht zu früh ist ein grottiger Film über ein paar Collegekids, die im Chemielabor aus Versehen zu Fröschen werden. Und jetzt müssen sie eine jüdisch-amerikanische Prinzessin finden, die sie küsst, damit sie wieder … Sie wissen schon. Es ist der allerletzte Rotz, aber in zehn Tagen gehen die Dreharbeiten los, und es ist eben gut bezahlt. Aber leider ruft Morty um neun an und sagt, er hat bei Mercy Champion einen Termin ausgemacht und ich soll dort besser auftauchen oder mir gleich jemand Neuen suchen.

Immer gleich in die Vollen, der Gute.

Morty ist mein Agent. Er wohnt in einer dieser Bürozellen bei William Morris, seiner Agentur. Tag und Nacht am Telefon. Der SuperJew, so nennt er sich. Das hat er doch von Lenny Bruce geklaut, garantiert. Er nörgelt ständig rum, ich solle Shitcoms schreiben, aber ich will, dass er meinen Roman verkauft.

»Deinen Roman? Um Gottes Wilhelm, du schreibst einen Roman? Hast du sie noch alle?«

Ich erzähle ihm meine Idee für The Writer’s Cut.

Morty findet sie beschissen. »Einen Hollywood-Roman. So was hat uns gefehlt wie noch ’ne Pizza für Wolfgang Puck. Alter, wer liest denn ein Buch über Autoren? Niemand. Wer interessiert sich einen Scheißdreck für Autoren? Niemand. Ich sag dir was über Autoren. Die gibt es wie Sand am Meer.«

Morty ist Autorenagent.

Das ist mal Postironie, was?

Ich nenne ihn Agent Orange, weil er so viele Leben ruiniert. Aber natürlich nicht direkt ins Gesicht.

Ich brauche ihn ja.

»Der Typ, der mein Auto einparkt, ist nützlicher als ein Scheißautor. Wieso? Soll ich dir sagen, wieso? Weil in dieser Stadt kein Mensch liest. Wenn dir jemand sagt, er hat das Skript gelesen, dann lügt er. Die Zeit hat keiner. Vielleicht hat er den Précis gelesen. Wenn es hoch kommt.«

Précis nennt man hier die kurze Zusammenfassung des Drehbuchs, die von Leuten geschrieben wird, die noch nicht mal als Autoren landen können und dafür bezahlt werden, die endlose Flut an Drehbüchern zu lesen, die sich über die Schreibtische der Produzenten ergießt. Manche lassen sich für Treatments Zusammenfassungen erstellen. Ich kenne einen Typen bei Disney, der sogar seine E-Mails zusammenfassen lässt.

»Einen Roman? Verarschen kann ich mich alleine. Das ist eine Riesenzeitverschwendung. Mach endlich die Sitcom. Da gibt es Kohle. Du mit deinen Scheißbüchern«, sagt er.

Ich erzähle ihm, dass man daraus einen richtig guten Film machen könnte, und erstaunlicherweise legt er nicht auf. Er knurrt noch, dass Bücher Schnee von gestern sind und wir 2003 haben und es in zehn Jahren eh keine Buchläden mehr geben wird. Aber ich merke, dass ihm die Vorstellung gefällt, den Film zu verkaufen.

»Ist er fertig?«

»Willst du ihn lesen?«

»Sehe ich so aus? Schick mir den Précis.«

Ich versichere ihm, dass er ihn morgen bekommt.

»Ich rufe ein paar Leute an«, sagt Morty. »Und die Sitcom?«

Ich verspreche ihm, das Meeting nicht zu vermasseln.

»Und sei zur Abwechslung mal nett, Stanley. Mercy Champion hat deine Idee tatsächlich gefallen. Es ist im Valley. Um zehn. Und bitte pünktlich.«

Bei Morty klingt es, als hätte ich einen Termin beim Jüngsten Gericht. Beim jüngsten Gerichtsvollzieher würde besser passen, denn ich habe gerade fünf Riesen für die Reparatur meiner schönen Corvette hingelegt.

Ich vergesse, ihn zu fragen, was ich eigentlich pitchen soll.

Mercy Brent und Dennis Champion sind die selbst ernannten »Kings of Komedy«. So steht es auf der Tür zu ihrem wichtigen Bungalow auf dem CBS-Radford-Gelände, von dem aus sie ein Imperium von Sitcoms beherrschen, voller netter Leute, die total nett zueinander sind. Zum Kotzen. Aber ich habe Schiss, Morty zu verlieren. Jedenfalls noch mehr Schiss als vor Sam. Vor Mickey Mikado habe ich auch Schiss, weil der sich einfach nicht unter Kontrolle hat. Wenn er sauer ist, prügelt er mit einer Reitpeitsche auf seinen Ledersessel ein. Außerdem gehört seinem Bruder ein Hotel in Las Vegas, was wohl mehr als genug über diese Familie sagt. Boxernasen, sage ich nur. Wir verstehen uns? Man lässt ihn lieber nicht warten. Nicht, wenn man seine Beine behalten möchte. Er wollte die Neufassung gestern, aber ich muss Sam versetzen, damit ich zu diesem Treffen bei Mercy Champion fahren kann. Einen neuen Agenten suchen, das kann ich mir nicht leisten.

Mein Partner ist gar nicht begeistert, dass ich es nicht zur Arbeit schaffe, weil ich zum Zahnarzt muss.

»Ist das etwa wieder nur ein Vorwand?«, fragt er.

»Sam …«, sage ich vorwurfsvoll, »würde ich dich anlügen?«

»Mickey Mikado will vorbeikommen und gucken, wie weit wir sind.«

»Sag ihm schöne Grüße.«

»Kann das nicht warten?«

»Sam, ich kann kaum sprechen, so weh tut es.«

»Nicht so sehr wie mir beim Zuhören«, sagt Sam. Er hat einen eingebauten Bullshit-Detektor.

»Mickey Mikado wird einen richtigen Hals kriegen, wenn du hier nicht auftauchst«, sagt er. »Wir haben ihm den Endschliff für Dienstag versprochen, und heute ist schon Freitag.«

»Er kann mich mal«, antworte ich, was im L.A.-Jargon »Ruf ihn an und vertröste ihn« heißt.

»Ich werde versuchen, dass sie die Deadline noch ein bisschen verschieben«, sagt Sam. »Aber in zehn Tagen wollen die das Teil drehen.«

»Dann sag den Schauspielern, sie sollen sich einfach was ausdenken.«

»Machen sie doch sowieso.«

Das ist ein ritualisierter Autorenwitz. So beenden wir immer unsere Telefonate.

Die Fahrt auf dem Laurel Canyon Boulevard zieht sich. Es ist eigentlich nur ein kurzes Stück, aber alle Manager der Studios im Valley fahren zu Meetings in Beverly Hills, und alle Agenten aus Beverly Hills fahren zu Meetings in den Studios im Valley, also geht auf den Straßen überhaupt nichts mehr. Ich nehme die Abkürzung über Mount Olympus. Das Wetter in L.A. ist traumhaft. Es ist Anfang Januar, und die Santa-Ana-Winde wehen. Das Licht ist herrlich intensiv, die Atmosphäre sprüht nur so vor Energie, der Himmel ist kristallklar und kobaltblau. Kein Wunder, dass die Leute hierherziehen.

Auf den Bergen liegt eine feine Schneeschicht. Man sieht die Berge nur zu dieser Jahreszeit, wenn die Winde den ganzen Abgasmist an Pasadena vorbei aus der Stadt blasen. Ich komme also über den Mount Olympus und sehe das Zentrum von L.A. im Sonnenlicht glitzern. Wenn man einmal den Mulholland Drive überquert hat, kann man meilenweit gucken, auf endlose Ausläufer von Hügelketten, die sich bis nach Santa Barbara ziehen, und heute ist es noch klarer als sonst. Das liebe ich an Los Angeles. Das Wetter und den Dresscode. Ich fahre in Sneakern und im T-Shirt zu einem wichtigen Verkaufsgespräch.

Genau bei diesem Meeting auf dem Gelände von CBS Radford kommt mir die geniale Idee. Sie hat nichts mit der Sitcom zu tun, um die es gleich gehen wird. Und weil sie zwar genial, aber gleichzeitig so simpel ist, kriege ich kurz Panik, dass das bestimmt schon mal jemand gemacht hat. Aber ich glaube es ehrlich gesagt nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, eine erstklassige Topidee zu haben.

Ich bekomme einen Gästeparkausweis und werde von einem Wächter in Uniform auf einen geräumigen Parkplatz neben ein paar richtigen Luxusschlitten gelotst. Diese glänzenden Statussymbole gehören den Schauspielern einer supergut bezahlten Sitcom, die hier auf dem Gelände gedreht wird. Einige von ihnen kassieren über eine Million Dollar pro Woche, und dann kriegen sie diese Schlitten auch noch kostenlos gestellt. Krank.

Ich kann es kaum erwarten, zu ihnen zu gehören.

Die Leute, mit denen ich mich treffe, haben einen kleinen, aber hübschen Bungalow neben einem wuchtigen Betonbunker gemietet. Alles an diesem Bungalow stinkt nach Artdirector: die Holzstufen, die frisch aufgetragene gelbe Farbe, die kanariengelben Flattervorhänge und die knallroten Geranien in angemalten Blumentöpfen. Der Bunker daneben heißt Studio Ten, und ein trauriges Banner von Survivor Two hängt an seiner verwaschenen Front.

Mercy Champion sind natürlich zu spät. Wenn man in Hollywood nicht zu spät ist, heißt das, man ist nicht angesagt. Das gibt mir immerhin die Gelegenheit, den neusten Klatsch und Tratsch zu lesen und die Sekretärinnen anzugaffen. An einem Computer sitzt eine echte Granate in einem engen weißen Kleid und spielt Freecell. Sie wirkt gelangweilt. Hin und wieder sieht sie auf und gibt mir Bescheid, dass es noch ein wenig dauert.

Mir macht das nichts aus. Ich könnte sie den ganzen Vormittag anstarren.

»Kann ich Ihnen etwas Gutes tun?«, fragt sie.

Mir fallen etwa hundertfünfzig Sachen ein, aber ich beschränke mich auf ein kleines Perrier.

Nach einer weiteren halben Stunde geht die Tür auf, und Ellen DeGeneres kommt raus. Sie sieht mich nicht an, aber sie hat ein selbstzufriedenes kleines Lächeln auf den Lippen.

Ich merke sofort, wie froh sie sind, dass sie da war, und noch froher, dass ich mitbekommen habe, wie sie gegangen ist. Alle sind unglaublich fröhlich. Ich kriege den ganzen Restpromi-Glanz ab.

Das Büro sieht aus wie ein Wohnzimmer, nur mit viel zu vielen Möbeln. Ein halbes Dutzend Leute sitzen auf Couchlehnen und haben sich auf dicken Ledersesseln zusammengequetscht. Wir sollen eigentlich über meine Sitcom reden, aber erst einmal plaudern wir über Ellen, wie angesehen sie ist und wie unglaublich beliebt. Niemand scheint es eilig zu haben, mein Projekt anzusprechen.

Ich gelte technisch gesehen als »in der Entwicklung«, was so viel heißt wie »beim Schreiben«, außer, dass man nicht wirklich schreibt. Man geht zu Meetings und hört sich von Leuten an, die nichts schreiben, wie das fertige Produkt sein wird, wenn man es dann geschrieben hat.

»Es wird schonungslos sein, aber mit einem soften Touch.«

»Unglaublich witzig, aber ohne die Sympathien des Publikums zu verspielen.«

»Total fesselnd, sehr heutig, und doch unter der Oberfläche auch warmherzig, aber zugleich auch zum Schreien komisch.« So in der Art.

Ich lächle einfach weiter, während sich ihre Münder bewegen. Ich bin kein aufbrausender Typ, aber dieses »wir suchen eine total coole, originelle Serie«, während sie eigentlich nur eine blöde abgekupferte Show beschreiben, halte auch ich nur bis zu einem gewissen Grad aus.

»Wir glauben an Sitcom.com«, sagt Mercy mit der Überzeugung einer Nonne.

Pling. Natürlich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich hatte mir einen »Entwurf« mit dem Arbeitstitel Sitcom.com aus den Fingern gesaugt, über eine Gruppe Cappuccino trinkender junger Twens, die versuchen, eine Sitcom im Internet zu etablieren.

»Das ist mal was ganz Neues und sehr hip«, sagt Mercy.

»Zielgruppe sind die ›Neuen Jungen‹«, fügt Champion hinzu.

»Sind denn die ›Alten Jungen‹ schon gestorben?«, frage ich, ohne nachzudenken.

Alle starren mich an.

»Sorry«, sage ich, »kleiner Scherz.«

Oh. Alle brechen in übermäßiges Gelächter aus. Als hätte Woody Allen was gesagt. Es ist einfach peinlich. Aber sie müssen glauben, dass ich witzig bin, also bewahre ich Haltung, während sie sich auf den Sofas kugeln und gegenseitig versichern, dass ich irrsinnig komisch bin.

»Sie haben genau unseren Vibe«, sagt Mercy.

»So fresh«, sagt Champion.

Mercy nickt begeistert. »Bei Sitcom.com dreht sich alles um junge Leute, die sich clevere Einzeiler um die Ohren hauen.«

In Wirklichkeit wissen wir alle, dass es um Werbeeinnahmen geht. Darum, die Trottel zwischen den Werbepausen vor der Glotze zu halten. Mehr nicht. Sie mit hübschen Mädels mit hübschen Titten vollzudröhnen, die hübsche Sprüche zu Vollpfosten in engen Jeans sagen.

Sie zeigen mir Bilder von Frauen, die sie für die Pilotfolge gecastet haben, die ich am besten sofort schreiben soll, sobald der Deal unter Dach und Fach ist. Dann können sie die Serie auch gleich Tittcom nennen. Oder Danke für die Hupen. Aber sie versichern mir, dass alle Mädels nicht nur umwerfend schön sind, sondern auch total witzig. Und sie sagen, wie sehr sie an dem Projekt interessiert sind, wie unglaublich sie sich schon darauf freuen, mit mir zusammenzuarbeiten, dass wir Unsummen an Geld gemeinsam daran verdienen werden und dass es ein »Riesenspaß« werden wird. Das ist mein Abschiedsstichwort, also stehe ich auf, schüttle allen die Hände und bedanke mich so aufrichtig, wie ich kann. Ich kann nur hoffen, dass jemand die Idee klaut, bevor ich das schreiben muss. Keine ganz unbegründete Hoffnung übrigens, Hollywood ist so undicht wie ein Kondom aus dem Nähkästchen. Schuld dran sind die Agenten und die Anwälte. Sie gehen zusammen essen, plaudern und tauschen Storys über Projekte in der Entwicklungsphase aus. Und zack, verkündet irgendein Arsch es als seine neue Idee. Aber ist mir auch egal. Sie klauen eh nur Schrott.

Ich fahre gerade vom Gelände, als sie mich trifft wie ein Schlag. Meine geniale Idee.

Ellen sollte in meinem Buch auftauchen.

Und nicht nur Ellen.

Lauter Promis. Echte Leute.

Mein Roman wird voller Stars sein.

Nach meiner saugenialen Knalleridee geht es mir so gut, dass ich im Auto singe. Ich fahre direkt nach Hause, um mit meinem Buch anzufangen, dem ersten Roman voller Hollywoodstars.

Ich wohne in einem winzigen, gegen einen Abhang gedrückten Haus hinten am Sunset und rolle gerade Joni Mitchell schmetternd den Laurel Canyon Boulevard herunter, als Sam anruft. Selbstzufrieden, wie ich bin, vergesse ich völlig, dass ich ja eigentlich beim Zahnarzt bin. Also erzähle ich ihm schön brühwarm, dass ich gerade ein sehr erfolgreiches Pitch-Meeting mit Mercy Champion hatte.

Er ist nicht begeistert.

»Noch nicht mal vernünftig lügen kannst du«, sagt er.

»Ich hab den Gig«, erwidere ich. »Das ist ja wohl der unstrittige Beweis, dass ich vernünftig lügen kann.«